Mehr Geld, mehr soziale Absicherung, mehr Reservisten: Bundeswehr will ‚personelle Einsatzbereitschaft‘ verbessern – Zusammenfassung (m. Entwurf)
Mit einem Bündel aus finanziellen und sozialen Verbesserungen, aber auch organisatorischen Änderungen will die Bundeswehr angesichts ihrer Personalprobleme die Einsatzbereitschaft der Truppe verbessern. Das Bundeskabinett beschloss am (heutigen) Mittwoch dafür den Entwurf für ein Gesetz zur nachhaltigen Stärkung der personellen Einsatzbereitschaft der Bundeswehr (BwEinsatzBerStG). Unter anderem sollen Kurzdiener deutlich mehr Wehrsold erhalten, Soldaten in Auslandsmissionen sowie nach Dienstende besser sozial abgesichert werden und leichter als bisher Reservisten als Übergangslösung für nicht besetzte Dienstposten herangezogen werden können.
Die Kosten der Neuregelungen werden im Gesetzentwurf mit zunächst zehn Millionen Euro für dieses Jahr beziffert; ab 2021 betragen die Mehrkosten rund 163 Millionen Euro pro Jahr. Grund für die geplanten finanziellen und sozialen Verbesserungen für Soldaten ist die für die Bundeswehr unbefriedigende Personalsituation: Die Zahl der aktiven Soldatinnen und Soldaten steigt derzeit nur sehr langsam und bleibt hinter den Plänen für eine Aufstockung der Streitkräfte zurück. Bereits jetzt werden Reservisten für Monate auf Stellen gesetzt, wenn Soldaten in einen Einsatz oder auf längere Lehrgänge gehen.
Eine Neuregelung im Gesetz, die sehr schnell wirken wird und wohl auch soll, ist eine Einschränkung der so genannten Soldatenarbeitszeitverordnung. Diese Umsetzung der EU-Arbeitszeitrichtlinie begrenzt die regelmäßige wöchentliche Arbeitszeit für Soldaten seit Anfang 2016 auf 41 Stunden. Das führte in verschiedenen Bereichen der Truppe zu Problemen; für Auslandseinsätze oder Seetage der Marine gelten bereits Ausnahmen.
Künftig sollen auch bestimmte Aufgaben im so genannten Grundbetrieb ausgenommen sein: Konkret werden die Alarmrotten der Luftwaffe genannt, die rund um die Uhr innerhalb einer Viertelstunde zu Einsätzen über Deutschland starten können, sowie der Rettungsdienst der Marine. Damit kommt das Ministerium absehbaren Problemen vor allem bei Luftwaffengeschwadern zuvor. (Korrektur: diese Neuregelung gilt nur für fliegendes Personal und nicht, wie hier zuvor irrtümlich geschrieben, auch für Techniker.)
Der überwiegende Teil des Gesetzespakets betrifft allerdings finanzielle und soziale Anreize für aktive Soldaten. So werden die sozialen Leistungen, die Soldaten nach einer Verwundung oder einem Unfall im Auslandseinsatz beanspruchen können, ausgeweitet: Bislang gelten die Regelungen nur für die Auslandseinsätze, für die der Bundestag ein Mandat beschlossen hat. Künftig sollen davon auch so genannte einsatzgleiche Verpflichtungen erfasst sein, wenn dieser Einsatz eine bestimmte Gefährdungslage mit sich bringt. Als konkretes Beispiel nennt das Ministerium die NATO-Battlegroup in Litauen mit den bis zu 600 deutschen Soldaten in der enhanced Forward Presence (eFP) an der Nordostflanke der Allianz.
Ausgeweitet wird auch die Unterstützung für ausscheidende Zeitsoldaten, die bereits jetzt für den Umstieg in das zivile Berufsleben vorbereitet und gefördert werden. So sollen die Zuschüsse für die Eingliederung in den zivilen Arbeitsmarkt, gestaffelt nach militärischer Dienstzeit, erhöht werden. Zugleich zahlt die Bundeswehr für die Zeitsoldaten wie auch für die Freiwillig Wehrdienst Leistenden (FWDL) mit maximal 23 Monaten Dienstzeit mehr in die Rentenkasse, um spätere Lücken in der Altersversorgung auszugleichen.
Zugleich erweitert das Gesetz den Kreis der Soldaten, die Berufssoldat werden können: Künftig sollen auch Unteroffiziere ohne Portepee, also unterhalb der Gruppe der Feldwebel, aus der Gruppe der Zeit- in die der Berufssoldaten wechseln können. Eine Ausweitung auf Mannschaftsdienstgrade als Berufssoldaten ist dagegen nicht vorgesehen.
Für neue Soldaten, die sich als Freiwillig Wehrdienst Leistende verpflichten, steigt mit dem neuen Gesetz der Wehrsold. In der untersten Stufe, als Schütze, Kanonier usw., sollen statt der derzeit monatlich 840 Euro plus rund 500 Euro Sachleistungen künftig 1.500 Euro gezahlt werden. Nach Angaben des Ministeriums erhalten die Soldaten, die zum Wohnen in der Kaserne verpflichtet sind (was bei Ledigen unter 25 Jahren die Regel ist), künftig zusätzlich die Sachleistungen wie unentgeltliche Unterkunft. Für einen Hauptgefreiten unter diesen Kurzdienern soll der Sold von derzeit 1.300 Euro plus ebenfalls 500 Sachleistungen monatlich auf 1.900 Euro steigen.
Eine neue Bestimmung im Soldatengesetz soll künftig die Grundlage dafür schaffen, dass mehr als bisher Reservisten eingesetzt werden können, um auch längerfristig Personallücken zu stopfen. Dafür wird im Soldatengesetz ein neuer Paragraf 63b geschaffen:
Wehrdienst zur temporären Verbesserung der personellen Einsatzbereitschaft
(1) Wehrdienst zur temporären Verbesserung der personellen Einsatzbereitschaft dient
1. dem Erhalt oder der Herstellung der Funktionsfähigkeit von Organisationseinheiten bei anders nicht abwendbaren Vakanzen oder
2. der Bewältigung anders nicht rechtzeitig zu bewältigender Auftragsspitzen.
Er ist nur zulässig, wenn für Reservisten
1. eine Wiederverwendung als Berufssoldat oder
2. eine erneute Berufung in das Dienstverhältnis eines Soldaten auf Zeit
nicht möglich ist.
(2) Wehrdienst zur temporären Verbesserung der Einsatzbereitschaft darf höchstens zehn Monate im Kalenderjahr geleistet werden. Er wird auf die Gesamtdauer der Übungen nach § 61 Absatz 2 nicht angerechnet.
Damit soll die Truppe Reservisten zur vertretungsweisen Wahrnehmung von Tätigkeiten absehbar länger abwesender Soldatinnen oder Soldaten (z. B. durch Elternzeit, Betreuungsurlaub, Fachausbildungen, Lehrgänge, besondere Verwendungen im Ausland) heranziehen können. Das geschah auch bisher schon, allerdings offensichtlich auf nicht eindeutiger rechtlicher Grundlage. Nunmehr werden auch die Bewältigung anders nicht zeitgerecht zu erledigender Auftragsspitzen als Einsatzmöglichkeit für die Reservisten genannt – sie können damit weit umfangreicher als bisher Lücken in der Truppe stopfen.
Um mehr als bisher Reservistendienst Leistende für solche Vertretungen zu gewinnen, soll das künftig zudem auch in Teilzeit möglich sein: Die Bestimmungen dafür werden auf eben diesen Wehrdienst zur temporären Verbesserung der personellen Einsatzbereitschaft ausgeweitet. Zugleich erhalten sie in den Bestimmungen zur Unterhaltssicherung und zur Sicherheit ihres Arbeitsplatzes eine bessere Absicherung.
Nachtrag: Der Gesetzentwurf im Wortlaut:
(Foto: Bundeswehr-Generalinspekteur Eberhard Zorn bei Soldaten auf dem Truppenübungsplatz Munster am 6. Februar 2019 – Thomas Imo/photothek.net/Bundeswehr)
Und dann gibt’s da noch Nationen mit Streitkräften, die sich der Realität angepasste Weitsicht und Ambition verpflichtet haben, die Briten natürlich.
Psychologische Kriegsführung auf britisch. Dies Personal entspricht nicht irgendeinem Reservestatus, weder hier noch auf der Insel. Vielmehr wird im universitären Umfeld anerkannte Wissenschaft beworben, offenbar erfolgreich. Ein Weg, der für Spezialfunktionen hierzulande denkbar sein muss.
Das britische Militär rekrutiert Philosophen, Psychologen und Theologen, um nach neuen Methoden der psychologischen Kriegsführung und Verhaltensmanipulation zu forschen.
https://www.theguardian.com/uk-news/2019/mar/13/uk-military-mod-universities-research-psychological-warfare-documents?CMP=share_btn_tw
Mit unserer „Truppe für Operative Kommunikation“, ehemals PSK/PSV, hat das nichts zu tun. https://de.m.wikipedia.org/wiki/Truppe_f%C3%BCr_Operative_Kommunikation
@ diba | 13. März 2019 – 9:37
„Es gibt ja noch viel größere Weicheier mit noch weniger Ahnung wie wir Deutschen, z.B. die Schweizer“
Stramme Aussage („Weicheier“ die ich aus eigenen Erfahrungen (auch im Afghanistaneinsatz) wie andere Generalisierungen nicht unbedingt teile.
@MA – ich neige, zum Leidwesen mancher, zu sarkastischen Formulierungen, die dann auch bisweilen falsch verstanden werden können. Mein Fehler, sorry. Gelobe Besserung (was ich nicht umsetzen werde, weiss ich jetzt schon).
Manche Positionen sind mir hier zu simpel für ein riesen Problem, Nachwuchsgewinnung, das sich auf der Zeitachse noch weiter verschärft. Und mit den hohlen Phrasen wie „every soldier is a rifleman“ und einheitlich höchsten Ansprüchen für selbst banalste Tätigkeiten, werden wir das nicht lösen.