Verteidigungsministerium weist Bericht über Probleme mit Arbeitszeitregelung zurück

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Das Verteidigungsministerium hat, wenig überraschend, den Bericht zu personellen Engpässen der Bundeswehr als Folge von Urlaubs- und Freizeitansprüchen als grundlegend falsch zurückgewiesen. Vor der Bundespressekonferenz am (heutigen) Mittwoch hob der stellvertretende Ministeriumssprecher Oberst Boris Nannt vor allem darauf ab, dass die Seetage der Marine doch Ausnahmen von der EU-Arbeitszeitverordnung erlaubten und deshalb das alles so nicht stimmen könne.

Meine Fragen an Nannt und die Antworten zum Nachhören:

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Die Abschrift des O-Tons:

Frage: Herr Nannt, es gibt ja einen Bericht über zunehmende Probleme bei der Bundeswehr aufgrund von Urlaubstagen und der EU-Arbeitszeitverordnung, die dazu führen, dass insbesondere im Bereich der Marine bestimmte Einheiten praktisch nicht mehr einsatzfähig sind. Ich nehme an, Sie kennen den Bericht und können etwas dazu sagen.

Nannt: Schönen Dank. Ich habe den Bericht heute Morgen mit großer Verwunderung auch zur Kenntnis genommen.

Erst einmal vorweg: Die Bundeswehr erfüllt ihre Aufgaben, und dies ohne Wenn und Aber.

Zweitens: Die Soldatenarbeitszeitverordnung ist eine deutliche Besserstellung für den Soldaten. Das ist so, weil ein Ausgleichsanspruch schon nach 41 geleisteten Wochenstunden ansteht und weil viele Dinge jetzt auch gesetzlich besser verankert sind. Hier gibt es also wirklich eine Besserstellung.

Drittens: Die wesentliche Linie, auf der der ganze Artikel basiert, ist einfach faktisch falsch. Er ist, muss ich sagen, auch schlecht recherchiert, weil es hier um einen Ausnahmetatbestand geht. Es gibt natürlich auch in der Soldatenarbeitszeitverordnung Ausnahmetatbestände. Die haben wir auf unserer Internetseite auch veröffentlicht. Ich glaube, ich habe auch hier in der Regierungspressekonferenz schon etwas dazu gesagt. Das baut darauf auf, dass gerade aufgrund der mehrtägigen Seefahrten jetzt ein hoher Ausgleichsanspruch besteht. Aber gerade mehrtägige Seefahrten – wie auch genauso Einsätze, einsatzgleiche Verpflichtungen, Amtshilfe in besonderen Katastrophenfällen usw. – sind eben Ausnahmetatbestände. Deswegen verweise ich auch noch einmal auf den ersten Punkt, den ich hierzu angeführt habe. Noch einmal ganz klar: Das behauptete Faktum ist einfach falsch.

Was jetzt natürlich auch wichtig ist: Die Soldatenarbeitszeitverordnung ist ja im Januar eingeführt worden. Jetzt sind natürlich vor allen Dingen auch die Vorgesetzten stark gefordert. Uns geht es insgesamt um den Gesundheitsschutz der Soldaten und darum, sage ich einmal, dies auch in jeder Einheit umzusetzen. Dabei gab es am Anfang – das hatte ich hier in diesem Kreis, glaube ich, auch schon gesagt – bestimmt auch die eine oder andere Friktion, vielleicht auch einmal eine Unsicherheit oder Unwissen darüber, wie man jetzt mit diesen Tatbeständen umgeht. Aber ansonsten gilt das, was ich gerade gesagt habe.

Zusatzfrage: Aus Sicht des Ministeriums, um das jetzt einmal zu präzisieren, gibt es also nicht bestimmte Bereiche der Bundeswehr, in denen so viel Freizeitanspruch als Ausgleich für geleistete Arbeit aufgelaufen ist, dass dadurch in diesen Bereichen die Aufgabenerfüllung eingeschränkt werden müsste. Verstehe ich Sie richtig?

Nannt: Also noch einmal: Die Bundeswehr erfüllt, wie gesagt, ihre Aufgaben, und – – –

Zuruf: Entschuldigung, ich habe ganz präzise gefragt!

Nannt: Sie müssen mich ausreden lassen. – Ich fange vielleicht einmal vorweg mit Folgendem an: Wir alle wissen, wie stark die Bundeswehr gefordert ist. Das ist, sage ich einmal, nichts Neues. Ich will keine Eulen nach Athen tragen.

Zweitens gibt es natürlich Bereiche, die unheimlich stark gefordert sind. Das sind bestimmt die Marine und vielleicht auch andere Einheiten, die ein hohes Maß an Leistung bringen müssen. Dennoch sind hier die Vorgesetzten gefordert.

Wir begleiten diesen Prozess unheimlich eng. Ich will es in Zahlen sagen: Im vergangenen Jahr haben wir dazu an über 40 Standorten 4000 Multiplikatoren informiert und geschult. Im Oktober findet wieder eine Besprechung mit Vorgesetzten statt, um gerade diese Dinge zu besprechen.

Natürlich sind bestimmte Einheiten stark gefordert. Aber die Soldatenarbeitszeitverordnung führt, anders als es der Artikel vielleicht insinuiert, nicht dazu, dass Aufträge nicht erfüllt werden können, ganz im Gegenteil. Hierbei sind die Vorgesetzten genauso stark gefordert. Sie gehen damit verantwortungsvoll um.

Zusatzfrage: Noch ein kurzer Präzisierungsversuch: Trifft es aus Sicht des Ministeriums nicht zu, dass einzelne Einheiten bei der Auftragserfüllung dadurch Probleme haben, dass gewissermaßen eine Bugwelle von Ansprüchen auf Freizeitausgleich angefallen ist, die ausgeglichen werden muss und damit die Einheiten praktisch lahmlegt?

Nannt: Wir haben über 260 000 Mitarbeiter. Ich habe kein Fernglas, mit dem ich in jede Einheit hineingucken könnte. Ich kann das Gesamtbild des Ministeriums darstellen. Das Gesamtbild des Ministeriums ist, dass wir unsere Aufträge natürlich erfüllen und dass die Soldatenarbeitszeitverordnung ein ganz wichtiger Bestandteil ist. Sie dient dem Gesundheitsschutz. Das ist eine klare Besserstellung.

Dort, wo mehr Arbeit angefallen ist, geleistet wurde und jetzt ausgeglichen wird, wird mit diesem Ausgleich umgegangen. Dazu gibt es verschiedene Möglichkeiten. Das alles können Sie bei uns auf der Webseite nachlesen. Wie gesagt: Es ist ein riesiger Sprung nach vorn.

(Archivbild: Zusammentreffen während der Erprobungsfahrt der Fregatte F 222 Baden-Württemberg (mi) mit den Fregatten F 215 Brandenburg (li) und F 216 Schleswig-Holstein im Skagerrak am 01.07.2016 – Bundeswehr/Carsten Vennemann)