Kampf um den Haushalt: Mit allen Tricks

In knapp drei Wochen steht im Bundeskabinett die Entscheidung über die Haushaltsplanung nicht nur für 2020, sondern auch für die kommenden Jahre an – und damit eine wichtige Weichenstellung für den Verteidigungsetat: Sowohl Bundeskanzlerin Angela Merkel als auch Verteidigungsministerin Ursula von der Leyen haben sich öffentlich wie auch in offizieller Meldung an die NATO  darauf festgelegt, dass die deutschen Verteidigungsausgaben bis 2024 auf 1,5 Prozent des Bruttoinlandsprodukts (BIP) steigen. Und jetzt wird es auch um die Frage gehen, wie die Schritte dorthin aussehen – und ob der Verteidigungshaushalt real überhaupt steigen wird.

Im vergangenen Jahr hatte Finanzminister Olaf Scholz eine Planung vorgelegt, die zwar leicht steigende Ausgaben im so genannten Einzelplan 14 vorsah, aber für die kommenden Jahre deutlich unter den 1,5 Prozent blieb – ganz zu schweigen von der Vereinbarung in der Allianz, bis 2024 zwei Prozent vom BIP anzustreben. Die Summe wurde zwar später aufgestockt, die so genannte NATO-Quote blieb aber weiterhin unter den 1,5 Prozent, unter den zwei Prozent ohnehin.

Mittlerweile allerdings kursieren in Berlin Zahlen, nach denen auch die neue Planung des Kassenwartes der Bundesregierung nicht so viel anders aussieht – im Gegenteil. Nach dem Eckwertevorschlag des Finanzministeriums von Mitte Februar, so heißt es, würden die Verteidigungsausgaben im kommenden Jahr knapp 1,3 Prozent vom BIP betragen und bis 2023 wieder auf 1,219 Prozent absinken.

Auch in absoluten Zahlen hat danach der Finanzminister einen letztendlich schrumpfenden Verteidigungshaushalt vorgesehen: Von 42,93 Milliarden Euro im kommenden Jahr über 44,26 Milliarden im Jahr 2021 und 44,59 Milliarden im Jahr 2022 auf dann 44,25 Milliarden Euro 2023. Für den politisch gesetzten Sprung auf die 1,5 Prozent wären dann 2024 mehr als zehn Milliarden Euro zusätzlich erforderlich – eine kaum realistische Aufstockung.

Der Streit ist damit absehbar – zumal die Verteidigungsministerin für die kommenden Jahre massive Investitionswünsche angemeldet hat. Ein Teil davon war bereits im vergangenen Jahr nachträglich mit so genannten Verpflichtungserklärungen in den Haushalt für dieses Jahr aufgenommen worden, mit Bindungen in Milliardenhöhe für die Folgejahre. Und das müsste in der Finanzplanung eben auch für die nächsten Jahre vorgesehen werden, wenn diese Projekte tatsächlich gestartet werden sollen: Unter anderem die neuen schweren Transporthubschrauber, das Mehrzweckkampfschiff 180 der Marine oder das geplante Taktische Luftverteidigungssystem.

Der Unterschied zwischen den Anmeldungen aus dem Verteidigungsministerium und den derzeit vom Finanzministerium vorgeschlagenen Zahlen für den Verteidigungshaushalt der kommenden vier Jahre soll fast 25 Milliarden Euro betragen. Allein für das Jahr 2023, ein Jahr vor dem von der Kanzlerin zugesagten Erreichen der 1,5-Prozent-Marke, machen die Veranschlagungen aus von der Leyens Haus mit 54,7 Milliarden Euro fast 10,5 Milliarden mehr aus als die Planungen aus dem Haus von Olaf Scholz.

Bereits für dieses Jahr hat das Wehrressort eine umfangreiche Liste von Beschaffungsvorhaben vorgelegt, die dem Bundestag zur Genehmigung vorgelegt werden sollen. Ein Teil der Planung sind neue Projekte, einige wurden aus den vergangenen Jahren übertragen, weil sie dort nicht finanziell hinterlegt werden konnten.

Auffällig ist aber eines: Der überwiegende Teil der Liste der so genannten 25-Mio-Vorlagen (ab einem Volumen von 25 Millionen Euro müssen Beschaffungen einzeln vom Parlament gebilligt werden) ist als bedeutsam für die deutschen Zusagen zur NATO gekennzeichnet: Das Kreuz in der Spalte relevant für VJTF, für die NATO-Speerspitze Very High Readiness Joint Task Force und für die darüber hinaus bereit stehende NATO Response Force,  findet sich bei fast allen Vorhaben. Damit wird natürlich politischer Druck aufgebaut.

Nun ist das zwar nachvollziehbar für einen Mehrbedarf Bekleidung, mit dem möglichst schnell die Soldaten der Eingreiftruppen ausgerüstet werden sollen. Ebenso für schnell verlegbare zelluläre Funknetze (mit denen die Bundeswehr nach einer kürzlichen Gesetzesänderung ganz nebenbei weitgehende Anbindung an das Funknetz der Sicherheits- und Rettungsdienste im Inland bekommt).

Zugleich schrieb das Verteidigungsministerium allerdings auch Projekte auf die Liste, die schon länger in der Planung sind und auch langfristiger benötigt werden: Die Änderung des Beschaffungsvertrages für die neuen Radar-Aufklärungssatelliten, Projektnahme SARah, stand schon im vergangenen Jahr als 25-Mio-Vorlage an, taucht jetzt wieder auf – und ist relevant für VJTF. Die Beschaffung von 48 weiteren Flugabwehrraketen des Typs PAC-3 MSE, optimiert für die Raketenabwehr mit dem Luftverteidigungssystem Patriot, soll ebenfalls über den VJTF-Stempel Dringlichkeit bekommen – steht aber schon länger an. Ebenso das A400M-Programm, das Transportflugzeug, das lange vor Erfindung der VJTF in Auftrag gegeben wurde, jetzt aber nach Ministeriumsansicht haushaltsmäßig für diese von Bedeutung ist. Und auch der schwere Transporthubschrauber bekommt die Markierung relevant für VJTF, obwohl bis zum Jahr 2023, der nächsten Rotation mit einer deutschen Brigade in der NATO-Speerspitze, kaum einer der neuen Helikopter auf einem Bundeswehr-Flugplatz stehen dürfte.

Um notwendiges Material zeitgerecht für den Auftrag NATO Response Force 2022 bis 2024 verfügbar zu machen, sind daher die erforderlichen Beschaffungen, die ohnehin zum Erreichen des Fähigkeitsprofils der Bundeswehr 2018 bis Ende des Jahres 2023 vorgesehen waren, – wo immer finanzplanerisch darstellbar – auf Ende des Jahres 2020 vorzuziehen, wird dieses Vorgehen in der Einführung zur 25-Mio-Liste erläutert. Dies erfordert zwingend die kurzfristigen Beauftragungen entsprechender Maßnahmen noch im Jahr 2019.

Ob für das kommende Jahr oder die mittelfristige Planung für die nächsten Jahre: Der Streit um die Prioritäten bei den künftigen Ausgaben nicht nur zwischen den beiden Ressortschefs, die unterschiedlichen Parteien angehören, sondern auch zwischen den Koalitionspartnern Union und SPD scheint damit programmiert

(Foto: A400M beim Lufttransportgeschwader 62 in Wunstorf am 2.1.2019 – Simon Otte/Bundeswehr)