Zu wenig moderne Kampfuniformen, dafür Kampfrationen aus Frankreich
Die Bundeswehr hat weiterhin zu wenig moderne Kampfuniformen in ihrem Bestand, will das aber bis zum Beginn des übernächsten Jahrzehnts schrittweise ändern. Vom aktuellen Kampfbekleidungssatz Streitkräfte soll es bis zum Ende dieses Jahres 31.000 Sätze geben, davon mit 7.000 Sätzen nur ein geringer Teil im für Missionen in Europa nötigen 5-Farb-Tarndruck. An modernen Schutzwesten der Schutzklasse 4 gibt es derzeit 32.000 Stück. Dafür wird der Mangel an Kampfrationen durch den Einkauf bei Freunden ausgeglichen: im September wurden zusätzliche so genannte Einmannpackungen (EPa) in Frankreich beschafft.
Die Zahlen gehen aus einer Antwort der Bundesregierung auf eine Anfrage des FDP-Bundestagsabgeordneten Alexander Müller hervor, die Augen geradeaus! vorliegt. Details zum Bedarf an Kampfbekleidung und Schutzwesten will das Verteidigungsministerium bislang nicht öffentlich machen, da sie Rückschlüsse auf die Bestandentwicklung und die Fähigkeiten der Bundeswehr möglich machen würden. Auch die Kosten dafür sollen nur als Verschlusssache den Abgeordneten mitgeteilt werden und liegen dem Parlament noch nicht vor.
Das Ministerium räumte ein, dass der Bedarf sowohl an Kampfbekleidung als auch an Schutzwesten bislang ausschließlich anhand der Personalstärke in den Auslandseinsätzen berechnet wurde. Zwar werde mit der Reorientierung auf die Landes- und Bündnisverteidigung eine standardisierte Vollausstattung aller Soldatinnen und Soldaten angestrebt, da der derzeitige Bestand nur für den Bedarf der Einsätze ausreiche: Die Beschaffung der zur Bedarfsdeckung erforderlichen Mengen erfolgt in mehreren Schritten und wird nach derzeitiger Planung im Jahr 2031 abgeschlossen sein.
Die Vollausstattung der Truppe soll zunächst den Einheiten in der nationalen Krisenvorsorge zugute kommen, in zweiter Priorität den Truppen für die NATO-Speerspitze, die Very High Readiness Joint Task Force (VJTF) im Jahr 2023. Erst danach werden die übrigen Einheiten ausgestattet. Bis zum Jahr 2025 sind nach Angaben des Ministeriums rund 140.000 weitere Sätze moderner Kampfbekleidung in Auftrag gegeben.
Den Bedarf an modernen Gefechtshelmen gab das Ministerium mit 228.000 Stück an. Der derzeit genutzte Gefechtshelm sei entsprechend seiner funktionalen Eigenschaften uneingeschränkt nutzbar, aber nicht mit modernem Gehörschutz oder Sprechsätzen kombinierbar: Dieses Defizit soll im Rahmen der Umsetzung des Projektes „aufgabenorientierte Ausstattung (aoA)“ durch die Einführung eines Gefechtshelms mit Gehörschutz und Kommunikationsanbindung beseitigt werden.
Ein bisschen unklar äußert sich das Ministerium zur geplanten Einführung des Systems Modulare Ballistische Schutz- und Trageausstattung (MOBAST). Laut Antwort an die FDP ist das ganze Projekt aktuell noch im Auschreibungsverfahren – andererseits heißt es dazu, dass die Beschaffung von 70.000 MOBAST-Ausstattungen bereits bis zum Jahr 2025 beauftragt sei.
In der Vergangenheit sei die Beschaffung moernerner Kampfuniformen durch die Misswirtschaft der ehemaligen privaten Gesellschafter der Bekleidungsgesellschaft LHBw verzögert worden, erläuterte das Ministerium. Hinzu kämen eine erhebliche Bedarfserhöhung durch die Ausrichtung auf die Landes- und Bündnisverteidigung und begrenzte Fertigungskapazitäten der Industrie. Künftig solle aber durch ein beschleunigtes Beschaffungsverfahren der Einkauf marktüblicher und marktnaher Artikel schneller funktionieren.
Nach wie vor hat die Bundeswehr mit einem Mangel an Kampfrationen zu kämpfen: Einem Soll von 483.000 Einmannpackungen stehe derzeit ein Bestand von 369.807 Stück gegenüber, heißt es in der Antwort. Im September habe aber der Lagerbestand durch die kurzfristige Beschaffung von EPa des NATO-Partners Frankreich signifikant erhöht werden können.
[Hinweis: Die fehlerhaften Jahreszahlen 2013 und 2015 oben in 2023 und 2025 korrigiert; ich bitte um Entschuldigung.]
(Foto: Bei der Übung Schneller Adler im September 2018 sichern Fallschirmjäger die Evakuierung von Zivilisten – Bundeswehr/Carl Schulze)
War das nicht schon Ende 2016 ein Thema?
|@FlaOffz
Ich glaube es ging dabei um den Umgang mit Kritik des BRH und wie man ablaufende EPAs entsorgt wenn man denn mehr EPAs bevorraten würde.
Wenn nun über die Vorschriften über das Inverkehrbringen von Arzneimitteln debattiert wird, ist die Grenze zum OT eindeutig überschritten. Bitte nicht.
Hin- und hergerissen zwischen Lachkrampf vor Freude oder Weinkrampf wegen Fremdschämens:
Welt.de
„Die Bundeswehr ist stolz, dass sie genügend Kleidung für jeden Rekruten hat. Doch bis zur Vollausstattung für alle Soldaten mit moderner Bekleidung dauert es noch 13 Jahre.
In einer jetzt erteilten Antwort aus dem Verteidigungsministerium auf eine Anfrage von FDP-Abgeordneten wird auf die verwiesen. Auch Soldaten im Inland sollen künftig umfassend ausgestattet werden.“ (In einem Jahrzehnt). Es stellt sich in der Tat als traurig dar, dass Selbstverständliches benannt wird.
Erfolg für das Blog:
„Nach den Angaben aus dem Bundesverteidigungsministerium, über die auch der Sicherheitspolitikblog www.augengeradeaus.net berichtet, sind (zwar) die derzeitigen Bestände „.
Zu allem Übel „die vor drei Jahren wieder vollverstaatlichte Kleiderkammer der Bundeswehr, die nun als Bw Bekleidungsmanagement GmbH (BwBM) firmiert, (ist) immer noch mit der eigenen Neuausrichtung beschäftigt“.
Da haben dezente Tweets an Medien und Mitglieder VgAussch möglicherweise geholfen dem unhaltbaren Dilemma eine Bühne zu geben, die hoffentlich auch parlamentarisch Bewegung in die unsägliche Angelegenheit bringen wird.
Na immerhin gibt es ein Becherchen Wein zur Mahlzeit im französischen Fresspaket. :-)
@Klaus-Peter Kaikowsky
Die BW ist stolz darauf, etwas völlig selbstverständliches für jeden Rekruten zu haben.
Das ist beeindruckend.
@Sommerbiwak
Der war wenigstens gut trinkbar, die Plörre die im Mannheim aus dem Kühlschrank kredenzt wurde….
Ich frage mich ernsthaft: Wie wurden vor einiger Zeit Kühlschränke, Fernseher, Stehlampen und Spiegel beschafft? Innerhalb von ein bis zwei Jahren wurden alle Gegenstände stückweise geliefert und recht zügig eingebaut.
Wenn es bei solchen nicht militärischen Gegenständen funktioniert, warum dann nicht mit marktverfügbaren (!!!) Produkten, welche durch mehrere Hersteller produziert werden und zumeist nach Bundeswehr-TL gefertigt werden.
Es fehlt einfach der politische Wille, aber vielleicht lässt sich dies mit Hilfe eines externen Beraters besser erörtern.
Mal ganz dumm gefragt, könnte mir eigentlich einer erklären warum von fundamentalen Ausrüstungsgegenstände immer nur solch winzige Mengen beschafft werden, oder sich solche Anschaffungen von selbst simpelsten und notwendigsten Dingen wie in diesem Falle Uniformen über drei Legislaturperioden hinziehen wird?
Sehr geehrter Herr Wiegold
Falls Sie Interesse hätten, wäre auch ein Beitrag über die Rucksack Lage innerhalb der bw für viele Leserinnen interessant.
Es werden keine Berghäuser mehr getauscht (außer für dein Einsatz), weder die Gebirges- noch die Fallschirmjäger haben die Chance kaputte Rucksäcke zu tauschen. Dies liege wohl daran, dass der Vertrag mit Berghaus ausliefe, genau wisse es aber auch keiner bzw. Wann es ein Nachfolger geben soll.
Dies nur zur Ausstattung.
MfG
Thema Berghaus ist „ganz einfach“.
Der Rucksack, 110 Liter (eben Berghaus Atlas Cyclops II) wird vom Hersteller nicht mehr produziert (ist ja auch ein älteres Modell).
Ein Nachfolger ist angedacht, BAIIN hat den wohl beschafft, aber NIEMANDEN gefragt oder Truppentests durchgeführt, daher fehlt die Freigabe.
Also gibt es noch keinen „Neuen“, und der „Alte“ ist nicht mehr lieferbar.
Damit haben wir einen „Engpassartikel“, der eben Einsatzrelevant ist. Alle Soldaten, die nicht mehr zum engen Nutzerkreis im Inland gehören, durften den schon abgeben.
@ F_K | 19. Oktober 2018 – 9:49
Das ist so nicht richtig. Es gab 2017 eine Ausschreibung für einen Nachfolgerrucksack. In die Endauswahl kamen drei Modelle die alle drei aber durch die vorgesehenen Tests durchgefallen sind.
Daraufhin war Anfang 2018 die Lage so, dass die Ausschreibung unter Umständen komplett neu gestartet werden sollte. Ob dies nun erfolgt ist oder nicht habe ich leider keine Kenntnis.
Was die alten Berghäuser angeht, so hat der Hersteller der BW wohl angeboten das Nachfolgemodell (hat im Grunde ein paar Mole Schlaufen mehr aber ansonsten gleiche Funktionalität wie der Vorgänger) zu den gleichen Konditionen zu liefern wie das Vorgängermodell. Aber BW Bekleidung hat wohl abgelehnt, da dies nicht rechtlich/bürokratisch nicht möglich sei, da es sich ja um ein anderes Produkt handeln würde.
@ Wa-Ge:
Vielleicht nicht genau genug formuliert. Der Befehl Kdo Heer zur Abgabe liegt mir vor, ich durfte „abgeben“.
Der Berghaus ist nicht mehr lieferbar, kein Nachfolger in Sicht.
Flurfunk sagt, auch der Berghaus besteht nicht alle Tests – die Anforderungen waren wohl „übertrieben“.
Im Ergebnis haben wir einen Engpassartikel mit unklarer Sachlage wann es besser wird …
@ F_K | 19. Oktober 2018 – 10:48
Ihr Flurfunk sendet falsche Informationen. Berghaus war unter den letzten dreien nicht dabei, da es im vorherein schon aufgrund eines Qualitätsproblemes in der Zuliefererkette ausgeschieden ist.
Von den „bekannten“ Marken war nur Tasmanian Tiger in der Endrunde der letzten drei.
Die ganze Klamottengeschichte ist durch die Vorgaben der BW leider sehr kompliziert. Als Lieferant müssen sie mittlerweile die Beachtung von zig Verornungen (REACH, DIN, ISO,…) bis ins letzte Glied der Lieferkette nachweisen, ansonsten werden man nicht betrachtet.
Ich habe mich auf einer wehrtechnischen Messe mit mehreren Hersteller von Bekleidung und Ausrüstung unterhalten und alle sagen das gleiche.
Als europäischer Hersteller müssen Sie es genau so nachweisen wie nicht europäische Hersteller. Bloß als deutscher Hersteller im Speziellen, und europäischer Hersteller in geringerem Maße, können und werden Sie überprüft. Während kein Mitarbeiter des Bundes Anbieter aus dem nichteuropäischen Ausland kontrolieren kann. Wenn dort einer sagt er hält sich daran dann muss man Ihm glauben. Ein deutscher Hersteller kriegt einen Hausbesuch und muss sich tatsächlich in die Karten schauen lassen.
Ein letzter Hinweis noch. Wenn die Disziplinarvorgesetzten sich bei der Genehmigung von Nutzung selbstbeschafter Ausrüstung sich nicht nur an Form und Farbe orientieren würden, sondern die gleichen Qualitätsstandards anlegen müssten, wie es für die Beschaffung von Bundeswehrausrüstung vorgeschrieben ist. Dann würden deutlich weniger Soldaten in solcher Ausrüstung rumlaufen können, schlichtweg weil diese zu teuer wäre. Denn wenn man sich nicht an Vorgaben halten muss, dann kann man auch günstiger produzieren.
Es hat aber schon seinen Grund wieso ein Plattenträger eines Herstellers in Südbayern seinen Preis hat bzw. die Klamotten die auch für den IDZ-ES genutzt werden und von einem Hersteller aus dem Aachener Land stammen so teuer sind wie sie sind. Das gleiche gilt für die Unterwäsche einer Outdoor Marke aus Schweden.
@Wa-Ge Form und Farbe und Beschaffenheit gelten zwar für selbstbeschaffte Uniformteile, aber aus der aktuellen, frischen Anzugordnung folgende Einschränkung:
142.
„…Keine Trageerlaubnis besteht dagegen für selbstbeschaffte Bekleidungsartikel mit Schutzfunktionen,
insbesondere Artikel der Kampfbekleidung (Feldanzug, Bord- und Gefechtsanzug und Flugdienstanzug
– jeweils in allen Varianten), der Persönlichen Schutzkleidung (PSA), Augen- bzw. ballistischen
Schutzausrüstung sowie der Schneid- und Schanzausrüstung.“
@Ha-Wa
„Ich frage mich ernsthaft: Wie wurden vor einiger Zeit Kühlschränke, Fernseher, Stehlampen und Spiegel beschafft? Innerhalb von ein bis zwei Jahren wurden alle Gegenstände stückweise geliefert und recht zügig eingebaut.“
„Alle?“ Wieso denn alle? In meinem Block in Munster gibt es noch immer nichts davon.
@Tom
Zu den Berghaus Rucksäcken
Angehende PzGren Offiziere die ein Jahr lang während des OL3 Einzelkämpfer Vorbereitung machen und am Ende auf den Einzelkämpfer gehen erhalten übrigens auch keine Berghaus und sollen das mit dem alten Kampfrucksack machen.