Kampf um den Haushalt: Verteidigung und Entwicklung gegen Scholz (m. Nachtrag)

Dass einzelne Ressorts der Bundesregierung nicht so recht zufrieden sind mit dem, was sie für ihr Ministerium in den Haushaltsverhandlungen mit dem Finanzminister herausholen, ist nichts ungewöhnliches und passiert praktisch jedes Jahr. Der erste Haushaltsbeschluss der (neuen) großen Koalition ist da allerdings eine verschärfte Form dieser Auseinandersetzung: Sowohl das Verteidigungs- als auch das Entwicklungsministerium machen öffentlich Front gegen die Haushaltspläne, die Finanzminister Olaf Scholz vorgelegt hat und die das Bundeskabinett am (heutigen Mittwoch beschlossen hat.

Dabei geht es vor allem um die Entwicklung der beiden Einzelhaushalte in den kommenden Jahren bis 2022. Sowohl das Haus von Verteidigungsministerin Ursula von der Leyen (CDU) als auch das von Entwicklungsminister Gerd Müller (CSU) protestierten in einer Protokollerklärung zum Kabinettsbeschluss gegen die vorgesehen Ausgaben der nächsten Jahre: Der Bedarf beider Ressorts werde dabei ebenso wenig berücksichtigt wie die im Koalitionsvertrag festgeschriebene Absicht, den Anteil dieser Haushalte am Bruttoinlandseinkommen nicht sinken zu lassen.

Die Aussage des Finanzministers bei seiner Präsentation der Haushaltsbeschlüsse vor der Bundespressekonferenz lässt sich auf die Formel bringen: Sowohl die Bundeswehr als auch die offizielle Entwicklungshilfe bekommen in den nächsten Jahren mehr Geld, und noch mehr Mittel wolle doch jedes Ministerium. Ob das machbar sei, werde sich erst in der Zukunft zeigen.

Scholz Aussagen zum Nachhören (aus der gesamten einstündigen Pressekonferenz habe ich nur das zu diesem Thema herausgenommen; Schnitte sind mit einem Signalton gekennzeichnet):

Scholz_Haushalt_02mai2018     

 

Auch in der anschließenden Pressekonferenz mit den Regierungssprechern war das noch mal Thema – dazu neben Regierungssprecher Steffen Seibert die Sprecher von Finanzministerium, Auswärtigem Amt und Verteidigungsministerium:

BPK_Haushalt_02mai2018     

 

Zuvor hatte bereits die Verteidigungsministerin dazu Stellung genommen (Audioaufnahme des Ministeriums):

vonderLeyen_Haushalt_02mai2018     

 

Der Protest der beiden Ministerien klingt in der zum Kabinettsbeschluss vorgelegten Protokollerklärung betont sachlich:

Wir stimmen dem zweiten Regierungsentwurf für den Bundeshaushalt 2018 zu. Mit dem Entwurf für die Eckwerte 2019 wurde die ODA-Quote von 0,5Prozent auf 0,47 Prozent des BNE absinken.
Den Eckwerten 2019 stimmen wir deshalb mit der Erwartung zu, dass im Rahmen des Haushaltsaufstellungsverfahrens die noch fehlenden Mitteln aufgebracht werden, um ein Absinken der ODA-Quote zu verhindern.
Dies unterstützt über den vereinbarten Eins-zu-eins-Mechanismus gleichzeitig das Ziel der Bundesregierung, die Bundeswehr und die europäische Verteidigungsstruktur zu stärken.

(Die ODA-Quote steht für Official Development Aid, die Ausgaben für internationale Entwicklungszusammenarbeit ohne die Ausgaben für Flüchtlinge in Deutschland; BNE steht für Bruttonationaleinkommen, was üblicherweise als Bruttoinlandsprodukt bezeichnet wird, auch wenn das fachlich vermutlich nicht so korrekt ist)

Doch hinter dieser trockenen Formulierung verbirgt sich ein Alarmruf: Auch wenn der Haushalt für dieses Jahr für beide Ressorts etwas ist, mit dem sie gut leben können – Entwicklungsminister Müller sagte sogar ausdrücklich, er sei damit sehr zufrieden – befürchten sie, dass in den folgenden Jahren der Bedarf schlicht nicht gedeckt werden kann.

So wird zum Beispiel der Verteidigungsetat bis 2022 auf dann fast 44 Milliarden ansteigen – doch der Anstieg ist für die eigentlichen Aufgaben der Bundeswehr geringer als erwartet: Darin enthalten sind auch die so genannten Personalverstärkungsmittel, also die zusätzlichen Kosten durch den Tarifabschluss für den öffentlichen Dienst, der auf die Soldaten übertragen wird. Von den zusätzlichen 5,6 Milliarden Euro für die Bundeswehr in den kommenden vier Jahren, so heißt es aus dem Verteidigungsministerium, seien nur rund 2,5 Milliarden eine echte Erhöhung – während 3,2 Milliarden Euro für den zusätzlichen Sold benötigt würden.

Die Verteidiger sind vor allem deshalb alarmiert, weil nach ihren Berechnungen schon ohne diese Mittel für den Sold rund zwölf Milliarden Euro nötig wären, um die geplante Modernisierung der Bundeswehr zu finanzieren. In dieser Summe sind unter anderem geplant 5,4 Milliarden Euro für eigentliche Rüstungsprojekte vorgesehen, zum Beispiel das künftige Taktische Luftverteidigungssystem, die U-Boot-Kooperation mit Norwegen oder der gemeinsame Hercules-Lufttransportverband mit Frankreich. Aber auch 1,6 Milliarden Euro für die Digitalisierung der Truppe, 1,5 Milliarden für den Materialerhalt und 1,3 Milliarden für die persönliche Ausrüstung der Soldaten. Auch gut zwei Milliarden Euro für eine Verbesserung der Attraktivität sind darin enthalten.

Gekürzt werde, so droht das Ministerium, dann bei den neuen Beschaffungsprojekten. Wo die Schnitte angesetzt werden, mag zwar keiner verraten, aber natürlich haben gerade die gemeinsamen Projekte mit europäischen Partnern einen gewissen Druck-Faktor.

Verbündete hat das Verteidigungsministerium in diesem Fall im Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit (BMZ). Denn nach dem Koalitionsvertrag sind Steigerungen in den beiden Ressorts eins zu eins gekoppelt – mit anderen Worten: Kriegt die internationale Entwicklungshilfe mehr Geld, wirkt sich das auch direkt für die Bundeswehr aus.

Und auch das Entwicklungsministerium warnt vor der Entwicklung für die kommenden Jahre, wie sie im Haushaltsplan angelegt ist. So seien zum Beispiel Programme für Flüchtlinge im Irak nicht dauerhaft finanzierbar.

Beide Ressorts setzen darauf, dass laut Koalitionsvertrag ihre Anteile am Bruttoinlandsprodukt nicht absinken dürfen:

Deutschland wird verbindlich mit dieser Haushaltspolitik und der Koppelung von Verteidigungsausgaben und ODA-quotenfähigen Ausgaben sowohl dem Zielkorridor der Vereinbarungen in der NATO folgen als auch den internationalen Verpflichtungen zur weiteren Steigerung der ODA-Quote nachkommen, deren beider Absinken bereits 2018 verhindert werden muss.

Schon an dieser Stelle beginnt aber der Kampf um die Deutungshoheit zwischen den beiden Fachministerien und dem Finanzminister. Denn die Formulierung deren beider Absinken bereits 2018 verhindert werden muss versteht Olaf Scholz, wie im Audio oben zu hören ist, als Auftrag eben für 2018 – während BMVg und BMZ das als dauerhaften Auftrag auch für die nächsten Jahre interpretieren.

Und die ODA-Quote, das ist schon absehbar, wird nach der Finanzplanung im Jahr 2019 auf 0,47 Prozent sinken. Für das Verteidigungsministerium sieht es ebenfalls nur kurzfristig besser aus. Die Anteile der Verteidigungsausgaben am Bruttoinlandsprodukt, inzwischen im allgemeinen Sprachgebrauch als NATO-Quote bezeichnet:

2018 – 1,24
2019 – 1,30
2020 – 1,28
2021 – 1,27
2022 – 1,23

Das hat natürlich mit der erwarteten Steigerung des Bruttoinlandsprodukts zu tun – ist aber dennoch nicht so ganz in Einklang zu bringen mit der offiziellen Haltung der Bundesregierung, dass diese Quote nicht sinken soll.

Verteidigungs- und Entwicklungsministerium wollen jetzt die kommenden zwei Monate nutzen: am 4. Juli will das Bundeskabinett den Haushaltsentwurf für 2019 beschließen, zugleich auch den Finanzplan für die weiteren Jahre dann bis 2023. Und erst nach diesem Beschluss, so heißt es aus dem Bendlerblock, werde dann klar sein, ob und welche Rüstungsprojekte gestoppt werden müssten.

Zwei Nachträge fürs Archiv: Zum einen aus dem Schreiben des Verteidigungsministeriums an die Abgeordneten in Verteidigungs- und Haushaltsausschuss zur Erläuterung des Eckwertebeschlusses:

Das Bundeskabinett hat am 2. Mai 2018 die Eckwerte für den Bundeshaushalt 2019 und den Finanzplan bis 2022 beschlossen. Im Bundeshaushalt ist für all diese Jahre keine Neuverschuldung vorgesehen.
Der Trend der steigenden Verteidigungsausgaben manifestiert sich auch im Eckwertebeschluss für den 52. Finanzplan. Die Eckwerte für den Haushalt 2019 und den 52. Finanzplan bis zum Jahr 2022 beinhalten gegenüber dem 51. Finanzplan eine Erhöhung über den Finanzplanungszeitraum von insgesamt rd. 2,753 Mrd. €. Im Jahr 2019 wächst der Eckwert gegenüber dem Ansatz des 51. Finanzplans dabei um rd. 1,62 Mrd. € an. Gemessen an einem Mehrbedarf gegenüber dem 51. Finanzplan für die Haushaltsjahre 2019 bis 2021 in Höhe von rund 12 Mrd. € deckt dies allerdings nicht einmal ein Viertel des bestehenden Bedarfes ab
Das Bundesministerium der Finanzen stellt für die Auswirkungen der Ergebnisse der Tarif- und Besoldungsrunde 2018 auf den Einzelplan 14 für die Jahre 2019 bis 2022 Personalverstärkungsmittel in Höhe von 4,355 Mrd. € im Einzelplan 60 zur Verfügung (2019: 0,875; 2020: 1,140; 2021 und 2022: jeweils 1,170 Mrd. €). Gemeinsam mit den bereits für das Jahr 2018 vorgesehenen 0,435 Mrd. € ergibt sich eine Gesamt- vorsorge in Höhe von 4,790 Mrd. €. Diese Mittel dienen jedoch nicht dem Fähigkeitserhalt.
Die Bundesregierung ist sich bewusst, dass vor dem Hintergrund der sicherheitspolitischen Lage, des hohen Bedarfs der Bundeswehr und der getroffenen NATO-Beschlüsse in Verbindung mit den im Koalitionsvertrag getroffenen Festlegungen zu ei- ner Haushaltspolitik, die verbindlich dem Zielkorridor der Vereinbarungen mit der NATO folgt, ein weiterer Anstieg in den nächsten Jahren erforderlich ist. Dies setzt die Realisierung zukünftiger Haushaltsspielräume voraus.

Und der Vollständigkeit halber das Transkript der Aussagen in der Bundespressekonferenz (zu dem O-Ton oben):

Frage: Herr Seibert, der Bundesfinanzminister hat gerade erklärt, dass das Kabinett auch die Eckwertezahlen seiner Finanzplanung positiv zur Kenntnis genommen habe und dass nur die Minister für Verteidigung und für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung eine abweichende Protokollerklärung vorgelegt hätten. Deswegen meine Frage: Darf ich daraus schlussfolgern, dass die Bundeskanzlerin der Meinung ist, dass die Verteidigungsausgaben nach Nato-Kriterien im Jahr 2022 auf 1,23 Prozent absinken sollen, nachdem sie noch vor ein paar Tagen 1,3 Prozent versprochen hat?

StS Seibert: Erstens, hatten Sie den Bundesfinanzminister jetzt eine Stunde hier sitzen und er hat sich zu allen Aspekten des Haushalts und der Finanzplanung bis 2022, so auch – nach meinen Informationen – zur Steigerung der Verteidigungsausgaben, geäußert.

Zweitens steht natürlich die Bundeskanzlerin nicht nur zu dem, was wir gemeinsam in der Nato beschlossen haben, sondern auch zu den Steigerungen im Verteidigungshaushalt, die wir in den letzten Jahren sinnvollerweise hier in unserem Land durchgeführt haben und von denen wir wissen, dass sie weiter durchgeführt werden müssen. Die Kanzlerin hat in Washington noch einmal unterstrichen, die Steigerung der Verteidigungsausgaben der letzten Jahre müsse fortgesetzt werden. Auch wenn noch viel zu tun sei: Wir haben einiges erreicht, aber es ist eben noch viel zu tun. Deutschland jedenfalls steht zu den Zielen, die wir in Wales vereinbart haben. Das wird sich sicherlich in der Umsetzung der Haushalte auch zeigen, aber darüber hat ja der Bundesfinanzminister gesprochen. Ich habe dem hier jetzt nichts hinzuzufügen.

Zusatzfrage: Herr Seibert, ich fragte Sie nach der Haltung und Meinung der Bundeskanzlerin, die ja auch ein abstimmungsfähiger Mensch im Kabinett ist. Sie hat keine Protokollerklärung abgegeben und hat damit offensichtlich positiv zugestimmt, dass die Verteidigungsausgaben von 1,3 Prozent im nächsten Jahr auf 1,23 Prozent absinken sollen. Entspricht das der politischen Meinung der Bundeskanzlerin?

StS Seibert: Die Frage, für was die Bundeskanzlerin oder das gesamte Kabinett gestimmt haben, werten Sie entschieden anders als ich. Der Finanzminister hat hier den Entwurf – –

Zuruf: Ich zitiere die Zahlen des Finanzministers!

StS Seibert: Richtig. Es wird ein Haushalt vorgelegt und der kommt dann in die parlamentarische Beratung. Es ist schon einmal eines der grundsätzlichen, wesentlichen Rechte des Parlaments, dass es einen Haushalt berät und in einem Haushalt Veränderungen vornimmt, wo es das notwendig findet. Die Bundeskanzlerin steht dazu, dass es richtig war, in den vergangenen Jahren eine Trendwende oder Tendenzwende bei den Verteidigungsausgaben Deutschlands einzuleiten. Das hat sich in deutlichen Steigerungen in den vergangenen Verteidigungshaushalten niedergeschlagen. Sie hat in Washington noch einmal gesagt: Sie ist der Überzeugung, dass diese Steigerung der Verteidigungsausgaben fortgesetzt werden muss. Das wird die Politik der Bundeskanzlerin, aber auch der Bundesregierung leiten.

Frage: Ich möchte die Frage an das Auswärtige Amt ausdehnen, das ja auch keine Protokollnotiz angefertigt hat. Beim Verteidigungs- und Entwicklungshilfeministerium weiß man ja, dass im Koalitionsvertrag verankert ist, dass zusätzliche Mittel eins zu eins zur Verfügung gestellt werden sollen. Aber auch das Außenministerium wird da ja – Stichwort humanitäre Hilfe – erwähnt. Ist das Außenministerium also zufrieden mit dem jetzigen Stand und will bei zusätzlichen Mitteln dann gar nicht berücksichtigt werden?

Burger: Dazu kann ich zunächst einmal sagen: Der Haushaltsentwurf 2018 hat sich für das Auswärtige Amt verbessert. Gleichzeitig ist klar: Die internationalen Aufgaben werden nicht weniger, sie wachsen eher. Die Lage in der Welt ist so, dass es eher mehr an Krisen und Konflikten gibt. Sie haben das Stichwort humanitäre Hilfe erwähnt: Der Bedarf wird weiter eher steigen, als dass er fällt. Das Gleiche gilt für den Bereich der zivilen Stabilisierung, der beim Auswärtigen Amt liegt. Wir liegen jetzt mit dem Haushaltsentwurf 2018 gut 300 Millionen Euro über dem Niveau des Haushalts von 2017, das spiegelt ganz anschaulich diese wachsende Verantwortung wider. Die Verbesserungen betreffen in erster Linie Aufstockungen bei der humanitären Hilfe um 294 Millionen Euro. Bei weiteren politischen Titeln, die der Stabilisierung der internationalen Krisen dienen, wie zum Beispiel dem Stabilitätspakt für Afghanistan, halten wir den derzeitigen Stand. Insofern ist das aus unserer Sicht jetzt eine spürbare Verbesserung im AA-Haushalt und insofern gehen wir zuversichtlich in das parlamentarische Verfahren.

Zusatzfrage: Und deswegen brauchen Sie, anders als das Verteidigungsministerium und das Entwicklungsministerium, auch keine Protokollnotiz, habe ich das richtig verstanden?

Burger: Ich möchte mich nicht zu dem äußern, was die anderen Ressorts tun. Die Diskussion um die erforderlichen Zusatzmittel für die ODA-Quote ist dem AA durchaus bewusst. Für zu erwartende zusätzliche ODA-Mittel ist neben dem BMZ natürlich auch das AA ein richtiger und wichtiger Adressat.

Frage: Herr Seibert, eine Frage zu dem, was Sie gerade gesagt haben, nämlich dass die Kanzlerin zu dem Ziel stehe, das in Wales vereinbart worden ist. Das ist nach deutscher Darlegung ja zumindest, dass man sich der Zwei-Prozent-Quote annähert. Gleichzeitig beschließt das Parlament heute einen Finanzeckwerteplan, mit dem wir uns am Ende von diesem Ziel weiter entfernen. Das muss doch auch für Sie ein Widerspruch zwischen diesen beiden Aussagen sein?

StS Seibert: Ich sehe den Widerspruch nicht. Ich sehe ganz klar das Bekenntnis der Bundesregierung insgesamt und der Bundeskanzlerin zu dem Nato-Ziel. Ich sehe die Notwendigkeit, dass wir uns in diese Richtung entwickeln, und zwar nicht nur weil wir das mit den Nato-Kollegen gemeinsam beschlossen haben, sondern weil wir das unseren Soldatinnen und Soldaten auch schuldig sind. Ich sehe, dass wir uns auf diesen Weg gemacht haben – mit deutlichen Steigerungen des Verteidigungshaushalts. Die Bundeskanzlerin ist der Überzeugung, dass sich diese deutlichen Steigerungen weiter fortsetzen müssen.

Deswegen gibt es im Koalitionsvertrag beispielsweise auch den Passus, dass die Koalition zusätzlich entstehende Haushaltsspielräume prioritär nutzen wird, um neben den Verteidigungsausgaben – aber eben auch die Verteidigungsausgaben – die Mittel für Krisenprävention, humanitäre Hilfe usw. zu erhöhen. Wir fahren überall einen vernetzten Ansatz. Dafür sind wir, glaube ich, in der internationalen Gemeinschaft auch bekannt. Damit sehen Sie schon: Mit den prioritären Mitteln sind eben auch Verteidigungsausgaben gemeint.

Kolberg: Vielleicht kann ich noch etwas ergänzen, weil die Fragen in die Richtung gehen, als wenn irgendwelche Ausgaben gesenkt würden.

Der Minister hat ja gerade diese schöne Übersicht gezeigt, wie sich die Verteidigungsausgaben entwickeln. Wir haben im Jahr 2018 eine starke Steigerung um rund 1,5 Milliarden Euro und in den Folgejahren, von 2018 bis 2019, teilweise noch größere Steigerungen. Der Minister hat gleichzeitig darauf hingewiesen, dass bei einer längeren Finanzplanung hinten selbstverständlich noch etwas passieren kann, je nachdem, wie sich die weitere Entwicklung darstellt, und dass die Ziele, die Deutschland im Hinblick auf Verteidigung, Entwicklung und humanitäre Hilfe übernommen hat, weiterhin stehen. Daher gibt es, wie es auch Herr Seibert eben gesagt hat, deutliche Steigerungen und keine Senkungen. Das gilt auch für die Entwicklungszusammenarbeit und die humanitäre Hilfe. Der Etat des Bundesministeriums für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung wächst im nächsten Jahr nach der Planung im Haushaltsentwurf, im zweiten Regierungsentwurf auf rund 9,4 Milliarden Euro an. Das ist eine Steigerung um 741 Millionen Euro. Auch der Teil der humanitären Hilfe im AA steigt an.

Zusatzfrage: Es war keine Rede von den Etats, sondern beide Fragen haben sich auf die Quote bezogen, die ja nach Ihren Berechnungen absinkt.

Ich habe zu diesem Konnex noch eine Zusatzfrage an das Auswärtige Amt. Sie haben gerade gesagt, die ODA-Quote betreffe das Auswärtige Amt, aber beispielsweise doch auch das Bild Deutschlands in internationalen Gemeinschaften. Was mich wundert, ist: Warum unterstützt das Auswärtige Amt nicht viel stärker zumindest Herrn Müller bei seinem Interesse, schon für das nächste Jahr einen deutlichen Aufschlag für seinen Haushalt zu bekommen? Denn Ihr Minister betont ja auch immer die deutsche Verantwortung auf der Welt und tritt auch auf Geberkonferenzen auf. Das ist für ihn auch sehr wichtig. Warum kommt da nicht mehr Unterstützung von Ihrem Haus zumindest für Herrn Müller?

Burger: Sie haben völlig recht: Die ODA-Quote betrifft auch das Auswärtige Amt. Aber auch Ausgaben für die humanitäre Hilfe und die zivile Stabilisierungsarbeit betreffen das Auswärtige Amt. Teile der auswärtigen Kultur- und Bildungspolitik sind für die ODA-Quote ebenfalls relevant. Deswegen stehen wir hinter dem Ziel, das im Koalitionsvertrag vereinbart worden ist, und den entsprechenden Regelungen im Koalitionsvertrag. Insofern sind wir durchaus daran interessiert, diese Diskussion zu führen, und wir beteiligen uns auch daran.

Kolberg: Vielleicht noch einmal zur Ergänzung: Es gibt erhebliche Steigerungen. Wenn Sie die Zahlen mit 2015 vergleichen: Damals waren für die Einzelpläne des AA und des BMZ 10,41 Milliarden Euro vorgesehen. In diesem Jahr sind 14,8 Milliarden Euro geplant. Noch einmal: Der Eindruck ist völlig fehlgerichtet, dass hier nicht deutliche Ausgabensteigerungen stattfinden.

Frage: Ich verstehe das mit den Zahlen immer nicht. Deswegen, Herr Kolberg, müssen Sie mir das noch einmal erklären.

Ich habe das so verstanden, dass nach den Eckwerten, die beschlossen wurden, die Quote, also der prozentuale Anteil der Verteidigungsausgaben am Bruttoinlandsprodukt, in den nächsten Jahren wieder absinken wird, unabhängig davon, dass Sie sagen, es gebe erhebliche Steigerungen. Das will ich durchaus konzedieren. Aber die Quote wird sinken, wenn ich das richtig verstehe. Gleichzeitig habe ich Herrn Seibert so verstanden, dass die Kanzlerin sagt: Die Quote wird nicht sinken. – Diese beiden Aussagen vermag ich schlicht, wie ich bin, nicht übereinanderzubekommen.

Kolberg: Sie waren ja vorhin dabei, als der Minister das alles wunderbar erklärt hat.

Zusatz: Das habe ich da schon nicht verstanden.

Kolberg: Er hat, wie ich jetzt, darauf hingewiesen, dass die Ausgaben deutlich gesteigert werden. Er hat gleichzeitig darauf hingewiesen, dass die Eckwerte, je weiter wir in die Finanzplanung gehen, also je weiter wir uns von dem heutigen Zeitraum entfernen, natürlich nicht alle positiven Entwicklungen, die möglicherweise bevorstehen, schon vornehmen können und dass deswegen in vielen Bereichen noch weitere, zusätzliche Ausgaben möglich sind. Aber im Moment geht es darum, genau diese Punkte im Haushalt 2018 umzusetzen, erhebliche zusätzliche Mittel zur Verfügung zu stellen und damit auch die Zusagen aus dem Koalitionsvertrag einzuhalten.

Frage: Herr Seibert, hält denn die Bundeskanzlerin die Protokollerklärung von zweien ihrer Minister für in der Sache sinnvoll und hilfreich oder für überflüssig?

StS Seibert: Das ist grundsätzlich nicht die Herangehensweise einer Bundeskanzlerin in Bezug auf Protokollerklärungen von Ministern ihres Kabinetts. Die Minister haben diese Protokollerklärung gemacht, weil sie, aus der Sicht ihrer Ressorts, klarmachen wollen, dass es sowohl für Entwicklungszusammenarbeit als auch für Verteidigung noch größerer Anstrengungen bedarf. Das entspricht auch der politischen Linie der Bundesregierung. Deswegen habe ich das jetzt hier nicht weiter zu bewerten.

Die Bundeskanzlerin hat sich – ich sage es noch einmal – in der Pressekonferenz in Washington sehr deutlich zur weiteren Entwicklung des Verteidigungshaushalts bekannt.

Zusatzfrage: Vielen Dank für die Erläuterung. – Dann schlussfolgere ich daraus: Die Bundeskanzlerin teilt den Inhalt der Protokollerklärung ausdrücklich. Denn das haben Sie gerade gesagt.

StS Seibert: Die Protokollerklärung ist gegeben. Sie ist ein Teil des Beschlusses, den das Bundeskabinett heute gefasst hat.

Frage: Ich habe eine Frage an das Verteidigungsministerium: Gibt es in Ihrem Haus die Hoffnung, dass sich Deutschland Anfang der 2020er-Jahre der 2-Prozent-Quote ernsthaft nähern wird? Wie viel Geld müsste nach den Berechnungen Ihres Hauses obendrauf kommen?

Neumann: Ministerin von der Leyen hat sich heute Morgen zum Haushalt 2018 und den Eckwerten 2019 bis 2022 geäußert und hat diese bewertet. Diese Worte stehen für sich. Ich habe von dieser Stelle aus nichts hinzuzufügen.

Zu Ihrer Frage nach dem Gesamtfinanzbedarf: Über die Höhe des Gesamtbedarfs werden wir in den dafür zuständigen Gremien beraten.

(Foto: Bundesfinanzminister Olaf Scholz präsentiert vor der Bundespressekonferenz eine Grafik mit der Entwicklung des Verteidigungshaushalts – Janine Schmitz/ photothek.net)