Dokumentation – von der Leyen bei Bundeswehrtagung: 1,5 Prozent Verteidigungsausgaben 2025 geplant

Zur Dokumentation: Die Rede von Verteidigungsministerin Ursula von der Leyen vor der Bundeswehrtagung in Berlin am (heutigen) Montag.

Während die Kanzlerin in ihrer Rede vor den Generalen und Admiralen keine konkreten Zahlen für die künftigen Verteidigungsausgaben nannte, tat die Ministerin genau das: Sie kündigte an, Deutschland werde beim NATO-Gipfel im Juli das Ziel melden, für das Jahr 2025 Ausgaben in Höhe von 1,5 Prozent des Bruttoinlandsprodukts anzupeilen.

Für die Bundeswehr intern von Interesse: Die Materialprobleme schon bei der Bestückung der NATO-Speerspitze für 2019 sollen bei der nächsten Rotation der Very High Readiness Joint Task Force (VJTF) im Jahr 2023 beseitigt sein: Es muss unser gemeinsamer Anspruch sein, die nächste VJTF-Rotation im Jahr 2023 tatsächlich aus der Grundaufstellung heraus, vollausgestattet mit eigenen einsatzbereiten Kräften zu stellen.

Die Rede zum Nachhören:

Bw-Tagung_vdL_14mai2018     

 

 

Der Text der Rede der Ministerin in der vorab verbreiteten Fassung (an den Stellen, wo sie wesentlich davon abgewichen ist, habe ich mich bemüht, die Änderung nachzutragen):

Eine einsatzbereite Bundeswehr – das ist uns Auftrag, Anspruch und Verpflichtung. Das ist die Erwartung unserer Verbündeten und Partner. Das ist die Erwartung unserer Bevölkerung. Und das ist gemeinsame Verantwortung für uns alle, die wir heute zur Bundeswehrtagung 2018 zusammengekommen sind.
Wir sind auf dem Weg und wir halten Kurs! In Kurzform heißt das (ich sage später zu allen Punkten mehr):
1. Wir haben mit dem Weißbuch den strategischenRahmengesetzt.
2. Jetzt verfeinert dies die Konzeption der Bundeswehr.
3. Wir wollen die Europäische Verteidigungsunion.
4. Wir habengeliefert und Vertrauengewonnen in unseren Bündnissen:
Irak, Mali, Afghanistan, VJTF, Litauen,…
5. Wir haben uns ehrlichgemacht – Stichwort Transparenz. Das ist schmerzhaft, aber unerlässlich.
6. Der Etat ist bereits deutlich gewachsen, aber die Lücken aus 25 Jahren sind gewaltig. Wir brauchen nachhaltig steigende Finanzlinien.
7. Das moderne Material muss in der Truppe ankommen. Wichtige Zielmarke und Schrittmacher dafür ist die Aufstellung der VJTF 2023.
8. Wir kümmern uns um die innere Verfasstheit der Truppe. Stichworte sind das Programm Innere Führung heute, Traditionserlass und moderne Arbeitsbedingungen, machen die Bundeswehr zu einem Ort, der die besten jungen Männer und Frauen anzieht und bei der Stange hält.
Wir werden den Weg der vergangenen Jahre konsequent fortsetzen. Wir dürfen bei allem Aufbruch aber auch nicht vergessen, woher wir kommen: Viele von Ihnen haben schon Führungsverantwortung in unserer Bundeswehr getragen, als mit der „Armee der Einheit“ die Streitkräfte des wiedervereinten Deutschlands verkleinert wurden. 1990 betrug das Verteidigungsbudget noch 2,4% des BIP, und niemand hatte Angst vor Deutschland. Dann setzte ein Reformprozess ein, der anfangs geboten war. Aber unter dem Stichwort „Friedensdividende“ vollzog sich schleichend ein kontinuierlicher Schrumpfungsprozess. Umbruch, Erneuerung, Reform, Neuausrichtung: Das waren die Schlagworte seit mehr als zwei Jahrzehnten. Keine Frage, es waren gute und richtige Schritte dabei. Aber spätestens seit der Finanzkrise war die Finanzausstattung strukturbestimmend (nicht mehr der Auftrag) und diese Finanzlage zwang die Bundeswehr zu einem Leben aus der Substanz.
Investitionen in das Material blieben weit hinter den Erfordernissen zurück. Ersatzteil- und Produktionsketten wurden gekappt, Munition wurde aufgebraucht und nicht mehr in ausreichendem Maße nachbeschafft. Die Möglichkeiten zur Weiterverpflichtung für das militärische Personal wurden drastisch reduziert. Personal wurde frühzeitig zur Ruhe gesetzt, neues Personal gar nicht eingestellt. Beim zivilen Personal galt für mehr als 10 Jahre ein Einstellungsstopp. Obergrenzen für wurden das Material und das Personal eingezogen.
Es entstanden hohle Strukturen. Alle Anstrengungen galten den deutlich gestiegenen Einsatzanforderungen, aber eben zu Lasten des Grundbetriebs, zu Lasten der Ausbildung, zu Lasten des überdehnten Personals.
Dann kam das Jahr 2014 mit der Annexion der Krim, der Machtprojektion Russlands bis an die Grenzen unseres Bündnisgebietes, der Terror des IS und die zunehmende Destabilisierung Afrikas. Spätestens jetzt wurde für alle offensichtlich, dass wir nicht mehr nur im Krisen- und Konfliktmanagement gefordert sein werden, sondern auch die lange vernachlässigte Landes- und Bündnisverteidigung wieder in den Vordergrund rücken muss. Hierfür war die Bundeswehr des Jahres 2014 nicht hinreichend aufgestellt. Weder personell noch materiell noch finanziell. Wir mussten umsteuern. Und wir haben umgesteuert.
Dazu haben wir zunächst Transparenz geschaffen. Dieser Prozess der Transparenz führt dazu, dass Defizite öffentlich werden. Das ist natürlich dann immer auch Ansatzpunkt für heftige, manchmal auch überzogene Kritik an der Bundeswehr. Das schmerzt Sie, die Sie Verantwortung in der Bundeswehr an höchster Stelle tragen. Das schmerzt mich als IBuK, die ich die politische Verantwortung für unsere Bundeswehr trage. Aber ohne Transparenz geht es nicht.
Denn eine Organisation, die ihre eigene Stärken und Schwächen nicht kennt, weil ihr schlichtweg die relevanten Daten fehlen, kann letztlich nicht geführt werden, kann sich selbst keine Ziele setzen und kann auch nicht überzeugend die erforderlichen Ressourcen einfordern.
Um es militärisch auszudrücken: Ohne Lagefeststellung auch kein Entschluss.
Und beides haben wir in der letzten Legislaturperiode gemacht: Wir haben die Trendwenden Personal, Material und Finanzen eingeleitet und neue konzeptionelle Grundlagen für die Bundeswehr geschaffen.
Das Weißbuch der Bundesregierung war der Startpunkt. Ihm folgt jetzt die Konzeption der Bundeswehr. Sie schreibt die Gleichrangigkeit aller Aufgaben der Bundeswehr fest. Die Landes- und Bündnisverteidigung ist die anspruchsvollste Aufgabe, bei der wir auch den größten Nachholbedarf haben. Wir wollen ein volles Fähigkeitsspektrums im Bereich Cybersicherheit und Verteidigung. Multinationalität und Integration sind die wesentlichen Bestimmungsgrößen der Bundeswehr für Grundbetrieb und Einsatz. Unsere Fähigkeitsentwicklung und operative Planung richten sich an den Planungszielen der NATO und der Europäischen Union aus. Wir übernehmen Verantwortung für das Rahmennationen-Konzept in der NATO und wir sind Treiber beim Aufbau einer Europäischen Verteidigungs-Union.
Der nächste Schritt ist jetzt das Fähigkeitsprofil der Bundeswehr. Es beschreibt, wie eine einsatzbereite Bundeswehr aussehen muss, welche Fähigkeiten, welchen Umfang, welche Struktur die Bundeswehr benötigt. Und natürlich brauchen einsatzbereite Streitkräfte auch ein klares Koordinatensystem. Das ist das Grundverständnis unserer Inneren Führung. Deshalb haben wir den Prozess „Innere Führung HEUTE“ gestartet und wir haben einen neuen Traditionserlass gemeinsam erarbeitet. Er stellt vor allem die stolze, über sechzigjährige Geschichte der Bundeswehr in den Mittelpunkt.
Meine Damen und Herren, Lagefeststellung und konzeptionelle Grundlagen sind das eine. Gemessen werden wir natürlich daran, dass sich die tatsächliche
Einsatzbereitschaft der Streitkräfte und damit letztlich auch die Ausrüstung unserer Soldatinnen und Soldaten spürbar verbessert.
Hierfür haben wir in der letzten Legislaturperiode eine Menge getan: Die Bundeswehr wächst wieder. Und das, nachdem wir zu Beginn des Jahrzehnts noch einmal einen erheblichen Kürzungsschnitt verkraften mussten: Er führte uns von 194.300 Soldatinnen und Soldaten in 2012 auf den historischen Tiefstand von 179.600 Soldatinnen und Soldaten in 2015. Aktuell haben wir bereits wieder einen Aufwuchs auf knapp 183.000 erreicht. Und wir wollen bis 2024 auf 198.000 Soldatinnen und Soldaten wachsen. Bei unseren zivilen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern haben wir die ursprüngliche Planung von 56.000 Haushaltsstellen deutlich auf über 61.000 angehoben.
Wir haben einen signifikanten Anstieg unserer Verteidigungsausgaben erreicht. Der Haushalt 2018 bietet eine gute Grundlage, um unseren Weg fortzusetzen. Das ist gut investiertes Geld. Das zeigt sich auch daran, dass wir seit 2014 in jedem einzelnen Jahr stets mehr Geld ausgegeben haben, als uns zu Beginn des Haushaltsjahres zugewiesen war. Lediglich in 2017 konnten wir 0,2% unseres Budgets nicht ausgeben – das waren 78 Millionen bei einem Gesamtetat von 37 Milliarden. Aus einem einfachen Grund: der Bundestag hat dem Vertrag für die HERON TP vor der Bundestagswahl nicht mehr zugestimmt. Das wären allein 280 Millionen Euro gewesen, die noch abgeflossen wären. Es ist gut, dass wir im Koalitionsvertrag vereinbart haben, dieses Projekt nun zügig umzusetzen. Dafür werden wir dem Bundestag in Kürze die 25 Mio. Euro Vorlage zuleiten.
Mit der Trendwende Material haben wir das Dynamische Verfügbarkeitsmanagement abgeschafft, ebenso wie die starren Obergrenzen bei den Hauptwaffensystemen.
In den vergangenen vier Jahren sind neu zugelaufen:
• 181 Schützenpanzer – Puma,
• 51 Radpanzer – Boxer,
• 28 Transporthubschrauber – NH90,
• 31 Kampfhubschrauber – TIGER,
• 16 Transportflugzeuge – A400M,
• 2 U-Boote,
• 15 Hubschrauber – LUH Spezialkräfte,
• 1.800 militärische Fahrzeuge
Parallel haben wir Rüstungsinvestitionen mit einem Gesamtvolumen von 31 Milliarden Euro auf den Weg gebracht. Natürlich steht all dies noch nicht bei Ihnen auf dem Hof – aber vieles ist schon in Sichtweite.
Um nur einige ausgewählte Beispiele zu nennen, die aus den Aufträgen der vergangenen Legislaturperiode in dieser aktuellen Legislaturperiode zur Auslieferung anstehen:
• weitere 129 GTK BOXER;
• 5 neue MRTT Tankflugzeuge;
• 15 SEA LION Hubschrauber für die Marine;
• 50.000 mal Schutzwesten und persönliche Ausstattung;
• und über 33.000 moderne digitale Funkgeräte
• und mehr als 70 geschützte Kräne (für Verlegefähigkeit).
Meine Damen und Herren, einsatzbereite Streitkräfte sind kein Selbstzweck, sondern das zentrale Instrument für unsere außen- und sicherheitspolitische Handlungsfähigkeit. Wir wollen in der Allianz weiterhin ein verlässlicher Partner bleiben.
Dazu gehört selbstverständlich, dass wir unsere in Wales und Warschau bekräftigten NATO-Verpflichtungen erfüllen – wie auch unsere anderen Verbündeten. Wir hatten den Tiefpunkt unserer Verteidigungsausgaben gemessen am BIP in 2015 mit 1,1%. Nächstes Jahr, 2019, werden wir voraussichtlich 1,3% erreichen. Und zum NATO- Gipfel in Brüssel werden wir anzeigen, dass wir für 2025 einen Anteil der Verteidigungsausgaben am BIP von 1,5% erreichen wollen.
Aber unsere Verpflichtungen in der NATO bedeuten mehr als nur Finanzzahlen. Vielmehr geht es auch um die Frage, wer leistet was für das Bündnis. Und auch hier können sich unsere Beiträge fürwahr sehen lassen:
• Wir sind der zweitgrößte Truppensteller in den NATO-Missionen,
• Wir sind der zweitgrößte Truppensteller in Afghanistan
• Und wir sind zweitgrößter Nettozahler bei der NATO-Gemeinschaftsfinanzierung
• Wir sind das einzige kontinentaleuropäische Land ,das bei „Enhanced Forward Presence“ Rahmennation ist
• Wir sind Rahmennation für das künftige „Joint Support- and Enabling-Command“ (JSEC) und leisten damit einen signifikanten Beitrag zur Einsatzbereitschaft und Modernisierung der Kommandostruktur der Allianz.
• Das JSEC wird Verantwortung tragen für die Verlegung von Großverbänden  und Reservekräften, für die Ausbildung und Integration von Truppenverbänden.
Meine Damen und Herren, wir wollen transatlantisch bleiben und zugleich europäischer werden. Wir brauchen mehr europäische Gemeinsamkeit in der Verteidigung. Die heutige Fragmentierung in der Europäischen Union ist weder operativ sinnvoll, noch finanziell vertretbar. Die Kommission hat Zahlen zusammengetragen:
• Wir betreiben in Europa 178 Waffensysteme – die USA 30.
• Wir haben in Europa 17 unterschiedliche Kampfpanzer – die USA haben einen;
• wir verfügen über 29 unterschiedliche Typen von Fregatten, die USA über 4.
• Und wir Europäer nutzen 20 Arten von Kampflugzeugen, die USA 6.
Und selbst da, wo wir scheinbar denselben Typus nutzen, verhindern nationale Spezifikationen eine gemeinsame logistische Kette, eine koordinierte Instandhaltung und häufig sogar eine gemeinsame Ausbildung und Nutzung. Deshalb haben wir im Dezember die Europäischen Verteidigungsunion aus der Taufe gehoben.
• Das Zentrum bildet die PESCO, die Permanente Strukturierte Zusammenarbeit
• Der gemeinsame Planungsprozess (CARD) ist eng abgestimmt mit der NATO und unerlässlich für das Finanzierunginstrument, den
• Europäischen Verteidigungsfonds (EVF). Zum ersten Mal wird es aus dem
europäischen Budget Geld/Investitionen für Verteidigung geben!
• Das alles führt Schritt für Schritt zur Armee der Europäer. Ganz praktisch stehen wir bei diesem Prozess beileibe nicht erst am Anfang. Seit Jahren bauen wir kontinuierlich die enge Kooperation mit unseren Nachbarn aus – etwa mit Frankreich und den Niederlanden.
Im Herbst werde ich das Kommando über die EUTM MALI gemeinsam mit meiner französischen Kollegin an einen deutschen General übergeben, der Kräfte der Deutsch-Französischen Brigade in dieser Mission führt.
Mit den Niederlanden sind wir mittlerweile bei allen Teilstreitkräften strukturell eng verwoben. Vor einem Monat habe ich deutsche Flugabwehrkräfte der Luftwaffe einem niederländischen Kommando unterstellt. Und übermorgen werde ich mit meiner niederländischen Kollegin unser gemeinsames Panzerbataillon in Lohheide besuchen, das der niederländischen Brigade in der deutschen Division gehört. Und wir werden dabei vereinbaren, dass wir unsere Landstreitkräfte künftig gemeinsam mit denselben modernen, digitalen Kommunikationsmitteln ausstatten. Das ist konsequent, schließlich stehen wir in fast allen Einsätzen Seite an Seite – oder lösen uns koordiniert mit Hochwertfähigkeiten ab, wie etwa in MINUSMA. Dieses Rotations-Prinzip für die Friedensmissionen der Vereinten Nationen wollen wir fest etablieren. Denn auch in den Vereinten Nationen ist unser Einsatz gefragt: Deutschland ist der zweitgrößte europäische Truppensteller in den VN-Missionen. Und in wenigen Wochen stellt Deutschland sich der Wahl zum nicht- ständigen Mitglied des Sicherheitsrates für die Jahre 2019 und 2020.
Meine Damen und Herren, die anspruchsvollste Aufgabe der Bundeswehr ist die Landes- und Bündnisverteidigung. Sie ist die Messlatte für die Einsatzbereitschaft der Streitkräfte. Und zugleich ist dies die Aufgabe, die in den vergangenen 25 Jahren vernachlässigt wurde, um die priorisierten Einsätze leisten zu können. Hier besteht der größte Nachholbedarf! Was heißt Landes- und Bündnisverteidigung in Zukunft?
Lackmustest wird sein, ob und wie wir uns auf die hybriden Bedrohungen einstellen. Die Truppe braucht dafür ein verlässliches Gerüst, aus dem heraus sie handeln kann. Wir haben die Muster vor Augen: Fake-news Kampagnen um Unruhe zu schüren; das Einsickern von irregulären Kräften an den Rändern des Bündnisterritoriums; Cyberattacken gegen kritische Infrastruktur, Regierungsnetzwerke und unsere Bankensysteme; die Bedrohung durch Raketen jeglicher Reichweite und Wirkung; Angriffe auf unsere Handelswege auf See; Einsätze von Drohnenschwärmen gegen zivile Ziele; bis hin zur „klassischen“ Verteidigungsoperation an der Landesgrenze. Auf all das müssen wir uns neu ausrichten. Und zwar nicht nur in der Programmatik und durch das Verfassen von Denkpapieren, sondern durch ganz konkrete Maßnahmen bei Personal und Material, in der Ausbildung, mit unseren Partnern und ressortgemeinsam.
Einsatzbereitschaft beginnt mit Personal. Bei den Beamten hatten wir im vergangenen Jahr eine Relation zwischen Bewerbungen und Einstellungen von 17 zu 1; bei den Soldatinnen und Soldaten auf Zeit betrug das Verhältnis 2,5 zu 1. Hierzu haben wir erste Schritte unternommen: wir haben die Arbeitgebermarke Bundeswehr etabliert. Wir haben ein e-recruiting eingeführt. Wir durchforsten die Bewerbungs- und Einstellungsprozesse und machen sie einfacher und stringenter. Und wir bereiten vor, künftig Personalwerbung und Personalgewinnung zivil und militärisch „aus einem Guss“ zu machen. Sie muss aus einem Guss sein – weil wir alle wissen, wie hart die Konkurrenz am Arbeitsmarkt inzwischen ist.
Zudem werden wir ein umfangreiches Gesetzespaket „Moderner Arbeitgeber Bundeswehr“ auf den Weg bringen. Die wichtigsten Punkte sind hier
• Verbesserung der sozialen Absicherung von Soldatinnen und Soldaten auf Zeit;
• Leistungen zur Abfederung der beruflich bedingten Mobilität;
• Erhöhung von bestehenden Stellenzulagen und Einführung neuer (z. B. zur
leichteren Gewinnung und Bindung von Experten im Bereich „Cyber“);
• Novellierung der Soldatenlaufbahnverordnung,
• oder Reduzierung von Mindestdienstzeiten für Beförderungen.
Zur Attraktivität des Dienstes gehört natürlich auch eine moderne Arbeitsumgebung. Bei unserer Infrastruktur haben wir erheblichen Nachholbedarf. Aber wir kommen voran: In diesem Jahr werden wir voraussichtlich 900 Millionen Euro investieren und damit fast 50 Prozent mehr als zu Beginn der letzten Legislaturperiode. Aber es sind vor allem die Planungsprozesse, die zügiger gehen müssen. Wir werden hier den Sprung in die Digitalisierung machen. Aus allen relevanter Daten wird ein 3D-Modelle des künftigen Gebäudes erstellt. Auf dieses 3D-Modelle habe dann alle Beteiligten in Echtzeit Zugriff. Die Abstimmungen während Planung und Bauausführung werden so transparenter, schneller, wirtschaftlicher und erreichen höhere Qualität. Das erste Pilotprojekt wird gestartet bei unserem Geschwader in Neuburg/Donau. Es ist das erste Projekt dieser Art überhaupt im gesamten Bundesbau.
Zweites Thema: Wie bringen wir unsere sogenannten nicht unterkunftspflichtige Soldatinnen und Soldaten unter? Wir haben hier eine Zielmarke, an der wir arbeiten. Wir wollen, dass rund ein Fünftel der Soldatinnen und Soldaten einer Dienststelle auch Bett und Spind beziehen können.
Und ich habe angewiesen, die bewirtschaftete Betreuung an den Standorten wieder auszubauen. Wirtschaftlichkeit allein kann nicht das ausschlaggebende Kriterium sein, ob wir Orte des sozialen Miteinanders schaffen.
Meine Damen und Herren, ein weiterer Schlüssel zu unserer materiellen Einsatzbereitschaft ist ein modernes, transparentes und funktionierendes Beschaffungswesen. Hier werden wir die Dynamik der vergangenen Legislaturperiode aufrechterhalten. Die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter unserer Beschaffungsorganisation haben in den vergangenen Jahren Gewaltiges geleistet! Ihnen ist vor allem zu verdanken, dass wir in der letzten Legislaturperiode 77 sogenannte 25 Mio-Vorlagen auf den Weg gebracht haben mit einem Volumen von 31 Mrd. Euro. Gleichzeitig haben uns die letzten vier Jahre aber auch die Grenzen unseres Systems im Hinblick auf Prozesse, Strukturen und rechtliche Bestimmungen aufgezeigt. Deshalb müssen wir im BAAINBw bessere Rahmenbedingungen schaffen und den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern modernere Instrumente an die Hand geben.
Erreicht haben wir bereits, dass wir ab diesem Haushaltsjahr Rücklagen für Rüstungsinvestitionen bilden dürfen. Aber es geht natürlich um weit mehr: Vor wenigen Tagen habe ich hierzu eine Task Force auf den Weg gebracht, die untersuchen soll, wie wir die Beschaffungsorganisation der Bundeswehr besser aufstellen können. Entscheidungsvorschläge erwarte ich bis Ende dieses Jahres. So wie wir es im Koalitionsvertrag vereinbart haben.
Meine Damen und Herren, es gibt eine weitere entscheidende Voraussetzung zum Erfolg all dieser bisher geschilderten Anstrengungen zur Verbesserung unserer Einsatzbereitschaft: die Digitalisierung der Bundeswehr. Ich habe nicht vergessen, wie das zu Beginn der letzten Legislaturperiode war: Die Frage nach der Einsatzbereitschaft konnte einfach nicht innerhalb eines oder zwei Tagen beantwortet werden. Die Datenlage war widersprüchlich – es gab unterschiedliche Messpunkte und Referenzdaten, sie war veraltet – und sie musste händisch erstellt werden. Dabei ist ebendiese Datenlage immerhin Entscheidungsgrundlage für die Leitung und Transparenzgrundlage für den parlamentarischen Raum.
Wir müssen doch bereits beim Erteilen des Auftrages auf validen Daten abschätzen können, per Knopfdruck, aus einer Datenbank, am aktuellen Rand: Ist das für die Brigade, das Geschwader, die Flottille überhaupt leistbar? Passen künftiger Auftrag und verfügbare Mittel zusammen?
Inzwischen wird die Einsatzbereitschaftslage digitalisiert. Wir sind mitten in diesem Prozess: Wir werden auf allen Führungsebenen ein gemeinsames Lagebild haben, denn die gezielte Steuerung von Ressourcen ist nur möglich mit einer vollständig digitalisierten Einsatzbereitschaftslage.
Ein zweites Beispiel für die Digitalisierung ist das „System Krisenfrüherkennung“. Unser Militärisches Nachrichtenwesen wird künftig über ganz neue Möglichkeiten für die Lagebeurteilung verfügen. Das Recherchieren und Sortieren der Informationsflut von öffentlichen Quellen bis zu den Dienst-Dossiers wird künftig das IT-System übernehmen. Es wird Informationen priorisieren und sie auf einer Lagekarte visualisieren. Inhaltliche und räumliche Zusammenhänge werden erkennbar, Netzwerkstrukturen nachvollziehbarer, und damit ist die echte Analysearbeit unserer Spezialisten auf eine ganz andere Grundlage gestellt.
Und wenn wir künftig unsere Prognosetechniken durch Verfahren Künstlicher Intelligenz unterlegen können, dann werden wir entstehende Krisen früher erkennen, schneller ihre Folgeentwicklungen abschätzen und ressortgemeinsam darauf reagieren können. Das System Krisenfrüherkennung ist idealtypisch, wie wir Anwendung einerseits, und Forschung, Ausbildung und Qualifizierung andererseits zusammen denken müssen:
Unsere Universität in München ist eng in die technische Weiterentwicklung dieses Tools eingebunden. Das dortige Center for Intelligence and Security Studies (CISS) leistet den wesentlichen Beitrag zum Datenfundament. Und mit unserem Studiengang „Master for Intelligence and Security Studies“ qualifizieren wir unsere jungen Offiziere bereits frühzeitig als künftige Nutzer dieses Systems.
Mit dem Organisationsbereich Cyber und Informationsraum und der Abteilung CIT haben wir uns inzwischen gut aufgestellt. Dies gilt es konsequent auszubauen.
Deshalb haben wir das Cyber Cluster an der Universität der Bundeswehr München etabliert, ein Cluster, das europaweit seines Gleichen sucht! In Berlin haben wir den Cyber Innovation Hub aus der Taufe gehoben, das sind unsere Schatzsucher, die Start-ups suchen mit neuen, vielversprechenden Technologien. Und wir wollen jetzt neu gemeinsam mit dem BMI eine deutsche DARPA schaffen, die Agentur für Disruptive Innovation für Cybersicherheit, ADIC.
Die andere Ebene der Digitalisierung, das „digitale Gefechtsfeld“, ist bereits Realität. Bei all den technischen Möglichkeiten wollen wir in der Bundeswehr weiter auf das ‚Führen mit Auftrag‘ setzen. Natürlich soll der Trupp in Gao künftig auf die Informationen zugreifen können, die in Potsdam oder Gelsdorf verfügbar sind beziehungsweise dort ebenengerecht aufbereitet wurden. Und gleichzeitig müssen wir unseren Truppführer in seiner Kompetenz bestärken. Das bedeutet, dass wir Prozesse entwickeln müssen, um die Menge an Informationen und Daten, sicher und gewinnbringend steuern zu können. Der notorische ‚Nebel des Krieges‘ basiert ja nicht länger auf einem Mangel an Daten, sondern eher auf einem zu viel an Daten. Die neue Herausforderung liegt in der schnellen und effektiven Filterung und Interpretation des gigantischen Informationsvolumens. Deshalb erfordert die digitale Transformation auch mehr denn je eine transparente und offene Organisationskultur. Das bisherige „need to know“-Prinzip müssen wir in ein „need to share“ überführen,
Meine Damen und Herren, all diese Themen müssen wir anpacken, damit wir unser Ziel einsatzbereite Streitkräfte erreichen.
Wie groß in allen Belangen der Nachholbedarf ist, erleben wir derzeit alle bei der Aufstellung der VJTF 2019, der Schnellen Speerspitze der NATO. Wir werden ihre Einsatzbereitschaft erreichen – da bin ich mir sicher. Aber mir ist auch bewusst, zu welchem Preis. Ich weiß, dass Personal und Material aus den Nachbarverbänden gesucht und verschoben werden muss, aufwendig und teuer. Und dass diese Männer und Frauen, diese Gefechtsfahrzeuge, Schutzausstattungen, Nachtsichtgeräte und noch vieles mehr dann eben anderen Verbänden schmerzlich fehlen. Denn auch sie wollen und müssen ausbilden, üben, sich auf den Einsatz vorbereiten. Diesen Teufelskreis müssen wir durchbrechen!
Es muss unser gemeinsamer Anspruch sein, die nächste VJTF Rotation im Jahr 2023 tatsächlich aus der Grundaufstellung heraus, vollausgestattet mit eigenen einsatzbereiten Kräfte zu stellen. Projekt VJTF 2023 – ich habe dafür den Rüstungsstaatssekretär, den Generalinspekteur und unsere Inspekteure beauftragt, einen konkreten Umsetzungsplan aufzustellen. Dieser kann dann auch als Blaupause für eine voll ausgestattete, moderne Bundeswehr gelten. Ich zähle hier auf Ihre Unterstützung und werde mich auch im Bundestag dafür einsetzen, dass wir dieses Ziel erreichen. Ich brauche Sie weiter an meiner Seite. Einsatzbereite Streitkräfte wie sie unsere Verbündeten, unser Land und vor allem unsere Bevölkerung zu Recht erwarten.

Nachtrag: Es gab hier ein wenig Verwirrung angesichts der von der Ministerin in ihrer Rede genannten Zahlen; so sind z.B. 18 und nicht nur 15 Sea Lion bestellt. Auch die Zahlen zum Personalumfang decken sich nicht mit den veröffentlichten Zahlen.

Ich habe im BMVg nachgefragt; die Erläuterung: Die Zahlen zu anstehendem Großgerät beziehen sich ausschließlich auf die laufende Legislaturperiode, und in der ist z.B. nur die Lieferung von 15 Hubschraubern für die Marine vorgesehen, die restlichen drei kommen später. Bei den Personalzahlen sind die Reservistenstellen mit eingerechnet.