Dokumentation: Merkel lehnt deutsche Beteiligung an möglichem Angriff auf Syrien ab

Nach wie vor ist offen, ob und wann die USA – und mit ihnen eventuell Frankreich und Großbritannien – militärisch auf den vermuteten Giftgasangriff in Syrien reagieren. Nach den zunächst drohenden Tönen von US-Präsident Donald Trump gab es am (heutigen) Donnerstag eine Art vorläufige Entwarnung. (Eine aktuelle Zusammenfassung hier bei tagesschau.de) Bundeskanzlerin Angela Merkel hat allerdings  klargestellt, dass sich Deutschland nicht an einem solchen Angriff beteiligen werde.

Zur Dokumentation die Aussagen der Kanzlerin dazu bei der gemeinsamen Pressekonferenz mit dem dänischen Ministerpräsidenten
Lars Løkke Rasmussen (Abschrift des Bundespresseamtes):

Merkel: Wir haben natürlich über die internationale Situation gesprochen und sind uns auch einig, dass wir jedwede Anwendung von Chemiewaffen ablehnen und gerade auch auf die Arbeit der OPCW setzen. Umso bedauerlicher war es, dass Russland jetzt im Zusammenhang mit den Vorkommnissen in Süd-Ghuta nicht dazu bereit war, dass der gemeinsame Mechanismus der OPCW aktiviert wird, sodass man die Herkunft von Chemiestoffen gemeinsam hätte nachweisen können. Deshalb ist natürlich die internationale Lage sehr angespannt. Ich habe heute ja auch mit dem französischen Präsidenten gesprochen. Deutschland verurteilt natürlich den Einsatz von Chemiewaffen, und es gibt viele Hinweise darauf, dass das syrische Regime solche Waffen eingesetzt hat. Das ist umso bedauerlicher, als das ja vor etwa einem Jahr schon einmal der Fall war.

(…)

Frage: Ich möchte noch einmal zur Syrienfrage zurückkommen. Frau Bundeskanzlerin Merkel, auf welche Weise, würden Sie sagen, könnte man einen möglichen Raketenangriff in Syrien unterstützen? Was wäre genau Ihre Botschaft in Putin und Russland in dieser Situation? (…)

Merkel: Was Syrien anbelangt, so sind wir alle Mitglied der Chemiewaffenkonvention. Wir verurteilen die Anwendung jedweder Art von Chemiewaffen. Wir sind froh über die Arbeit der OPCW. Wir haben uns damals mit daran beteiligt, dass die syrischen Chemiewaffen vernichtet wurden, und haben dabei eine sehr aktive Rolle gespielt, müssen jetzt aber erkennen, dass die Vernichtung dieser Waffen ganz offensichtlich nicht vollständig erfolgt ist. Jetzt muss das gesamte Spektrum von Maßnahmen in Betracht gezogen werden.

Für Deutschland bedeutet das, dass wir alle Aktivitäten im UN-Sicherheitsrat unterstützen – Dringlichkeitssitzungen – und dass wir die Arbeit der OPCW unterstützen. Wie ich schon gesagt habe, haben wir abgelehnt, dass es keine Einigung zu dem amerikanischen Vorschlag im UN-Sicherheitsrat gab, den Mechanismus, den es innerhalb der OPCW gibt, zu aktivieren, um gemeinsam zu untersuchen, wo solche Giftstoffe herkommen. Ich finde, das wirft kein gutes Licht auf das Verhalten von Russland.

Wir verfolgen jetzt das, was wir aus den Vereinigten Staaten von Amerika und aus Frankreich hören – ich habe heute ja auch mit dem französischen Präsidenten gesprochen. Deutschland wird sich an eventuellen – es gibt ja keine Entscheidungen, das will ich noch einmal deutlich machen – militärischen Aktionen nicht beteiligen, aber wir sehen und unterstützen, dass alles getan wird, um Zeichen zu setzen, dass dieser Einsatz von Chemiewaffen nicht akzeptabel ist.

Vor allem die Aussage Deutschland wird sich an eventuellen militärischen Aktionen nicht beteiligen ist natürlich national wie international sofort verbreitet worden. Und je nach Sichtweise wurde das begrüßt oder als Zeichen der deutschen Unwillig- und Unfähigkeit verurteilt.

Nun hatte die Kanzlerin allerdings kaum eine andere Wahl, als eine militärische Beteiligung abzulehnen: Für einen möglichen Angriff einer solchen Koalition der Willigen, ohne UN-Beschluss, außerhalb der Strukturen von UN oder auch nur NATO oder EU gibt es keine rechtliche Grundlage für eine Beteiligung der Bundeswehr. Die ist nämlich, außer zur Verteidigung, nach dem Grundgesetz auf Einsätze im Rahmen eines Systems kollektiver Sicherheit begrenzt – und diesen Rahmen hat die Bundesregierung schon recht weit gedehnt, als sie die Anti-ISIS-Koalition zu einem solchen System kollektiver Sicherheit erklärte.

Ob man einen Angriff auf Syrien, ob man eine Beteiligung deutscher Streitkräfte daran für gut, nötig, schlecht oder katastrophal hält, ist da eine zweite Frage: Er ist so schlicht nicht möglich.

Natürlich kam angesichts der Meldungen der vergangenen Zeit über Materialmängel bei der Truppe auch oft genug die hämische Kritik auf, die Bundeswehr wäre ja ohnehin nicht zu einer militärischen Beteiligung in der Lage. Auch das ist ein bisschen kurz gegriffen: Trotz aller Probleme hat die Bundeswehr natürlich einsatzbereite Jagdbomber – sogar welche im Nachbarland Syriens, in Jordanien, stationiert. Und die Bundeswehr verfügt über Taurus-Marschflugkörper, die bei dem von den USA offensichtlich erwogenen Vergeltungsschlag eingesetzt werden könnten (übrigens ziemlich genau die Marschflugkörper, die auch Südkorea gekauft hat). So oft man der Bundeswehr eine Fähigkeitslücke vorwerfen darf: In diesem Fall wäre sie wohl nicht das Hauptproblem.