Ausbildungsmission im Irak: Doch ein ‚Einsatz‘?

Die geplante Ausbildungsmission der Bundeswehr für kurdische Kämpfer im Nordirak rückt näher. Und die jüngsten Äußerungen von Verteidigungsministerin Ursula von der Leyen lassen eine wichtige Frage offen: Wird das ein Einsatz, für den ein Mandat des Bundestages nötig wird?

Auf die Frage der Bild-Zeitung (Link s.u.) nach dem ‚Einsatz‘ sagte von der Leyen:

Eine Entscheidung darüber könnte noch vor Weihnachten fallen. (…)
Wir müssen die Terrormiliz militärisch bezwingen. Wir müssen ihre Finanzquellen austrocknen. Und wir müssen ihre unerträgliche Propaganda entlarven.

wobei die Frage offen bleibt, ob nur Bild den Begriff Einsatz gebraucht hat – oder ob er von der Ministerin stammt.

Nun ist Planung der Ausbildungsmission selbst kein neues Thema, die hatte von der Leyen schon vor Wochen angekündigt. Und nach einer Erkundungsmission von Spezialisten aus Auswärtigem Amt und Verteidigungsministerium geht es offensichtlich nur noch um das Wie, nicht grundsätzlich um das Ob: Dass Bundeswehrsoldaten gemeinsam mit Verbündeten aus der US-geführten Koalition gegen die islamistischen Terrormilizen ISIS kurdische Kämpfer ausbilden sollen, scheint beschlossene Sache.

Allerdings: Bislang muss die Bundesregierung daran interessiert sein, diese Mission unterhalb der Schwelle eines bewaffneten Einsatzes zu halten und die Notwendigkeit einer Bundestags-Zustimmung zu vermeiden. Denn dann käme nicht nur die Frage auf, ob ein solcher neuer Einsatz einen breiten politischen Rückhalt im Parlament hat. Sondern schon vorher eine ganz grundsätzliche Frage: Was wäre eigentlich die rechtliche Grundlage für einen solchen Einsatz? Denn für den Kampf gegen ISIS fehlt eine wichtige Voraussetzung, die Entsendung deutscher Soldaten im Rahmen und nach den Regeln eines Systems gegenseitiger kollektiver Sicherheit im Sinne des Artikels 24 Absatz 2 des Grundgesetzes. Weder Vereinte Nationen noch NATO noch EU führen die Mission, sondern eben nur die, pardon, Koalition der Willigen. Kein System kollektiver Sicherheit nach GG 24,2.

Also gibt’s drei Möglichkeiten: Keine Ausbildungsmission; eine Ausbildungsmission, bei der auch nur der Anschein der Einbeziehung in eine bewaffnete Unternehmung vermieden wird – oder doch ein NATO-Engagement. Letzteres, so ist zu hören, möchte das SPD-geführte Auswärtige Amt um jeden Preis vermeiden. Denn ein NATO-Einsatz gegen ISIS würde vielleicht dann doch mehr deutsche Beteiligung erfordern als Ausbilder. Obwohl: Was meint eigentlich die Verteidigungsministerin, wenn sie sagt: Wir müssen die Terrormiliz militärisch bezwingen?

Nachtrag 8. Dezember: Das komplette Interview ist jetzt auf der Webseite der Bundesregierung eingestellt. (Interessanterweise ohne das vorangestellte Zitat Ich will keinen Tag missen. Aber das waren die härtesten zwölf Monate meines Lebens)

Nachtrag 2: Die Frageversuche in der heutigen Bundespressekonferenz zu diesem Thema, mit Aussagen von Oberfeldarzt Angelika Niggemeier-Groben für das Verteidigungsministerium und Sawsan Chebli für das Auswärtige Amt:

Frage: Ich habe eine Frage an das BMVg und gegebenenfalls an das Auswärtige Amt. Die Verteidigungsministerin hat am Wochenende in einem Interview gesagt, dass die Mission im Irak noch vor Weihnachten beschlossen werden könnte. Dazu können Sie, Frau Oberfeldarzt, uns sicherlich ein paar Details nennen.

Vielleicht können Sie – ich weiß nicht, ob BMVg oder AA – auch die folgende Frage beantworten: Was ist denn mit der Mandatierung? Ist diese Frage geklärt?

Dritter Punkt dazu: Was meint die Ministerin, wenn sie sagt „Wir können ISIS nur militärisch besiegen“? Wer ist „wir“?

Niggemeier-Groben: Ich verweise natürlich auf das Interview, das heute zu lesen ist, in dem die Ministerin sagt, dass sie davon ausgeht, dass eine Entscheidung noch vor Weihnachten gefällt werden werde.

Zum jetzigen Zeitpunkt, aktuell und heute, kann ich Ihnen sagen: Sie wissen, dass die Bundesregierung prüft, in welcher Form, ob und inwieweit eine weitere Unterstützung der Bekämpfung der Terrormilizen des IS zu leisten ist. Es hat die Erkundungsreisen Anfang November und Ende November gegeben. Alle Erkenntnisse dieser Reisen sowie die vorliegenden Informationen zur Lage vor Ort, zum Bedarf, der sich dort ergibt, aber auch zu den Beiträgen der anderen Nationen – das ist es: wir sind im Kollektiv und ressortübergreifend in enger Absprache mit dem AA und mit unseren Verbündeten und Partnern, und all diese Faktoren führen zu faktischen Inhalten, zu Rahmenbedingungen und zu rechtlichen Grundlagen, um darauf zu kommen -, befinden sich noch in der Absprache.

Chebli: Bezüglich der genauen Details kann ich nichts hinzufügen. Das, was die Kollegin gesagt hat, steht für sich.

Vielleicht zu der Frage des Mandats: Dazu habe ich in diesem Raum ja schon vor einigen Wochen darauf hingewiesen, dass die Bundesregierung natürlich ein größtmögliches Interesse daran hat, den Bundestag bei der Entscheidung eng einzubinden, sowie daran, dass jedes mögliche Engagement natürlich auf möglichst breite Rückendeckung stößt, nicht nur des Parlamentes, sondern auch der Bevölkerung. Das gilt nach wie vor.

Zusatzfrage: Frau Chebli, bedeutet das auch, dass ein formales Mandat nach dem Parlamentsbeteiligungsgesetz nach wie vor für möglich gehalten wird?

Chebli: Dazu kann ich jetzt noch nichts sagen, weil wir noch nicht genau wissen, wie der Einsatz dann konkret aussehen wird. Sobald das klar ist, wird auch die Frage geklärt werden können, welche Art von Beteiligung des Parlamentes hierfür infrage kommen muss.

Zusatzfrage: Entschuldigung, das ist doch genau die Frage! Ist eine der möglichen Optionen nach wie vor eine Beteiligung nach dem Parlamentsbeteiligungsgesetz?

Chebli: Dazu kann ich einfach noch nichts sagen, wenn wir noch nicht den klaren Rahmen dafür haben, wie der Einsatz am Ende aussehen wird, weil wir gegenwärtig prüfen, wie die Kollegen richtig gesagt hat, dass es um Ausbildung und Training geht. Aber das genaue Ausmaß, die genaue Größe, die genaue Ausgestaltung unserer Unterstützung ist nicht klar. Deshalb kann ich hier nicht über irgendeine Art von Mandat und darüber sprechen, wie konkret es ist oder welche Art von Mandat es am Ende sein wird.

Richtig ist das, was ich gesagt habe: Wir haben ein großes Interesse daran, dass der Bundestag eng eingebunden wird und dass wir die Rückendeckung der Parlamentarier haben. Es tut mir leid, dass ich einfach noch nicht mehr sagen kann. Aber sobald konkret feststeht, wie unser Angebot an die Iraker letztlich aussieht, können wir auch über weitere Fragen diskutieren.

Zusatzfrage: Wer ist „wir“?

Chebli: Die Bundesregierung wird dann Stellung dazu beziehen.

Zusatzfrage: Ich meinte meine Frage an Frau Niggemeier-Groben, die noch offen war. Es hieß „Wir können ISIS nur militärisch besiegen“. Wer ist dieses „wir“ – der Westen, generisch, oder die Bundeswehr oder die Koalition oder die Nato?

Niggemeier-Groben: Die Ministerin hat damit natürlich den deutschen Beitrag gemeint, aber immer im Verbund mit den anderen Partnernationen, mit den Verbündeten.

Frage: Frau Niggemeier-Groben, was macht die Ministerin zuversichtlich, dass ISIS militärisch besiegt werden kann? Was für Indikatoren dafür hat sie momentan?

Niggemeier-Groben: Da kann ich im Grunde genommen auch nur mit den Worten der Ministerin antworten, die ja heute nachzulesen sind: Wir gehen davon aus und sind aufgrund der Abstimmungen mit den anderen Partnern zuversichtlich. Aber wirklich in die Details zu gehen, das geht heute hier vor Ort nicht.

Nachtrag 3: Reuters: U.S. says allies to send about 1,500 troops to Iraq

U.S. allies have committed to send about 1,500 forces to Iraq to help advise and train Iraqi and Kurdish soldiers battling the Islamic State, in a substantial boost on the ground, the top U.S. commander guiding the coalition effort said on Monday.
Lieutenant General James Terry, who commands all coalition efforts against the Islamic State in Iraq and Syria, said the forces would come on top of the up to 3,100 troops U.S. President Barack Obama has authorized to deploy to Iraq.
The allies‘ commitments were made during a conference among coalition members on Dec. 2-3.

(Archivbild: Waffenausbildung im Nordirak: Einweisung (Multiplikatoren-Ausbildung) der kurdischen Peschmerga in die Handhabung des G3-Sturmgewehrs durch Soldaten der Bundeswehr auf einer Schießanlage nahe der nordirakischen Stadt Erbil am 02.10.2014 – Bundeswehr/Sebastian Wilke)