Neue Regeln für den Rüstungsexport „Aufgaben der nächsten Legislaturperiode“
Der – erneute – Vorstoß von Außenminister Sigmar Gabriel, die Regeln für Rüstungsexporte zu verschärfen und dem Bundestag ein Mitspracherecht einzuräumen, hat vor der Bundestagswahl selbst nach Ansicht des SPD-geführten Bundeswirtschaftsministeriums keine Chancen auf Verwirklichung. Das früher von Gabriel geführte Ressort sei der Ansicht, dass konkrete Veränderungen eine Aufgabe der nächsten Legislaturperiode seien, sagte eine Sprecherin des Wirtschaftsministeriums am (heutigen) Montag in Berlin.
Gabriel hatte am Sonntag in einem Gespräch mit der Deutschen Presse-Agentur die Änderungen angeregt, die er schon in seiner Amtszeit als Wirtschaftsminister erwähnt hatte:
Der SPD-Politiker sagte der Deutschen Presse-Agentur, der Verkauf bestimmter Waffen an Länder außerhalb der EU und der Nato sollten verboten werden. Wenn es zu Ausnahmen komme, müsse der Bundestag darüber beraten. Als erwachsene Demokratie müsse Deutschland die öffentliche Diskussion nicht scheuen.
Schon im Februar 2016 hatte Gabriel eine Kommission angekündigt, die sich Gedanken über eine Neuregelung der Rüstungsexporte machen sollte:
Erneut kündigte Gabriel die Einsetzung einer Kommission an, die klären soll, ob an Stelle der bisher gültigen Richtlinien für Rüstungsexporte ein Gesetz geschaffen werden soll (was auch in der Bundesregierung umstritten ist). Mehr zu dieser Kommission soll es bei Vorlage des Rüstungsexportberichts 2015 vor der Sommerpause geben; zu deren Arbeit kündigte der Minister nur an, dass sie natürlich ihre Arbeit in dieser Legislaturperiode abschließen solle.
Diese Kommission verzögerte sich dann, und seit kurzem ist endgültig klar, dass sie vor der Bundestagswahl keine Ergebnisse vorlegen wird, wie die taz vor einer Woche berichtet hatte:
Wie das Wirtschaftsministerium der taz mitteilte, wird der „vertrauliche Beratungsprozess voraussichtlich bis Ende Dezember 2017“ andauern. Die Beamten sehen „weiteren Prüfungs- und Erörterungsbedarf“, die Vorbereitungen dafür laufen noch. Woran es genau hapert, verriet das Ministerium auf Nachfrage nicht.
Und jetzt die erneute Aussage des Wirtschaftsministeriums: Nichts neues vor der Wahl. Zum Nachhören dessen Sprecherin Beate Baron:
Das deutet darauf hin, dass Gabriels aktuelle Äußerungen nicht so wirklich aktuell sind. Interessanterweise nahm der Sprecher des Auswärtigen Amtes in der Bundespressekonferenz von sich aus dazu nicht Stellung.
(Foto: Gabriel im Cockpit einer Bundeswehr-Transall auf dem Weg nach Tripolis/Libyen am 8. Juni 2017 – Florian Gaertner/photothek.net)
Es wird keine Verschärfung des Rüstungsexportrechts geben. Denn schwarz-gelb haben kein Interesse daran und keinen Grund, über Rüstungsexporte das Parlament entscheiden zu lassen, falls es nach der Wahl eine schwarz-gelbe Regierung geben sollte. Dies würde nur den Linken ein Bühne geben.
Wenn es für schwarz-gelb nicht reichen sollte, dann gibt es wieder eine große Koalition. Nur mit dem Unterschied, daß Herr Gabriel der nächsten Regierung vermutlich nicht mehr angehören wird und selbst wenn, nicht mehr mit der Autorität eines Parteichefs. Da die Union sicher kein Interesse hat, daß der BT über Rüstungsexporte entscheidet, glaube ich nicht, daß es der SPD gelingen könnte, dies per Koalitionsvertrag durchzusetzen.
Herr Gabriel hat die Rüstungsexportverschärfung nicht geschafft, als er Wirtschaftsminister gewesen ist, jetzt wird kurz vor der Wahl nichts passieren und nachher würde auch ein Vizekanzler Schulz sicher nicht den Fehler machen, sich an Rüstungsexporten messen lassen zu wollen, was schon bei Gabriel so schlecht funktioniert hat.
Deshalb prognostiziere ich, daß das Rüstungsexportrecht nicht geändert wird, schon gar nicht wird der BT ein Mitspracherecht bekommen.
Chapeau, Herr Wiegold! Ihr Biss beim Dringen auf die Beantwortung einer ebenso einfachen wie klaren Frage überzeugt. Die Antworten eher nicht.
Wohl wissend um gewisse Abhängigkeiten bei der journalistischen Arbeit fände ein graduell vergleichbarer Ansatz Ihrerseits gegenüber dem Herrn Oberst Nannt sicher nicht nur meinen Beifall.
Hans Schommer
@Hans Schommer
Seien Sie unbesorgt: Mein Ansatz ist bei allen der gleiche, wo es notwendig ist.
Ist das jetzt bereits BTW-Wahlkampf, um ‚linke‘ Waehler aufzufangen?
Rüstungsexporte sind nicht nur wirtschaftlich relevant, sondern sie sind auch ein wichtiges Instrument staatlicher Sicherheitsvorsorge. Sie können sich – je nach Einzelfall – unmittelbar oder mit zeitlicher Verzögerung positiv, aber auch negativ auf vitale deutsche Interessen auswirken. Beispiele für das alles gibt es genug.
Wenn die Bundesregierung immer wieder auf Neue und zurecht einen sicherheitspolitischen Dialog in der Gesellschaft einfordert, dann dürfen Fragen des Rüstungsexports natürlich nicht ausgeklammert bleiben. Insofern ist hier sehr viel mehr Transparenz als bisher erwünscht. Und ja: Als Regel sollten nach meiner Auffassung Rüstungsexporte nur genehmigt werden, wenn sie im Einzelfall in überzeugender Weise für eine Stabilisierung der sicherheitspolitischen Lage im Sinne unserer Interessen sprechen. Das gilt zwar im Grundsatz schon heute, lässt sich aber in der Praxis leider nicht immer nachvollziehen. Es lohnt also, über das Thema intensiver nachzudenken. Unabhängig von Wahlkämpfen.
@Hans Schommer
Nun lassen Sie doch bitte mal den ollen Oberst zufrieden, der ist wegen seiner Laberkünste mal „erwählt“ worden, in Hamburg garantiert sogar die Note 0,0 im freien Vortrag, damit in der Gesamtschau wohl gaaanz vorne.
Sich mit dem zu beschäftigen, wertet den Heini, der wahrscheinlich auch nachts nur in Worthülse träumt, nur auf, upps ich habs ja gerade auch getan, nie wieder und Ende OT.
Ich glaube ebenfalls nicht an eine Einschränkung, allerdings – ein UBoot weniger verkauft, signifikant eingeschränkt – so wird es laufen.
@MikeMolto
Da Frau Wagenknecht ja nun Rot-Rot-XYZ-Gedankenspielen eine Absage erteilt hat, muß das GroKo-Trampeltier nun natürlich auch etwas weiter links die Wählerwiese abweiden, denn die anteilige Anzahl der Parlamentsstühle entscheidet ja auch über den Anteil an den Kabinettstühlen ;-)
@Klabauternann
Äh, nein, die W. hat vielleicht gefühlt „quasi“ eine Absage erteilt, nur eben eine Beteiligung der Roten grundsätzlich nicht, sondern „nur“ mit unerfüllbaren Forderungen verknüpft, ich weiss, Klugscheisser aber so isses is.
Was passiert aber, wenn in DEU der Makroneneffekt greift, selbst der Popbeauftragte ist nicht mehr dick, Albträume könnten wahr werden?
Grundsätzlich bleibe ich dabei, da immer nur der € wert angegeben wird, kann man den Export signifikant sogar auf NULL bringen, anders deklarieren, ging in der richtigen Seefahrt schon immer.
„Rüstungsexporte reduzieren“,- das war die Fata Morgana des Sigmar Gabriel!- Je näher man/frau der Umsetzung kam, je mehr wurde klar das dieses (allenfalls) nur ein frommer Wunsch blieb!
Vermutlich hatte man/frau den Einfluss der Rüstungsunternehmen auf die Politik „vergessen“;- und auch, dass von diesen eine absolut konträre Interessenlage vertreten wird …
@audio001
Jedem SPD Politiker ist die ökonomische Relevanz eigener wehrtechnischer Industrie bekannt. Und, Rüstungsexport als Teil gesamtstaatlicher Sicherheitsvorsorge wird auch im Harz/in Goslar erkannt werden.
Bei Frau Zypies trifft beides offenbar zu.
Ist es abwegig zu unterstellen, bei seit 10 Jahren gewünschter Lieferung von Leo 2 an das KSA hätten wir nicht auch signifikanten Einfluss auf dessen Machtgebaren gegenüber Katar?
Sehr hübsch, diese Kirchturmspolitik oder -nichtpolitik in Berlin. Kein Wunder, dass sich niemand auf EU-Ebene ernsthaft mit uns zusammentun will.
Irgendwie muß ich die ganze Zeit an diese politische Debatte in Sachen „Bundeswehreinsatzgesetz“ aus den Wahlkampfzeiten 2002 denken:: „……..Es müssen Wege gefunden werden, die es der Bundesregierung in Vorbereitung der abschließenden Entscheidung des Parlaments erlauben, Vor- und Erkundungskommandos der Bundeswehr ins Einsatzland zu entsenden. Gleichzeitig muss die Frage geklärt werden, wie die Verantwortlichkeit der Bundesregierung gegenüber dem Bundestag nach einer Entsendung wahrgenommen werden kann. Dies beinhaltet ein Rückholrecht des Bundestages bzw. einer Anpassung des Mandats an eine veränderte Lage. Das derzeitige Verfahren mangelt an Flexibilität (…) Die außen- und sicherheitspolitische Handlungsfähigkeit darf aber unter dem verfassungsrechtlich begründeten Zustimmungsvorbehalt des Parlaments nicht behindert werden. Dies alles macht es sinnvoll, in der nächsten Legislaturperiode ein Bundeswehreinsatzgesetz zu verabschieden………“ (http://www.imi-online.de/2002/06/18/wir-machen-nichts-an/)
@KeLaBe erinnert sich bestimmt ;-)
Gabriel macht eindeutig Wahlkampf – ihm ist natürlich klar, dass ein „Rüstungsexportgesetz“ nur eine Chance hätte in einer SPD-geführten Regierung mit farblich passender Koalitionsmehrheit im BT. Nun, diese Träume hat die SPD wohl aufgegeben. Also bringt er seine Partei schon einmal für GroKo-Koalitionsverhandlungen nach der Wahl in Position und postuliert in Sachen Rüstungsexport mehr parlamentarische Beteiligung analog zur Beteiligung des Parlamentes an den Bundeswehreinsätzen.
Das ist (partei)politisch wie koalitionspolitisch gleichermaßen logisch – auf jeden Fall ist es eine Kampfansage an die CSU, die ja wieder begonnen hat mit der „Ermächtigung“ des BSR in Sachen Außen-und Sicherheitspolitik zu „liebäugeln“.
Und natürlich stimmt er einen solchen wahlkampftaktischen Vorstoß nicht mit dem Wirtschaftsministerium ab als Vizekanzler, Außenminister und SPD-Vorsitzender, denn Brigitte Zypries wird ihm da wohl kaum widersprechen, die möchte ja vielleicht nach der Wahl auch wieder einen Kabinettsstuhl einnehmen ;-)
Es waere ja erfreulich, wenn der Aussen-Minister
seine Ankuendigungen endlich
einmal umsetzen wuerde. Doch sind
die Exporte in den letzten Jahren nicht exorbitant
gestiegen ? Ausser Wahlkampf-Versprechungen wird es
auch dieses Mal wieder nichts.
Einen echten Politik-Wechsel
kann es nur mit rotrotgruen geben.
Und diesen Wechsel traut sich
die SPD wieder nicht zu.
Die beste Bestands-Garantie fuer weitere
Merkel-Jahre ist eine zahme
sozialdemokratische Partei -die nichts
mehr erreichen will.
………..
@klabautermann | 13. Juni 2017 – 13:42
„Und natürlich stimmt er einen solchen wahlkampftaktischen Vorstoß nicht mit dem Wirtschaftsministerium ab als Vizekanzler, Außenminister und SPD-Vorsitzender, denn Brigitte Zypries wird ihm da wohl kaum widersprechen, die möchte ja vielleicht nach der Wahl auch wieder einen Kabinettsstuhl einnehmen ;-)“
Nein will sie nicht, sie hat schon vor Monaten öffentlich bekannt gegeben, dass mit Politik am Ende dieser Legislaturperiode Schluss ist.
@Wa-Ge | 13. Juni 2017 – 15:03
Habe ich gar nicht mitbekommen. Aber auch wenn Brigitte Zypries nicht mehr kanditiert, wird sie garantiert nicht Herrn Gabriel im Wahlkampf in den Rücken fallen in Sachen GroKo. ;-)
@Heinz D. Kappei | 13. Juni 2017 – 14:20
Dass ich zu 100% anderer Auffassung bin, wird Sie kaum verwundern.
Zu Ihrem apodiktisch vorgetragenem „Einen echten Politik-Wechsel
kann es nur mit rotrotgruen geben …“ füge ich hinzu:
Frau Wagenknecht hatte ich mir TV-live auf dem Hannoverschen Parteitag gegönnt. Ergebnis:
Eine SPD-Sympathisanten-Abschreckungsrede.
Mit dieser Dame in leitender Funktion, R2G in diesem Jahrhundert nicht mehr.
Sofern auch nur irgendein wackerer Sozialdemokrat – rein aus Machtkalkül – damit geliebäugelt haben sollte, jetzt ist’s endgültig passé.
Da hülfe Ihrer Interessenlage nur das Auftrittsverbot dieser Person.
Schade, dass dieses wichtige Thema wieder nur vertagt wird. Im Rahmen des PeaceLAb2016 hatte der BSH an der Uni Heidleberg eine schöne VA organisiert, bei der sich mit den Studis vor Ort eine wirklich bemerkenswert differenzierte Debatte über den Zusammenhang von Rüstungsexporten, Ertüchtigung und Krisenprävention ergeben hat.
http://www.peacelab2016.de/peacelab2016/debatte/veranstaltung/article/veranstaltungsbericht-den-eigenen-waffen-begegnen/
Mein persönliches Fazit: Gerade jetzt, wo verstärkt darüber nachgedacht wird, künftig auch in Krisenregionen durch Waffen- und Materiallieferungen zu „ertüchtigen“ (und dabei sogar EU-Entwicklungshilfefonds anzuzapfen), stünde eine offene Debatte darüber, was wir künftig an wen liefern und was wir damit eigentlich erreichen und welche Grenzen wir dabei ziehen wollen, eigentlich an. Denn die Folgen begegnen uns (bzw. den Soldatinnen und Soldaten, die wir zweifellos auch in der Zukunft in Krisenregionen entsenden) – so oder so – zwangsläufig wieder.
Im Übrigen, so verstehe ich zumindest einige Vertreter der in Rede stehenden Branche, stünden neue, klare Regeln den Interessen der Industrie nicht mal grundsätzlich entgegen. Vielmehr ist es das ewige hin- und her der bestehenden, intransparenten Regelungen, die je nach Regierung und Stimmungslage auch bereits bestehende oder kurz vor dem Abschluss stehende Verträge nach Nachrichten-/Stimmungslage wieder in Frage stellt und planbarkeit verhindert, was das größere Problem darstellt.
Moin,
völlig wertfrei betrachtet muss man sehen, dass wir in einem Kapitalismus leben und dem zur Folge um zu existieren irgendwie arbeiten und Geld verdienen müssen. Rüstung gibt es seit es Auseinandersetzungen gibt – also schon immer – und unsere Industrie ist offenbar gut darin. Naja zumindest weltweit führend in Small Arms, vielleicht noch vorne mit dabei bei größeren Geräten, aber m.E. stark auf dem absteigenden Ast. Da hängen also Arbeitsplätze und Wahlkreise dran und zuletzt auch die eigene Verteidigungsfähigkeit.
Moralisch ist es keine Frage, dass man sich entscheiden muss ob man Waffen verkaufen will oder nicht. Wir verkaufen schon immer. Was hier diskutiert wird ist dann doch ’nur noch‘ an wen alles oder an wen explizit nicht. Bisher sind dahingehend ja aber auch schon diverse Dinge passiert wo man sich fragen muss ob das alles so geht.
Nehmen wir das vorhin angeführte Beispiel der Saudis, die ja bekanntermaßen gerne den LEO2 wollten und den es aber nicht gab, da man einen Einsatz im Inland gegen politisch Andersdenkene befürchtete. Naja rein wirtschaftlich ist es doch so: Es hat jemand Geld und will Panzer. Da wir denen keine geben kaufen sie die logischer Weise woanders. Am Ende haben sie so oder so Panzer (in diesem Fall meine ich den M1 der Amis) und setzen die ein wie sie wollen – ja weil sie es können. Also hatten andere entweder keine Skrupel ein Geschäft zu machen oder es ist denen sogar nach der Nase das es dort läuft wie es läuft.
So oder haben wir aber a) kein simpel kein Geld verdient und keine Arbeitsplätze gesichert und b) (meines Erachtens nach nicht unwichtig!) auch eine Option auf Entwicklung, Vorhaltung von Fertigungsstraßen und vermutlich sogar ‚Testergebnisse‘ aus dem Ernstfall verpasst. Wenn man einen Leo 3 entwickeln will dann wird der extrem teuer wenn ihn niemand kaufen darf ausser den 100 die wir selbst wollen. Dann bin ich entweder konsequent und muss mir das Rüstungsgut als Staat mit einem Staatsunternehmen selbst herstellen oder ich muss damit leben das mein Know-How in Form freier Wirtschaft in den Ausverkauf geht und im EU-Bereich neu gründet um sich später alle Exportchancen zu sichern, die eben gehen. In der Folge muss ich dann selbst alles aus dem Ausland einkaufen und bin bei der Ausstattung meiner Armee vom Willen (und Unwillen) Dritter abhängig. Gut das sind viele und leben damit (wie die Saudis), aber man kommt halt vom selbst Gestalten weg. Muss man wollen.
Kurzum wir sind m.E. unehrlich und extrem Inkonsequent in Sachen Rüstungspolitik.
Vom moralischen Aspekt sieht das daher kaum besser aus. Die Regeln werden von Fall zu Fall zurecht gebogen und damit wiederrum zumindest augenscheinlich so oft unterminiert, dass es irgendwie doch auf moralisch unhaltbare Geschäftemacherei heraus läuft.
@ ADLAS-Doe
Danke für den Link. Sehr lesenswert. Das klingt nach einer differenzierten, ertragreichen Diskussion, die in Heidelberg geführt wurde. Das Thema Rüstungsexporte wird noch allzu oft eindimensional und oberflächlich behandelt. Ist es aber nicht. Allerdings gilt auch hier: Sogenannte einfache Lösungen oder gar Patentrezepte gibt es nicht. Meist ist man erst später klüger – so oder so. Und weil das so ist, kann eine grobe Linie eigentlich nur lauten: Lieber zuwenig als zu viel an Waffen exportieren – Nato-Partner grundsätzlich ausgenommen.
Was ist kritikwürdig an der Entscheidungsbefugnis des Bundessicherheitsrates? (BSR)
Der BSR ist ein Ausschuss des Bundeskabinetts. Da üblicherweise Koalitionsregierungen am Kabinettstisch zusammen sitzen, die als solche Mehrheit der Wahlteilnehmer repräsentieren, ist dem Anspruch der Demokratie Genüge getan.
Seine Sitzungen, die von dem/der Bundeskanzler(in) geleitet werden, sind geheim.
Der BSR koordiniert die Entscheidungen der Sicherheits- und Verteidigungspolitik der Bundesregierung soweit die Genehmigung von Rüstungsexporten betroffen ist.
Er kann abschließend entscheiden, sofern nicht nach GG oder einem Bundesgesetz ein Beschluss der Bundesregierung erforderlich ist.
Ständige Mitglieder des BSR sind neben dem
– Bundeskanzler und dem
– Chef des Bundeskanzleramts seit 1998 die
– Bundesminister des Äußeren, der
– Finanzen, des Inneren, der Justiz, der
– Verteidigung, der Bundesminister für
– Wirtschaft und Arbeit sowie der Bundesminister für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung.
Er tagt nicht öffentlich, seine Entscheidungen werden aber – ohne Begründung – im Anschluss veröffentlicht.
Das Hin und Her deutscher Rüstungsexporte unterliegt dem Dilemma nicht vorhandener, stringenter strategischer Interessendefinition und deren konsequenter Verfolgung in Verantwortung einer ökonomischen Weltmacht in europäischer Mittellage.
Die Binse, dass Rüstungsexport auch Interessenvertretung umfasst, kann allerhöchstens im BSR ausgesprochen werden.
Solange der Gesellschaft dies nicht offen unter Herausstellung der deutschen Gesamtverantwortung an den Mann/die Frau gebracht wird, ändert sich an halbherzigen Entscheidungen eines „sowohl-als-auch“ zulasten unserer Reputation und der Arbeitsfähigkeit der Rüstungsindustrie nichts.
@ KPK
Es ist einiges kritikwürdig am BSR i.Z.m. Rüstungsexporten. Ich nenne mal aus dem Stehgreif nur 2 Punkte:
– Nicht nur die Tagungen, sondern auch die Tagesordnung ist geheim. Zwar werden Entscheidungen mit einem gewissen Zeitverzug veröffentlicht, aber im Vorfeld unterbliebt damit eine öffentliche Diskussion zu diesen sicherheitspolitisch doch recht bedeutsamen Fragen. Geheimhaltung mag i.S. unserer Sicherheitsinteressen oft mehr als berechtigt sein. Ob das bei Rüstungslieferungen immer so der Fall ist, darf man bezweifeln.
– Die FF innerhalb der BReg für Waffen-/Rüstungsausfuhren liegt beim BMWi. Macht das Sinn? Eher nicht, wenn man diese Frage als außen- und sicherheitspolitisch relevant betrachtet. Es ist zumindest das falsche Signal. Sicherheitspolitische, und nicht wirtschaftspolitische Argumente sollten hier eigentlich die primäre Rolle spielen.
Übrigens befasst sich der BSR keineswegs mit allen Waffenexporten. Nur ab einer bestimmten Größe. Alles darunter (wie z.B. auch Kleinwaffenausfuhren) werden de facto im BMWi entschieden. Bewertung siehe oben.
@all
Zum Thema Rüstungsexporte habe ich einen neuen Thread aufgelegt, da das Kabinett heute die Rüstungsexportberichte für 2016 und die ersten vier Monate 2017 gebilligt hat:
http://augengeradeaus.net/2017/06/ruestungsexportberichte-fuer-2016-und-erste-vier-monate-2017-veroeffentlicht/
@Alpha November: „völlig wertfrei betrachtet muss man sehen, dass wir in einem Kapitalismus leben und dem zur Folge um zu existieren irgendwie arbeiten und Geld verdienen müssen.“
Das war auch einer der Punkte, den Dr. Dickow von der SWP als Knackpunkt angesprochen hat.
Rüstung ist eben auf der einen Seite kein Geschäftsfeld wie alle anderen, auf der anderen Seite behandeln wir es aber oft so. Das größte Problem liegt seiner Ansicht nach dann auch darin, dass wir in der Verteidigungsindustrie über Jahrzehnte eine industrielle Struktur zugelassen/begünstigt haben, die für die staatlichen Bedürfnisse Europas (und der NATO) viel zu groß ist und sich daher zwangsweise andere Märkte suchen muss, um zu überleben. Seiner Meinung nach hätte man da mit sinnvoller Bündelung (und dabei Verkleinerung) auf europäischer Ebene viel erreichen können/ bzw. könnte das noch. Also groß genug für die Belieferung des Behördemarktes in EU/NATO und die (teure) Entwicklung von anspruchsvollem Gerät, aber eben auch klein genug um nicht existenziell auf andere, potenziell problematische, Exportmärkte angewiesen zu sein.
Zweitens, und mindestens ebenso problematisch: die meisten Rüstungsbuden sind nicht wirklich breit aufgestellt und können daher Schwankungen in der Nachfrage auf dem Rüstungssektor eher schlecht mit Gewinnen in anderen (zivilen) Geschäftsfeldern ausbalancieren. Der Trend geht hier auch schon seit Jahren zur Spezialisierung allein auf das Feld Rüstung. Das hat in dem derzeitigen Umfeld für die Firmen ggf. Vorteile und ist daher möglicherweise aus deren Sicht absolut nachvollziehbar, hat aber wiederum zur Folge, dass sie auf Teufel komm raus auf den Export angewiesen sind und der Staat – will er die strategisch ggf. bedeutsamen Fähigkeiten erhalten – dann kaum nein sagen kann (oder eben verdeckt subventionieren muss…).
Diese Entwicklung war/ist nicht zwangsläufig und hätte durchaus auch (durch die Politik) anders gesteuert werden können oder könnte/müsste/sollte eben noch umgesteuert werden.
Gerade in besonders problematischen Bereichen, etwa Kleinwaffen, wäre auf Grund des eigentlich kontinuierlichen Behördenbedarfs und der Probleme beim Export ein Staatsbetrieb ideal, der eben für einen selbst und für die Partner produziert und entwickelt, aber nicht zwangsläufig an Gewinnmaximierung und Shareholdervalue interessiert ist und daher auch nicht unter dem hohen Exportdruck steht (Siehe etwa H&K). Aber das würde gegen die Entwicklung der letzten Jahrzehnte gehen und auch wieder andere Probleme mit sich bringen (gibt ja durchaus Gründe, warum man sich weitgehend von Staatsbetrieben verabschiedet hat…)