Alles neu an der Führungsakademie: Ab Zweisterner antreten zum Lehrvortrag
Über die Grundsatzrede von Verteidigungsministerin Ursula von der Leyen vor der Führungsakademie der Bundeswehr (FüAk) in der vergangenen Woche ist relativ wenig berichtet worden, dafür wurde um so mehr spekuliert. Dass die Ministerin die höchste Bildungseinrichtung der Streitkräfte komplett umkrempeln will, sie dafür direkt Generalinspekteur Volker Wieker unterstellt und der Hamburger Institution unter anderem die Rolle eines Think Tanks zuweisen will, ist zwar richtig, aber dennoch ein wenig verkürzt. Die Umbaupläne von der Leyens gehen weit darüber hinaus.
Nun durfte ich zwar der Rede der Ministerin nicht zuhören (obwohl ich zeitgleich aus anderem Grund an der Führungsakademie war), aber mir liegt der Redetext vor – mit dem Haken: Da hat sie sich in vielen Formulierungen wohl nicht dran gehalten. Die wesentlichen Aussagen sind aber so gefallen, deshalb die Zusammenfassung in meinen Worten (leider nicht als Ministerinnen-Zitat) und in der Reihenfolge teils abweichend von der Papierlage:
• Die FüAk wird dem Generalinspekteur direkt unterstellt, damit der geplante Umbau und die Weiterenwicklung aus einer Hand kommen.
• Bereits ab 1. Januar kommenden Jahres müssen Soldaten und Beamte der Bundeswehrführung ab Generalmajor/Ministerialdirigent aufwärts regelmäßige Vorträge an der FüAk halten, um Impulse für die Lehre zu geben und die angestrebte Verzahnung von Akademie und Bundeswehr sicherzustellen. Auch die Ministerin selbst sagte zu, ebenfalls zu Vorträgen zur Verfügung zu stehen und in anderen Ressorts der Bundesregierung und des Bundestages dafür zu werben, dass von dort ebenfalls mehr Vortragende zu dieser Institution kämen.
• Ebenfalls im Sinne des Praxisbezuges sollen mehr als bisher Soldaten auch kurzzeitig als Lehrpersonal an die Akademie kommen, zum Beispiel als Zwischenverwendung nach einem Einsatz. Das Stammpersonal der FüAk soll so rotieren, wie es auch sonst in der Bundeswehr üblich ist, also nicht mehrere Jahre auf dem Dienstposten bleiben, um die Lehre mit den Berufsrealtitäten in der Bundeswehr zu verknüpfen.
• Um den Lehrplan vor allem in den Lehrgängen für angehende Generalstabsoffiziere nicht mit diesen zusätzlichen Veranstaltungen zu überfrachten, soll die bisherige Struktur der Lehrveranstaltungen überprüft und gegebenenfalls zusammengestrichen werden. Eine Arbeitsgruppe unter Leitung des neuen Kommandeurs, Flottillenadmiral Carsten Stawitzki, soll umgehend eine Konzeptions- und Planungsgruppe mit interner Expertise und Experten aus anderen Bildungseinrichtungen oder ausländischen Akademien zusammenstellen, die bereits bis Mitte Dezember erste Überlegungen liefert: Welche Prüfungsorganisation, welche Inhalte, welches Personal und welche Ressourcen sind für eine Weiterentwicklung der FüAk nötig?
• Der Kommandeur erhält einen Beirat (gibt’s da nicht schon einen?), in dem Bundeswehr, aber auch zivile Expertise vertreten sein sollen und der Impulse für die Weiterentwicklung der FüAk geben soll. Die Auswahl nimmt Stawitzki in Abstimmung mit dem Generalinspekteur vor.
• Die FüAk soll künftig enger mit anderen Einrichtungen der Bundeswehr – zum Beispiel Zentrum Innere Führung und Bildungszentrum der Bw – zusammenarbeiten und den Austausch mit anderen nationalen und internationalen Akademien suchen. Bis zum Frühjahr sollen Staatssekretär Gerd Hoofe und der Generalinspekteur dazu eine Untersuchung vorlegen.
Das Ziel dahinter? Die Führungsakademie soll zu einer Schmiede unserer Führungselite werden – so steht es jedenfalls im Redetext der Ministerin, ob sie den Begriff so benutzt hat, weiß ich nicht. Die scheinbaren Gegensätze von Handwerksvermittlung des Offiziers und akademischer Bildung müssten überwunden werden. Und von einem Think Tank ist da in der Tat auch die Rede, aber eben nicht als separater Elfenbeinturm: Als Akademie nach (zivilem) US-Ostküstenvorbild, in der das Wissen der Lehrenden wie der zahlreichen externen Gäste genutzt wird, aber auch das der Teilnehmenden. Schließlich hätten die Offiziere, die zum Generalstabslehrgang kommen, einiges an Vorbildung und nicht zuletzt (Einsatz)Erfahrung beizutragen. Lehre und Ausbildung sollten deshalb zu einem Austausch werden – sowohl innerhalb der FüAk, aber auch zwischen FüAk und Bundeswehr.
Aus meiner Außensicht: Da will die Ministerin eine von ihr empfundene Trennung zwischen der höchsten Ausbildungsstätte der Streitkräfte und dem realen Alltag der Bundeswehr mit einem Schlag beseitigen.
Bestimmt waren einige von den Leserinnen und Lesern hier bei dem Vortrag von der Leyens dabei – für Rückkopplung wäre ich dankbar, vielleicht waren die Schwerpunkte ja doch andere, als ich sie aus dem mir vorliegenden Text herauslesen kann.
Nachtrag: Mit ein bisschen Verzögerung hat das Verteidigungsministerium das Redemanuskript hier veröffentlicht; leider steht da auch drauf Es gilt das gesprochene Wort, also offensichtlich keine dem tatsächlichen Redeverlauf angepasste Fassung.
(Foto: Bundeswehr/Junge)
@klabautermann:
„So und was hat denn der/die BM und der GI heutzutage in Sachen inhouse Bewertungs-Kompetenz ? Nix.
Gerade die Unterstellung der FüAk nun direkt unter den GI deutet imho eher auf ein in-sourcing hin.“
Zumindest auf dem Papier hat BM die Abteilung Pol und der GI die Abteilung SE mit jeweils gewissen Ansätzen von Bewertungskompetenz. Dazu noch als Nachfolger des Amtes für Übungen das PlgA. Also etwas mehr als nix. Eine modernisierte FüAk ist da auch nicht der wesentliche Hub.
Über eine Neuaufstellung des Planungsstabes haben wir ja bereits öfter diskutiert. Das wäre aus meiner Sicht die logische Konsequenz eines inhouse Think-Tank. Dann übrigens nicht lediglich besetzt mit GenSt’lern.
Davon abgesehen bedarf es aus verschiedenen Gründen einer neuartigen Ausbildung der GenSt’ler.
Aber bitte dies nicht gleich überhöhen als das Wiederentdecken der Strategie in der Bundesregierung und die Rettung durch die FüAk.
@Sachlicher | 08. November 2016 – 23:41
„Ja. Ich mochte und mag den Begriff „Funktionselite“, den man mMn sehr geeignet dazu stellen kann. Oder?“
Hmm, inhaltlich kann ich zwar mit dem Begriff „Funktionselite“ leben, denn objektiv ist die mehrheitlich aus GenStOffz bestehende Führung der Bw eine durch geistige und fachliche Leistungsfähigkeit determinierte Gruppe.
Davon ab kann eine charakterlich, soziale oder gesellschaftliche Spitzenleistung in dieser Gruppe ggü. dem mehrheitlich aus TrStOffz bestehenden „übrigen“ OffizierKorps nicht festgestellt werden.
Dennoch sperre ich mich emotional gegen den Begriff, weil er (wie in DEU leider üblich) Leistung und Führung kleinredet und Menschen „egalisiert“.
@Koffer | 09. November 2016 – 6:51
Danke für die Antwort. Ich denke, dass ich Ihre Position dazu nachvollziehen kann.
@Koffer
Ihre Aussage, „charakterlich, soziale oder gesellschaftliche Spitzenleistung“ könne nicht festgestellt werden, deckt sich mit meinen gut drei Jahrzehnten Erfahrung mit dieser Gruppe.
Wie immer gab es Ausnahmen, z.B. ein Flottillenandmiral sowie ein Oberst (ohne iG) der an sich nur als Verlegenheitslösun Abteilungsleiter wurde.
@JPeelen | 09. November 2016 – 21:41
„hre Aussage, „charakterlich, soziale oder gesellschaftliche Spitzenleistung“ könne nicht festgestellt werden, deckt sich mit meinen gut drei Jahrzehnten Erfahrung mit dieser Gruppe.“
Da liegt ein Missverständnis vor, ich bitte daher darum nicht so verstanden interpretiert zu werden!
Ich habe NICHT gesagt, dass in unserer militärischen Führung keine „charakterlichen, sozialen oder gesellschaftlichen Spitzenleistungen“ erbracht werden!!! Ich habe lediglich gesagt, dass in dieser, mehrheitlich durch GenStOffz geprägten, Elite in diesem TEILbereich von Führung/Dienst m.E.n. kein (noch) BESSEREN Leistungen erbracht werden als unter den TrStOffz.
Ei, wie schön: das „Genstler“-Thema.
Frage an die Fachleute: Wie viele Genstler braucht eine Führungsstruktur in der mittleren Führungsebene für „Spitzenleistung“ und wieviele Genstler kann eine Führungsstruktur verkraften ohne in der höheren Führungsebene nicht in die Inzest-Falle zu geraten ?
Na ? Anyone ?
Napoleon wollte ja junge Generale und alte Hauptleute, damit diese in der Regel aus dem Bauern-und Bürgerstand kommenden Hauptleute die adligen Schnösel in möglichst jungen Jahren das Kriegshandwerk beibringen konnten. Na ja, heute gibt es eben keine adligen Schnösel mehr, also hat das Heer den Genstler erfunden, aber leider wohl den gesunden Proporz zwischen Schnöseln und Handwerkern vergessen/SCNR
Oder aber, wie mir einmal aus berufenem Munde zu Ohren kam: Ein Bataillon ist dazu da, den Kdr auszubilden, nicht umgekehrt. Bon…
Das Redemanuskript im Volltext:
http://tinyurl.com/zny8azd
Mal sehen was am Jahresende als Zwischenergebnis vorgelegt wird.
Bereits die Feststellung der Kern der Stabsoffizierausbildung sei Handwerk ist eigentlich bezeichnend.
Wohl soll es weniger TSK-Ausbildung und mehr moderne Elemente geben.
Manche Beispiele (Entstehung 25-Mio-Vorlage) zeugen jedoch nicht von besonders viel Weitblick.