Problemflieger A400M: Deutschland setzt auf Hoffnung und Verbündete
Beim problembehafteten neuen Militärtransporter A400M wollen Verteidigungsministerium und Bundeswehr ebenso wie die Herstellerfirma Airbus Defence&Space am Programm für das Flugzeug festhalten. Ein Programmabbruch komme nicht in Betracht, hieß es am (heutigen) Dienstag aus Regierungskreisen in Berlin. Nach Angaben von Luftwaffen-Inspekteur Karl Müllner vor Abgeordneten rechnet die Truppe für dieses Jahr mit der Auslieferung von vier bis sechs Maschinen, darunter ein Flugzeug mit Selbstschutz-Ausrüstung für taktischen Flugbetrieb – aber eine Auslieferungsplanung von Airbus gibt es bislang nicht. Die absehbaren Lücken bei der nötigen Lufttransportleistungen sollen durch Kooperation mit Verbündeten, gegebenenfalls auch durch Mietmodelle überbrückt werden.
Die Luftwaffe hat bislang drei A400M erhalten, die allerdings nur eingeschränkt einsetzbar sind: Aufgrund von Problemen mit dem Propellergetriebe (Propeller Gear Box, PGB) müssen einzelne Maschinen, in Deutschland ebenso wie in anderen Ländern, alle 20 Flugstunden in eine PGB-Inspektion und können damit für längere Flugstrecken ins Ausland nicht eingesetzt werden. Außerdem sind in Rumpf-Mittelteilen Risse aufgetreten, deren Beseitigung für jede bereits ausgelieferte Maschine bis zu sieben Monaten dauern kann. Darüber hinaus muss die Bundeswehr das Problem angehen, dass mit dem endgültigen Auslaufen der (bereits verlängerten) Nutzung der betagten Transall-Transportflieger Ende 2021 Maschinen für kleine, unbefestigte Flugplätze fehlen, auf denen der A400M nicht landen oder nur schwierig entladen werden kann.
Nach Angaben aus Regierungskreisen zeichnet sich bei überschlagsmäßiger Kalkulation, also noch ohne konkrete Zahlen, ein technischer Engpass beim Lufttransport für die Jahre 2018 und 2019 ab, bedingt vor allem durch das Getriebeproblem. Dieser Engpass soll durch verstärkte Nutzung kommerziellen Lufttransports teilweise umgangen werden – bereits jetzt würden ja 80 Prozent der Transportleistung mit angemieteten zivilen Flugzeugen erbracht. Beim militärischen Lufttrsport, der nicht kommerziell zu bekommen sei, könnten eine stärkere Inanspruchnahme der Leistungen des European Air Transport Command (EATC) in Eindhoven, vor allem aber Abkommen mit befreundeten Staaten zur Anmietung von Lufttransport eine Lösung sein: Dafür sollten von Großbritannien Frachtflieger des Typs Airbus A330, von Frankreich und den USA Militärtransporter vom Typ Hercules C-130 angemietet werden. Auf jeden Fall solle eine gemeisame europäische Lösung Vorrang haben – nicht nur, weil Großbritannien und Frankreich ebenfalls von den A400-Problemen betroffen sind, sondern auch, um den Markt nicht anzuheizen.
Mit diesen geplanten Maßnahmen sei diese, durch die technischen Schwierigkeiten des A400M entstehende Lücke beherrschbar, heißt die Regierungs-Formulierung des Prinzips Hoffnung. Dabei ist allerdings die zeitliche Unwägbarkeit bei der Beseitigung der Risse im Rumpf noch gar nicht mit eingerechnet, für diese Beseitigung steht auch die Planung noch nicht.
Neben den Schwierigkeiten durch die Technik des neuen Militärflugzeugs müssen Ministerium und Luftwaffe auch parallel das angehen, was vorsichtig als mögliche Fähigkeitslücke beschrieben wird: Militärischer Lufttransport für Flugplätze, die für den A400M schlicht zu klein sind oder wo die nötige Infrastruktur fehlt. Dafür fehlten aber noch die präzisen Berechnungsgrundlagen, hieß es aus Regierungskreisen: Erst wenn genügend Erfahrungen mit der großen Airbus-Maschine und ihren Fähigkeiten vorlägen, sei genauer abschätzbar, ob und welche Art kleineren Fluggeräts benötigt werden.
Auch da gilt wieder das Prinzip Hoffnung, auf die Kooperation mit Verbündeten. Frankreich, Großbritannien und selbst die USA hätten alle das gleiche Problem und suchten dafür nach Lösungen. Das müsse kein Starrflügler sein, auch Hubschrauber wären denkbar – aber eben auch kleinere Flugzeuge, die dann in europäischer Kooperation betrieben würden. Das wiederum könnte zu Einschränkungen bei den Einsätzen führen, die als einzige bewusst nur in nationaler Verantwortung und nicht in UN, NATO oder EU stattfinden: den Evakuierungsoperationen, bei denen vor allem deutsche Staatsbürger aus Krisenregionen evakuiert werden müssen.
Diese Fähigkeitslücke, der militärische/taktische Lufttransport unterhalb der A400M-Größe (und wegen der möglichen Flugstrecken oberhalb der Möglichkeiten von Hubschraubern) wird faktisch am 1. Januar 2022 entstehen, wenn nach derzeitiger Planung die letzte Transall außer Dienst geht. Die Überlegungen, damit umzugehen, scheinen allerdings noch recht am Anfang zu stehen.
Von Regierungsseite wird dennoch derzeit der Eindruck verbreitet, das sei alles beherrschbar – wenn auch mit dem Zusatz: so lange keine neuen Anforderungen an die Truppe und ihren Lufttransport hinzukommen, die deutlich über die derzeitigen Notwendigkeiten hinausgehen. Und vor allem will niemand von einem Abschied von der Ein-Typen-Lösung, also dem A400M als dem Schweizer Taschenmesser des taktischen und operativen und strategischen Lufttransports reden. Auch wenn die geschilderten Überlegungen zur Fähigkeitslücke offensichtlich in eine andere Richtung.
Beherrschbar heißt allerdings auch: das fliegende Personal, das bereits auf den A400M geschult und eingestellt ist, wird zeitweise woanders arbeiten müssen. 59 Piloten und 39 Ladungsmeister gibt es bereits, die Piloten üben für den Erhalt ihrer Lizenz auf diesem Flugmuster zwischenzeitlich kräftig im Simulator – weil nur eine der drei Maschinen im Luftwaffenbestand regelmäßig fliegt. Aber absehbar ist bereits jetzt, dass vor allem die Piloten sich darauf einstellen müssen, nach einer raschen Umschulung vorübergehend in die Flugbereitschaft der Luftwaffe zu wechseln und Politiker zu befördern, denn im kommenden Jahr ist wegen der deutschen EU-Präsidentschaft da mehr Bedarf zu erwarten. Und einige von ihnen werden wohl auch statt ins Cockpit eine Zeitlang in den Steuerstand unbemannter Systeme gehen müssen – und über Afghanistan oder bald über Mali Heron-Drohnen steuern.
(Foto: A400M der Luftwaffe, Kennung 54+02, am 15.4.2016 während der Logistikübung Joint Derby beim Landeanflug auf Nordholz – mit freundlicher Genehmigung von Jan Czonstke)
Interessant, dass jetzt (vorher schon hier und nun auch bei Tagesschau.de) mit der Operation Pegasus gegen den A400M argumentiert wird. Dabei hat der damals angeflogene Wüstenflugplatz eine 3000 Meter lange Asphaltpiste, siehe http://worldaerodata.com/wad.cgi?id=LY48296&sch=Nafurah+1.
Mit dem A400M, vorausgesetzt der Selbstschutz funktioniert, hätte man die Operation direkt von Deutschland ausführen können statt von Kreta zu starten. Das wäre schneller und diskreter gewesen.
Die Befürchtungen, dass die Auslieferungen nun völlig zum Stillstand kommen, sind auch falsch. In den letzten Tagen haben Malaysia die dritte und Frankreich die neunte Maschine übernommen.
Ich frage mich, ob das plötzliche Aufkommen des Themas der nicht ausreichenden Kurzstartfähigkeiten auch mit der anstehenden Auswahl eines neuen Großhubschraubers zusammenhängt. Lockheed hätte nun zwei Eisen im Feuer: die C-130 als Flächenflugzeug, und die CH-53K als luftbetankbarer Hubschrauber wird durch die Diskussion ebenfalls begünstigt.
re: schorsch52
Das ist wie beim „BER“ oder „Stuttgart21“!- Da wird bis zum bitteren Ende Geld aus Steuermitteln reingeschaufelt!
Sonst müßte man/frau ja zugeben, dass man/frau (von mir aus: irgendwann und irgendwer) falsch entschieden hat und nicht rechtzeitig – nachdem die falsche Entscheidung transparent geworden ist – mit dieser Erkenntnis aktiv umgegangen worden ist!
Falsch entscheiden tut die Politik in Deutschland nicht, und würde dieses auch nie zugeben!- Wegen der Glaubwürdigkeit!
Die ist inzwischen hin,- aber wer gäbe dieses als PolitikerIn schon zu (siehe „Glaubwürdigkeit“) ….
re: audio001, schorsch52
Die Dunkelziffer wird demnächst aufschwimmen, denn die Zeit ist reif.
Das beschreibt man mit dem Begriff -Kognitive Dissonanz-.
Kommt bei Menschen oft vor, doch meist versiegt irgendwann der Geldstrom oder es kommt zur Trennung/Scheidung initiiert von außen.