Migranten im Mittelmeer: Weiter Rettung, weiter Vorbereitung auf (Militär)Aktion gegen Schleuser
Im Mittelmeer läuft weiterhin die Rettung von Migranten, die mit kaum seetüchtigen Booten auf dem Weg nach Europa sind und unter anderem von der britischen Royal Navy (Foto oben) und der Deutschen Marine aus Seenot gerettet werden. Und parallel laufen die Bemühungen der EU, den Rahmen abzustecken für eine (auch militärische) Operation gegen die Schleuser.
Wegen feiertäglicher low ops nur als Merkposten:
• Unverändert scheint die EU darauf zu setzen, ein Mandat der Vereinten Nationen für ein robustes Vorgehen gegen Schlepper und ihre Infrastruktur zu bekommen. Das findet, trotz aller deutschen Vorbehalte gegen einen militärischen Einsatz an Land in Libyen, offensichtlich auch die Zustimmung des deutschen Außenministers Frank-Walter Steinmeier, wie AFP meldet*:
Bundesaußenminister Frank-Walter Steinmeier (SPD) sieht nach wie vor Chancen für ein UN-Mandat für den geplanten EU-Militäreinsatz in der Flüchtlingskrise gegen Schlepper im Mittelmeer. Nach seinem Eindruck gebe es „nicht ein prinzipielles Veto“ eines der fünf ständigen Mächte im UN-Sicherheitsrat zu der Frage, sagte Steinmeier beim Treffen der Nato-Außenminister in Antalya. (…)
Steinmeier sagte zu möglichen Einsätzen an Land: „Wer einen Blick auf die Verhältnisse in Libyen wirft, wird nicht zu dem Ergebnis kommen, dass Operationen an Land gegenwärtig möglich sind.“
• Nachdem das britische Landungsschiff HMS Bulwark am (gestrigen) Mittwoch gut 400 Migranten aus Seenot gerettet hatte, nahm die deutsche Fregatte Hessen am (heutigen) Donnerstag zunächst 107 Flüchtlinge auf:
Die Fregatte Hessen hat erneut Schiffbrüchige im Mittelmeer gerettet. Am 14. Mai nahm sie 107 in Seenot befindliche Menschen auf. Die Schiffbrüchigen befanden sich zu diesem Zeitpunkt in einem Schlauchboot etwa 83 Kilometer nordöstlich der libyschen Hafenstadt Tripolis.
Die Rettung begann um 12.10 Uhr, etwa eine Stunde später war die Aufnahme an Bord der Hessen beendet. Zuvor hatte das Maritime Rescue Coordination Center (MRCC) in Rom die Fregatte beauftragt, zu einem möglichen Seenotfall vor der libyschen Küste zu verlegen. Anschließend setzte die Hessen die Suche nach einem zweiten gemeldeten Schlauchboot fort. Wo die geretteten Menschen an die italienischen Behörden übergeben werden, steht noch nicht fest.
Die britische Rettungsaktion am Vortag war die bislang größte für das Flaggschiff der Royal Navy:
HMS Bulwark is conducting its largest tasking to date as part of the coordinated response to the migrant crisis in the Mediterranean.
The Royal Navy flagship was alerted to four craft in potential distress approximately 40 miles off the coast of Libya. Each 30-foot inflatable boat were reported to be carrying approximately 100 migrants, including a number of pregnant women and children.
Landing craft from HMS Bulwark and a Merlin helicopter from 814 Naval Air Squadron are involved in the response. Over 225 personnel have been recovered to HMS Bulwark so far with another 220 expected later this morning.
Nachtrag: Die Meldung der Bundeswehr über eine weitere Rettungsaktion:
Update: Am 14. Mai 2015 hat die Fregatte Hessen weitere 102 in Seenot befindliche Menschen aufgenommen. Die Rettung begann gegen 14 Uhr, etwa 90 Minuten später war die Aufnahme an Bord der Hessen beendet. Das Schlauchboot mit den Schiffbrüchigen befand sich zu diesem Zeitpunkt etwa 117 km nördlich der libyschen Hafenstadt Tripolis.
Zwei Stunden zuvor hatte die Fregatte bereits 107 Schiffbrüchige gerettet. Diese Gruppe war etwa 83 Kilometer nordöstlich von Tripolis mit ihrem Schlauchboot in Seenot geraten. Unterdessen hat das Maritime Rescue Coordination Center (MRCC) in Rom die Hessen beauftragt, zwei weitere Positionen von gemeldeten Seenotfällen zu untersuchen.
Damit befinden sich derzeit insgesamt 209 gerettete Personen an Bord der Hessen. Sie werden im Hafen Pozzallo auf Sizilien an die italienischen Behörden übergeben.
Weiter ggf. nach Entwicklung – und die dringende Bitte um Sachlichkeit bei evtl. Kommentaren…
*Deutsche Verlagswebseiten werden hier i.d.R. nicht verlinkt; der Donaukurier gehört zu den Verlagen, die das Leistungsschutzrecht nicht anwenden wollen.
(Foto: Gerette Migranten auf einem Landungsboot der HMS Bulwark – Lt Jamie Weller/Royal Navy/Crown Copyright unter MoD News License)
Staatsrechtler | 15. Mai 2015 – 16:04
Wie bereits in diesem Thread angemerkt wurde, sollte man das Problem der Seenotrettung und das der Lösung der (gesamten) Flüchtlingsproblematik nicht vermengen.
Vom Grundsatz her bin ich ja bei Ihnen: Europa kann nicht alle Flüchtlinge auf Dauer aufnehmen. Aber alle Versuche (rechtspositivistisch) völkerrechtlich oder politisch eine Verpflichtung zur Seenotrettung zu relativieren, führt in die Irre. Und soweit ich diesen Thread verstanden habe geht es hier in der ersten Linie um den Ensatz der Marine. Und dieser Einsatz betrifft die Seenotrettung, nicht die Lösung der Flüchtlingsproblematik.
Das hat auch in meinen Augen nichts mit Gesinnungsethik und Gut- oder Schlechtmenschentum zu tun.
Tja. In der Tat eine Grundsatzdebatte, die (erneut) den Rahmen dieses Blogs bei weitem zu sprengen droht.
Ich wäre dankbar, wenn wir hier zum Kern zurückkämen…
@T.W.
Ich denke der letzte Kommentar von @Patrick Horstmann gibt sehr gut auch meine Meinung wieder………
http://eunavfor.eu/dutch-warship-hnlms-johann-de-witt-completes-deployment-on-operation-atalanta/
Dann ist ja wohl davon auszugehen, dass die ‚Johan de Witt‘ nicht direkt Den Helder anläuft, sondern sich erst noch um Flüchtlinge kümmern wird.
Letztes Jahr hat die EU die Migranten praktisch auch vor der Küsten Libyen aufgesammelt, weil man keine toten haben wollte. Das wollte dieses Jahr nicht mehr machen, um den Migrantenstrom. Jetzt hat man nach den Unfällen wieder angefangen. Die Migranten begeben sich bewusst in Lebensgefahr mit der Hoffnung auf ein besseres Leben in der EU.
@T.Wiegold | 15. Mai 2015 – 16:30
Menschen aus Seenot zu retten steht ausser Frage.
Die weiterführenden Überlegungen von wacaffe und Staatsrechtler schweifen aber keinesfalls vom Thema ab.
Die (Seenot)Rettung dieser diskutierten Personengruppe ist zweifelsohne nicht vergleichbar mit der althergebrachten und weltweit praktizierten Rettung Schiffbrüchiger.
Die partielle Betrachtung eines Teilaspektes kann hier nicht zielführend sein,
stößt sie doch spätestens bei der Frage, ob die Schiffbrüchigen in den nächsten Hafen zu verbringen sind oder nicht, an ihre Grenzen. Sie werden bekanntlich nicht nach Misrata oder Bengasi gebracht. Es ist eine von-Süd-nach-Nord-Rettung, mithin Teil eines Transfers.
Die Staaten der EU haben das Phänomen der zunehmenden Armutsmigration bislang wenn nicht verdrängt, dann doch kleingeredet und als beherrschbar bezeichnet. Tatsächlich muß aber über Lösungsansätze nachgedacht werden, welche durchaus in unseren europ. Gesellschaften öffentliches Unwohlsein hervorrufen können.
Australiens Vorgehensweise erscheint uns als kalt, herzlos und egoistisch.
Wie werden wir Europäer aber wohlmöglich reagieren, wenn in naher Zukunft die Zahl derer, die jährlich ihr Glück hier zu finden hoffen, siebenstellig sein wird?
Meine Frau meinte vor zehn Jahren, daß wenn die Afrikaner wüßten, daß wir hier in Europa sogar beheizbare Fußballplätze haben, deutlich mehr Menschen anklopfen würden. Heute im Internet und Mobilphonezeitalter wissen sie es. Wir stehen erst am Anfang dieser Entwicklung und wir sehen ihr hilflos entgegen.
Was das alles mit der Bw und Augengeradeaus zu tun hat?
Ich befürchte, dieses Thema dürfte hier in den nächsten Jahren ständig diskutiert werden. Bereits jetzt wird über den Einsatz von Bw-Kräften in Libyen diskutiert – wegen eben dieser Migration.
Absage aus Den Haag. Die NLD senden kein Schiff zur Flüchtlingsrettung in das Mittrelmmeer, so die NLD – VgMin (Jeanine Hennis) gestern Abend in einer Talkshow des NLD TV.
Die verfügbaren Mittel seien ausgeschöpft, angesichts sonstiger Verpflichtungen der Marine, z.B. müsste in einem solchen Fall der Antipiraterieeinsatz vor Somalia eingeschränkt werden, was die NLD nicht wollten. Die NLD SK stellen mit einem „Küstenwachflugzeug, einigen Speedbooten und MilPol (Marrechaussee)“ das derzeit Mögliche.
Also läuft die ‚Johan de Witt‘ doch wohl Den Helder an, wurde aber nicht ausdrücklich erwähnt.
Quelle: http://www.nu.nl/algemeen/4049998/geen-nederlands-schip-bootvluchtelingen-middellandse-zee.html?
@ Gustav Struve | 16. Mai 2015 – 2:53
Sie bringen es m.E. auf den Punkt.
Die Rettung Schiffbrüchiger steht außer Frage.
Wer die Bilder gestern im heute-Journal gesehen hat, kann gar nichts anderes sagen.
Aber wir werden uns wundern, was noch alles auf uns zukommt …
Stimmt, wir werden uns noch wundern: in erster Linie, die noch gutwillige Bevölkerung. Verantwortliche politische Mandatsträger nicht, denn sie kennen erwartbare Ausmaße. Wider besseres Wissen sagt jedoch KEINER, egal welcher Couleur, was dies für DEU bedeutet, da die prozentuale Verteilung ja jetzt schon absehbar gescheitert ist. Die Balten, Polen, Ungarn und auch UK kann niemand zur Aufnahme zwingen.
Politische Ehrlichkeit wäre also, alles rechtlich Mögliche und juristisch Machbare zu unternehmen, dass die Menschen veranlasst werden, sich nicht ins Boot zu setzen.
Ich fürchte, daß über kurz oder lang rechtsextreme Parteien/ Gruppierungen deutlichen Zulauf erhalten werden, wenn es so weitergeht.
Bleibt zu hoffen, daß es endlich gelingt, zumindest diese ( Entschuldigung ) „bekloppte Glatzenpartei“ zu verbieten und nicht noch weiterhin mit unseren Steuergeldern zu unterstützen …
Kurz oder lang?
Das passiert doch längst, AfD in Teilen (mal sehen, wohin es die AfD treibt), Pegida und Ableger, NPD bekannt, grundsätzliche Ablehnungsfront im Osten, nicht nur im DEU-Osten!
Wann wird diese Ablehnungsfront virulent und wirklich gefährlich?
Vorurteile werden ausgelebt die zur Ablehnung Anderer führen. Dergleichen Gefühlswelt ist aber zunehmend bedrohlich, da eine Kategorisierung nach Ethnie, Religion, Hautfarbe stattfindet, die in Ab und Ausgrenzung endet. Wer in diese Gedankenwelt lebt, entwickelt aber ein „Wir-Gefühl“ des „Alle denken so und ich bin dabei“ es entwickelt sich die Solidarität der Gegner und findet Gehör bei Rechten.
Wieso läuft das bei „denen, Rechts so“?
In vermeintlich oder tatsächlich unsicheren Zeiten durch Zuwanderung, außenpolitischer Bedrohung (RUS) bzw „vertikaler Mobilität“ (Aufstieg von Neuankömmlingen vs eigener Stagnation) verschieben sich angestammte moralische Normen und eingeübte, tradierte Verhaltensweisen.
Resultat? Angst gegen „die da“. Sonst, zurück zu ‚“survival of the fittest?
Lösung, „die müssen weg / dürfen nicht rein“.
Also, Politik muss handeln, umgehend.
@Klaus-Peter Kaikowsky
Diese politischen Prozesse verlaufen etwas anders, und rechtsextreme Parteien sind in ihnen eher ein Symptom (von vielen) und nicht die Ursache.
Grob stellt sich die beobachtete Wirkung so dar, dass niedrig qualifizierte Migranten mit sozial schwach gestellten Einheimischen und anderen sozial schwachen Migrantengruppen konkurrieren, etwa um billigen Wohnraum, kulturelle Deutungshohheit oder auch Arbeit. Das Ergebnis sind u.a. steigende Preise für Wohnraum und sinkende Löhne, was die Konkurrenz verschärft. Die jeweiligen Gruppen verlassen sich unter solchen Bedingungen stärker auf Verwandschaftsnetzwerke und die eigene ethnische Gruppe als unterstützendes Umfeld, so dass soziale Konflikte zunehmend entlang ethnischer Linien stattfinden und ethnische Zugehörigkeit stärker wahrgenommen wird. Wenn in so eine Situation eine Wirtschaftskrise dafür sorgt, dass Mittelschichten absteigen und gleichzeitig mehr sozial schwache Migranten hinzukommen, verschärft das den Konflikt weil plötzlich noch mehr Menschen um immer knappere Ressourcen konkurrieren. Ab diesem Punkt können die Verteilungskonflikte dann in Gewalt umschlagen.
In Südafrika kann man das gerade mustergültig verfolgen:
http://www.bbc.com/news/world-africa-3214691
In Deutschland gibt es erste Ansätze in diese Richtung, die sich bislang aber vorwiegend zwischen konkurrierenden Migrantengruppen abspielen, weshalb sie medial noch nicht so stark wahrgenommen werden. Beim Thema Innere Sicherheit wird das Thema Migration künftig gewiss eine größere Rolle spielen als bisher.
Spätestens wenn hier die Entwicklung in Südafrika ins Spiel gebracht wird, frage ich mich, warum alle meinen, die – sicherlich notwendigen – Grundsatzdiskussionen zum Thema Migration gerade in diesem Blog führen zu müssen. Weil’s irgendwie mit Sicherheitspolitik zu tun hat? Haben andere Entscheidungen auch, und dennoch gibt es Dinge, die hier den Rahmen einfach sprengen.
Aber was red‘ ich, das nimmt ja eh keiner Ernst. Ich stell‘ in diesem Thread alles auf moderiert und mache ansonsten jetzt wirklich Wochenende.
@T.W
Geht die kurze Antwort an @Georg noch durch?
Stimme vollstens zu, habe jedoch nichts Anders gesagt. Stichwort: vertikale Mobilität, umfasst Ihre Darstellung.
Steinmeier definiert EU-Eingreifen auf dem Mittelmeer lt. Welt (17.05.15) als „bereits zu spät“, da „Flüchtlinge haben dort den größten Teil ihres langen Weges schon hinter sich“
Diese Feststellung ist eine Momentaufnahme, die das Morgen und Übermorgen der erwartbaren Lageentwicklung fahrlässig ausblendet. Gleichzeitig sieht er die Flüchtlingsrettung „als im Mittelpunkt unserer Anstrengungen“.
Letzteres ist aktuell sicher zutreffend, aber gleichzeitig auch ungeeignet, das Problem grundsätzlich zu lösen. Wer sich vordringlich um die erforderlich Rettung bemüht, tut nichts zur Ursachenbehebung des Vertreibungs- und Flüchlingswesens, im Gegenteil, er unterstützt den Trend.
Warum diese Auffassung des DEU AA? Will Steinmeier so eine militärische Vorgehensweise verhindern, um neue Forderungen an Bw per se auszuschließen?
Ein aufeinander aufbauendes, abgestimmtes Vorgehen ist zu fordern:
1. Lebensumstände in den Herkunftsländern verbessern
2. Transitstaaten in Fluchtunterbindung einbeziehen
3. Schlepperlogistik vernichten
4. Rettung auf See
5. Gerechte, europaweite Verteilung.
Dazu muss DEU seinen Einfluss im Sicherheitsrat und der EU einbringen, bei letzterer geht ohne uns nichts, also vorwärts!
@ Klaus-Peter Kaikowsky | 17. Mai 2015 – 11:15
“ … 1. Lebensumstände in den Herkunftsländern verbessern
2. Transitstaaten in Fluchtunterbindung einbeziehen
3. Schlepperlogistik vernichten
4. Rettung auf See
5. Gerechte, europaweite Verteilung.
Dazu muss DEU seinen Einfluss im Sicherheitsrat und der EU einbringen, bei letzterer geht ohne uns nichts, also vorwärts! “
Klingt gut.
Aber geht nicht bei 1. schon das Problem los ?
Entwicklungshilfe, Geldzahlungen etc. landen sehr schnell in den „falschen“ Händen und werden ganz im Sinne einiger weniger für Waffenkäufe und private Bereicherung genutzt, statt dort anzukommen, wo sie wirklich helfen sollen.
Und wenn in diversen Ländern neben Korruption und Vetternwirtschaft auch noch völlig unklare politische Strukturen und Machtverhältnisse herrschen, wird es immens schwer, dafür zu sorgen, daß es den Ärmsten der Armen auch nur andeutungsweise besser geht statt denen, die ohnehin bestens leben.