Deutsche Seenotrettung im Mittelmeer: Da gibt’s noch ‚einigen Abstimmungsbedarf‘

RAS- Manöver HESSEN - HAMBURG - BERLIN

Der Einsatzgruppenversorger Berlin und die Fregatte Hessen der Deutschen Marine liegen zwar inzwischen im Hafen Souda auf Kreta und bereiten sich auf die Rettung von schiffbrüchigen Flüchtlingen im Mittelmeer vor, die Bundeskanzlerin Angela Merkel beim EU-Gipfel am 23. April zugesagt hat. Allerdings sind die konkreten Rahmenbedingungen des Einsatzes nach wie vor unklar – da gibt es noch einigen Abstimmungsbedarf, wie das Verteidigungsministerium erklärte.

Während die beiden Schiffe zusätzliches Material – unter anderem zehn Rettungsinseln, 450 Rettungswesten und 1.000 Decken – und Personal – unter anderem acht zusätzliche Ärzte – an Bord nehmen, dauert das mit den politischen Absprachen und der Klärung der rechtlichen Rahmenbedingungen (im Klartext: Wo dürfen gerettete Flüchtlinge denn an Land gebracht werden?) noch ein bisschen.

Dazu in der Bundespressekonferenz am (heutigen) Montag neben Oberstleutnant Uwe Roth fürs Verteidigungsministerium der Außenamtssprecher Sebastian Schäfer und fürs Innenministerium Tobias Plate zum Nachhören:

 

BPK_Seenotrettung_04mai2015     

 

 

Nachtrag: dazu (also nicht zum politischen Drumrum, aber zu den Schiffen) gibt’s auch was auf der Webseite der Marine: Beide Schiffe zusammen sollen bis zu 350 Personen behelfsmäßig aufnehmen können.

Nachtrag 2: Die Briten wollen ebenfalls loslegen – ihre aktuelle Pressemitteilung lässt allerdings auch die angesprochenen Fragen (wer nimmt die geretteten Flüchtlinge auf?) offen:

HMS Bulwark and three Merlin helicopters are now ready to operate in the Mediterranean, working closely with the Italian Navy, and coordinated via Rome.
The 19,000 tonne amphibious ship will work in tandem with the surveillance helicopters to provide a wide ranging search and rescue capability.
The aircraft, from Royal Naval Air Station Culdrose, are currently stationed at the naval air station in Sigonalla, Sicily, to be called upon when needed by the Italian coastguard. Supported by over 80 UK personnel, including air and ground crew, they have commenced their first training sortie, to familiarise themselves with the area. From Tuesday, they will also begin flying operations with HMS Bulwark.

Nachtrag 3: Transkript des obigen Audios der Bundespressekonferenz:

FRAGE WIEGOLD: Ich habe eine Frage an das Verteidigungsministerium, gegebenenfalls an das Auswärtige Amt und das Innenministerium. Was ist eigentlich der Stand der deutschen Beteiligung an der Seenotrettung im Mittelmeer?

ROTH: Vielleicht darf ich anfangen, Herr Wiegold. – Die beiden Schiffe, die für die Flüchtlingshilfe im Mittelmeer vorgesehen sind, sind der Einsatzgruppenversorger „Berlin“ und die Fregatte „Hessen“. Sie liegen zurzeit im Hafen von Souda auf Kreta und machen dort logistische Versorgung. Das heißt, sie bekommen Material, um ihren Einsatz dort entsprechend ausführen zu können. Das sind beispielsweise zehn Rettungsinseln, die sie zusätzlich aufnehmen, 450 Rettungswesten und 1.000 Decken. Dort wird zusätzliches Personal eingeschifft. Dabei handelt es sich um medizinisches Personal, insgesamt acht Ärzte, Bekleidung und Medikamente.

Es gibt noch einigen Abstimmungsbedarf zwischen den Ressorts, dem Auswärtigen Amt, dem BMI und uns, aber auch mit der EU für den weiteren Einsatz. Wir haben ja noch ein paar Tage Zeit. Wir haben gesagt, dass wir zwischen dem 6. und 8. Mai dort im Einsatzgebiet sein wollen. Insofern sind wir da voll im Plan.

ZUSATZFRAGE WIEGOLD: Kann vielleicht eines der anderen Ressorts noch erläutern, worin der Abstimmungsbedarf besteht und welche Fragen noch offen sind?

FISCHER: Beim Europäischen Rat sind zunächst einmal die vier zentralen Themen geklärt worden, um die es bei der Problematik der Flüchtlingsbekämpfung geht. Eines davon ist die Seenotrettung. Dafür stehen zwei Fregatten bereit, wie es der Kollege gerade ausgeführt hat, um sich daran zu beteiligen. Wir klären derzeit die Einsatzmodalitäten. Das geschieht im Gespräch der Ressorts, das geschieht im Gespräch mit den zuständigen EU-Stellen, das geschieht im Gespräch mit Frontex, und das geschieht im Gespräch mit unseren Partnern in der EU.

ZUSATZFRAGE WIEGOLD: Entschuldigung! Meine Frage war: Welche Einsatzmodalitäten und was muss noch geklärt werden?

FISCHER: Es geht zum Beispiel darum, wie sich diese Schiffe gegebenenfalls in die Frontex-Operation eingliedern und um solcherlei Dinge.

DR. PLATE: Ich kann dazu noch zwei, drei Sätze sagen. Aber die führen eher zu einer Einordnung als zu einer inhaltlichen Ergänzung.

Sie kennen den Beschluss vom 23. April, dass die Seenotrettung verstärkt werden soll. Die Bundesregierung will sich daran sehr aktiv und in erheblichem Umfang beteiligen. Wenn man einen solchen Beschluss fällt und das ernst meint das tut die Bundesregierung , dann muss man natürlich schauen, wie man dieses Ziel am besten erreichen kann. Dazu gehören nicht nur Fragen: „Welche Leute, wie viele Leute, welche Einsatzmittel, zum Beispiel Schiffe?“, sondern natürlich auch Rechtsfragen. Je nachdem, wie man einen solchen Einsatz rechtlich konstruiert, kann man möglicherweise zielgerichtet oder weniger zielgerichtet das Ergebnis, das wir uns alle wünschen, nämlich eine verbesserte Seenotrettung, erreichen. Auf solche Fragen bezieht sich die Prüfung.

ZUSATZFRAGE WIEGOLD: Ich möchte es nur klar bekommen: Ich glaube, die Ankündigung ist etwa zehn Tage her. Es ist nach wie vor unklar, was die rechtlichen Rahmenbedingungen sind, wie sich der deutsche Einsatz rechtlich einsortiert, ob dies Frontex unterstellt wird usw. Habe ich das richtig verstanden?

DR. PLATE: Ich kann beginnen. Die Kollegen können natürlich gerne ergänzen, soweit das ihre Bereiche betrifft.

Ganz richtig haben Sie das, wenn ich das so sagen darf, wohl nicht verstanden. Denn die Entscheidung vom 23. April, auf die Sie anspielen, wenn Sie sagen, das sei ungefähr zehn Tage her, bezieht sich ja nicht dezidiert auf den Einsatz zweier Marineschiffe, sondern allgemein darauf, dass Deutschland das Erforderliche und Mögliche unternehmen möchte, um sich daran zu beteiligen, dass sich die Seenotrettung verbessert.

Ein Teil dieser Entscheidung ist die Entsendung zweier Marineschiffe, über die die Kollegen zu meiner Rechten vertieft Auskunft geben könnten. Für diesen konkreten Teil besteht noch Prüfbedarf, wie genau der rechtliche Rahmen am günstigsten genutzt werden kann, um das Ziel zu erreichen. Das gilt aber mitnichten für die Entscheidung vom 23. April insgesamt, die aus weiteren Ihnen bereits bekannten Bestandteilen besteht.

VORS. LEIFERT: Jetzt liegt der Ball bei den Kollegen zur Rechten von Herrn Plate gespielt, Herr Fischer, Herr Roth.

FISCHER: Ich glaube, darüber hinaus gibt es wenig zu sagen. Es geht genau darum, den richtigen, den guten, den dem Einsatz angemessenen Rahmen festzulegen. Dass es dabei Detailfragen zu klären gibt, finde ich jetzt nicht weiter überraschend. Ich glaube, bis die Schiffe dann tatsächlich im Einsatzgebiet angekommen sind, wird dies auch gelöst sein.

(Archivbild: Berlin und Hessen bei einem Seeversorgungsmanöver im Mittelmeer 2008 – Bundeswehr/Ricarda Schönbrodt)