Ukraine in München: Es gilt die gefühlte Temperatur

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Die vergangenen drei Tage in München, die Tage auf der Sicherheitskonferenz, waren eisig. Allein schon draußen unter dem – meist strahlenden – blauen Himmel. Wie bei den Wetter-Apps auf dem Smartphone zählte im traditionsreichen Bayerischen Hof aber nicht allein die gemessene Gradzahl – sondern die gefühlte Temperatur. Während meine App mir durchgängig dafür zehn Grad weniger anzeigte, minus 13 statt der gemessenen drei Grad, galt ähnliches für das Klima der Sicherheitskonferenz: gefühlt war es viel kälter.

Dafür war natürlich der Krieg in der Ukraine und daraus direkt abgeleitet das Verhältnis des Westens zu Russland ausschlaggebend. Andere, wichtige Themen gerieten dabei völlig in den Hintergrund: Der Kampf gegen die islamistischen ISIS-Milizen (wer hatte schon mitbekommen, dass die Bundesregierung unmittelbar vor dem Wochenende weitere Waffenlieferungen für die Kurden beschlossen hatte?), die Flüchtlingsproblematik, Cyber-Angriffe oder gar der Klimawandel. Die gefürchtete neue Eiszeit eines neuen – oder nur des wieder erwachten alten? – Kalten Krieges bestimmte offizielle wie inoffizielle Reden.

Meine sehr subjektive Wahrnehmung (mit der ich offensichtlich bei Weitem nicht alleine stehe) nach drei Tagen Sicherheitskonferenz: Die Konfrontation West gegen Ost (oder umgekehrt) ist nicht nur wieder da, sie wird so bald nicht verschwinden. Und die Meinungsverschiedenheiten, die zwischen den USA und einem Teil ihrer europäischen Verbündeten auftraten, wenn es zum Beispiel um Waffenlieferungen an die Ukraine geht, sind ein Streit um den richtigen Weg – aber noch keine grundlegende Spaltung des Westens. Dafür wird der Graben zwischen Europa und den USA einerseits und Russland andererseits immer tiefer. Der russische Außenminister Sergej Lawrow ist seit Jahren Dauergast in München, aber noch nie wurde seine Rede mit so viel Ablehnung aufgenommen. Und ich kann mich nicht erinnern, dass ihn der jeweilige deutsche Außenminister so deutlich öffentlich abgewatscht hätte, wie Amtsinhaber Frank-Walter Steinmeier das in seiner Rede tat.

Ein klein wenig Hoffnung war dann doch dabei, angesichts der Bemühungen vor allem von Bundeskanzlerin Angela Merkel, eine politische Lösung in Verhandlungen mit dem russischen Präsidenten Wladimir Putin zu erreichen. Inhaltlich konnte sie dazu in München wenig mitteilen, und die Nachricht, dass ein Gipfel gemeinsam mit Putin und dem ukrainischen Präsidenten Petro Poroschenko noch in dieser Woche angestrebt wurde, kam auch erst nach der Konferenz.

Das vorherrschende Gefühl im Bayerischen Hof war deshalb: Ratlosigkeit. Ratlosigkeit, wie es weiter gehen wird (während in der Ukraine unverändert heftig gekämpft wurde) und wie sich der Ost-West-Konflikt in der nächsten Zeit entwickelt. So viel Ratlosigkeit war nicht, als Joschka Fischer den Amerikanern vor ihrem Krieg im Irak entgegenschleuderte I am not convinced, so viel Ratlosigkeit war nicht bei den immer wieder gescheiterten Anläufen für eine Einigung mit dem Iran über sein Atomprogramm.

Nach 15 Jahren regelmäßiger Beobachtung der Münchner Sicherheitskonferenz spüre auch ich einen gefühlten Temperatursturz. Noch nie war es so kalt in München.

(Das mal als persönliche Vorrede zu einem neuen Ukraine-Sammler – damit die Debatte nicht so zerfasert, mache ich die beiden anderen laufenden Ukraine-Threads zu und bitte ums Kommentieren hier. Eine Übersicht über die Reden der Sicherheitskonferenz hier.)

(Foto: Bundeskanzlerin Angela Merkel mit dem ukrainischen Präsidenten Petro Poroschenko, links, und US-Vizepräsident Joe Biden – MSC/Müller)