Patriot-Einsatz in der Türkei: Paar Fragen vom Bundeswehrverband
Wartung von PAC2-Raketen für die deutschen Patriot-Systeme bei COMLOG, einer gemeinsamen Tochterfirma des Systemherstellers Raytheon und der MBDA Deutschland. Die PAC2-Flugkörper sind für eine Nutzungsdauer von 30 Jahren ausgelegt (Foto: MBDA Deutschland)
Bevor am (morgigen) Mittwoch der Bundestag erstmals über den Einsatz deutscher Patriot-Flugabwehrsysteme an der türkisch-syrischen Grenze berät (und bereits am kommenden Freitag endgültig entscheidet), gäb’s da noch ein paar Fragen. Der Vorsitzende des Bundeswehrverbandes, Oberst Ulrich Kirsch, hat das präzise zusammengefasst:
Gerade die betroffenen Frauen und Männer haben eine Menge Fragen, auf die sie noch keine Antwort erhalten haben. So sei nicht nur offen, ob die Bundeswehr überhaupt noch ausreichend Flugkörper in ihrem Bestand habe, es sei auch ungeklärt, welcher ABC-Schutz für die eingesetzten Soldaten vorgesehen ist. Es gebe auch keine Exit-Strategie, und was die Nato für den Fall plane, dass Syrien die „rote Linie“ überschreitet und tatsächlich Chemiewaffen einsetzt, sei ebenfalls unbekannt.
Mich wundert da nur ein wenig die Formulierung noch ausreichend Flugkörper im Bestand – bei den PAC3-Raketen ist die Bundeswehr nie über die Anfangsbefähigung mit 24 Flugkörpern hinausgekommen. PAC2 müsste es dagegen genügend geben (Zahl?), und die sollen ja auch mitgenommen werden, weil sie – in begrenztem Umfang – auch gegen anfliegende Raketen eingesetzt werden können.
Aber das Thema steht ja am Mittwoch auch auf der Tagesordnung des Verteidigungsausschusses.
Leider haben sowohl der Vorsitzende des Deutschen Bundeswehrverbands als auch sein Stellvertreter (und baldiger Nachfolger) etwas die Tuchfühlung mit der Truppe verloren. Überall mitsprechen wollend, dabei vergessend, dass sie mitnichten das Sprachrohr aller Soldaten sind, stünde es ihnen gut an, die unsägliche politische Diskussion, die diesen „Einsatz“ bereits begleitet, nicht noch weiter durch Stückzahlverfügbarkeiten-Diskussion anzuheizen – was soll das ?.
Sehen wir doch einmal in die Realität:
Von den 24 verfügbaren units sollen ganz zwei (2 !) in die Türkei verlegt werden. ZWEI und nicht die halbe Luftwaffe…!!!
Ja – es geht an die türkisch/syrische Grenze – ja, es kann passieren, dass ein Patriot eventuell eine syrische ballistische Rakete abfangen muss. Meine Güte, eine derartige Minimalverlegung wäre vor wenigen Jahren doch nicht auf ministerieller Ebene geplant worden – das hätte der Einsatzverband selbst gestemmt ! Da sieht man mal wie weit die Führung der Bundeswehr schon ins Mikromanagement abgeglitten ist.
…unabhängig davon: Die Soldaten OHNE ABC-Komponente in die Türkei zu entsenden, obgleich eine potenzielle Bedrohung durch C-Waffen gegeben ist, das ist – liebe Leitung des Hauses BMVg – unverantwortlich.
Hier wurden mal wieder leicht verdauliche Mandatszahlen vorgegeben, ohne einen vernünftigen Planungsprozess abzuschliessen. Da wenigstens gebe ich den Herren vom DBwV recht.
Nur insgesamt 24 Flugkörper? ROFLUNTERSTÜTZUNGSHELICOPTER, die haben wir vor 70 Jahren pro Minute rausgehauen!!!!!!!
Der Kommentar von Deimel ist ja mal eher unqualifiziert. Es wird suggeriert, dass die Verlegung von zwei Einheiten ein logistischer Kindergeburtstag sei!
Dabei sollte bedacht werden, dass diese beiden Einheiten auch einen rund um die Uhr Einsatz fahren können müssen und eine noch nicht festgelegte Durchhaltefähigkeit gewährleisten müssen. Das bedeutet Schichtbetrieb. Zusammen mit dem logistischen Drumherum und Sicherungspersonal ist das personell einiges mehr als „nur“ zwei Units!
Da das Patriot-System und speziell das Radar schon in die Jahre gekommen ist und sehr störanfällig ist, muss an Waffensystemkomponenten sowieso einiges mehr mitgenommen werden als nur für 2 Staffeln, damit Austauschkomponenten vorhanden sind.
In einen Patriot Behälter passen 4 Raketen. Bei 24 Raketen wären das 6 Behälter mit PAC3 Raketen?
Die Bw wollte die Patriot Systeme von 29 auf 14 Reduzieren.
@DDeimel: Sie schmeißen jetzt alles durcheinander. Es sollen zwei Staffen FlaRak mit entsprechender Anzahl Waffensysteme Patriot (wieviele „Werfer“ sind das pro Staffel?) in die Türkei verlegt werden, nicht zwei Flugkörper. Die Zahl der Flugkörper wird deutlich höher sein, da auch noch PAC2-Flugkörper mitgeführt werden, wie oben beschrieben.
Ich sehe gerade, dass die Zahl der Patriot-Staffeln zufällig auch 24 beträgt, sollten sie die gemeint haben, nehme ich alles zurück. ;-)
Wer den zugehörigen, verlinketen Artikel auf luftwaffe.de liest, stellt fest, dass tatsächlich nur 24 Stück PAC3 Raketen gekauft wurden. Damit könnten gerade mal drei Launcher bestückt werden. Die anderen 9 Launcher würden also mit 36 PAC2 bestückt.
@DDeimel
Es gibt ja auch keine 24 einsatzbereiten Staffeln mehr. Ein ganzes Geschwader wurde bereits von seinem Einsatzauftrag entbunden. Muss jetzt aber doch noch personell bluten, da während der Umgliederung und zwei NRF Beteiligungen, die FlaRak erheblich eingeschränkt ist. Insofern liegt der Bundeswehrverband mit seiner „Zahlenkritik“ durchaus richtig!
@Schorsch:
bei 8 LS pro Staffel wären das aber 15 PAC2 beladene Startgeräte ;)
Ich würde eher davon ausgehen, dass man entweder nur 1×4 PAC3 auf eine LS packt und damit 3 LS pro Staffel mit PAC3 zur Verfügung hat oder sich ggf. durch die Verbündeten aushelfen lässt…
Auch PAC2 Raketen sind in Varianten durchaus ATBM-fähig… die spannendere Frage ist wieviele TBMs denn erwartet werden…
Die Luftwaffe schreibt dieses hier „Alle verbleibenden Systeme verfügen über den höchsten technischen Standard zum Einsatz von PAC-3-Lenkflugkörper. Die übrigen PATRIOT-Systeme älterer Konfiguration werden schrittweise in Manching zusammengezogen, um diese ab 1. Januar 2013 einer Verwertung, beispielsweise Verkauf oder Verschrottung, zuzuführen.“ … Januar ist ja bald…
Quelle:
http://www.luftwaffe.de/portal/a/luftwaffe/!ut/p/c4/04_SB8K8xLLM9MSSzPy8xBz9CP3I5EyrpHK9nHL9cJBsSqpecn5eagmILEnNK8kEkulFiSX5RXoF-UUlOSCZ0qIioIxeZop-pIGhi5OBmQEMGNZYGgW4GocbGhu5eDoF6Rfk5joCACSl9AA!/
frage an die flieger … wieviele staffeln benötigt man um eine mittelgroße stadt (ich setze mal willkürlich ~ 100k Ew an) wirksam zu schützen?
@Markus
Ein Flieger kann die Frage wahrscheinlich nicht beantworten…
Aber es kommt auf den Threat an, auf die Geographie und vieles mehr. Die Frage lässt sich pauschal nicht beantworten.
@DDEimel und Phil:
Ich finde den Beitrag von DDeimel überhaupt nicht unqualifiziert. Ganz im Gegenteil, setzt er sich doch (endlich mal) kritisch mit dem DBwV auseinander. Und dies ist dringend notwendig.
In den Kern-Aussagen stimme ich Ihnen zu.
Ich finden den DBwV auch ein Relikt, dass heute nichts mehr mit einer Interessenvertretung der Soldaten zu tun hat. Dies trifft ebenfalls auf den ResVerb zu – das hat sogar der Minister angemerkt, als er sein Bedauern darüber ausdrückte, dass die Mitarbeit an der ResKonzeption seitens des Verbandes durch eine abgelöste Generation geleistet wurde. Ich denke dies dürfte ebenso auf den DBwV zutreffen – zu alte Leute mit zu viel Geltungsbewusstsein. Die akuelle Generation kann mit dem Vereinsmeiertum nichts mehr anfangen – und so bleiben sie als „Interessenverband“ erhalten.
Zum Thema: Ich habe ja zu wenig Ahnung vom Fachthema – aber 400 scheint mir in der Tat nur dann vertretbar, wenn man dem türkischen Wunsch nach full operational control folgt und das türkische Militär das Ganze drumherum aus eigenen Mitteln stellt. Ob das aber so wünschenswert ist….
der_mike | 11. Dezember 2012 – 22:27
„Die akuelle Generation kann mit dem Vereinsmeiertum nichts mehr anfangen“
Tun Sie mir bitte den Gefallen und erklären Sie diesen Satz. Die „aktuelle Generation“ also das Alterspektrum 18-65+; und dieses Altersspektrum ist Ihrer Meinung? Ich wusste gar nicht das es da eine Erhebung zu gab. Wer soll denn die Interessen der Soldaten sonst vertreten?
Leute, das wird jetzt im Hinblick auf den Bundeswehrverband arg OT. Hier ist nicht das Diskussionsforum für Verbandspolitik oder Sinn und Unsinn des DBwV. Haben die nicht irgendwo ein solches Forum? (Zumindest auf Facebook gibt es so was: https://www.facebook.com/DeutscherBundeswehrVerband)
Eine Patriot-Staffel hatte mal 150 – 170 Soldaten als STAN-Stärke. Dann kam vor über 10 jahren eine Reduzierung auf 85 Dienstposten, wohl wissend, dass diese 85 Soldaten nicht fähig sind eine Staffel selbstständig zu verlegen (alleine schon aus Mangel an Kraftfahrern).
Mal ne Frage an die Experten. Wieviel Soldaten werden denn benötigt, um eine Staffel im Schichtbetrieb 24 Stunden / 7 Tage die Woche im Kampfstatus zu halten ?
@ T.W.: Danke für das Einschreiten. Ja, ich bin auch „nur“ normales DBwV Mitglied und manchmal vorerst nicht mit den entsprechenden Aussagen des Vorsitzenden einverstanden. Rufe ich an, so wie gestern, erfahre ich sehr wohl, dass diese Aussagen eins zu eins mit den Kameraden abgestimmt sind, die das betrifft. Und das ist auch die jüngere Generation ;-) aber es bleibt nach wie vor schwierig, alle zu erreichen. Solange die Mehrzahl der Mitglieder zufrieden ist, dann reicht das. Andere Interessenvertreter schaffen auch nicht mehr.
Und während man anderswo noch streitet, sind die Profis bereits am Werk. Wochenenden und Urlaub sind gestrichen für die betroffenen Soldaten und alles läuft ab, wie man es jahrelang geübt hat. Wäre nur gut, wenn man an den entspr. politischen Stellen auch auf Profis bauen könnte, alleine mir fehlt der Glaube. Wenn wir auch in der Vorweihnachtszeit sind, das Wunschkonzert aus Berlin ist manchmal schon recht realitätsfremd. Ich wünsche den Patriot-Leuten alles Gute, passt auf euch auf! Evt. können sich einige von euch nicht mehr von euren Familien, die nicht standortnah leben, vor Weihnachten verabschieden. Soll die Gans nun in den Ofen oder nicht? Bei den politisch Verantwortlichen kommt sie mit Sicherheit rein, wir Betroffenen sagen: Schau´n wir mal.
@Heinz
Vor Mitte Januar wird sich keiner „bewegen müssen“.
Heinz | 12. Dezember 2012 – 12:13
Das klingt bei Ihnen ja doch sehr weinerlich, wenig professionel. Ein Einsatz und Einsatzvorbereitung kommt halt immer zur Unzeit … vor Weihnachten, kurz nach Weihnachten, vor Sylvester, vor Karneval, vor Omas Geburtstag etc. Das Leben ist hart.
@ Heiko Kamann
Weinerlichkeit war von mir nicht beabsichtigt, wollte nur mal darauf hinweisen, dass nicht überall und jedem nach „besinnliche Weihnachten“ ist. Bin selbst kein Soldat mehr, „nur“ Vater. Ja, Sie haben Recht, das ist Alltag eines Soldaten und eben auch seiner Familie. Das die Gesellschaft das nicht sieht, kann man noch nachvollziehen. Aber leider haben ausgerechnet die Soldaten, die sich bis dato um jeden Auslandseinsatz gedrückt haben, weil eben die Oma Geburtstag hat oder gar angebliche Schwangerschaften der Ehefrau, Angst der Lebensabschnittsgefährtin etc. die Phantasie so mancher ist schon erstaunlich, am wenigsten Verständnis und ziehen über die Kameraden her. So manchem wünscht man da schon anstatt der Weihnachtsgans zu Hause eine Feldlagerküche der eher schlechteren Art
Im Übrigen nichts Genaues weiß man nicht, „offiziell“ heißt es Januar, aber wenn das Gerät in der Türkei eintrifft per Schiff, müssen auch die Soldaten vor Ort sein. Inoffiziell liest sich eben manches anders.