Melden macht frei?

Die ärgerlichen bis wütenden Reaktionen, die das neue Meldegesetz mit seiner nun doch nicht vorgesehenen Neuregelung für Soldaten hervorgerufen hat, haben vermutlich die Innenpolitiker nicht erwartet und die Verteidigungspolitiker verpennt… (nur als Anhaltspunkt: der Eintrag hier im Blog hat inzwischen mehr als 60 Kommentare, bei tagesschau.de sieht es ähnlich aus.)

Kurz eine Zusammenfassung der Lage: Schon bislang galt die Regelung, dass – unverheiratete – Soldaten ihren Lebensmittelpunkt und damit ihren Hauptwohnsitz am Dienstort haben. Das sollte mit der Neufassung des Meldegesetzes, die am (heutigen) Donnerstagabend vom Bundestag beschlossen werden soll, geändert werden. Denn auch unter Soldaten gibt es, wie in der ganzen Bevölkerung, zunehmend nichteheliche Lebensgemeinschaften, ob mit oder ohne Kinder. Und Reduzierung und Umbau der Bundeswehr mit der Schließung zahlreicher Standorte, dazu die regelmäßigen Versetzungen, schicken immer mehr Uniformierte als Pendler auf die Auto- oder Eisenbahn.

Nun ist offensichtlich erst zu Beginn dieser Woche aufgefallen, dass die geplante Änderung im Gesetzentwurf der Bundesregierung wieder einkassiert wird und alles beim Alten bleiben soll. Denn sowohl die Länder hatten im Bundesrat der soldatenspezifischen Ausnahmeregelung widersprochen, als auch die Kommunen über ihre Kanäle zu Bundestagsabgeordneten. Belegen kann ich nicht, was ich aus dem parlamentarischen Bereich gehört habe, deshalb gebe ich das mit aller Vorsicht weiter: Die geplante Neuregelung soll nicht zuletzt in der Kommunalverwaltung des Groß-Standortes Munster mit auch künftig mehr als 5.200 Dienstposten für helle Aufregung gesorgt haben – als man sich den zu erwartenden verwaltungsrechtlichen Schwund an Mitbürgern mal vor Augen führte und die Konsequenzen durchrechnete.

Der CDU-Abgeordnete Reinhard Grindel, Mitglied im Innenausschuss, hat sich angesichts der wütenden Soldaten-Reaktionen am heutigen Donnerstag per Brief an den Vorsitzenden des Bundeswehrverbandes, Oberst Ulrich Kirsch, gewandt (über diesen Brief hat auch tagesschau.de berichtet). Darin bittet der Parlamentarier um eine wahrheitsgetreue Kommunikation dessen, was wir heute im Deutschen Bundestag beschließen. (…) Um es klar zu sagen: für die Soldaten ändert sich gar nichts und ich habe die herzliche Bitte, dass der Bundeswehrverband keinen anderen Eindruck erweckt.

Nun ja, melderechtlich ändert sich für die Soldaten gar nichts. Aber es passt nicht mehr zur Lebensrealität …

Interessant ist vor allem die Argumentation des Abgeordneten:

Würde man bei unverheirateten Soldaten z.B. den Wohnort einer Lebensgefährtin zulassen, muss doch jedermann einleuchten, dass sich daraus sehr schnell Ungenauigkeiten in den Melderegistern ergeben können. Anders als bei Scheidungen erfahren die Melbebehörden nicht, wenn sich etwas in der persönlichen Situation eines unverheirateten Soldaten ändert. Damit ist eine Vielzahl von Ungenauigkeiten in den Melderegistern, die für die Behörden und nicht zuletzt für die Bundeswehr negative Auswirkungen haben, geradezu absehbar. Es gibt keine öffentliche Einrichtung, die so korrekt geführt werden muss wie das Melderegister.

Hm. Die Horden von Soldaten, die ihre Freundin verlassen und in die Illegalität ohne festen Wohnsitz abtauchen. Ein Horror für jede Verwaltung. Fast noch schlimmer als bei unverheirateten Abgeordneten.

Immerhin, auch wenn das Gesetz heute beschlossen wird, eine spätere Änderung ist ja nicht ausgeschlossen. Grindel bietet dem Bundeswehrverband an, nach der Sommerpause über eine Regelung zu reden, die die melderechtlichen Bedingungen entbürokratisierung, auf der anderen Seite aber gleichzeitig dafür sorgt, dass die Melderegister nicht ihre Richtigkeit verlieren. Für letzteres würde vielleicht die Verpflichtung reichen, sich bei Wohnsitzwechsel umzumelden? Steht vermutlich jetzt schon im Gesetz.

Nachtrag: Der Gesetzentwurf wurde am 28. Juni vom Bundestag angenommen, wie aus dem Plenarprotokoll hervorgeht.