Pirateriebekämpfung an Land: Bundestagsmandat Ende April
Jetzt ist es absehbar: Der Bundestag wird bald über die Ausweitung der EU-Antipirateriemission Atalanta beraten, die den Soldaten – auch den Deutschen – den Einsatz gegen Piraten auch an Land erlauben soll. Der Fahrplan steht jedenfalls schon. Am 19. März wird die Entscheidung auf EU-Ebene erwartet, das neue Mandat geht voraussichtlich am 28. März ins Bundeskabinett, so dass es dem Bundestag in den folgenden Tagen (29. oder 30. März) zur ersten Lesung vorliegt und in die zuständigen Ausschüsse geht. Da danach Osterpause ist, dürfte die abschließende Beratung des Parlaments in der nächsten Sitzungswoche zwischen dem 25. und dem 27. April stattfinden.
Einigkeit scheint zwischen Regierungsseite – Verteidigungsministerium und Bundeswehr – und den Fraktionen zu herrschen, dass auch bei einer Bekämpfung der Piratenlogistik an Land keine boots on the ground in Somalia vorgesehen sind: Die Ausweitung des Atalanta-Auftrags dürfte praktisch vor allem bedeuten, (leere) Piratenboote vom Hubschrauber aus auch dann zu zerstören, wenn sie an Land liegen. Die genauen Befugnisse werden vom exakten Wortlaut abhängen – sowohl des EU-Beschlusses als auch des Bundestagsmandat: Wie weit der Einsatzraum an Land gehen soll, muss ja definiert werden. Auch wenn das möglicherweise nicht öffentlich geschieht, damit die Piraten zum Beispiel bei einer Festlegung auf zweitausend Meter Küstenstreifen ihre Nachschubbasis nicht 2200 Meter hinter der Wasserlinie aufbauen.
Allerdings zeichnet sich auch ab, dass es für das neue, erweiterte Mandat nicht mehr die breite Bundestags-Zustimmung wie bisher geben wird. Die Süddeutsche Zeitung zitiert heute den verteidigungspolitischen Sprecher der SPD-Fraktion, Rainer Arnold, mit den Worten: Nach dem jetzigen Stand der Debatten in der Fraktion können wir uns nicht vorstellen, dass wir einem erweiterten Mandat für Atalanta zustimmen. Die Risiken seien größer als der zu erwartende Erfolg.
Das ist eine legitime Position, allerdings frage ich mich, ob ich da als Einziger einen Widerspruch zum jüngsten Vorstoß des SPD-Vorsitzenden Sigmar Gabriel sehe: der hatte mehr Europa in der Verteidigungspolitik angemahnt, selbst um den Preis der teilweisen Aufgabe nationaler Souveränitätsrechte. Nun wird es voraussichtlich zur Erweiterung des Atalanta-Auftrags einen gemeinsamen europäischen Beschluss geben – und dann ist es wieder zu viel Europa und wird national nicht mitgetragen? (Vielleicht zeigt das einfach auch nur, wie schwierig das Grundsatzbekenntnis ist, wenn es an die Details geht.)
Ein Schritt in die richtige Richtung. Mir stellen sich dann folgende Fragen: Heisst keine „boots on the ground“ dann auch keine Nacheile an Land, wenn zum Beispiel beobachtet wird, wie Geiseln ins Landesinnere verbracht werden? Und wird Bekämpfung von Landzielen dann auch mit Schiffsbewaffnung oder ausschliesslich mit Bordhubschrauber gestattet sein?
„Die genauen Befugnisse werden vom exakten Wortlaut abhängen – sowohl des EU-Beschlusses als auch des Bundestagsmandat: Wie weit der Einsatzraum an Land gehen soll, muss ja definiert werden. Auch wenn das möglicherweise nicht öffentlich geschieht, …“
Ein geheimes Mandat? Oder ein Mandat, dessen genaue räumlichen Grenzen geheim sind? Wohl hoffentlich eher nicht.
ich kann mir lediglich vorstellen, dass das BT-Mandat sehr offen ist und die Bw/Atalanta sich im Innenverhältnis beschränkt.
Ich frage mich andauernd, wer dem Herrn Arnold seinen „Experten“-Status verliehen hat, da das, was er diesbzgl. in der SZ von sich gegeben hat, mal wieder (bzw. wie gewöhnlich) substanzarm ist.
Natürlich wird mit der Neutralisierung/ Vernichtung der Piraterielogistik an Land das Übel der Piraterie noch nicht an der Wurzel gepackt bzw. ausgerottet, aber dieses Mandat ist ein Schritt in die richtige Richtung.
Da ich nur begrenzt Kräfte zum Schutz des Welternährungsprogramms und zur Bekämpfung der Piraterie in einem riesigen Seegebiet habe, erscheint mir dieses durchaus zielführender als darauf zu warten, dass wir die Piraten auf See treffen.
Ich mache es mir sonst unnötig schwerer, denn an Land sind die Positionen der Camps bekannt, auf See sucht man nach der Nadel im Heuhaufen.
Insgesamt sollte die EU – der ich im Übrigen ein solch „offensives“ Mandat aufgrund ihrer „Zivillastigkeit“ nicht zugetraut hätte – das Küstenvorfeld nur als solches benennen, um erst gar nicht eine „Meterdiskussion“ aufkommen zu lassen.
Besondere örtliche Gegebenheiten könnten zudem auf diese Weise erfasst werden.
Und wem das nicht reicht bzw. zu weich ist, dem sollten mE 5 nautische Meilen landeinwärts wohl genügen, denn ein (noch) weiterer Anfahrtsweg würde die Piraten vor (noch) mehr logistische Probleme stellen und weniger flexibel machen.
Das Schöne an der verlängerten „Anreise“ wäre dann allerdings, dass sie (noch) einfacher aufzuklären sind. Die Gegebenheiten vor Ort würden die Piraten zwingen, immer dieselben Routen zu nehmen, um unwegsames Gelände zu überbrücken.
Der kleine Fischer würde auch nicht das Geld für einen Transporter haben.
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@ dallisfaction:
Das Mandat soll sich rein auf das Vernichten der Logistik beziehen und nicht auf Geiselbefreiung/ Nacheile, welcher Gestalt auch immer.
Der Landzielbeschuss durch bordeigene Mittelwäre durchaus wünschenswert, aber die fehlende visuelle Aufklärung/ Bestätigung, dass kein Mensch sichtbar vor Ort ist, kann am Besten durch den H/C erbracht werden.
Der H/C sollte dieses auch vorher durch IR, Foto, o.ä. dokumentieren, sonst haben wir nach dem ersten Beschuss mit mal eine (ohnehin schon vorher) tote Person daliegen, um die Propoganda-Mär von den bösen ATALANTA-Nationen, die einfach ‚draufhalten, anzufeuern. AL-SHABAAB im Süden könnte das gerade gut für eigene Zwecke missbrauchen.
Im Nachhinein kann man so etwas schlecht gerade ziehen.
Der Hubschrauber ist mE das Mittel der Wahl. REIN zufällig hat die BERLIN 2 Sea King mit dabei, die neben ordentlicher Stehzeit vor Ort auch IR, fotographische/ „filmische“ Möglichkeiten zur Dokumentation auch das Wirkmittel der Stunde, das Kaliber 0.50 SMG dabei haben.
Für andere Operationen sind diese H/C im Zusammenspiel mit KS übrigens sehr gut geeignet.
Ich lese die Rede Gabriels zur europäischen Verteidigungspolitik primär in Richtung gemeinsamer territorialer Verteidigung, und erst sekundär in gemeinsamen Out-of-Area-Missionen.
Die Erweiterung der Atalanta-Mission als „zu viel Europa“ für die SPD zu bezeichnen, finde ich auch vollkommen falsch ausgedrückt. Das Problem dabei ist ja nicht der gemeinsam gefasste Beschluss, sondern eher eine mögliche Gewalteskalation durch ein verändertes Mandat zum Land hin. Man darf nicht vergessen, dass die SPD trotz allem immer noch pazifistische Strömungen vereint. Während man sich in Sachen Afg den humanitären Ansatz zumindest noch schön reden konnte und auch Lybien humanitär gelesen werden kann, ist Atalanta eine rein ökonomisch motivierte Mission. Und da ist es doch klar, dass die SPD jede Eskalationsstufe kritisch sieht.
Von daher kann ich verstehen, wenn SPD-Abgeordnete speziell bei der Atalanta-Mission Bauchschmerzen bekommen. Diese undemokratische Art, Entscheidungen aufgrund „internationaler Zwänge“ herbeizureden und zu begründen, halte ich für problematisch. Ich bin ganz sicher mehr Europäer als Deutscher und eine Isolierung wie im Fall Lybien darf in solcher Form einfach nicht passieren. Aber deshalb parteipolitische Überzeugungen von Abgeordneten hintanzustellen oder nicht nachvollziehen zu können, halte ich für unangebracht.