RC N Watch: Anschlag auf dem Weg zum Sicherheitstreffen – Zusammenfassung
In der Nähe des deutschen Provincial Reconstruction Teams (PRT) Kundus in Nordafghanistan ist am Sonntagmorgen ein Bundeswehr-Konvoi mit einer Sprengbombe angegriffen worden. Dabei starben nach afghanischen Behördenangaben drei afghanische Zivilisten, elf wurden verletzt. Deutsche Soldaten wurden bei dem Angriff nicht verwundet. Das Einsatzführungskommando der Bundeswehr bestätigte Angaben der Welt, dass der PRT-Kommandeur Oberst Norbert Sabrautzki in diesem Konvoi auf dem Weg zu einem Sicherheitstreffen mit afghanischen Offiziellen im Gouverneurspalast von Kundus war. Die bisherigen Erkenntnisse böten aber keinen Beleg dafür, dass der Angriff gezielt dem deutschem Oberst galt.
PRT-Kommandeur Oberst Norbert Sabrautzki (3.v.r.) am vergangenen Freitag beim Besuch von Verteidigungsminister Thomas de Maizière (2.v.r.) im PRT Kundus. (Foto: Bundeswehr/Hans Didi via flickr unter CC-Lizenz)
Die Frage, ob Sabrautzki wegen der Teilnahme an der Sicherheits-Shura gezielt im Visier der Aufständischen war, ist heikel: am 28. Mai war in Taloqan in der Nachbarprovinz Takhar ein solches Sicherheitstreffen im dortigen Gouverneurspalast Ziel eines Sprengstoffanschlags. Dabei wurde der Polizeikommandeur für Nordafghanistan, General Daoud Daoud, ebenso wie zwei deutsche Soldaten tödlich getroffen. Der ISAF-Regionalkommandeur Nord, der deutsche Generalmajor Markus Kneip, wurde bei dem Angrif verwundet. Ort und Zeit des Treffens in Taloqan war offensichtlich den Aufständischen zuvor bekannt gewesen; die Frage ist, ob das auch für das Treffen am Sonntag in Kundus galt.
Nach afghanischen Angaben wurde der Anschlag am Sonntag von einem Fahrzeug aus verübt, möglicherweise von einem Selbstmordattentäter auf einem Motorrad. Zwei geschützte Patrouillenfahrzeuge der Bundeswehr vom Typ Dingo 2 wurden dabei beschädigt; einer so schwer, dass er nicht mehr fahrbereit war. Zwei Soldaten meldeten sich später mit leichten Verwundungen, vermutlich einem Knalltrauma, bei den Sanitätern im PRT. Die Afghanen, die Opfer der Explosion wurden, hatten in ihrem Kombi dagegen keine Chance.
Nun ja, fassen wir zusammen:
– Das Offensivelement lag wieder beim Feind. Statt selbst den Feind zu jagen und ihm jegliche Operationsfähigkeit zu nehmen, fuhr man wieder mal nur lustig als Zielscheibe durch die Gegend.
– Der Feind hat ein Ziel erreicht. Weitere Patrouillen wurden laut Medienberichten abgesagt. Genau die umgekehrte Reaktion wäre richtig – es sei denn, man ist zu schwach und am verlieren. Inzwischen kann sich der Feind zuverlässig darauf verlassen, dass die Bundeswehr zurückweicht, wenn sie angegriffen wird. Will man als INS also in der Fläche wirken, z. B. weil man ein paar ISAF-Sympathisanten ermorden möchte, muss man nur ein Bundeswehrfahrzeug ansprengen, ein paar Gerüchte über weitere Attentäter streuen, und schon verkriecht sich die Bundeswehr wie ein getretener Straßenköter hinter ihren Festungswällen und man kann ungestört tun und lassen, was man will. Wenn man die Schlachten, die es zu schlagen gilt, nicht schlagen will, hat man den Krieg bereits verloren.
– Der afghanischen Bevölkerung wurde wieder mal vor Augen geführt, wie angreifbar die ISAF ist und diese sich danach „feige in ihren Löcher verkriecht“. Gepaart mit der Ankündigung, sich 2014 vom Schlachtfeld zu schleichen stellt sich jedem ortsansässigen Afghanen die Frage: Mit wem verbünde ich mich, wem unterwerfe ich mich, wenn ich 2016 noch am leben sein will?
Wieder nur Taktik auf unserer Seite. Von Strategie ist nichts zu sehen. So wird das nichts, liebe Kommandeure.
Wieso steht oben, dass es keine Verwundeten gab, wenn weiter unten von zwei Verwundeten die Rede ist?
@Sun Tzu: „fuhr man wieder mal nur lustig als Zielscheibe durch die Gegend.“
Was soll man sonst gegen eine SVBIED tun? Ansonsten Zustimmung.
2 Leichtverletzte hat es wohl gegeben. Das Fahrzeug war bis zur Hälfte in einem Loch oder Graben, zu sehen auf n-tv.
@ Sun Tzu
Ihre Wortwahl ist zwar hier und da zu drastisch … in der Lagebeurteilung haben Sie es aber (leider) genau getroffen.
Ich hoffe den verwundeten Soldaten geht es inzwischen wieder besser …
@ Heiko Kamann
Sun Tzus Sprache ist präzise und passend.
Sun Tzu beschreibt das Führungsproblem dieser Armee und dessen Folgen m.E. sehr treffend. Die gleiche Fehler führten übrigens schon ab 2007 dazu, dass die Aufständischen in Kunduz/Baghlan überhaupt erst erstarken konnten. Auch damals zog man sich nach geringstem Druck sofort furchtsam und eingschüchtert aus der Fläche zurück und feierte selbstgerecht die eigene „Besonnenheit“, während die Aufständischen in das hinterlassene Vakuum nachstießen.
Wüsste man nicht, dass der Großteil der Infanteristen vor Ort gegenüber dem Mangel an soldatischem Geist in der Führung eine eindeutige Position hat, müsste man sich für diese Armee fast schämen.
Solche Befehle gab es schon immer. Kongo, Balkan, usw.
Den Kommentaren, vor allen Dingen Sun Tu, kann ich nur zustimmen. Es stellt sich mir aber die Frage, ob 1. die verantwortlichen Kommandeure nicht können (wäre schlimm), 2. sich nicht trauen (wäre schlimmer) oder 3. nicht dürfen (wäre am schlimmsten). Vielleicht hat da jemand mehr Einblick? In den Fällen 1 + 2 hätte man die falsche Personalauswahl getroffen und das EinsFüKdo hätte unmittelbaren Handlungsbedarf, bei 3. wäre dann wohl der GenInsp in der Pflicht die Politik aufzuwecken (auch um den Preis der Frühpensionierung).
„In den Fällen 1 + 2 hätte man die falsche Personalauswahl getroffen und das EinsFüKdo hätte unmittelbaren Handlungsbedarf,“
Mal drüber nachgedacht, dass man sie genau deswegen zum Verantwortlichen gemacht hat? Nur so als Idee…
@Herr Wiegold
Herr Kneip hat den Dienstgrad Generalmajor, nicht wie oben geschrieben Brigadegeneral.
@Arminius
Weia. Sie haben natürlich Recht, da habe ich geschlampt, und es hat seit Stunden keiner gemerkt?
Dafür sind die User ja da…
„Solche Befehle gab es schon immer. Kongo, Balkan, usw.“
Thomsen hat ebenfalls präzise den wunden Punkt getroffen – bei KFOR bekam der verantwortliche Führer (wobei ich dem die geringsten Vorwürfe machen würde) vor Ort 2004 sogar von höchster Stelle Lob und eine förmliche Anerkennung dafür, das er das Erzengelkloster aufgab, als der Mob anrollte…
Aber wie stand es damals in der Presse: „Verteidigungsminister Peter Struck hingegen hatte die Soldaten nach den Unruhen gelobt: „Sie haben besonnen reagiert, eine Eskalation verhindert und so Menschenleben geschützt.““
Passt doch 1a zur heute erneut bewiesenen Führungskultur.
Ich bin etwas verwirrt …
Sun Tzu hat eine verständliche Analyse geliefert, Orontes hat verdeutlicht … aber auch verallgemeinert …
Gestern und Heute tickerten Meldungen durch, das die UN nun Al-Quaida und Taliban auseinander dividieren werden … auch Gates sprach von direkten Gesprächen mit Taliban.
Müssen nicht auch wir, und da frage ich Sie auch direkt Orontes, anfangen zu diferenzieren? Wer ist denn „Aufständisch in AFG“? Und wer davon zu bekämpfen? Denn wir können doch nicht jeden, der gegen das korrupte Karzai-Regime protestiert mit Terroristen gleich setzen … Wie differenziert denn derzeit die Bundeswehr?
Denke ich zu naiv?
Es ist alles nicht neues, nur war die NATO bis jetzt der Meinung sie handelt aus der Position des Stärkeren heraus.
Die USA verlangten daher von den afghanischen Taliban unter Androhung eines militärischen Angriffs mehrmals seine Auslieferung, was diese ablehnten. Angeblich legten sie aber bin Laden nahe, das Land zu verlassen – vermutlich eine diplomatische Finte angesichts des Gastrechts, das in der afghanischen Gesellschaft traditionell unter allen Umständen unverletzlich ist. (23.09.2006)
http://www.sueddeutsche.de/politik/informationen-zur-person-osama-bin-laden-1.636444
Keiner der die Verhältnisse in AFG kennt setzt Al Quaida mit den Taliban gleich, außer zu Propagandazwecken.
„Der sowjetische Afghanistan-Veteran Ruslan Auschew und spätere Präsident der zur russischen Föderation gehörenden Kaukasusrepublik Inguschetien meinte in einem Gespräch mit einem britischen General, der Westen würde die Fehler der Sowjetunion wiederholen. „Wir haben Partei ergriffen, genau wie jetzt die Koalitionstruppen: Ihr unterstützt einen Teil der Gesellschaft gegen den anderen“, “
http://diepresse.com/home/meinung/kommentare/leitartikel/535348/Die-Taliban-sind-nicht-alQaida
> Gestern und Heute tickerten Meldungen durch, das die UN nun Al-Quaida und Taliban
> auseinander dividieren werden
Begrenzt fand das schon immer statt.
Beide lassen sich klar in Zielen und halbwegs erkennbar in Taktiken unterscheiden.
Und daß es schon immer Verhandlungen mit Taliban gab ist auch bekannt, Überläufer und Abkommen gab es seit Jahren genug.
defakto ist der einzige strittige Punkt zwischen NATO und Taliban „gewalttätige Beeinflußung der Innenpolitik“. Sobald ein Taliban auf „gewalttätig“ verzichtet ist alles in Butter.
Ich wüsste gerne woher die Medien die Info nehmen, auf die Sun Tzu sich bezieht, dass weitere Patrouillen abgesagt wurden?
Das kann so nicht bestätigt werden…
Da werden mal wieder Sch****hausparolen breitgetreten, die durch unbestätigte Medienberichte verbreitet werden. Fakt ist jedenfalls, dass sich hier keiner verkriecht oder einigelt!
@commander
Das war Teil der oben verlinkten Meldung in der Welt, allerdings gab es dafür keine Bestätigung.
@Heiko Kamann
„Gestern und Heute tickerten Meldungen durch, das die UN nun Al-Quaida und Taliban auseinander dividieren werden … auch Gates sprach von direkten Gesprächen mit Taliban.“
Ich halte solche Äußerungen für hauptsächlich innenpolitisch motiviert. Die Führung der Taliban bekräftigt (durchaus glaubwürdig) laufend, dass sie nicht an Verhandlungen vor einem vollständigen Abzug von ISAF interessiert ist, weil sie ohnehin gewinnen werde. Die Amerikaner sind an der Grenze ihrer Belastbarkeit angelangt, ohne dass ihr “Surge” die erhofften Ergebnisse gebracht hat. Man ist allgemein weit hinter den 2009 aufgestellten Zielen zurückgeblieben. Es gibt in der jetzigen Strategie kein Druckmittel mehr, dass die Führung der diversen Teile der Aufstandsbewegung zu Verhandlungen zwingen könnte. Welchen Grund sollte z.B. eine Taliban-Führung haben, jetzt zu verhandeln? Die ständigen unilateralen Rufe westlicher Politiker nach Verhandlungen werden dort sehr wahrscheinlich als Zeichen wachsender Verzweiflung wahrgenommen und dürften die Wahrnehmung, dem Sieg nahe zu sein, vermutlich noch stärken.
„Müssen nicht auch wir, und da frage ich Sie auch direkt Orontes, anfangen zu diferenzieren? Wer ist denn “Aufständisch in AFG”? Und wer davon zu bekämpfen? Denn wir können doch nicht jeden, der gegen das korrupte Karzai-Regime protestiert mit Terroristen gleich setzen … “
Man differenziert doch längst. Die Amerikaner halten Teile der Aufstandsbewegung schon seit einiger Zeit für „reconcilable“ (etwa das Haqqani-Netzwerk oder die HIG) und versuchten sie, mit verstärktem Druck zu Verhandlungen zu bewegen. Funktioniert hat es anscheinend nicht.
Was vereinzelt funktioniert, sind Übereinkünfte mit einzelnen Bandenführern der unteren Ebene, die sich z.T. auf die Seite der Regierung stellen, wenn (und solange) sie die Machtverhältnisse entsprechend wahrnehmen. Eigentlich sollte die neue Strategie der Amerikaner entsprechende Verhältnisse in der Fläche schaffen, kam aber offenbar über Ansätze nicht hinaus, Stichwort Marjah. Der „Surge“ kam zu spät und wurde von unglücklicher Rückzugs- und Verhandlungsrhetorik begleitet, die ihm einen Großteil seiner Wirkung nahm. Mit beginnendem amerikanischen Rückzug dürfe auch die erreichte Wirkung dann rasch wieder verschwinden.
Bzgl. Verhandlungen mit den Taliban ist folgender Artikel sehr aufschlussreich, wenn man sich der Situation noch nicht bewusst ist: http://www.longwarjournal.org/threat-matrix/archives/2011/06/is_the_us_really_negotiating_w.php
„Regardless, it is curious that top US and NATO leaders believe that they can carry out high-level talks with the likes of Mullah Omar, as if the setbacks they have experienced the past year have been far worse that what the Taliban experienced during the US invasion in 2001-2002. The Taliban survived that onslaught, fled to Pakistan, regrouped and refitted, and pushed back into Afghanistan with a vengeance.
The US and NATO has already signaled it wants out of Afghanistan, and will begin the drawdown over the next several years. Even with the US pressure in Helmand and Kandahar the past year, the Taliban still control vast areas of the east and north, as well as pockets in the south. The Afghan security forces are far from ready to take control. The Taliban still have safe haven and state support in Pakistan. Regardless of the Taliban’s losses in the past year, they are still in a far better position than they were in late 2002.“
So sieht´s aus.
@ Orontes + Nico
Vielen Dank, sehr aufschlussreich!
@ Nico
„…they are still in a far better position than they were in late 2002.”
Dann darf man nicht abziehen?
Welchen Schluss man aus dieser Tatsache zieht, hängt von einem selber ab. Fest steht nur, dass man damals die wohl beste Chance zum Abzug verpasst hat.
Also doch!
Ein abgeschlossener Vorfall, der wieder aktualisiert wird. Gut, dass wir drüber diskutiert haben! ;-)
„Der Angriff auf die deutschen Kräfte des Regionalen Wiederaufbauteams (PRT) Kundus erfolgte mit einem in einem Personenkraftwagen versteckten improvisierten Sprengsatz. Die Untersuchungen zum Vorfall werden durch die afghanischen Sicherheitsbehörden durchgeführt.“
– BW
Die bevorzugte Art solche Vorfälle zu diskutieren scheint mir, dass die Fähigkeiten und Entscheidungen der militärischen Führer vor Ort in Frage gestellt werden. Zudem kommen die besten Ideen, was man besser machen müsste.
Aber stimmt ja, was sollte man denn auch sonst diskutieren, wenn man keine genaueren Informationen hat.
IED Angriffe, in welcher Art auch immer, wird es weiterhin geben und wir müssen der Situation angemessen reagieren, in dem Augenblick entscheiden… und es wird sicher immer wieder Entscheidungen geben, die nachher nicht die besten waren.
Zum Photo eine Frage: wer ist der Herr im blauen Blazer?
@MD
Der Herr im blauen Blazer ist Hermann Nicolai, Vertreter des Auswärtigen Amtes in Kundus und zugleich der zivile Leiter des PRT.
(Die Bundeswehr ist bei ihren Bildtexten manchmal etwas sehr sparsam…)
@ J.König @ Nico
Man hätte tatsächlich im Jahr 2002 abziehen sollen, nachdem die Verfolgung der Al Kaida-Leute im Wesentlichen abgeschlossen war.
Die Operation ISAF war ein Fehler, der im Grünen „Gutmenschentum“ begründet lag.
Einerseits den Afghanen eine islamische Republik als Staatsform zu erlauben und andererseits in Deutschland mit der Demokratisierung AFG für den ISAF-Einsatz zu werben, war Verdummung der Bürger in Deutschland.
Wenn man wissen will, warum die Taliban im Jahre 2002 im Norden von AFG sehr schwach vertreten waren, muss man die Tötung von mehreren tausend Taliban in Mazar il Sharif durch die Nordallianz mit Unterstützung der Amerikaner im November/Dezember 2001 zur Kenntnis nehmen.
Und heute spekulieren die Grünen über einen Militäreinsatz im Sudan zur Wahrung der Menschenrechte dort. Gott möge uns vor diesen „Gutmenschen“ schützen !
Krieg hat niemals mit etwas Guten zu tun. Es wird immer massive Gewalt zur Durchsetzung von Interessen eingesetzt. Man sollte sich vorher überlegen für welche Interessen man eigene Menschenleben opfert und die Leben der Gegner vernichtet, aber bitte nicht für Ideale, denn der Mensch, der diese Befehle ausführen muss, der Soldat im Einsatz, muss den beschlossenen Weg dann durchsetzen, egal ob es Mist ist oder ein kluger Weg.
@Georg
„Und heute spekulieren die Grünen über einen Militäreinsatz im Sudan zur Wahrung der Menschenrechte dort.“
Wie angenehm zurückhaltend war doch die preussisch geprägte Real- bzw. Interessenpolitik eines Bismarck gegenüber dem die Weltgenesung anstrebenden schrillen Interventionismus der „Berliner Republik“ (der übrigens nicht auf die Grünen beschränkt ist).
Die Zitate Bismarcks dazu sind zeitlos aktuell, z.B.:
„Die Neigung, sich für fremde Nationalitäten und Nationalbestrebungen zu begeistern, auch dann, wenn dieselben nur auf Kosten des eignen Vaterlandes verwirklicht werden können, ist eine politische Krankheitsform, deren geographische Verbreitung leider auf Deutschland beschränkt ist.“
„Kein Knochen eines preußischen Grenadiers ist es wert, daß er unter der Sonne des Balkans bleicht!“
Etwas mehr preussische Bescheidenheit würde diesem Land nicht nur sicherheitspolitisch gut tun.
@ Georg
„…denn der Mensch, der diese Befehle ausführen muss, der Soldat im Einsatz, muss den beschlossenen Weg dann durchsetzen, egal ob es Mist ist oder ein kluger Weg.“
Sie referieren das, was dem Dienst des Soldaten eigentümlich ist und mithin keine neue Erkenntnis ist.
Ob dies die jungen Frauen und Männer reflektieren, die, mit Beginn der Aussetzung der allgemeinen Wehrpflicht mit Datum 01. Juli 2011 wissen und sich bewerben?
Was wäre Ihr Rat für die Bewerber, die ja nicht nur eine Bewerbung abschicken, sondern wegen einer Probezeit, die beiderseitig ohne Angabe von Angabe von Gründen beendet werden kann, sich vieler Orts bewerben?
Was ist Ihr Rat für diejenigen, die sich für einen Dienst in deutschen Streitkräften auf begrenzte Zeit oder als Beruf bewerben?
@ Georg | 20. Juni 2011 – 20:05
Na ja, das alles mit grünem Gutmenschentum abzutun, ist mir zu simpel. Natürlich sind aus diesem Lager Facetten reingebracht worden, die vieles schwerer gemacht haben, z. B. Genderpolitik.
Im Grundsatz kommt man aber leider um die Feststellung nicht herum, dass man sich in einer globalisierten Welt keine gescheiterten Staaten mehr leisten kann. Wir sehen ja gerade bei Somalia, dass die Folgekosten einer gescheiterten Nation- Building Mission auch nicht von Ohne sind.
Nur muss man eben ehrlich sein. Für Afghanistan hätte das bedeutet: Aufwuchsfähigkeit nach Bedarf bis 500.000 Mann, Finanzmittel von einer Viertelbillionen Dollar im Jahr. Eine solche Streitmacht sehend, hätten die Taliban keine Unterstützung gefunden und wären auf dem Müllhaufen der Geschichte gelandet. Mit dem zu schwachen Kräfteansatz und der Möglichkeit zum Zweifel an der Willenskraft der Nato konnten die Taliban zu den bekannten Strategien des asymmetrischen Krieges greifen – mit realistischen Chancen auf einen Sieg. Betrachtet man diesen Einsatz, sieht man sehr deutlich, dass erst so ca. 2005 beim Feind bemerkt wurde, dass er ein Chance haben könnte. Damit gingen die wirklichen Probleme los.
Weil man Nation- Building zu billig haben wollte, ist einem die Sache nun zusammengebrochen und man muss faktisch von vorn anfangen. Ich bin allerdings überzeugt, dass selbst dieser Einsatz immer noch günstiger ist, als die Duldung von Afghanistan als gescheitertes Staatswesen unter den Taliban/INS/IMU etc. . Leider ist dieses Land zu sehr mögliche Zündschnur eines zentralasiatischen Großkonflikts.
Es ist eben durchaus möglich, dass wir gerade in eine sicherheitspolitische Zeitenwende reinrasseln, wie es sie zuletzt beim Ausbruch des kalten Krieges gegeben hat.
@ Sun Tzu
„…mit realistischen Chancen auf einen Sieg. “
Und, genau darum geht es nicht.
ISAF operiert nicht, und dies in Übereinstimmung mit allen truppenstellenden Staaten, in den Begrifflichkeiten „Sieg“ und oder „Niederlage“, da es sich nicht um Krieg im herkömmlichen und bei Clausewitz grundgelegten Kategorien des Krieges handelt.
Mithin ist es auch wenig produktiv in allen anderen, daran angelehnten Begrifflichkeiten wie „Kräfteeinsatz“, zu operieren. Für Soldaten im Einsatz mag dies unerheblich sein. Sie sind im „gefühlten Krieg“, der keiner ist.
@ Sun Tzu
Mag sein, dass Sie mit Ihren Kräfteansatz richtig liegen, aber kein Land der Welt ist bereit diese Resourcen für ein Land wie Afghanistan bereitzustellen.
Die Schlussfolgerung daraus ist, dass wir sehr wohl mit gescheiterten Staaten auf dieser Welt leben müssen und wahrscheinlich auch leben können.
Es gibt auf der Welt einige gescheiterte Staaten ohne dass sie für den Rest der Welt eine Bedrohung darstellen. Die Nachbarn von gescheiterten Staaten haben allerdings Probleme, siehe Somalia, Äthopien usw.
Was bedeutet in diesem Fall Nation-Building ?
Wir haben auf der Welt jede Menge freundlich gesinnte Despoten, die wir jahrelang unterstützt haben, weil sie die Region stabilisierten und im westlichen Sinne arbeiteten. Dazu gehörte auch der Irak, als Frontstaat gegen die Ayatollahs im Iran.
Nur leider hat sich Sadam Hussein auch bereit erklärt sein Erdöl auch an andere Staaten zu liefern und zweitens die Erölexporte in anderen Währungen außer dem Dollar abzurechnen. Dies hat wohl die strategischen Interessen Amerikas gestört, außerdem bot die Besetzung Kuwaits einen guten Grund sich im Nahen Osten mit einem enormen Militärpotential festzusetzen.
Nation-Building versus dem freundlich gesinnten Despoten !
Im Südsudan findet zur Zeit unter den Augen von UN-Militärbeobachtern ein erbitterter Streit zwischen China und den USA über die Förderrechte für die dortigen Erdölvorkommen statt. Ein Fall für Nation-Building ?
Warum ist in Lybien eine „humantäre Katastrophe“ zu gange, während es in Syrien von der Weltpolitik nur ein Achselzucken gibt ?
Vielleicht hat Lybien viel Erdöl, Syrien jedoch nicht. Vielleicht kann es im Nahen Osten keinen Frieden ohne Syrien geben, ohne Lybien sehr wohl. Vielleicht hat Syrien einen mächtigen Verbündeten, den Iran, Lybien jedoch nicht.
Vielleicht ist unser Nation-Building Konzept nur ein Feigenblatt für unsere wirklichen, versteckten Interessen.
Und meiner Meinung nach haben wir in AFG außer Bündnissolidarität zu zeigen keine wirklichen Interessen, die es zu wahren gilt.
@ J.König
Mein Rat an all die jungen Bewerber ist es sich den Dienst in den Streitkräften anschauen, selbst zu urteilen und wenn sie daran Interesse finden, sich zu verpflichten.
Was hätten Sie denn von mir für eine Antwort erwartet ? :-))
@ J. König | 20. Juni 2011 – 21:17
Ich hoffe mal, das war jetzt Satire.
Denn sonst müsste ich so antworten:
Sorry, aber das ist Unsinn, was Sie da schreiben.
Natürlich geht es um „Sieg“, also darum, dem Gegner seinen Willen aufzuzwingen.
Wer das negiert, sollte dringend die notwendigen Grundlagen erlernen, um sich an sicherheitspolitischen Debatten beteiligen zu können.
Alles andere ist beliebiges Neusprech, was sich davor drücken will, einzugestehen, dass man Soldaten entsendet, um andere zu etwas zu zwingen, was man selbst für richtig hält – und sei es nur die asphaltierte Straße, die Mädchenschule oder der Dorfbrunnen.
@ Georg | 20. Juni 2011 – 21:30
Sie sind sich aber schon darüber im Klaren, dass dieser „Burgfriede“ mit Diktaturen und Despotien nur für eine begrenzte Zeit gut geht?
Leider sind derartige Staatsstrukturen Brutkästen für Extremismus, der sich zuerst gegen die richtet, die diese Despotien tolerieren.
Weil man sich an mehreren Engagements verheben würde, soll man also das, was man leisten kann, unterlassen?
@Sun Tzu
„…dass man sich in einer globalisierten Welt keine gescheiterten Staaten mehr leisten kann.“
Ich sehe es umgekeht: Globalisierung findet ohne diese Staaten statt, und was in ihnen geschieht, ist für den Rest der Welt weitgehend irrelevant. Gäbe es Afghanistan nicht, würde der globalisierten Welt nichts fehlen.
„Wir sehen ja gerade bei Somalia, dass die Folgekosten einer gescheiterten Nation- Building Mission auch nicht von Ohne sind. “
Die Folgekoste der Piraterie sind sehr gering im Vergleich auch zu bescheidensten militärischen „Nation-Building“-Intervention, und Vernichtung der Piraten wäre wesentlich günstiger als der Versuch der Demokratisierung Somalias (was ohnehin eine absurde Vorstellung wäre). So wie die Vernichtung Al-Qaidas 2001 keine schwierige, teure oder langwierige Sache hätte sein müssen. Es war die Ideologie des Interventionismus, die dies erst zu einer schwierigen Sache machte. Plötzlich reichte es nicht mehr aus, eine vierstellige Zahl schlecht ausgebildeter Kämpfer zu vernichten, sondern man meinte, gleichzeitig ein verwüstetes Land ohne jegliche kulturelle Grundlage für einen funktionierenden Staat zu einem solchen machen zu müssen. Warum?
„Sie sind sich aber schon darüber im Klaren, dass dieser „Burgfriede“ mit Diktaturen und Despotien nur für eine begrenzte Zeit gut geht? “
Ich halte das für eine interventionistische Rechtfertigungsfloskel, die nur in sofern zutrifft, als das Frieden immer eine zeitlich begrenzter Zustand war. Jegliches politische Verhältnis ist nur solange stabil, solange seine Machtgrundlage stabil ist. Da macht die Staatsform kaum einen Unterschied.
„Leider sind derartige Staatsstrukturen Brutkästen für Extremismus, der sich zuerst gegen die richtet, die diese Despotien tolerieren.“
Gibt es dafür konkrete Beispiele? Falls Sie sich auf Al-Qaida beziehen: Die richteten sich erst gegen die USA, nachdem die Konfrontation mit den eigenen Regierungen gescheitert war, und wäre man 2001 nicht in die Falle gegangen und hätte man auf Krieg für „Freiheit“ und „Demokratie“ verzichtet, wäre AQ spätestens Mitte 2002 erledigt gewesen.
@ Sun Tzu
Ich plädiere für mehr Ehrlichkeit bei der Kommunikation mit der eigenen Bevölkerung um solche Einsätze zu begründen. Wenn man dann der Meinung ist, die Bevölkerung will diese Einsätze nicht, bzw. die Regierung würde dann abgewählt werden wenn sie die Ziele ehrlich kommuniziert, dann muss sie eben die Konsequenzen tragen.
„Alle Staatsgewalt geht vom Volke aus…“
§20 GG, bekanntlich sind die Paragraphen 1-20 nicht änderbar….
Genau der Effekt, der Überprüfung von politischen Entscheidungen der Regierung durch das Volk mittels Wahlen, ist von den Verfassern des GG so gewollt worden !
@ Orontes | 20. Juni 2011 – 22:00
Zitat: „Ich sehe es umgekeht: Globalisierung findet ohne diese Staaten statt, und was in ihnen geschieht, ist für den Rest der Welt weitgehend irrelevant. Gäbe es Afghanistan nicht, würde der globalisierten Welt nichts fehlen.“
Das ist leider ein Irrtum. Auf die Teilnahme an der globalisierten Welt kommt es nicht an. Die Strukturen, die sich aus der Globalisierung ergeben, machen die Welt angreifbar für Terrorismus. Hat dieser Terrorismus Rückzugsräume, entwickelt er sich zu einer Dimension, die untragbar ist. Duldet man also gescheiterte Staaten, muss man wieder zu Grenzkontrollen und Abschottung zurückkehren.
Thema Piraterie- Folgekosten:
Gut gemachtes Nationbuilding ist nach 20 Jahren erledigt. Alternativ laufen die Kosten der Piraterie unendlich weiter. Diese Kosten bestehen nicht nur als Lösegeldern, sondern auch aus dem Attentismus, den die Unsicherheit verursacht.
Thema Demokratie vs. Diktatur
Ich halte die Demokratie als Staatsform nach wie vor für das Konstrukt, was am ehesten innere Sicherheit schaffen kann. Schauen Sie z. B. in die USA: Seit 1865 keine nennenswerte inneren Probleme mehr. Diktatorisch geprägte Räume haben da leider das Problem, dass mit dem Tod/der Abdankung eines jeden Diktators meist blutige Machtnachfolgekämpfe ausbrechen, weil eben keine geregelten Mechanismen zur Erlangung/zum Verlust der Macht vorhanden sind. Eine stabile Gesellschaft kann sich daher nicht entwickeln.
“Leider sind derartige Staatsstrukturen Brutkästen für Extremismus, der sich zuerst gegen die richtet, die diese Despotien tolerieren.”
Gibt es dafür konkrete Beispiele?
Siehe z. B. Saudi Arabien, Ägypten, Libyen und auch China (Uiguren).
@ Georg | 20. Juni 2011 – 22:19
Mehr Ehrlichkeit wäre schön. Nur leider geht das nicht auf einen Schlag, da sich in unserer Politik eine Nannymentalität entwickelt hat, die dem deutschen Michel die Konfrontation mit den Realitäten dieser Welt ersparte. Dementsprechend hat unsere Bevölkerung verlernt, damit umzugehen und würde vollkommen irrational regieren.
Bezüglich der Ewigkeitsgarantie unterläuft Ihnen ein weit verbreiteter Fehler. Es sind die Artikel 1 und 20 nicht 1 bis 20 die hier besonders geschützt sind.
Siehe:
Artikel 79 Abs. 3 GG lautet:
„Eine Änderung dieses Grundgesetzes, durch welche die Gliederung des Bundes in Länder, die grundsätzliche Mitwirkung der Länder bei der Gesetzgebung oder die in den Artikeln 1 und 20 niedergelegten Grundsätze berührt werden, ist unzulässig.“
Zudem handelt es sich auch hier eher um einen philosophischen Wunsch. Denn es muss in Zukunft nur jemand sagen „Mir doch egal“ und allen, die was dagegen sagen, die Kehle durchschneiden (oder sie ins „Umerziehungslager“ werfen), und schon ist die grundgesetzliche Rechtsordnung auf dem Müllhaufen der Geschichte.
Ich hoffe, dass das nie passiert. Die Wahrscheinlichkeit für derartige Vorkommnisse ist aber in den letzten Jahren rapide gestiegen, da die Verteidigungsfähigkeit unserer freiheitlich demokratischen Grundordnung rapide gesunken ist.