Guttenberg war’s nicht Schuld

Falls jemand meinen sollte (zum Beispiel aufgrund der Interviewäußerungen von Verteidigungsminister Thomas de Maizière am Wochenende), da sei was schief gelaufen bisher bei der Bundeswehrreform und der frühere Verteidigungsminister trage daran die Schuld: Das ist natürlich nicht so, wie Ministeriumssprecher Stefan Paris, Regierungssprecher Steffen Seibert und Finanzministeriums-Sprecher Martin Kreienbaum heute vor der Bundespressekonferenz erläutert haben.

FRAGE (zur Bundeswehrreform): Herr Paris, wenn ich mich richtig erinnere, hat ein früherer Bundesverteidigungsminister mit einem Gutachten von Herrn Weise von der Bundesagentur für Arbeit festgestellt, dass das Verteidigungsministerium zu viele Stäbe hat, die sich gegenseitig kontrollieren, überhaupt zu viel Personal in Bonn hat und das Ganze ziemlich undurchsichtig geworden ist. Da jetzt am Wochenende zu lesen war, dass Herr de Maizière das wiederholt hat und als Kritik an Herrn zu Guttenberg gemeint hat, würde mich interessieren: Welche Absicht und welche neuen Erkenntnisse hat der neue Verteidigungsminister bezüglich der Undurchsichtigkeit der Stäbe, der Beschaffungspraxis und des aufgeblähten Bonner Verteidigungsministeriumsapparates?

PARIS: Keine, weil der Minister das vorgefunden hat, was auch schon Herr zu Guttenberg während seiner Amtszeit im Bundesverteidigungsministerium vorgefunden hat, eben das, was sie in der Kurzzusammenfassung des Weise-Berichts auch geschildert haben. Vor diesem Hintergrund ist auch eine Meldung des „SPIEGEL“ vom Wochenende, die mit „Knallharte Abrechnung“ überschrieben ist, falsch. Sie ist deshalb falsch, weil der Minister in den Fraktionen gewesen ist in der CDU/CSU-Fraktion und auch in der FDP-Fraktion und dort noch einmal in aller Deutlichkeit dargestellt hat, was er vorgefunden hat. Das ist im Wesentlichen auch das, was im Weise-Bericht angelegt ist. Er hat es auch sehr schonungslos getan.

Dieser Vortrag war aber mitnichten eine Kritik an dem Amtsvorgänger zu Guttenberg, sondern das war schlicht und ergreifend eine Bestandsaufnahme, die er noch einmal zur Begründung dessen herangezogen hat, warum dieser Reformprozess, die Neuausrichtung der Bundeswehr, jetzt erforderlich ist und jetzt auch begonnen werden wird. Sie wissen, dass er sich am Mittwoch dazu äußern wird, mittags in einer Rede in der Julius-Leber-Kaserne und nachmittags auch noch einmal hier in der Bundespressekonferenz.

Mir ist es wichtig, noch einmal zu unterstreichen, dass sich das, was der Minister auch sehr kritisch vorgetragen hat, auf die Sache, auf den Zustand der Bundeswehr und des Bundesverteidigungsministeriums, bezogen hat. Daraus abgeleitet hat er dargestellt, warum diese Neuausrichtung jetzt auch geboten und erforderlich ist. Aber mitnichten war das eine Kritik an seinem Amtsvorgänger. Das entspricht auch überhaupt nicht der Art des Verteidigungsministers de Maizière.

ZUSATZFRAGE: Würden Sie aber sagen, es wäre journalistisch zu weitgehend, wenn ich daraus schlussfolgerte, dass Herr de Maizière mit seiner schonungslosen Analyse deutlich machen wollte, dass ihm Herr zu Guttenberg ein wohlbestelltes Haus hinterlassen hat?

PARIS: Das würde ich als journalistisch zu weitgehend ansehen, weil ich Ihnen gerade erklärt habe, was er dort getan hat. Er hat eine Unterrichtung über den Zustand dessen vorgenommen, was er im Verteidigungsministerium, in der Bundeswehr, in der Struktur der Bundeswehr, in Prozessen der Bundeswehr und auch des Ministeriums selbst als veränderungsbedürftig, als notwendig erachtet. Das tut man, indem man zunächst eine Analyse dessen anstellt, wie es jetzt ist. Da ist das Fazit gewesen: Das ist nicht wirklich so, wie wir es brauchen. Dann hat er einen Vortrag dazu gehalten, wie er sich in Grundzügen vorstellt, wie die Bundeswehr der Zukunft aussehen soll, also wie sie neu ausgerichtet werden soll. Das war ein Sachvortrag und kein Vortrag, der sich darauf bezogen hat, ob der Amtsvorgänger gut oder schlecht gearbeitet hat.

FRAGE: Herr Paris, nun war Herr zu Guttenberg immerhin anderthalb Jahre Verteidigungsminister. Würde denn sein Nachfolger ihm zumindest konzedieren, dass er in dieser Zeit die richtigen Reformschritte eingeleitet hat, oder würde Herr de Maizière auch dabei in eine andere Richtung gehen?

PARIS: Der Verteidigungsminister hat die Arbeit im März dieses Jahres aufgenommen, und zwar auf der Grundlage dessen, was auch schon während der Amtszeit von Herrn zu Guttenberg vorbereitet worden war. Darauf ist aufgesetzt worden. Daran ist auch weiter gearbeitet worden. Das Ergebnis dieser Arbeit, die ihren Ursprung auch in den Reformbemühungen von Herrn zu Guttenberg hat, wird Ihnen der Minister am Mittwoch vorstellen.

STS SEIBERT: Ich würde gerne für die Bundesregierung als Ganzes noch hinzufügen, dass es das Verdienst von Karl-Theodor zu Guttenberg ist und bleibt, die grundsätzliche Entscheidung, die Bundeswehr zu reformieren und umzubauen, so stark vorangebracht zu haben, so viele Menschen von dieser Entscheidung überzeugt zu haben und diesen Veränderungsprozess angestoßen zu haben.

FRAGE: Noch einmal zu der Kernaussage: Ist die Kernaussage, dass die Bundeswehr im Moment nicht in der Lage ist, ihre Aufgaben in dem Maße zu erfüllen, wie sie es tun sollte, eine richtige Kritik, die der Minister geäußert hat? Hat er von katastrophalen Zuständen im Hinblick auf die Beschaffung von Geräten gesprochen?

PARIS: Ich würde mir nicht das Vokabular zu eigen machen, dass er von katastrophalen Zuständen gesprochen hat das ist auch nicht das „wording“, das Minister de Maizière im Munde führt , sondern er hat sehr deutlich und sehr schonungslos auf Defizite hingewiesen, und er hat auch darauf hingewiesen, dass die Bundeswehr im Ergebnis der Neuausrichtung der Bundeswehr ihre Aufgaben künftig noch besser wird erledigen können, als sie es derzeit tut.

FRAGE: Herr Seibert, hat die Kanzlerin das Gespräch zwischen Herrn Schäuble und Herrn de Maizière vermittelt, was die Sparnotwendigkeiten für die Bundeswehr angeht, sodass Herr de Maizière deshalb am Ende rund 3,5 Milliarden Euro weniger einsparen muss, als eigentlich in einer Kabinettsklausur von allen verabredet wurde?

STS SEIBERT: Ein solches Gespräch braucht nicht vermittelt zu werden.

ZUSATZFRAGE: Bestätigen Sie den Sachverhalt, dass Herr Schäuble sozusagen im Alleingang eines einzelnen Ministers einen Sparauftrag, den das ganze Kabinett erteilt hat, reduziert und modifiziert hat? Ist das in Ordnung? Kann jetzt jeder zu Herrn Schäuble gehen und sagen „Was das Kabinett beschließt, ist das eine, und wir machen es privat, unter dem Tisch, einmal anders“?

STS SEIBERT: Ich denke, wir warten jetzt den Mittwoch ab, den Tag, an dem der Minister mit seinen Plänen ins Kabinett gehen wird und an dem er seine Pläne auch sehr ausführlich der Öffentlichkeit vorstellen und begründen wird.

FRAGE: Herr Seibert, der Amtsvorgänger zu Guttenberg ist ja nicht der erste Verteidigungsminister gewesen, wie Thomas de Maizière jetzt auch nicht der zweite Verteidigungsminister in der Geschichte der Bundesrepublik Deutschland ist. Wann ist es eigentlich dazu gekommen, und was ist denn eigentlich passiert, dass die Bundeswehr jetzt in diesem Zustand ist? Die regierende Kanzlerin war auch schon in der vergangenen Legislaturperiode mit einem CDU-Verteidigungsminister für die Bundeswehr zuständig. Wann ist der Laden eigentlich aus dem Ruder gelaufen? Was ist da eigentlich schief gegangen? Wieso geht es mit der Reform erst jetzt los?

STS SEIBERT: Zuerst einmal müssten Sie definieren, was Sie mit „die Bundeswehr in diesem Zustand“ meinen. Im Übrigen arbeiten Sie mit der Unterstellung, dass der Laden aus dem Ruder gelaufen sei. Ich habe Herrn Paris, den zuständigen Fachsprecher, gerade nicht so verstanden, als sähe man es im Bundesverteidigungsministerium so, als sei dort etwas aus dem Ruder gelaufen.

Es ist begründet worden, warum Minister de Maizière eine, wie es heißt, schonungslose Analyse aller Elemente und aller Strukturen der Verwaltung des Ministeriums sowie der Bundeswehr vorgenommen hat. Das ist als Minister bei der Umsetzung einer so wichtigen Reform seine Pflicht. Alles muss der Frage unterworfen werden: Ist es gut und richtig so, wie es ist, oder könnte es optimiert werden, könnte es wirkungsvoller gemacht werden? – Das ist ein normaler, aber wichtiger Vorgang in dieser Phase. Dabei ist von „aus dem Ruder gelaufen“ jetzt gar nicht die Rede, denke ich einmal. Das weisen wir zurück.

ZUSATZFRAGE: Streichen Sie „aus dem Ruder gelaufen“, und setzen Sie an diese Stelle die jetzt undementierten Äußerungen im Hinblick auf die bedingte Einsatzfähigkeit oder nicht vorhandene Einsatzfähigkeit oder die Tatsache, dass man nicht in der Lage ist, bestimmte Anforderungen, die an die Bundeswehr gestellt werden, zu erfüllen. Es geht um die Frage dieser Stäbe, die sich gegenseitig kontrollieren, und die Frage von 40.000 Soldaten, von denen man gar nicht genau weiß, wofür sie eigentlich da sind. Wie ist das denn zu beurteilen? Wie konnte es dazu kommen?

STS SEIBERT: Da stellen Sie mir eine Frage, die einen Regierungssprecher, der seit August im Amt ist, ehrlich gesagt überfordert. Ich glaube, die Bundeswehr hat wie jede andere Organisation einen historischen Werdegang. Dort hat sich vieles in Jahrzehnten aufgebaut. Wenn jetzt der Zeitpunkt für eine grundlegende Reform gekommen ist, dann ist es richtig, diese vielen Dinge zum Teil vielleicht auch wieder ab- oder umzubauen.

PARIS: Genau so ist es!

FRAGE: Herr Paris, wenn wir jetzt schon über den Zustand der Bundeswehr sprechen, würden Sie dann das Zitat des Ministers bestätigen können, dass die Bundeswehr so nicht zu führen ist?

PARIS: Die Bundeswehr ist eine sehr, sehr große Organisationseinheit. Auch das Ministerium ist eine sehr, sehr große Organisationseinheit. Es ist so, dass man solche großen Strukturen besser führen kann, wenn sie klarer strukturiert sind. Das ist auch das Ziel. Klare Strukturen ermöglichen eine bessere Führung.

FRAGE: Ich habe eine Frage an das Finanzministerium, was den Haushaltseckwertebeschluss betrifft. Ich meine mich zu erinnern, dass es ohnehin einen Vorbehalt gab, was die Bundeswehr betrifft. Könnten Sie das noch genauer aufklären? Denn mir ist nicht ganz klar, ob das Verteidigungsressort von dem Eckwertebeschluss ausgenommen war oder ob dies nur einen Teilbeschluss betraf.

KREIENBAUM: Ja, das mache ich gerne. Das Verteidigungsministerium war vom Eckwertebeschluss nicht ausgeschlossen. Gleichwohl wurde der Eckwertebeschluss vor dem Hintergrund der gegenwärtig diskutierten Veränderungen im Verteidigungsministerium und bei der Bundeswehr erarbeitet.

Wir befinden uns jetzt in einem Verfahrensstadium, in dem der Eckwertebeschluss innerhalb eines regierungsinternen Haushaltsaufstellungsverfahrens für den Bundeshaushalt 2012 umgesetzt wird. In diesem Verfahren führt das Bundesfinanzministerium mit allen Ressorts Gespräche in Bezug auf alle Einzelpläne, so auch mit dem Verteidigungsministerium. In diesem Kontext werden wir die geplanten Änderungen bei der Bundeswehr sicherlich wohlwollend prüfen und berücksichtigen.

ZUSATZFRAGE: Ich meine mich zu erinnern, dass es wegen des Ministerwechsels der Minister hatte sich mehr Zeit ausbedungen irgendeinen Vorbehalt gab, was das Verteidigungsministeriums betraf. Aber ich weiß nicht mehr genau, wie dieser Vorbehalt war. Vielleicht könnten Sie das einmal referieren.

KREIENBAUM: Ganz konkret kann ich Ihnen das nicht beantworten. Ich hatte versucht, es so zu beantworten, dass wir die Veränderungen, die sich gegenwärtig innerhalb des Verteidigungsministeriums und auch vor dem Hintergrund des Ministerwechsels vollziehen, einplanen bzw. berücksichtigen werden. In dem Verfahren, in dem wir uns jetzt befinden und in dem das, was in dem Eckwertebeschluss festgelegt wurde, konkretisiert wird, werden wir also entsprechende Veränderungen berücksichtigen.

PARIS: Wenn ich noch etwas ergänzen darf: Das ist die Ziffer 5 des Eckwertebeschlusses.

ZUSATZFRAGE: Sie meinen, ich soll das jetzt nachlesen?

PARIS: Ich kann es Ihnen vorlesen. Darin steht der Satz: „Dementsprechend werden im Zuge anstehender Entscheidungen zur Reform der Bundeswehr sich ändernde Rahmenbedingungen im Bundeshaushalt berücksichtigt.“