RC N Watch: Wünsch dir was, Faisabad und der Abzug
Unbestreitbar, die Kollegen vom Spiegel haben eine neuen Fakt recherchiert: ISAF-Kommandeur David Petraeus sieht für drei Provinzen im – aus Gesamt-ISAF-Sicht – ruhigen Norden Afghanistans für das kommende Jahr die ersten Kandidaten für die Übergabe der Sicherheitsverantwortung an die Afghanen. Aber ob das einen Teilrückzug der Bundeswehr aus Afghanistan schon im kommenden Frühjahr bedeutet, darf man doch sehr bezweifeln – ein Blick auf die Fakten:
Die Provinzen Sar-i-Pol, Samangan und (mit Abstrichen) Badakhshan sind die mit der besten Sicherheitssituation, was sie als wahrscheinliche Kandidaten für die so genannte Transition erscheinen lässt. ISAF ist jedoch nur in einer dieser drei Provinzen mit einem Provincial Reconstruction Team vertreten, nämlich mit dem deutschen PRT in Faisabad/Badakshan. Eine Übergabe an die afghanischen Sicherheitsbehörden würde sich damit, wenn überhaupt, nur dort für ISAF auswirken.
Allerdings ist es auch Petraeus‘ Credo, dass die Übergabe der Sicherheitsverantwortung für einzelne Provinzen noch längst nicht den Abzug der internationalen Truppen bedeutet. Thin out, don’t hand off, nennt das der amerikanische General – langsam die Präsenz verrringern, nicht schlagartig rausgehen. Also: selbst wenn die afghanischen Sicherheitskräfte schon im Sommer 2011 für Badakshan verantwortlich sein sollten (was unter anderem auch von der Lageeinschätzung von ISAF und afghanischer Regierung abhängt), wird das deutsche PRT nicht im kommenden Sommer zugemacht.
Archivbild: Der deutsche Hauptmann Siegmar Jessulat von einem Operations Mentoring and Liaison Team (OMLT) mit einem afghanischen Soldaten in Faisabad (Photo by U.S. Marine Cpl. John Scott Rafoss via ISAFmedia/flickr)
Ein bisschen irreführend ist auch der Hinweis, dass Faisabad ein Feldlager für maximal 500 Soldaten sei. Theoretisch stimmt das schon – aber schon seit Monaten liegt die tatsächliche Truppenstärke in diesem PRT weit darunter. Nach der letzten Unterrichtung, die das Bundesverteidigungsministerium an den Bundestag gab, sind es derzeit 272 Soldaten und damit, wie auch der Wehrbeauftragte nach seinem letzten Besuch im August moniert, eigentlich zu wenig für eine effektive Arbeit des PRT. Die Vergessenen von Faisabad haben genug mit der Sicherung des eigenen Feldlagers zu tun und kaum Kräfte für ihre eigentliche Arbeit. Andersrum: selbst eine komplette Aufgabe dieses Bundeswehr-Außenpostens in Badakshan würde nicht, wie man vermuten könnte, 500 deutsche Soldaten in Afghanistan überflüssig machen.
Und selbst wenn – ein weiteres Prinzip des ISAF-Kommandeurs ist: Re-invest the transition dividend, setze die eingesparten Truppen an anderer Stelle ein, wo sie gebraucht werden. Und da gäbe es schon im Bereich des Regionalkommandos Nord, unter deutscher Führung, genug andere Einsatzorte. Vor allem Kundus und Baghlan, wo die größten Auseinandersetzungen im Norden laufen. Oder der Distrikt Ghowrmach an der westlichen Grenze des Regionalkommandos. Das ISAF-Kommando in Kabul würde schon darauf pochen, dass die Deutschen ihre Jungs aus Faisabad dann lieber an diesen Orten einsetzen (aus U.S.-Sicht vielleicht auch mit der Überlegung, dass der größte Truppensteller dann bei seinen rund 5.000 Soldaten in Norden mit einer Verringerung beginnen könnte). Auch das spricht also gegen die deutsche Reduzierung im nächsten halben Jahr.
Strich drunter: Das Fazit, Petraeus‘ Planung würde der Bundeswehr bereits im kommenden Jahr einen Abzug erster deutscher Soldaten erlauben (und, das ist ja vielleicht dann Teil der Überlegung, schon bereits bei der Mandatsverlängerung im kommenden Januar eine Verringerung der derzeitigen Obergrenze von 5.000 Soldaten plus 350 Reserve), ist das Prinzip Wünsch dir was . Nicht eine realistische Überlegung. Dafür ist es aber recht nah an den Aussagen von Außenminister Guido Westerwelle. Aber selbst der redet von Truppenreduzierung und Abzug erst ab 2012…
(Fairerweise muss man anmerken, dass der Spiegel in seiner Meldung selbst auch etwas detaillierter wird. Aber was hängen bleibt und überall zitiert und aufgegriffen wird, ist Teilrückzug im kommenden Frühjahr.)
Das ist Journalismus, wichtig ist was hängenbleibt.
Und wenn es dann nicht klappt, bzw die Truppen nicht nach hause sondern wo anders eingesetzt werden ist das doch wieder ein Beweis für das Versagen der Mission.
Viel schlimmer ist die AWACS-Nummer, das geht an unsere Bündnissfähigkeit.
Derweil scheitert der Einsatz der fliegenden Awacs-Radarstationen zur Überwachung des afghanischen Luftraums wohl am Veto der Bundesregierung. Ab Februar 2011 wollte das Nato-Hauptquartier dazu bis zu hundert deutsche Soldaten einsetzen, die von dem türkischen Stützpunkt Konya gen Afghanistan starten sollten. Berlin hingegen fürchtet, die neue Awacs-Mission sei in der Heimat politisch schwer durchzusetzen, vermutlich wäre dazu ein neues Bundestagsmandat nötig. Sehr zum Unwillen der Nato stellt die ablehnende Haltung Deutschlands die gesamte Mission in Frage. Ohne die deutsche Beteiligung sei der Einsatz „nicht dauerhaft durchhaltefähig“,…
„Vermutlich ..“ ****Kopfschüttel****
Das ist ja schlimmer wie ein Praktikantenwettbewerb.
Dann sollen sie die 90 freiwerdenen Stellen der Tornados nehmen und gut ist.
Das ist keine Personalfrage. AWACS ist ein heißes Eisen weil so deutsche Soldaten in Aktionen involviert werden könnten, die auf pakistanischem Territorium stattfinden.
AWACS ist seit etwa zwei Jahren ein heißes Eisen, nicht nur wg. Pakistan, sondern auch wg. der – nie so recht belegten – Befürchtung, damit würden Kampfjets ins Ziel dirigiert…
(Und die Erfolgsmeldungen über den AWACS-Einsatz gegen Piraten stützen ja die Ansicht, dass diese Flugzeuge nicht nur zur Kontrolle des Luftraums, sondern auch zur Überwachung von Oberflächenzielen genutzt werden können.)
Übrigens gab es ja schon mal ein deutsches Mandat für AWACS über Afghanistan – das aber nie zog, weil die NATO den Einsatz nicht hinbekam.
das Thema köchelt ja nun wirklich schon länger …..
Das ist die berühmte „waschen ohne nass zu werden“- Strategie.
In allen Pötten rühren wollen, aber nix wirklich richtig.
Und die Führung & Leitung von Kampfjet`s gehört nun mal auch zum Aufgabenspektrum einer AWACS-Maschine. Aber der gute Deutsche guckt ja nur ….
Das Radar der E-3A hat einen speziellen Betriebsmodus für die Seezielaufklärung. Inwiefern dieser allerdings einem reinrassigen Maritime Patrol Reconnaissance Aircraft (MPRA) überlegen sein soll, erschließt sich mir nicht. Wenn man z.B. den Vergleich zur P3-C Orion zieht, zeigt sich der augenscheinliche Vorteil von AWACS bei der Ausdauer bzw. Reichweite.
Aus dem Spiegel zum Thema AWACS
Intern legte die Regierung auch vor dem Nato-Gipfel in Lissabon den verantwortlichen Ministern eine Linie zurecht, wie sie auf inoffizielle Anfragen von Nato-Seite reagieren sollten. Der Einsatz von hundert deutschen Soldaten für die Luftraumüberwachung „zu Lasten von Ausbildern“ sei laut einem internen Vermerk aus dem Verteidigungsressort politisch „ein falsches Signal“. Die deutschen Soldaten sollten besser als Ausbilder für die afghanischen Sicherheitskräfte eingesetzt werden
Ja wo denn? Im von Patraeus so gelobten ASB /TASK Force ?
Aber die Kämpfen doch und bilden quasi nebenbei sozusagen „training by doing“ aus.
Dies Regierung hat vor Volk / Opposition / wem auch immer , mehr Angst als Vaterlandsverstand. Da wird immer noch versucht die Realität mit „ausbildung“ zu beschönigen. Ohne Worte…
Wenn ich das richtig im Kopf habe, wird die ANA von den OMLT´lern ausgebildet, z.B. in Kabul. Dann werden sie in ihre Brigaden versetzt / zurückgeschickt, weiter von anderen OMLT – Kräften betreut bzw. gecoacht und gehen dann mit den ASB in geplante Operationen.
So muss man sich das eher vorstellen.
Dass es in Deutschland als kontrovers gilt, wenn ein Waffensystem indirekt dem Feind Schaden könnte anstatt wie gewüscht wirkungslos zu bleiben, muss man wohl nicht mehr weiter kommentieren.
Manche Deutsche haben halt ein besonderes Verhältnis zu Bombardierungen. Woran das wohl liegen mag?
@Sebastian S.
Wie auch immer begründete Neurosen sind m.E. keine gute Grundlage für sachgerechte Politik.
@S.W.
Diese Aussage gehört eingerahmt und an die Wände diverser Außenpolitiker.
Hinsichtlich Transition scheint immer noch einiges nicht begriffen zu sein. Thomas Wiegold weist richtigerweise darauf hin, dass dies zuerst einmal etwas ist, das nicht allein durch die NATO oder die truppenstellenden Nationen bestimmt wird, sondern mit den Afghanen zusammen gemacht wird. Bisher haben wir die Afghanen doch noch gar nicht so richtig gefragt, wie sie es denn gerne hätten. Des weiteren ist Transition oder Intequal kein Ereignis sondern ein Prozess, der je nach Gegebenheiten mehr als ein Jahr oder auch länger dauern kann. In Kabul dauert er schon mehr als zwei Jahre und dort gibt es heute mehr ISAF-Truppen als vor zwei Jahren. Erst langfristig wird es das Ziel sein, Truppen auszudünnen und letztlich auch abzuziehen. Baim NATO-Gipfel in Lissabon wurde vereinbart, den Prozess im Jahr 2011 zu beginnen. Das langfristige Ziel ist aber das Jahr 2014.
Die International Crisis Group hat einen ziemlich heftigen aber lesenswerten neuen Bericht zur Lage und zum weiteren Vorgehen: Afghanistan: Exit vs Engagement (pdf, Englisch 12 Seiten)
(Tendenziell schießt der Bericht gegen Karzai und Petraeus – mal schaun wen es als Ersten trifft.)
@ICG
Dass die ICG Pakistan oder gar die Aufständischen kritisiert, wäre wohl auch nicht zu erwarten gewesen.
Die Berichte der ICG genießen allgemein hohes Ansehen für ihren analytischen Teil, aber die politischen Empfehlungen kann man meist ignorieren, weil sie stets auf das Schema „die Akteure müssen Dialog suchen und mehr miteinander reden“ reduzierbar sind.
@S.W. – wenn sie den ICG Berichjt gelesen hätten, dann wüßten sie das Pakistan darin sehr wohl kritisiert wird. Ebenso wird die INS sicher nicht positiv dargestellt.
Die Empfehlung der ICG in diesem Bericht ist zudem recht konfus. Man stellt fest das die Situation schlecht ist, empfiehlt aber weiterzumachen weil sonst Horrorszenario A, B oder C eintreffen KÖNNTE. Anscheinend hat man beim ICG wohl auch keine neuen Ideen zu dem Thema. Man versucht daher den USA zu erklären was sie richtiger machen müßten. Das die USA, wie die vergangenen neun Jahre beweisen, strukturell dazu nicht in der Lage snd wird leider übergangen.
@b
Sie haben Recht, ich hatte nicht sorgfältig genug gelesen. Ich finde den Bericht auch etwas konfus, z.B. im Abschnitt über die Haqqanis, wo man sehr verklausuliert und verschachtelt formuliert und es nicht schafft, das Problem auf den Punkt zu bringen und daraus klare Folgerungen zu ziehen.