Ups, da fehlt ein Bataillon
Anfang des Jahres schafften es die Deutschen, ihre Verbündeten ein wenig zu verblüffen. Verteidigungsminister Karl-Theodor zu Guttenberg und Bundeswehr-Generalinspekteur Volker Wieker kündigten eine Neuorientierung des militärischen Teils der deutschen Afghanistan-Strategie an. Ein Kernelement dabei: die so genannten Ausbildungs- und Schutzbataillone (ASB), die gemeinsam mit der afghanischen Armee im Partnering den Dreiklang von Ausbildung, Gebiete der Aufständischen nehmen und anschließend die Sicherung dieser Gebiete durch die Afghanen verwirklichen sollen. Im Gedächtnis geblieben ist der Ausspruch des Ministers, dieses Partnering bedeute nun aber nicht, dass deutsche Soldaten mit ihren afghanischen Kameraden Poncho und Isomatte teilen sollten.
(Miguel Villagran/Getty Images via picapp)
Diese Ankündigung hatte nicht nur für die Bundeswehr Bedeutung. Denn was Guttenberg und Wieker in Berlin mitteilten, hatte der Generalinspekteur vorher schon seinen Kollegen bei der NATO erzählt. Allerdings war in Berlin und zuvor auch schon in Brüssel davon die Rede, dass es im deutsch befehligten Redionalkommando Nord (RC North) neben den drei deutschen Ausbildungs- und Schutzbataillonen ein drittes geben sollte – gestellt von skandinavischen Staaten, in erster Linie Norwegen. O-Ton Wieker: Ein drittes wird gestellt, und hier folgen die Skandinavier unserem konditionellen Ansatz, durch die Skandinavier im Westen, so dass dann drei Ausbildungs- und Schutzbataillone zur Verfügung stehen, die mit den drei Brigaden des 209. ANA-Korps partnern können.
Leider hatte die Skandinavier und in erster Linie die Norweger niemand vorher davon in Kenntnis gesetzt. Kurz nach dieser Bekanntmachung bekam deshalb der damalige Deutsche Militärische Vertreter bei der NATO, Generalleutnant Jürgen Bornemann, Besuch von seinen skandinavischen Kollegen. Die gerne mal gewusst hätten, wie sich die Deutschen denn das so vorstellen.
Deshalb ist es nicht erstaunlich, dass es dieses dritte, skandinavische Bataillon bislang nicht gibt. Offiziell bestätigt wurde das am Wochenende beim Vortrag des Befehlshabers des Allied Joint Command Brunssum, des deutschen Generals Egon Ramms, der der ranghöchste deutsche Offizier in der Befehlskette für den ISAF-Einsatz ist. Beim Kongress für Sicherheitspolitik in Minden verwies Ramms darauf, dass die Deutschen ja dieses dritte Bataillon als skandinavischen Beitrag angekündigt hätten: Das vermag ich nicht zu erkennen. Das Bataillon gebe es schlicht nicht.
Mit anderen Worten: Im Norden Afghanistans fehlt mal eben ein (kampfkräftiges) Bataillon. Und von den zwei angekündigten deutschen Ausbildungs- und Schutzbataillonen (welch nettes Wort, wo es doch auch um richtige Kampfeinsätze geht…) ist bislang eines, die Task Force Kundus, einsatzfähig. Das zweite fehlt noch. Aber ohnehin, klagte Ramms, haben ja bislang nur die USA die zugesagten zusätzlichen Soldaten auch in Marsch gesetzt. Von den aus anderen ISAF-Nationen zugesagten Truppen fehlen noch etwa 25 Prozent. Die kämen dann, sagt der General sarkastisch, nach den Wahlen, nach der Kampfperiode in Sommer und Herbst. Oder gar nicht.
(Dem FAZ-Kollegen und -Blogger Stefan Löwenstein ist das und einiges andere auf dem Mindener Kongress auch aufgefallen.)
General Egon Ramms am 11. September 2010 auf dem Kongress in Minden (Foto: christianthiel.net)
Nur um sicherzustellen, dass ich das ganze richtig verfolgt habe:
Ging es bei den zwei/drei „neuen“ ASB-Bataillonen seitens des Verteidigungsministeriums nicht immer nur um eine Neuordnung/Umbenennung der bereits eingesetzten Kräfte? (Zumindest vermittelt mir bundeswehr.de diesen Eindruck…)
„Fehlt“ da wirklich etwas, wenn die Skandinavier bei dieser Neuordnung/Umbenennung nicht mitmachen, und die Bundeswehr bei ihrem zweiten Battailion mit diesem internen Hütchenspiel nicht vorankommt?
Ok, die Frage ist in der Tat voreingenommen. Aber Informationen über die ASBs sind dermaßen dünn, das es halt wirklich nach einem Etikettenschwindel aussieht.
Was ändert sich noch außer dem Namen und der Zordnung der Einheiten? Was wird sich operationell ändern, wo verfolgen die ASBs andere Ansätze als die Bundeswehr-Einheiten bisher?
Äh, ja. Gute Frage, nächste Frage ;-)
Man kann sicherlich lange darüber diskutieren, ob die ASB wirklich was Neues sind oder, personell leicht aufgestockter, alter Wein in neuen Schläuchen…
An dieser Stelle geht’s aber darum, dass Deutschland eine entsprechende Einheit der Skandinavier angekündigt hat. Die es so offensichtlich nicht gibt…
Ok, das ist ja auch in sich schon ein guter Punkt. ;)
(Auch wenn man sich bei unserem Verteigungsminister an sowas ja langsam gewöhnt…)
Der ursprüngliche Plan war den Brigaden des 209. ANA Korps diese ASB`S als Korsettstangen für Ausbildung und Einsatz einzugliedern.
Sozusagen Forcemultiplieer and Afghan Face für shape & hold ;-)
Das diese Truppen dann auch bei der Ausbreitung in der Fläche in Kämpfe verwickelt werden ist zwar logisch, wurde jedoch nicht besonders herausgestellt.
Das die Skandinavier über den deutschen Alleingang düpiert sind/ waren ist auch nichts neues. Das es nun soweit kommt, das ein ganzes Btl fehlt ist mehr als peinlich und ein diplomatischer GAU für ISAF.
Im übrigen dürfte Ramms sehr wohl wissen ob oder ob nicht ein skandinavisches Btl kommt ;-)
@StFwdR
In der Tat weiß Ramms das sehr wohl. Wie sein Zitat Ich vermag das nicht zu erkennen zeigt, weiß er: es kommt nicht.
@J.R.
Ein wenig erhellend ein Artikel bei Geo Powers: http://www.geopowers.com/die-ruhe-kann-truegerisch-sein-1099.html.
Danach hat GenMaj Fritz dargestellt, dass die Kräfte der „ schnellen Eingreiftruppe“ in die ASBtle aufgehen und zusätzlich mit Aufklärungs-und Pionierkräften verstärkt würden. In diesem Zusammenhang sprach er von „Gefechtsverbänden“.
1.
Drei Manöverelemente/ Bataillone/ ASB (Insert – beliebigen politisch korrekten Namen für einen gemischten Kampfverband – nicht „Kampfgruppe“ sagen!) waren für das RC North zumindest nach den Ankündigungen vor knapp einem Jahr als zwingend erforderlich angesehen worden.
Der Verweis auf die Skandinavier blieb schon damals ominös. Jetzt fehlt halt was – die Amerikaner schickem sicher gerne noch 600 Mann extra und lassen sich weiterhin begeistert „unter deutsches Kommando“ stellen.
2.
Zu den ASB ist im Netz zumindest folgendes zur Gliederung zu finden:
2x Infanterie Kompanie (je ein Zug mit 5 SPz Marder 1A5 pro Kompanie)
1x gemischte Aufklärungskompanie
1x Pionierkompanie (mit Dachs und Biber)
Hinzu kommen diverse Unterstützer in Kompanie- und Zugstärke, unklar ist, ob die ASB über Mörser verfügen werden (hier gibt es ja anscheinend Munitions- und Verschleißprobleme und Neubeschaffungen sind nicht in Sicht.)
Qualitativ neu ist eigentlich jeweils nur die Pionierkompanie, die auch über schweres Gerät verfügen wird/soll und der Umstand, dass jedes ASB insgesamt 10 Marder haben wird.
Nicht ganz unwichtig dürfte auch die Führung durch einen eigenen Batallionsstab sein, was sicherlich mehr Effizienz bringt, als die Führung durch ein PRT „im Nebenjob“.
Mit den ASB kommt nach allem was bekannt ist kein Zuwachs an Kampftruppen, denn das eine ASB bekommt seine zwei Infanterie Kompanien von der QRF und das andere ASB die beiden Infanterie Kompanien von Kundus.
Nur zwei Infanterie Kompanien erscheinen auch ein wenig mager für ein Infanterie Bataillon.
(Aber mehr kann die Bundeswehr offenbar nicht, dafür hat sie 207 Generäle und unzählige Stabsunterstützungs- und Logistikbataillone, ach ja und die Fernmelder nicht vergessen.)
http://www.ad-hoc-news.de/bundeswehroffiziere-ganze-fuehrungsebenen-streichen–/de/News/21586546
PS: Das ASB Kunduz hängt außerdem auf den Außenposten in Kundus fest – nix „Manöverelement“.
3.
Hinzu kommt der Umstand, dass fast ein Jahr nach dem Beschluss zur Verstärkung des Kontingentes um 500 Mann auf insgesamt 5000 bisher anscheinend lediglich ca. 4.500 im Einsatz sind. Die ASB sind offenbar auch noch nicht vollständig… Kein Wunder, wenn sich General Ramms ironische Kommentare nicht verkneifen kann.
4.
Es ist allerdings wirklich schwer zur verfolgen, wie es bei der Umgliederung des Kontingentes vorrangeht.
@T.Wiegold:
Ich hatte eigentlich auf Ihren Reisebericht große Hoffnung gesetzt! Bisher blieb es nur bei kurzen Andeutungen (erster Einsatz von Panzer-Schnellbrücken). Erscheint der Rest über kommerzielle Agenturen? Erscheint er gar nicht? Gab es nichts zu berichten?
@Thelamon
Die Frage ist berechtigt….
Ich bastele an einer größeren Geschichte zum Thema Afghanistan-Einsatz für „loyal“ (wo solche Dinge auch eine Rolle spielen werden, aber nicht alles sind). Außerdem kommt von Zeit zu Zeit hier was zum Afghanistan-Thema, wo solche Dinge einfließen.
Einen „Reisebericht“ in dem Sinne wird’s nicht geben – aber sicherlich noch Details. (Wenn auch die „unerzählten Geschichten aus Baghlan“ ein wenig mehr sein dürften als nur kurze Andeutungen!)
Ich muss auch um Verständnis bitten – ich bin noch dabei, mich in meiner freiberuflichen Arbeit zu organisieren und zu gucken, was ins Blog kommt, was anderenorts. Die Balance ist noch nicht ganz da, und die Überlegungen, was sich wie finanziert, auch noch nicht.
Ein kurzer Link zum Thema:
http://faz-community.faz.net/blogs/sicherheit/archive/2010/09/11/minden-und-hindukusch.aspx
Ihr Kollege Löwenstein berichtet über General Ramms Äußerungen zum Thema „späte ASB“ und fehlendes Bataillon.
@T.Wiegold
Eventuell wäre auch ein „Unterstützungsbutton“ auf der Homepage sinnvoll, mit dem die Leser via PayPal o.ä. (komme gerade nicht auf das richtige Tool) Ihre Arbeit honorieren können.
Ob dabei dann 10.000$ für die nächste Afghanistan Reise rausspringen lasse ich mal dahingestellt… (Aber Kleinvieh macht auch Mist.)
Es stellt sich natürlich auch die Frage nach Werbung auf Ihrer Homepage – und wie sich diese mit der journalistischen Unabhängigkeit verträgt.
Klicks habe Sie ja sicher genug..
Kampfgruppe ist Kampfgruppe.
Siehe englischer Sprachgebrauch „Battlegroup“ für eben genau solche Einheiten.
Gehen in die ASB’s auch die normalen PRT-Schutzkompanien auf?
Es war ja vor wenigen Monaten die Rede davon, die QRF aufzulösen. Die beiden ASB’s wären dann ja quasi der direkte Ersatz.
Einen kurzen Bericht über die Arbeit der Amerikaner mit der afghanischen Polizei bei Kundus hat es auf „A Year at War“.
Wäre ja schon interessant zu sehen, wie das Konzept der Bundeswehr im Vergleich ausschaut.
„Konzept der Bundeswehr“ ???
@Niklas
Die QRF geht in dem einen ASB auf und die Infanterie Kompanien von Kundus in dem anderen s.o. .
-> Die Schutzkompanie(n) der PRT sind nach allem was bisher bekannt ist nicht davon betroffen.
Für das PRT Kundus gab es 2x Inf Kompanie uns 1x Schutzkompanie = jetzt „neu“ 1x ASB (mit den beiden Infanterie Kompanien) und die Schutzkompanie für das PRT.
„Battlegroup“ geht sicher siehe EU Battlegroup etc. – aber „Kampfgruppe“ klingt zu sehr nach WK2 und viel zu martialisch. Eine derartige Bezeichnung wird es offiziell seitens der BW nie geben. Lieber Wohlfühl-Wortungeheuer wie „Ausbildungs- und Schutzbataillon.
Das politisch korrekte Wort ist Task Force, und so heißt das ASB in Kundus auch Task Force Kunduz…
@T.Wiegold,
und der taktisch präzise Begriff lautet: „Gefechtsverband“. Je nach Auftrag können das z.B. Überwachungs- oder Verzögerungsverbände sein. Diese Verbände (verstärkte Bataillone) sind aufgrund ihrer Gefechtsgliederung zeitlich befristet befähigt, das Gefecht der verbundenen Waffen zu führen. Nach meiner Beurteilung eine taktisch-operativ längst überfällige Veränderung im RC Nord.
Nur noch ein kleiner Einwurf. Battlegroup wird nicht nur auf Verbände von Größe eines Armeekorps benutzt. Die Briten bezeichnen so regelmäßig Gefechtsverbände, welche dann nach dem Kernbataillon benannt werden:
The Black Watch Battlegroup z.B.
In der Anfangszeit der Bundeswehr gab es auch Kampfgruppen und das war keine Neuschöpfung von Hitler oder dergleichen. Bin kein Fan von Euphemismen.
Ein Gefechtsverband kann so ziemlich alles sein und beinhaltet auch alle möglichen Unterstützungseinheiten. Eine Kampfgruppe ist eine Gruppierung von verschiendenen Kampfeinheiten, wobei die Unterstützungseinheiten eben kein integraler Bestandteil sind. Mehrere Kampfgruppen können z.B. auf einen Unterstützungsverband zurückgreifen, ohne dass dieser fest an eine solche angefügt ist.
Aber egal, ich will jetzt nicht um Luft Wind machen.