Reality-TV aus dem Mali-Einsatz: „Willkommen auf dem Mars, hier ist’s schön“ (m. Nachtrag)

4, 5 Millionen Euro hat die Bundeswehr dafür ausgegeben, ihre neue Reality-Video-Serie über den Mali-Einsatz flächendeckend zu bewerben (mehr als das doppelte der Produktionskosten der Videos). Und den Hinweisen auf den Einblick in den Auslandseinsatz in Westafrika ist ja praktisch nicht zu entkommen, siehe obiges Beispiel aus dem Kölner Hauptbahnhof. Auf Facebook sowieso nicht, und der Chat-Bot findet sich auch auf der Kölner Anzeigetafel wieder:

Und seit dem (heutigen) Montag sind auch die ersten beiden Folgen auf Youtube eingestellt.

Teil eins mit der Abreise aus Deutschland

und Teil zwei mit der Ankunft in Gao.

Neben den erwartbaren lockeren Sprüchen (Es ist alles nicht so schlimm, wie man es hört. Es ist schlimmer oder Willkommen auf dem Mars, hier ist’s schön) geht’s erstmal um die Hitze oder die Lebensbedingungen für das deutsche Kontingent. Und noch lange nicht um den Auftrag in Mali, um die Bedrohung (auch wenn man die schon ahnt, wenn – im Video nicht näher erläutert – der MuCon Pers vorfährt), um so millitärische Dinge wie das Schießen.

Und das militärische, also: Was machen die deutschen Soldaten dort? wird ja das Spannende. Warten wir also mal ab, wie das in den nächsten Folgen aussieht. Allerdings: Während die erste Folge schon am Veröffentlichungstag mehr als 100.000 Klicks verzeichnete, dümpelte das bereits am vorangegangenen Wochenende eingestellte Erklärvideo Warum ist die Bundeswehr in Malinoch immer unter der 100.000-er Marke.

Ach ja, und dass es was mit den Vereinten Nationen zu tun hat, dass die Bundeswehr in Westafrika ist, das kam auch noch nicht so rüber. Aber auch das warten wir ab.

Nachtrag: Vom Mali-Chatbot auf Facebook bekomme ich gerade die Nachricht

Das finde ich recht interessant. Im Afghanistan-Einsatz war/ist durchaus Alkohol – in begrenzter Menge, Stichwort Zwei-Dosen-Regelung – erlaubt. War da nicht die Gewährleistung ständiger Einsatzbereitschaft erforderlich – und was ist mit dem Respekt vor der einheimischen Kultur, die in Afghanistan ebenso wie in Mali vom Islam geprägt ist und wo ein Alkoholverbot gilt? Man lernt schon ne Menge aus der Serie.

Was die Bundeswehr von der Serie erwartet (und wie sich aus deren Sicht die vorangegangene Serie Die Rekruten ausgewirkt hat), hatte bereits am vergangenen Freitag Oberst Holger Neumann, der neue stellvertretende Sprecher des Verteidigungsministeriums, vor der Bundespressekonferenz erläutert:

FRAGE: An das Verteidigungsministerium: Am Montag startet die neue Doku-Realityserie sozusagen die Nachfolgestaffel von „Die Rekruten“ über Mali. Sie schreiben in Ihrer Pressemeldung, es hätten sich aufgrund von „Die Rekruten“ 20 Prozent mehr Bewerber bei Ihnen gemeldet. Liegt das wirklich an dieser Serie, wie sicher sind Sie sich da? Gibt es Umfragen, die besagen: „Genau deswegen sind wir jetzt bei euch“?

Es gab ja schon damals Kritik an der Aufmachung, weil die Bundeswehr so ein bisschen als Abenteuerspielplatz dargestellt wurde; da standen Vorwürfe im Raum, man würde das verharmlosen. Jetzt geht es nicht mehr um das Leben in der Kaserne hier, sondern im durchaus gefährlichen Einsatz in Mali. Was halten Sie von der Kritik, dass vielleicht die ganze Machart, der Tonfall, die Ästhetik dem Ernst der Lage nicht angemessen ist?

NEUMANN: Zunächst einmal zu den Bewerberzahlen, die Sie ansprachen. Im Sendezeitraum der Serie „Die Rekruten“ gab es 40 Prozent mehr Zugriffe auf die Karriere-Website, 25 mehr Anrufe bei der Karriere-Hotline und ca. 21 Prozent mehr Bewerbungen bei Mannschaften und Unteroffizieren. Die deutlich erhöhten Bewerberzahlen wurden im Verlauf der Serie beobachtet. Da es keine anderen für uns ersichtlichen Einflussfaktoren gab, führen wir diese auf die „Die Rekruten“ zurück.

Zur Gesamtthematik: Sie hatten ja schon ausgeführt, dass wir, was unsere Bewertung angeht, einen sehr großen Erfolg mit der Serie „Die Rekruten“ hatten. Nächste Woche, am 16. Oktober, startet in der Tat eine neue Social-Media-Serie mit dem Titel „Mali“. Diese beinhaltet über acht Monate die Begleitung von acht Soldatinnen und Soldaten aus unterschiedlichen Verwendungen in das Camp Castor nach Mali. Wir haben vor, mit der Serie „Mali“ den Alltag unserer Soldatinnen und Soldaten im Auslandseinsatz MINUSMA aus ihrer eigenen Perspektive darzustellen und wollen so ein möglichst realistisches und authentisches Bild von einem Einsatz der Bundeswehr zeigen.

Hierzu gehört das vielleicht zu dem Punkt Kritik, dass „Die Rekruten“ nur etwas über die Grundausbildung darstellen jetzt eben der Einsatz und auch, dass wir uns mit kritischen und ernsten Themen wie Verwundung und Tod auseinandersetzen. Auch das ist Teil des Soldatenberufs, wie Sie wissen. So wird beispielsweise der tragische Absturz des „Tiger“ mit der nötigen Sensibilität thematisiert.

ZUSATZFRAGE: Wir haben die Serie ja noch nicht gesehen. Können Sie uns sagen, inwieweit dieser tödliche Absturz Eingang in die Serie finden wird?

NEUMANN: Ich kann Sie nur vertrösten und auffordern, diese Serie zu verfolgen. Das wird in einer Folge sein, die natürlich nicht am Anfang, sondern gegen Ende der Serie läuft.

FRAGE JUNG: Herr Neumann, mehrere Nachfragen. Mehr Bewerbungen sind ja schön und gut. Wie viele Einstellungen mehr gab es denn seitens der Bundeswehr? Nicht jeder, der sich bewirbt, wird ja rekrutiert.

NEUMANN: Das müsste ich nachreichen. Zunächst einmal ging es darum, die Bundeswehr als attraktiver Arbeitgeber darzustellen. Wir versuchen, wie gesagt, durch die Serie „Die Rekruten“ den Anfang darzustellen, wenn die Soldaten zur Bundeswehr kommen, aber auch den Einsatz durch die Serie, die in Mali spielt.

ZUSATZFRAGE JUNG: Was wird die Produktion der Serie kosten? Mich würde interessieren, was die Werbung dafür kosten soll, die jetzt schon überall herumhängt.

Die Frage des Kollegen haben Sie auch nicht beantwortet. Es gibt ja wirklich massive Kritik, dass das Militärpropaganda ist. Was sagen Sie dazu?

NEUMANN: Noch einmal: Wir wollen in die deutschen Wohnzimmer einen Eindruck davon vermitteln, wie Soldatinnen und Soldaten aus ihrer persönlichen Sicht ihren Auslandseinsatz erleben.

Zu den Kosten, die Sie ansprachen: Es sind insgesamt 6,5 Millionen Euro. Zwei Millionen Euro davon beträgt die Produktion der Serie und rund 4,5 Millionen Euro das Kampagnenmaterial, also die Medialeistungsbewerbung der YouTube-Serie.