Ohne Reizwort ‚Europa-Armee‘: Treffen der Verteidigungsminister von D, FRA, PL


Die Verteidigungsminister des so genannten Weimarer Dreiecks, von Deutschland, Frankreich und Polen, haben sich am (heutigen) Montag in Potsdam getroffen und über weitere Schritte einer engeren sicherheitspolitischen Zusammenarbeit in Europa gesprochen. Wenig überraschend taucht der Begriff Europa-Armee, für den sich die deutsche Verteidigungsministerin ja auch stark gemacht hat, in der gemeinsamen Erklärung von Ursula von der Leyen und ihren Kollegen Jean-Yves Le Drian (Frankreich) und Tomasz Siemoniak (Polen) nicht auf – denn die beiden Nachbarn im Westen wie im Osten finden die Idee nicht ganz so prickelnd wie ihre deutsche Kollegin.

Dennoch sind die Ziele schon ehrgeizig, die sich die drei in ihrer Erklärung gesetzt haben und die die europäische Zusammenarbeit vorantreiben sollen. Die Absichten sollen auch in einem Brief an die EU-Außenbeauftragte Federica Mogherini stehen, der nach der Unterschrift der Verteidigungsminister in dieser Woche um die Unterschrift der Außenminister der drei Länder ergänzt werden soll.

Zur Debatte über Europa und Verteidigung deshalb hier als Dokumentation die gemeinsame Erklärung:

Europa ist heute mehr denn je von Krisen und kriegerischen Auseinandersetzungen umgeben. Gleichzeitig hat Europa in der zurückliegenden Zeit aber auch gezeigt, dass es willens, bereit und in der Lage ist, auf diese Herausforderungen angemessen zu reagieren. Das Treffen der Verteidigungsminister des Weimarer Dreiecks dient daher vor allem der weiteren, engen Konsultation und strategischen Diskussion darüber, wie wir zusammen besser zu unserer gemeinsamen Sicherheit sowohl im Rahmen der EU als auch der NATO beitragen können.
Wir haben uns heute zu den Themen Europäische Union, NATO und regionale Krisen ausgetauscht und vereinbart, unsere Zusammenarbeit und unseren Dialog weiter zu stärken. Dabei bildet die Fortentwicklung der Gemeinsamen Sicherheits- und Verteidigungspolitik der EU (GSVP) ein zentrales Anliegen. Bei der Umsetzung der Schlussfolgerungen des Europäischen Rates vom Dezember 2013 sind bereits gute Fortschritte gemacht worden. Beispielhaft dafür sind die Strategie der Europäischen Union für maritime Sicherheit, der EU-Politikrahmen für die Cyberabwehr und der politische Rahmen für die systematische und langfristige Verteidigungs- zusammenarbeit zu nennen.
Wir wollen die im Juni diesen Jahres anstehenden Entscheidungen zur weiteren Stärkung der GSVP mit einem gemeinsamen Brief der Außen- und Verteidigungsminister des Weimarer Dreiecks an die Hohe Vertreterin der Union für Außen- und Sicherheitspolitik mit frischen Impulsen vorbereiten. In diesem Schreiben werden wir, die Verteidigungsminister, darauf bestehen, dass die Verteidigung eine Priorität auf der europäischen Agenda haben sollte, und wir werden Vorschläge unterbreiten, die die Effektivität und Sichtbarkeit der GSVP verbessern, die gemeinsame Entwicklung militärischer Fähigkeiten voranbringen und die Zukunft der europäischen Rüstungsindustrie mitgestalten sollen.
Als sichtbares politisches Zeichen des Gestaltungswillens des Weimarer Dreiecks im Bereich der Gemeinsamen Sicherheits- und Verteidigungspolitik wollen wir unter anderem die Fortschritte der Europäischen Union durch folgende Maßnahmen vorantreiben:
– Beauftragung und Mitgestaltung einer neuen Europäischen Außen- und Sicherheitspolitischen Strategie;
– Unterstützung von Maßnahmen in den Bereichen Ausbildung, Hilfeleistung, Beratung und Mentoring für Partnerländer und regionale Organisationen im Rahmen der Initiativen Enable and Enhance und Train and Equip;
– Vorbereitung der EU-Battlegroups auf den Einsatz für Eintrittsoperationen;
– Kontinuierliches Engagement bei der Umsetzung der vier Kernfähigkeitsprogramme (Satellitenkommunikation, ferngesteuerte unbemannte Luftfahrzeugsysteme, Luftbetankung und Cyber) im Rahmen der Europäischen Verteidigungsagentur;
– Unterstützung bei der Umsetzung der Vorbereitenden Maßnahme als
Grundlage für Forschungsprogramme im Zusammenhang mit der Gemeinsamen Sicherheits- und Verteidigungspolitik;
– Aufzeigen von Wegen zur weiteren Stärkung der Zusammenarbeit zwischen EU und NATO.
Die Verbesserung der militärischen Fähigkeiten der Europäer stärkt gleichzeitig die NATO. Ausgelöst durch das völkerrechtswidrige Vorgehen Russlands auf der Krim und die Politik Moskaus in den letzten Monaten, hat die Allianz eine Reihe von Maßnahmen beschlossen, um die Entschlossenheit und Solidarität ihrer Mitgliedsstaaten zu verdeutlichen.
Frankreich, Polen und Deutschland sind bei der Umsetzung der Beschlüsse des NATO-Gipfels in Wales in besonderem Maße engagiert und werden im Rahmen der Gestellung der Speerspitze als Rahmennationen ihre enge Zusammenarbeit durch praktische Maßnahmen flankieren und eine umfassende Zusammenarbeit im Hinblick auf die Umsetzung der NATO-Zusicherungsmaßnahmen anstreben.
Frankreich, Polen und Deutschland haben gemeinsame sicherheitspolitische Interessen. Kein Land in Europa ist heute mehr in der Lage allen Herausforderungen der europäischen Sicherheit alleine zu begegnen. Das Weimarer Dreieck kann durch strategische Konsultationen und praktische Impulse einen wichtigen Beitrag für die Sicherheit Europas leisten.

und zur Ergänzung aus dem Pressestatement von der Leyens in der vom BMVg veröffentlichten Fassung:

Es ist ein gemeinsames Kernanliegen Polens, Frankreichs und Deutschlands,
die europäische Zusammenarbeit in der Sicherheits- und Verteidigungspolitik zu stärken.
Der Brief, den wir gemeinsam mit unseren Außenministern entwickelt haben, und wir – die Verteidigungsminister – gerade unterzeichnet haben, dient maßgeblich diesem Ziel.
Die Außenminister werden Ende der Woche zeichnen.
Deshalb haben wir uns heute auf die Themen konzentriert, die maßgeblich die Verteidigungspolitik betreffen.
Der Brief soll dazu beitragen, den Europäischen Rat im Juni vorzubereiten. Wesentliche gemeinsame Prioritäten sind:
Die Europäische Sicherheitsstrategie ist inzwischen 10 Jahre alt.
Sie ist überholt und erfordert eine Anpassung an die neuen sicherheitspolitischen Herausforderungen.
Wir wollen uns hier als Verteidigungsminister besonders einbringen.
Wir werden gemeinsam mit den Außenministern die Hohe Vertreterin bitten,
eine neue europäische Strategie für Außen- und Sicherheitspolitik zu erarbeiten.
Ich beabsichtige auch unseren Weißbuchprozeß in Deutschland eng mit diesem Prozess zu verknüpfen.
Wir haben auch über die Verbesserung der Reaktionsfähigkeit der EU in Krisen gesprochen.
Ein Instrument sind die sog EU-Battlegroups.
Wir plädieren dafür, sie so auszurichten, dass sie speziell für den Anfang von
Einsätzen der Europäer, sog. Eintrittsoperationen nutzbar sind.
Und wir haben auch über den systematischen Ausbau unserer europäischen
militärischen Fähigkeiten gesprochen.
Besonderes Augenmerk legen wir dabei auf Themen wie Satellitenkommunikation, unbemannte Luftfahrzeuge, Luftbetankung und Cyber.
Uns ist wichtig: Unser Vorhaben steht nicht im Widerspruch zur NATO, die ein unverrückbarer Grundpfeiler unserer Sicherheit in Europa ist und bleibt.
Im Gegenteil: Es geht um eine starke und leistungsfähige europäischen Säule in der NATO.
Deswegen ist die enge Abstimmung zwischen der NATO und der EU sowie den europäischen Partnern unerlässlich.

Nachtrag: In dem Zusammenhang sollte man auch die heutige Rede des niederländischen Außenministers Bert Koenders zum Thema Renewing the European Promise lesen:

Commission president Jean-Claude Juncker recently put a cat among the pigeons by proposing a European army. If you ask me, the idea of an EU army doesn’t make much sense.
But it does make sense for the EU to strategically consider how we should continue to shape our common defence policy. It’s also logical to step up our security efforts, making sure our military resources in Europe are properly aligned, at both EU and NATO level. Together we can also respond more effectively to new developments, like hybrid warfare. Here the EU has a wider range of policy options at its disposal than, say, NATO. The EU is the only player that can offer an integrated approach to conflicts.
So let’s do just that. We have military instruments like Battlegroups, which currently resemble that nice sofa that your grandmother still has wrapped in plastic. We have to be willing to use them if this is legitimate under international law and in our foreign policy interest.

(Foto: A French soldier with the 126th Infantry Regiment, 3rd Mechanized Infantry Brigade provides security during exercise Combined Resolve II at the Joint Multinational Readiness Center in Hohenfels, Germany, May 21, 2014 – DoD photo by Spc. Tyler Kingsbury, U.S. Army)