Dokumentation: von der Leyen zur NATO im Osten am Wochenende

In mehreren Interviews und in einer Talkshow hat Verteidigungsministerin Ursula von der Leyen am vergangenen Wochenende die Bedeutung der NATO-Präsenz an der Ostgrenze des Bündnisses (und damit an der Grenze zu Russland und zur Ukraine) betont. Zur Dokumentation hier die Aussagen im Wortlaut:

Der Spiegel vom 24. März (Vorabveröffentlichung der Zitate ab 22. März; hier zitiert nach der vom Bundesverteidigungsministerium per Pressemitteilung herausgegebenen Fassung):

Die aktuelle Lage spiegelt klar, dass die NATO nicht nur ein militärisches, sondern auch ein politisches Bündnis ist. Es ist vor allem der demokratische Wertekanon, der hohe Anziehungskraft auf Neumitglieder entfaltet. Deswegen ist die NATO seit den 90er-Jahren gewachsen, nicht weil die Allianz auf Expansion ausgelegt war.
Jetzt ist für die Bündnispartner an den Außengrenzen wichtig, dass die NATO Präsenz zeigt. Denn nur Geschlossenheit gibt die Sicherheit für die diplomatischen Gespräche, die nun geführt werden müssen.

ARD-Sendung Bericht aus Berlin am 23. März:

Frage: Sie haben… für ein bisschen Wirbel gesorgt, weil Sie gesagt haben, eigentlich müsste die NATO jetzt an ihren Außengrenzen – sprich: in den baltischen Staaten – Flagge zeigen, Truppenpräsenz zeigen. Gießen Sie da nicht ein bisschen Öl ins Feuer?

Antwort: Nein, es geht nicht um Eskalieren. Wir wollen mit Russland in Verhandlungen eintreten.
Aber ich kann auch die Sorge unserer östlichen Bündnispartner, der baltischen Staaten oder Polens oder Rumäniens, verstehen, die sicher sein wollen, dass das NATO-Bündnis hält. Und daher ist es wichtig, klarzumachen, dass das NATO-Bündnis nicht nur auf dem Papier besteht, sondern dass wir füreinander auch da sind. Und darum geht es: innerhalb des Rahmens, den wir haben, deutlich machen, wir halten zusammen.

Frage: Die Opposition wirft Ihnen vor, Sie würden damit eskalieren.

Antwort: Das ist keine Eskalation, sondern das ist im Rahmen dessen, was die NATO sowieso machen kann. Ich finde wichtig für die baltischen Staaten, die sich auch darauf eingelassen haben, dass die zum Beispiel Flugfähigkeiten abgeben in die Verantwortung der NATO, dass sie sicher sein können, dass diese Flugfähigkeiten auch von der NATO übernommen werden. Darum geht es.
Aber vor dem Hintergrund, vor dem wir sprechen, geht es ja auch um die Frage, wie können wir wieder mit Russland eine Ebene finden, dass klar ist, dass nicht einfach nur das Recht des Stärkeren, das Putin eingesetzt hat, indem er die Krim annektiert hat, sich durchsetzt, sondern dass wir wieder in ein Gespräch kommen, wo über die Stärke des Rechts, nämlich die Stärke des Völkerrechts, auch miteinander diskutiert wird. Da müssen wir wieder hin.

Frage: Wie viele Soldaten, was für Truppenteile sollen denn ins Baltikum verlegt werden…?

Antwort: Darum geht die Diskussion überhaupt nicht, sondern… es geht um Flugfähigkeiten, die die baltischen Staaten abgegeben haben in die Verantwortung der NATO. Und die NATO ist nicht nur ein militärischen Bündnis, sondern die NATO ist auch ein politisches Bündnis.
Da finde ich auch wichtig, dass wir angesichts der allgemeinen Diskussion uns auch immer vor Augen halten, dass die Tür der NATO lange sehr weit offen stand zum Beispiel auch für Russland. Wir haben den NATO-Russland-Rat, in dem wir gut zusammengearbeitet haben – Stichwort Syrien, Stichwort Iran -, das sind gemeinsame internationale Operation gewesen unter dem Dach der Vereinten Nationen, Piraterie-Bekämpfung am Horn von Afrika.
Das zeigt also, wie viel wir auch an Gemeinsamkeiten gehabt hatten. Mir ist wichtig, deutlich zu machen, dass die NATO – anders, als es Putin im Augenblick sagt – nicht etwas ist gegen Russland, sondern dass wir wieder zur Partnerschaft miteinander zurückfinden müssen. Aber das müssen eben beide Seiten.

Frage:… Wir groß sehen Sie denn die Gefahr der Spaltung Europas? Gehen wir zurück in ein Europa der Blöcke?

Antwort: Das dürfen wir nicht. Und im Augenblick spielt sich ja ein Ringen darum ab, was sind die Mittel, um einen Konflikt zu lösen; sind es militärische Mittel, wie wir es auf der Krim gesehen haben, oder ist es die Kraft der Diplomatie, der Verhandlungen, des gemeinsamen Völkerrechtes, der Regeln, die wir uns gegeben haben. Das ist die Lösung für Konflikte im 21. Jahrhundert. Und wir werden einen langen Atem haben, um darauf zu bestehen.

 

ARD-Sendung Günter Jauch am 23. März (ab ca. Minute 52:00)

Frage Jauch: Sollte die NATO an ihrer Außengrenze zu Russland mehr Präsenz zeigen?

vdL: Die NATO zeigt Präsenz an ihrer Außengrenze, aber das ist etwas Selbstverständliches für die Mitglieder der NATO, die vor allem die baltischen Staaten, Polen und Rumänien sind. Wir haben jetzt viel mit dem Blick auf Russland oder auf uns selber gesprochen. Wenn ich die Länder, die ich eben genannt habe, sehe: dort herrscht schon echte Angst. Da sind viele Reflexe aus der Vergangenheit, die auch wieder hochkommen. Und es wichtig für sie zu wissen, dass das Bündnis geschlossen steht und sie sicher sein können, dass auch dieses Verteidigungsbündnis einfach da ist. Aber das ist nicht das Mittel der Wahl, darüber sich auseinanderzusetzen. Sondern das Mittel der Wahl muss die Verhandlung sein.
Und das ist der Punkt, auf den ich immer wieder zurück komme: Früher oder später muss Russland wieder an den Verhandlungstisch kommen. Und deshalb ist es so wichtig, miteinander auch diese Wege zu öffnen. Die OSZE- Beobachtermission wäre jetzt eine Möglichkeit, dass wieder Verhandlungen aufgenommen werden können, wie man zusammen den Weg aus dieser Krise schaffen kann.
Frage Jauch: Aber wir haben gesehen den Film von Herrn Seipel, wo er sogar auf Deutsch antwortet, Putin: Sind Sie ein Diplomat? Nein, überhaupt nicht. Das heißt, diesen Weg scheint er ja nicht zu bevorzugen.
vdL: Doch. Etwas was auch an Putin nicht vorbei gehen kann: Für Putin ist zu recht das Wichtigste, dass Russland stark ist. Ein starkes Russland ist ein wirtschaftlich, kulturell starkes Russland, international anerkannt, das ist doch sein Ziel. Das wollen wir doch auch. Uns ist doch auch an einem starken Russland gelegen. Deshalb sind diese Schritte …[unverständlich].

(Die Diskussion über die Äußerungen von der Leyens wird in diesem Thread geführt; dieser Eintrag dient nur zur Dokumentation – und damit die Debatte nicht ausfasert, gibt’s hier keine Kommentare; ich bitte um Verständnis.)