Kein Aprilscherz: Wenn das Gewehr heißläuft

Da vermuteten doch schon einige hier in den Kommentaren, der Spiegel habe sich mit der Meldung über das nicht mehr so treffgenaue G36 bei Hitzeentwicklung einen Aprilscherz erlaubt… Dazu ein paar Anmerkungen:

Diese Meldung (die ich jetzt entgegen meiner üblichen Praxis als Autor verlinke) stammt von mir, und sie gibt in der Knappheit die Geschichte natürlich recht gerafft wieder. Ein bisschen ausführlicher erläutert das eine Weisung, die vom Einsatzführungskommando am 22. März an die Truppe im Einsatz ging:

Auf Grund von Beschädigungen (Verschmorter Handschutz) an zurückgelieferten Waffen des Typs G36 wurden durch den Nutzungsleiter weiterführende Untersuchungen veranlasst. In Ergebnis teilt LogABw mit, dass beim schnellen Verschuss einer großen Menge von Munition ZDv 3/136 RN 136 zu beachten ist:
,Nach dem Verschießen von Patronen im schnellen Einzelfeuer oder in kurzen Feuerstößen (150 Schuss Dauerfeuer Gefechtsmunition bzw. max. 100 Schuss Manövermunition) muss bei starker Rohrerhitzung das Rohr (bei offenem Verschluß) auf Handwärme abkühlen, bevor weitergeschossen werden darf.
Aufgrund des Wärmestaus in der Waffe nach schnellem Verschuss einer großen Menge von Munition (s.o.) muss zudem von einer erheblich größeren Streuung ausgegangen werden.
Dadurch wird die zuverlässige Bekämpfung von Zielen bei Kampfentfernungen über 100 Metern mit zunehmender Entfernung deutlich erschwert. Die Trefferwahrscheinlichkeit sinkt dann bei Entfernungen von 300 Metern allein aufgrund der Streuung auf circa ein Drittel.
Nach dem Abkühlen ist die Funktionalität des Gewehrs wieder voll gegeben.
Ist in einer taktischen Situation das Abkühlen des Gewehrs nicht möglich, und muss weitergeschossen werden, ist zu berücksichtigen, dass bei weiterem Feuerkampf Waffen komplett ausfallen können und/oder dauerhaft beschädigt werden.
Kontingent zur Kenntnisnahme und Beachtung.

Schon Ende Dezember vergangenen Jahres hatte es eine Weisung gegeben, die auf die zitierte Regelung aus der ZDV3/136 verwies, allerdings ohne Details aus den Untersuchungen zu nennen.

Nun ist das, das wissen die Kenner, zwar eine aktuelle Untersuchung, aber keine ganz neue Erkenntnis. Vermutlich nicht ohne Grund schreibt die ZDV 3/136 die nötige Abkühlung spätestens nach 150 Schuss Gefechtsmunition vor. Aufgeschreckt wurden aber wohl alle durch die – quasi unter Laborbedingungen – gewonnene Erkenntnis, dass die Streuung bei einer Kampfentfernung von 300 Metern die Trefferwahrscheinlichkeit um zwei Drittel senkt.

Ich habe daraufhin auch mit Praktikern gesprochen, die als Kampftruppe in Afghanistan waren, und deren Antwort: Im Einsatz ist ihnen das nicht als Problem aufgefallen. Zum einen, weil – inzwischen wieder? – das G36 in der Tat für gezieltes Feuer eingesetzt wird, nicht für Deckungsfeuer – dafür gibt es Maschinengewehre. Und zum anderen, weil Staub und Hitze sich auf Visier/Zieloptik auswirken und so schon die Treffergenauigkeit senken, vor allem aber: weil als Hauptproblem des G36 das zu kleine und wenig durchschlagsstarke Kaliber angesehen wird. Deswegen greife die Truppe im Einsatz ja auch zunehmend auf das alte G3 mit seinem größeren Kaliber zurück.

Nun ist das G36 vor fast 20 Jahren so bestellt worden und war ja auch nie für Dauerfeuer bestimmt, wie eine andere Regelung in der ZDV 3/136 deutlich macht:

Mit dem Gewehr schießt der Soldat
– Einzelfeuer als Präzisionsschuss, Schnellschuss und beim Sturmschießen im abgesessenen Einsatz,
– kurze Feuerstöße in der Sturmabwehr, im Nahkampf, beim Kampf von Fahrzeugen, beim Deutschießen und gegen Luftfeind

Also: Einzelfeuer und Feuerstöße. Für anderes ist das G36 nicht gedacht. Wie man die Untersuchung bewertet – darüber können sich dann die Experten streiten. Aber als Problem scheint es wohl schon gesehen zu werden.