RC N Watch: Deutsche Spezialkräfte stellen Taliban-Führer
Über die Festnahme von Maulawi Roshan, einem Taliban-Führer in der Provinz Kundus, hatte bereits am (gestrigen) Dienstag die chinesische Nachrichtenagentur Xinhua berichtet, die ihn allerdings unter Berufung auf die örtliche Polizei als Taliban-Richter bezeichnete. Heute kommt dazu nicht nur von ISAF mehr – sondern auch von der Bundeswehr: Die berichtet (nach meiner Erinnerung erstmals in dieser Offenheit), dass Roshan von deutschen Spezialkräften der Task Force 47 gestellt wurde.
Das ist eine neue Qualität – bislang blieb in der Regel unklar, welche ISAF-Nation die Spezialkräfte für einen Zugriff stellte. Insbesondere dann, wenn es dabei zu Feuergefechten kam. Oder wenn aufgrund der Art des Zugriffs die Vermutung nahe lag, dass es um eine gezielte Tötung des jeweiligen Anführers der Aufständischen ging (was ungeachtet der völkerrechtlichen Bewertung nach Angaben des Verteidigungsministeriums für die deutschen Streitkräfte keine Option ist).
Es scheint deshalb, dass diese Aktion mit der deutschen Beteiligung so offen publiziert wird, weil damit klar gemacht werden soll: die Deutschen setzen auf Festnahme, und das kann auch funktionieren, ohne dass es zu Verletzten und Toten kommt. Der Kernsatz dazu in der ISAF-Erklärung: He was detained without incident and taken by Afghan authorities for processing and questioning.
Die interessante Frage ist ja, ob es beim nächsten Einsatz, der vielleicht nicht without incident abgeht, auch eine so offene Darstellung gibt…
Wenn die Einschätzung der Intel-Leute stimmt, ist damit ISAF und den deutschen Spezialkräften ein kapitaler Fang geglückt: Roshan gilt als hochrangiges Führungsmitglied der Taliban im Raum Kunduz mit engen Verbindungen zur Talibanführung im benachbarten Pakistan. Der Festgesetzte wird mit der Vorbereitung und Durchführung zahlreicher Anschläge gegen die ISAF-Truppe und die afghanische Staatsgewalt sowie mit zahlreichen sonstigen kriminellen Aktivitäten im Raum Kunduz seit Mitte des Jahres 2009 in Verbindung gebracht.
Übrigens, neben dem oben abgebildeten offiziellen Logo der Task Force 47 gibt es auch ein inoffizielles:
Verspäteter Nachtrag: Durch Leserhinweise (danke!) werde ich auf den Bericht des Stern-Kollegen Christoph Reuter aufmerksam gemacht: Festgenommener Talibanführer ein Überläufer? Das verändert die Perspektive auf diesen Einsatz natürlich ein wenig.
Guter Fang!
Das mit den gezielten Tötungen wird vor Ort für die Kräfte denke ich kein Problem darstellen. Im Zweifel liesse sich sicher immer irgendwie eine Notwehr-/Nothilfesituation konstruieren, welche die Tötung dann auch politisch korrekt macht.
Die Frage ist vor allem: Was passiert mit dem guten Mann, wenn er von den Afghanen gefangen gehalten wird. Das Justizsystem hat sich schließlich nicht unbedingt durch seine Konsequenz und Freiheit von Korruption ausgezeichnet…
Das ist nicht ganz richtig, was die Berichterstattung über Einsätze des KSK angeht!
Es wurde auch im Jahr 2009 über einen Einsatz der KSK in der Provinz Badakhshan offen berichtet:
http://www.zeit.de/online/2009/20/afghanistan-ksk-taliban
@Jugendoffizier
Na, netterweise hätten Sie ja meine Geschichte von damals verlinken können ;-)
http://www.focus.de/politik/ausland/tid-14197/afghanistan-zugriff-im-hochgebirge_aid_397037.html
Sie haben zum Teil Recht – es ging mir jetzt um die aktuellen Einsätze der TF47 (die übrigens damals nie namentlich erwähnt wurde…).
Das war übrigens ein toller Artikel :)
Ich freu mich immer, wenn es positive Nachrichten gibt und man auch ein bisschen Offenheit übt. Sehr schön.
@Chris
„Die Frage ist vor allem: Was passiert mit dem guten Mann, wenn er von den Afghanen gefangen gehalten wird. Das Justizsystem hat sich schließlich nicht unbedingt durch seine Konsequenz und Freiheit von Korruption ausgezeichnet…“
Es sind schon mehrere Personen dieser Art aus unklären Gründen wieder freigelassen worden. Im Idealfall wird der Fall daher von afghanischen Stellen außerhalb des ineffektiven und korrupten Justizsystems sbearbeitet. Allerdings regen sich dann wieder die Menschenrechtler auf. Amnesty International Deutschland hat ja bei früheren Fällen bereits Forderungen aufgestellt, die effektiv die bedingungslose Freilassung aller gefangenen Aufständischen sowie ein absolutes Festnahmeverbot und Verbot der Zusammenarbeit mit afghanischen beinhalten. Realistisch ist das natürlich nicht.
„…
Realistisch ist das natürlich nicht..“
Beruhigt aber unsere Gutmenschen ;-)
@StFwdR
Manche Menschen wollen eben belogen werden.
Tja, ob das aber der richtige Weg ist bezweifle ich.
Schließlich wurde auf diese Weise diese Menschen erst erschaffen.
Das Leben ist pöhse kennen die nicht und wollen es auch nicht aktzeptieren.
@ StFwdR
Was ist an dieser Geschichte (Focus-Artikel) nicht realistisch ?
Das der Taliban-Führer gefangen genommen, anstatt getötet worden ist ?
Das er von den AFG abgeurteilt wird ?
Mein Post bezog sich auf S.W. ;-)
Bin ich eigentlich der einzige dem bei „Taskforce 47“ sofort „Mister 47“ aus der Computerspiel- und Filmreihe „Hitman“ einfällt?
Mister 47 zeichnet sich ganz zufällig durch recht ähnliche Eigenschaften aus, er ist unauffällig, zielstrebig, hinterläßt keine Spuren, oft siehts nach einem Unfall aus und nachweisen kann man ihm auch nichts.
Um es mal ganz brutal zu sagen: Erschießen wäre die bessere Lösung gewesen. Der ist doch nach 2 Wochen durch einen korrupten Beamten oder eine Befreiungsaktion wieder unter den Seinigen und macht weiter mit seinem Treiben. Wie dallisfaction schon sagte: Irgendeine Möglichkeit, das als Notwehr darzustellen, wird es schon geben. Ist zwar unschön und rechtlich nicht ganz sauber, aber die eigentlich „sinnvollere“ Lösung.
@Hekto
Wenn man anders formuliert, wäre es sogar prinzipiell rechtlich zulässig. Die Wirkungsforderung „toter Feind“ ist grundsätzlich legitim und legal, und es gibt im humanitären Völkerrecht keine Regelung, die zur Gefangennahme (anstelle der Tötung) verpflichtet.
Die Probleme, die sich aus einer Festnahme ergeben können, machen Drohnen oder Luftangriffe allgemein so attraktiv. Hier besteht erst gar nicht die Möglichkeit, dass feindliche Kämpfer sich ergeben und anschließend als angebliches Opfer von Folter etc. mehr Schaden in Form von Rufschädigung anrichten als sie es als Kämpfer jemals hätten tun können. Die Amerikaner dürften die Gefangennahme der Insassen von Camp Delta etc. mittlerweile bereuen.
Es gibt aber noch bessere Alternativen. Im aktuellen Fall scheint dies die Sonderbehandlung des Gefangenen durch afghanische Stellen außerhalb des afghanischen Justizsystems zu sein. Kein westlicher Journalist und keine Menschenrechtsorganisation bekommt mit, wie der Gefangene jetzt zeitnah dazu gebracht wird, weitere Ziele für Folgeoperationen zu identifizieren.
P.S. Die Wirkungsforderung müsste man noch etwas anders formulieren, damit alles rechtlich in trockenen Tüchern ist, aber wenn zu erwarten ist, dass der feindliche Kämpfer bei einer Gefangennahme selbst in der einen oder anderen Form weiterhin Wirkung erzielen kann (erwartete Freilassung durch korrupte afghanische Justiz etc.), dann kann es im völkerrechtlichen Sinne militärisch angemessen sein, seine Tötung zu befehlen. Das Völkerrecht gibt mehr her, als viele Beobachter in Deutschland meinen. Die Bundesregierung traut sich nur nicht, die rechtlichen Spielräume zu nutzen.
Vom Januar 2010 gibt es auf Captain Cat’s Blog zwei Berichte über SF-Auswirkungen in Paktia:
Fear and Loathing in Loya Paktia
Ghosts before dawn
Und hier noch ein Fall über eine ungerechtfertigte Festnahme weil der Übersetzer Mist gebaut hat:
Abdulhadi Hairan: Another failing side of the US strategy in Afghanistan
Dabei will ich hier nichtmal eine Beziehung zur oben erwähnten Festnahme herstellen. Auch wenn es etwas von Kaffeesatzlesen hat: Dass die ISAF (erfolgreiche) Festnahmen durchführt könnte ein Indikator sein, dass sie a) sich wieder freier bewegen kann, und b) die Informationslage besser wird. Letztlich wird sich aber zeigen müssen, ob das ein Trend oder nur eine Episode ist.
Entscheidend wird aber sein, wie man solche temporären Erfolge nutzt, und was man an den eigentlichen Fronten dieses Einsatzes erreicht.
Und da hab ich manchmal den Eindruck, dass die Regierungen daheim mehr von solchen Missionen profitieren als Soldaten und Afghanen vor Ort…
Erfreulich offen dazu der Hardthöhenkurier: http://www.hardthoehenkurier.de/index.php?option=com_content&view=article&id=337:die-bekaempfung-von-militaerischen-zielen&catid=92:beitraege&Itemid=63
„Die Lagebeurteilung vor Ort ergab jedoch, dass eine Festnahme für die
eigenen Kräfte als zu gefährlich erschien. Demzufolge wurde seitens des ISAFHauptquartiers in Kabul die gezielte Ausschaltung des Talibanführers durch den Einsatz von Kampfflugzeugen beschlossen, angeordnet und durchgeführt. Bei dem Angriff starben insgesamt vierzehn Menschen, darunter vermutlich Zivilisten. Das militärische Ziel wurde unter Inkaufnahme von zivilen Verlusten erreicht.“
Alles rechtlich unproblematisch, weil militärisch angemessen. Es muss nicht immer Festnahme sein.
Es scheint so, als habe die Bundeswehr einen verhandlungsbereiten „ehemaligen“ Talibanführer in „Schutzhaft“ genommen(http://www.bundeswehrverband.de/web/dbwv/extranet_dbwv_cb.nsf/vwContentByKey/W289L84Z451DBWNDE). Da seine Verhandlungsbereitschaft bekannt war, fand seine Entmachtung innerhalb der Taliban-Organisation schon vor Monaten statt. Man fragt sich nun, warum die Taliban ihre „abtrünnigen“ Führer „unangetastet“ lassen. Dass die Bundeswehr diesen Sachverhalt jetzt als Demonstrationsobjekt dafür nutzt, unblutige „Ingewahrsamnahmen“ zu zelebrieren, könnte man auch als Affront gegenüber den Amerikanern werten.
@Politikverdruss
Der Link geht leider nicht – und die Meldung würde ich auch gerne sehen…
@Politikverdruss:
Hochinteressant! Sollte sich das bestätigen, dann würde dies ein sehr schlechtes Licht auf die angeblich unter Minister zu Guttenberg so wahrhaftig gewordene Kommunikation des BMVg nach Außen.
@T. Wiegold
Hier ist der Links zur Originalmeldung, die vom Bundeswehrverband aufgriffen wurde:
http://www.stern.de/politik/ausland/afghanistan-festgenommener-talibanfuehrer-ein-ueberlaeufer-1606681.html
Autor ist der m.E. in der Regel gut informierte und zuverlässige Christoph Reuter.
@S.W.:
So gesehen hast du natürlich recht. Er wird sicher in der Lage sein, noch Informationen preiszugeben und die Regel im Islam, dass Tote innerhalb kürzester Zeit zu beerdigen seien, würde es im Nachheinein auch erschweren, Folter, forciertes Verhör o.ä. zu belegen. Aber ich denke mir trotzdem, dass der Sicherheitslage durch den Tod des Mannes eindeutig mehr geholfen gewesen wäre.