Missverständnis bei Bundeswehr-Übung: Polizei erwidert Feldjäger-Schüsse mit scharfer Munition (Nachtrag)
Bei einer Auseinandersetzung zwischen bayerischen Polizeibeamten und Feldjägern der Bundeswehr ist ein Soldat leicht verletzt worden. Bei einer Übung der Militärpolizei bei Erding in Bayern riefen Anwohner die Polizei – die auf Schüsse der Soldaten, offensichtlich mit Übungsmunition, mit scharfer Munition antwortete.
Der Vorfall ereignete sich am (heutigen) Mittwochnachmittag im Rahmen der Übung Marshal Power, die die Zusammenarbeit der Feldjäger mit zivilen Einsatzkräften trainieren soll. An einer der größten und komplexesten Feldjägerübungen der vergangenen Jahre nehmen seit Mittwoch bis zum 29. Oktober nördlich von München 500 Soldatinnen und Soldaten der Militärpolizeiund rund 300 zivile Einsatzkräfte von Polizei, Feuerwehr und Rettungsdiensten teil.
Nach Angaben des Operativen Führungskommandos der Bundeswehr hatten Anwohner die Polizei gerufen, als die Soldaten in Altenerding auftauchten. Zwischen den Polizeibeamten und den Feldjägern sei es dann aufgrund einer Fehlinterpretation zu einer Schussabgabe gekommen. Dabei sei der Soldat verletzt worden. Weitere Details nannte der Bundeswehrsprecher im Hinblick auf die laufenden Ermittlungen nicht.
Nachtrag: Aus der am späten Mittwochabend veröffentlichen Mitteilung der bayerischen Polizei:
Schussabgabe zwischen Bundeswehr und Polizei – Ermittlungen zu den Hintergründen laufen
ERDING. Heute gegen 17:00 Uhr wurde der Polizei eine Person mit Langwaffe in Altenerding mitgeteilt. Aufgrund dieser Meldung wurden von der Einsatzzentrale starke Kräfte zur Einsatzörtlichkeit in die Hohenlindener Straße geschickt.
Aufgrund einer Fehlinterpretation vor Ort kam es zu Schussabgaben. Durch einen dieser Schüsse wurde ein Mann leicht verletzt. Der Tatort wurde weiträumig umstellt und ein Polizeihubschrauber zur Unterstützung angefordert.
Wie sich im Nachgang herausstelle, handelte es sich bei dem mitgeilten Waffenträger um einen Bundeswehrangehörigen, der im Rahmen einer Übung vor Ort war. Nachdem die Situation durch die Einsatzkräfte geklärt wurde, wurde der Soldat umgehend zur Behandlung in ein Krankhaus gebracht. Der Soldat wurde nach ambulanter Versorgung bereits aus dem Krankenhaus entlassen.
Nachtrag 23. Oktober – Die Stellungnahme des Landrats:
„Ich bin bestürzt über diesen Zwischenfall, bei dem ein Soldat von scharfer Munition getroffen und verletzt wurde. Ich wünsche ihm eine schnelle Genesung. Die missglückte Kommunikation zwischen Polizei und Bundeswehr ist in meinen Augen eine absolute Katastrophe und es muss sichergestellt werden, dass sich so etwas nie wiederholen wird“, so Landrat Martin Bayerstorfer.
Der Landkreis Erding und die betroffenen Städte, Märkte und Gemeinden waren im Vorfeld der Übung im September 2025 über das grundsätzliche Prozedere informiert worden, die genauen Abläufe wurden jedoch nicht mitgeteilt.
Das Landratsamt als untere Katastrophenschutzbehörde sowie die Führungsgruppe Katastrophenschutz waren nicht Teil der Übung.
Über den gestrigen Vorfall wurde die Integrierte Leitstelle am Spätnachmittag um 17:13 Uhr im Rahmen des Einsatzes von Seiten der Polizei informiert.
Daraufhin wurden aufgrund der zunächst unklaren Lage weitere Einsatzmittel durch die ILS alarmiert.
Dies war an diesem Tag die einzige Beteiligung des Landratsamtes!
Die Kommunikationshoheit lag ausschließlich bei der Bundeswehr.
(Foto: Die vom Landkreis Erding am 23. Oktober veröffentlichte Karte des Übungsraumes, wie sie nach Angaben des Landkreises von der Bundeswehr übermittelt worden war)
Moin allerseits!
Langsam wird’s hier echt absurd!
Nachdem es bei einer Übung einen Zwischenfall mit Waffeneinwirkung gab, der – zum Glück – hinreichend glimpflich ausgegangen ist, schießen hier die Spekulationen ins Kraut, wie ich es bei AG selten erlebt habe.
Jetzt feiert der bewaffnete Mob (gekennzeichnet als Jäger vom Lande) noch seine Urstände und alles mit Langwaffe ist gleich ein „grünes Männchen“, das mit Hunden gehetzt und mit maximaler Härte zur Strecke gebracht werden muss.
Was sind die Fakten?
Spärliche Informationen, die sich offensichtlich auch noch widersprechen. Offenbar nur eine öffentliche Bekanntmachung im „klassischen“ Gewand, die – meine Mutmaßung – wohl auch erst nach dem ereignis gelesen wurde.
Wir sehen, dass die alten Meldewege (Aushang, öffentliche Bekanntmachungen bei der Gemeinde/-homepage), nicht mehr gekannt oder benutzt (durch das jeweilige Landratsamt) oder genutzt (durch den ach so mündigen Bürger) werden.
Wir sehen, dass sogar in einem eher fachorientierten Blog wie diesem die Spekulationen Fakten ersetzen und Meinung und Aktionismus sogar hier populär sind.
Das verwundert mich dahingehend, dass sicher ein erklecklicher Teil der Mitforisten in Führungsverantwortung stehen oder standen.
Auch wenn es zynisch klingen mag, aber dieser Streifschuss ist vielleicht das Beste, was auf allen Ebenen passieren konnte (vom getroffenen Kameraden mal abgesehen) und mit etwas Glück wurde er auch gehört.
Es gab eine Übung und es gab Fehler. Das ist gut!
Wenn etwas zu glatt läuft, gibt es entweder kein Learning oder die Lage war zu unrealistisch, so dass es sich eher wie ein Theaterstück anfühlt, denn wie eine reale Übung.
Wir sehen ferner: es gibt eine Menge Baustellen:
Die Bundeswehr muss wieder sensibilisiert werden, dass sie in der Bevölkerung – sogar auf dem Land ! – nicht mehr als „normal“ angesehen wird.
Die militärisch-zivilen Absprachen müssen verbessert werden.
Die Bevölkerung muss wieder in die Lage versetzt werden etwaige Bedrohungen als solche zu erkenn und entsprechend (!) zu handeln. Aktuell scheint es mir hier nur zwei Varianten zu geben: Hysterie und Gleichgültigkeit.
Und die Bundeswehr muss wieder sichtbarer werden. Es muss wieder „normal“ sein, einem voll getarnten Soldaten im Wald zu begegnen. In den 1990ern war das nichts Ungewöhnliches – in den 2020ern ist es gleich Ausdruck einer unmittelbaren Bedrohungslage.
Ich bin sehr zuversichtlich, dass diese Situation baldmöglichst aufgeklärt wird und dass nur dann „Köpfe rollen“, wenn es wirklich absehbare und vorsätzliche Versäumnisse gab.
Was bringen denn „rollende Köpfe“ außer medienwirksamer Simulation von Handlungsfähigkeit?!
Das „neu erworbene Wissen“ wird dahin versetzt, wo es sinnlos ist und die Risikoaversion bei den Handelnden á la „Wer nix macht, macht keine Fehler. Wer keine Fehler macht, wird befördert!“, die hier mannigfach beweint wird, nimmt weiter zu.
…und manchmal ist sogar niemand Schuld. Manchmal passiert einfach Scheiße….
@EinsatztrainerNord
Ich schätze Ihre sachliche Auseinandersetzung mit meinen gestellten Fragen (≠Aussagen), ohne polternd oder polemisch zu werden; insofern Danke für Ihre Replik und Diskussionskultur.
Ich verstehe Ihre Argumente, glaube jedoch, dass Ihre Argumentationslinie schnell in sich zusammenbrechen könnte, wenn raus kommt, dass der Polizei-Schütze deutlich unter 25m dran war.
Anyhow, alles weitere wird die Untersuchung zeigen.
Ein passendes Patch gibt es auch schon (keine Werbung): „Battle of Erding“
[Dringende Bitte, hier nicht mit ebay-Links anzufangen. Link gelöscht. T.W.]
Ich weiß, lustig war der Zwischenfall nicht, aber glücklicherweise ging er relativ glimpflich aus und auch im Dienst darf ab und an geschmunzelt werden.
Abgesehen von der formal und organisatorisch offensichtlich nicht stabil geklärten Grundsatzfrage, welche Instanz hier nicht präventiv sowie nachvollziehbar verständlich rechtzeitig zwischen „staatlich zutreffenden“ Funktionen gesprochen haben, existieren inzwischen weitere ad-hoc „Kontaktoptionen / Meldewege“ auf der unteren Ausführungsebene unmittelbar zwischen ausführenden Einsatzkräften.
https://dserver.bundestag.de/btd/19/065/1906547.pdf
Seit 2020 nutzt die Bundeswehr mit bis zu 40.ooo Endgeräten, vorwiegend bei der BW-Feuerwehr und BW-Feldjägern (!), den TETRA-BOS-Digitalfunk. Hierüber sind (nach hoffentlich sinnvoll abgewogener Geräteprogrammierung – d.h. Fleetmapping für die insgesamt hinterlegten und manuell somit einstellbaren Sprechfunkgruppen – außerhalb einer zusätzlichen telefonähnlichen Direktwahloption) sämtliche „behördlichen“ Organisationen mit öffentlichen Sicherheitsaufgaben (BOS), also auch die lokal zuständige Polizeidienststellen direkt über Funk kontaktierbar.
Spätestens nach dem Ausschwärmen mit waffenähnlichen Gegenständen (zu Übungszwecken) in der Öffentlichkeit hätte es dem Übungshauptverantwortlichen bei der Bundeswehr vor Ort dämmern müssen, das zur Vermeidung einer Verwechselung mit leider realen Gewaltzwischenfällen in der jüngsten Vergangenheit eine vermeintliche „Geheimhaltung“ gegenüber anderen staatlichen Exekutivinstanzen wohl fehl am Platz ist.
Unsere Polizeikräfte sehen sich als Ehepartner und Eltern inzwischen einem erhöhten Gewaltpotential (mit Messern und Schusswaffengebrauch) gegenüber, was letztendlich zum Selbstschutz einem Gebrauch der eigenen Dienstwaffen zumindest erklärbar macht. Leider nicht ganz auszuschließende Verwechselungen sind immer tragisch; sowohl für den Ausführenden als auch den davon Betroffenen.
Es bleibt zu hoffen, dass im Rahmen einer organisatorisch weiter auszubauenden und klar abgesprochenen zivil-militärischen Zusammenarbeit (ZMZ) auch ähnliche (d.h. dann reale) Ablaufszenarien angemessen belastbar und auch auf unteren (!) Handlungsebene möglichst bundesweit (einheitlich!) praktikabel „vorstrukturiert“ werden.
[Äh, was soll der an dieser Stelle hinreichend abwegige Hinweis
Unsere Polizeikräfte sehen sich als Ehepartner und Eltern inzwischen einem erhöhten Gewaltpotential (mit Messern und Schusswaffengebrauch) gegenüber ? Soldaten sind auch Ehepartner und Eltern, und was wollen Sie uns damit sagen? T.W.]
Jupp Posipal sagt:
30.10.2025 um 10:56 Uhr
„[….]Spätestens nach dem Ausschwärmen mit waffenähnlichen Gegenständen (zu Übungszwecken) in der Öffentlichkeit hätte es dem Übungshauptverantwortlichen bei der Bundeswehr vor Ort dämmern müssen, das zur Vermeidung einer Verwechselung mit leider realen Gewaltzwischenfällen in der jüngsten Vergangenheit eine vermeintliche „Geheimhaltung“ gegenüber anderen staatlichen Exekutivinstanzen wohl fehl am Platz ist.[….]“
Bitte, was? Ob Sie das jetzt glauben oder nicht, aber der „Übungshauptverantwortliche vor Ort“ sprich der Leitende, wird davon ausgegangen sein, dass die Übung ordnungsgemäß angemeldet war. Denn das ist Sinn und Zweck von Aufgabenteilung. Freilaufende Übungen werden den zuständigen zivilen Behörden durch die Bundeswehr angezeigt. Und zwar mit den Angaben Ort, Zeit, beteiligte Truppe. Da gab und gibt es keine „Geheimhaltung“, eben um sowas zu vermeiden.
Bedeutet: die Info lag vor. Scheinbar nicht in der Wache in Erdingen, oder bei dem diensthabenden Polizisten. Wie jetzt aber der Leitende vor Ort da für Sie verantwortlich ist erschließt sich mir nicht.
Genau so könnten Sie argumentierend der diensthabende Polizist am Notruf hätte ja zuerst mal im BMVG anrufen müssen um sicherzustellen, dass es keine Übung ist.
Irgendwo wurde ein Fehler gemacht – dieser wird nun aufgearbeitet. Nur Menschen im Internet wissen wieder ganz genau wer was hätte anders machen müssen….Wahnsinn. Rufen Sie am besten bei der Bayrischen Polizei und im BMVG an. Sagen Sie denen Sie haben den Fehler gefunden und fertig….
Davon ab:
„[….]Unsere Polizeikräfte sehen sich als Ehepartner und Eltern inzwischen einem erhöhten Gewaltpotential (mit Messern und Schusswaffengebrauch) gegenüber, was letztendlich zum Selbstschutz einem Gebrauch der eigenen Dienstwaffen zumindest erklärbar macht. Leider nicht ganz auszuschließende Verwechselungen sind immer tragisch; sowohl für den Ausführenden als auch den davon Betroffenen.[…]“
Das ist ein ziemlicher Kracher. Sowohl was Fakten als auch deren Interpretation angeht. Und es blendet die strukturellen Probleme bei der Polizei sowie der Rechtfertigung und Aufarbeitung von Polizeigewalt aus – ist aber ein Rabbithole in das hier nicht absteigen sollten.
Und was ist mit Polizeitkräften die nicht Eltern oder Ehepartner sind? Sind die unwichtig oder nicht gefährdet?
Fragen über Fragen…
Sorry für OT
Jupp Posipal sagt:
30.10.2025 um 10:56 Uhr
„[….]Seit 2020 nutzt die Bundeswehr mit bis zu 40.ooo Endgeräten, vorwiegend bei der BW-Feuerwehr und BW-Feldjägern (!), den TETRA-BOS-Digitalfunk. Hierüber sind (nach hoffentlich sinnvoll abgewogener Geräteprogrammierung – d.h. Fleetmapping für die insgesamt hinterlegten und manuell somit einstellbaren Sprechfunkgruppen – außerhalb einer zusätzlichen telefonähnlichen Direktwahloption) sämtliche „behördlichen“ Organisationen mit öffentlichen Sicherheitsaufgaben (BOS), also auch die lokal zuständige Polizeidienststellen direkt über Funk kontaktierbar.[….]
Kurze und knappe Antwort:
Nein die BwF kann sich nicht auf die Integrierten Leitstellen und deren digitales Netz aufschalten.
Ist auch nicht deren Auftrag.
Es gibt vereinzelt BwF die Aufgrund ihrer Lage, die kommunalen FFw unterstützen jedoch nicht alle!
Lieber Jupp Posipal
haben Sie sich die Mühe gemacht die 102 Kommentare vorher durchzulesen?
Sie schreiben aus der Perspektive der Polizei. Wenn das Ihre Ansicht ist schließe ich daraus, dass man auch innerhalb der Polizei diese Meinungen haben könnte, dann bin ich schockiert. Das erklärt dann auch wieso das scharfe Feuer auf unsere Soldaten eröffnet wurde.
Mir fehlen die Worte.
Sie sind beredes Beispiel, wie weit sich die Gesellschaft von ihrer Bundeswehr entfernt hat
Nicht nur die BwF hat TETRAPOL-Geräte, auch die VKdo der TerrVbdgOrg, allerdings ist die Nutzung – schwierig. Vorgesehen ist die Einbindung in das BOS-Netz bei großen Schadenlagen, allerdings muß das im Einzelfall zentral beantragt werden und die Genehmigung und die Aufschaltung können dauern.
Zudem sind die Geräte je nach Politik der Landeskommandos nicht in der Fläche ausgebracht.
Also: wenn man wollte könnte man. Im übrigen wäre es interessant zu erfahren in wie weit die BVK/KVK im Übungsraum mit eingebunden wurden, denn die hätten Informationsfluß abgesichert.
@Thomas Melber, richtig. Entweder schaltet man entsprechende (Führungs) Gruppen zusammen bzw lässt schalten oder nutzt entsprechend offene Gruppen auf die alle berechtigt sind. Was aber nur hilft wenn man sich im Vorfeld auf die Nutzung solcher Gruppen verständigt hat und die gezielt auf einen Gerät schaltet.