Diskussion mit Ole Nymoen: Was ist mir dieses Land wert?
Im Rundfunk Berlin Brandenburg (RBB) habe ich fast eine Stunde lang mit dem Autor Ole Nymoen diskutiert – sein Buch Warum ich niemals für mein Land kämpfen würde kommt nächste Woche heraus, und der programmatische Titel zeigt schon, wo die Diskussionslinien laufen.
Die Diskussion im RBB-Programm Radio3 gibt es hier zum Anhören:
Die Debatte mit Ann Kristin Schenten, Ole Nymoen und Thomas Wiegold
Aufrüsten in der neuen Weltordnung – mit Wehrpflicht?
Zur Erinnerung: ich selbst bin, das ist bekannt, anerkannter Kriegsdienstverweiger. Aber der Unterschied in den Ansichten von Nymoen und mir verläuft an einer ganz anderen Stelle. Deutlich wird das an einem Zitat aus seinem Buch:
Staaten sind für mich Herrschaftskonstrukte, deren Existenz für die Untertanen alles andere als funktional ist. Der Staat ist kein Dienstleister am Volk, der gnädigerweise Sicherheit und andere Wohltaten gewährt, sondern spannt umgekehrt seine Bürger für die eigenen Zwecke ein, von denen sie oftmals wenig haben.
Da habe ich halt ein anderes Staatsverständnis. Das wird auch beim Hören der Diskussion deutlich.
(Foto: Screenshot der Ankündigung auf der RBB-Webseite)
@AoR
Wo sehen Sie denn hier konkret Beleidigungen gegen Herrn Nymoen? Eine Beleidigung ist immerhin eine Straftat nach § 185 StGB. Solche Vorwürfe sollte man nicht leichtfertig erheben.
@hindsight
Es ist gut belegt, dass Russland die Ukraine 2022 auch deshalb angriff, weil man sie für ein leichtes Ziel hielt, das man in wenigen Tagen besiegen könne. Eine glaubwürdige nukleare Abschreckung durch die Ukraine hätte diese Entscheidungsgrundlage nahezu sicher in eine für die Ukraine günstigere Richtung verändert.
Die von Herrn Nymoen propagierte Wehrlosigkeit würde aus dem gleichen Grund einen russischen Angriff auf Westeuropa wahrscheinlicher machen, falls sich solche Ansichten hier durchsetzen sollten. Historische Präzedenzfälle zeigen, dass der sicherste Weg zum Frieden in Europa im Angesicht eines aggressiv agierenden Russlands ein wehrhaftes Westeuropa ist, das nicht aggressiv agiert, zugleich aber keinerlei Zweifel daran lässt, dass auf einen Angriff eine harte Reaktion folgen würde.
@Y-998201
Man kann durchaus sowohl gegen die Anbiederung an den Gegner seitens der erwähnten Personen als auch gegen das Propagieren von Wehrlosigkeit gegenüber diesem Gegner durch andere Personen sein, Das schließt sich gegenseitig keinesfalls aus, zumal beide Handlungen im selben Resultat münden würden, falls sie erfolgreich wären,
Ich bin mir weiterhin sehr sicher, das strategische Nuklearwaffen nicht mit dem Grundgesetz vereinbar sind.
strategische Nuklearwaffen, werden immer auch eine unverhältnismäßig große Anzahl Zivilisten, auch Kinder, so wie schützenwerte Gebäude, mit vernichten. Damit stehen die ungewollten Schäden in keinem Verhältnis zu dem gewollten, zu erzielenden, militärischen Effekt.
taktische Nuklearwaffen wie jetzt, die man auf große Truppenverbände abwirft sind das eine, aber ein strategischer Angriff mit Massenvernichtungswaffen geht aus meiner Sicht nicht.
Rache ist auch kein Rechtfertigungsgrund.
daher bin ich gegen eine eigene nukleare Aufrüstung Deutschlands.
@Alfred Maynard
Das Thema wurde zuletzt in den 1980ern diskutiert. Soweit ich die Diskussion kenne, gab es beim Thema Nuklearwaffen keine prinzipiellen Probleme mit dem Grundgesetz oder entsprechenden Änderungsbedarf dort. Es gibt allerdings nach Interpretation einiger Völkerrechtler Probleme, einen Nuklearwaffeneinsatz mit dem Humanitären Völkerrecht zu vereinbaren. Die praktische Antwort darauf war es angesichts der existenziellen Bedrohung, die durch nukleare Abschreckung abgewehrt werden sollte, an der Abschreckung festzuhalten und das Risiko ggf. nach einem Einsatz erfolgender völkerrechtlicher Kritik zu akzeptieren. Es gibt dafür auch ein gutes ethisches Argument, da man die nationale Existenz im Vergleich zur Befolgung einer von vielen Interpretationen des Völkerrechts als höheres Gut betrachten kann.
Ein gutes ethisches Argument gibt es m.E. auch für nukleare Abschreckung mit strategischen Nuklearwaffen. Die hier letztlich geforderte Wirkung ist ja nicht die militärische Vernichtung des strategischen Ziels, sondern die Abschreckung eines die potenziell die eigene Existenz gefährdenden Angriffs. Hier fällt die Beurteilung der Proportionalität schon anders aus. Dabei auf Kollateralschäden Rücksicht zu nehmen gibt dem Gegner zudem ein Mittel zur politischen Erpressung in der Hand. Wenn der Gegner solche Schäden vermeiden will, braucht er ja nur auf einen eigenen Angriff zu verzichten, was eine zumutbare Forderung darstellt. Außerdem kann der Gegner seine strategischen Ziele ja abseits von Bevölkerungszentren verlegen. Mögliche Kollateralschäden sind daher sein völkerrechtliches und ethisches Problem und nicht unseres, solange wir einen Angriffskrieg unsererseits ausschließen.
@Spatengänger: Das Derailing brauchen wir jetzt nicht.
@alfred Maynard: 2+4 Vertrag
> Warum ich niemals für mein Land kämpfen würde
Die Antwort ist einfach. Warum sollte ich für das organisierte Staatsverbrechen, das mich versklavt hat und zwingt, unter seiner Herrschaft zu leben, jetzt auch noch kämpfen und andere ermorden, um seine illegitime Macht zu sichern?
Nein. Ganz sicher nicht!
[Ist ja gut, die Trolle kommen aus den Löchern, aber warum sind die immer intellektuell so überfordert? T.W.]
@Sklave
Sie sind nicht dazu gezwungen, in Deutschland zu leben, sondern genießen als deutscher Staatsbürger unbeschränkte Reisefreiheit, d.h. Sie dürfen das Land jederzeit für beliebige Dauer verlassen. Falls Sie ein dringendes Bedürfnis danach verspüren sollten, z.B. unter russischer Herrschaft zu leben, unterstützt Sie das Bundesverwaltungsamt sogar bei der Verwirklichung dieses Traums:
https://www.bva.bund.de/DE/Das-BVA/Aufgaben/A/Auswanderer_Auslandstaetige/_documents/Laenderauswahl/Laender_Russland_Inhalt.html
Nachdem ich jetzt auch das gesamte Interview gehört habe:
Herr Ole Nymoen verteidigt seinen persönlichen Standpunkt rhetorisch durchaus gut. Auch wenn man diesen nicht teilen muss.
Als meinungsoffener Mensch hätte ich nur ein Problem damit wenn er die Überzeugungen anderer verteufeln würde. Aka „Alle Soldaten sind Mörder“. Was er nicht macht.
Auch höre ich heraus das in einem wie auch immer gearteten „Ernstfall“ er durchaus sozialen Diensten für sein Land nicht abgeneigt wäre.
Alles völlig in Ordnung.
Interessant im Interview noch die Anmerkung von THOMAS WIEGOLD das im V-Fall die Wehrpflicht in der „alten“ Form wieder eingführt würde.
Ich frage mich im jetzt und heute in der Tat was das denn für ein Chaos werden würde.
Nicht nur gibt es von ehemaligen Zeitsoldaten keine kompletten Datensätze mehr ( online UND offline ). Nein, auch alle Daten von Wehrpflichtigen sind weg.
DAS MÖGLICHE SZENARIO KÖNNTE MAN MAL IM NÄCHSTEN Sicherheitshalber Podcast DISKUTIEREN.
Wäre bestimmt sehr kurzweilig :-)
Und ja, auch ich habe besorgt die Aussage von Prof. Neitzel gehört das aufgrund dieses „Manövers“ demnächst in Belarus dieser Sommer der letzte im Frieden sein könnte.
Das waren tatsächlich seine Worte…
Glückwunsch nochmal an T.W. für das neue rauchfreie Leben.
Anhand von Freunden weis ich wie schwer das ist.
@Sklave:
Das ist eine Frage, die man im heutigen Russland offenbar nur sehr vereinzelt noch öffentlich zu stellen bereit ist. Denn es sind ja bekanntlich hauptsächlich russische Soldaten gewesen, die seit Februar 2022 kämpfen und morden, um die Ukraine unter die Macht Russlands zu zwingen…
Da könnte man, selbst wenn man staatliche Macht an und für sich bereits als illegitim betrachtet, eigentlich ja durchaus doch Abstufungen erkennen und einräumen, dass ein Staat, der andere Staaten und ihre Bevölkerung mit Krieg und Zerstörung überzieht, eventuell doch das unmittelbar dringendere Problem sein dürfte.
Was ist mir dieses Land wert ?
Nun offensichtlich nichts !
Herr O. N. gaukelt hier eine Theorie vor ,die eine Überhöhung des Individuum beinhaltet die dann letztlich im Chaos oder noch passender in Anarchie enden wird .Dabei sind seine Gedanken nicht neu und kommen mir sehr bekannt vor. Als ehemaliger Jungaktivist in der IG -Metall sowie politisch interessierter Mensch ,begriff ich sehr schnell das ähnliche Diskussionen mit meiner Lebenswirklichkeit schon damals nicht viel gemein hatten .
In dieser Zeit entstand auch das „Igitt “ zur Rüstungsindustrie und erst recht zur Bundeswehr . In unserer Abiturklasse ( Fachoberschule für Elektrotechnik) galt das Motto : bloß kein Studium oder Job in der Rüstungsindustrie ! Wie sehr diese Einstellung bis Heute nachwirkt ,konnte man bei Borussia Dortmund und dem Versuch des Werbeeintritts von Rheinmetall sehen.
Vielleicht fehlte mir auch nur der Intellekt ? Und so absolvierte ich dann mit Überzeugung meinen W 15 Dienst .
Um es mit den Worten von Tobias Lindner ,in seiner Beschreibung dieser Zeit, zu sagen : Nur die Doofen gingen zu Bundeswehr !
Gruß und nochmals Danke für dieses Forum