Lesehinweis: Abschlussbericht der Afghanistan-Enquete
Aus Gründen (vorerst) nur der Lesehinweis: die Enquete-Kommission Lehren aus Afghanistan für das künftige vernetzte Engagement Deutschlands hat am (heutigen) Montag ihren Abschlussbericht vorgelegt. Die 115 Seiten stehen als Bundestagsdrucksache hier zur Verfügung.
Wenn die letzte Sitzungen des Deutschen Bundestages in dieser (verkürzten) Legislaturperiode aus naheliegenden Gründen nicht implodieren, dann wird am Freitag, 31. Januar ab 10:20 unter TOP 18 die Drucksache 20/14500 beraten. Die Rednerinnen und Rednerliste zu diesem Tagesordnungspunkt ist noch nicht eingestellt. Wird es in Wahlkampfgelaabere ausarten?
Bei der Gelegenheit. Dank an die Mitglieder und dem Sekretariat der Enquete; gute Arbeit bei einem „über den Haufeb geworfenen“ Zeitplan. Zwischenbericht war ebenso sehr ok. Dank auch an die beiden Kirchen, die mit ihrem Blick auf den ISAF Einsatz immer wieder wichtige Perspektiven eingebracht haben.
https://www.ekd.de/kirchen-mahnen-als-lehre-aus-afghanistan-mehr-ehrlichkeit-an-80036.htm
Aus dem Bericht:
„Grundsätzlich fehlte eine realistisch umsetzbare kohärente Strategie, die Ziele waren sehr hoch gesetzt, und es mangelte an einer fortlaufenden und selbstkritischen Bestandsaufnahme.“
Leider kam dieser Bericht und diese Erkenntnis zu spät für die UKR…
Denn dieser Satz könnte auch am Beginn eines Berichts zur Unterstützung der UKR stehen…
Hoffentlich lernen zukünftige Politiker
bei kommenden Krisen aus dieser Erkenntnis… wobei ich da so meine Zweifel habe…
Sondervotum von u.A. Carlo-Antonio auf Seite 60f für einen NSR.
Danke an alle Beteiligte demokratischer Parteien!
20 Jahre Afghanistan Einsatz was hat es Gebracht?
Da fällt mir auf Facebook spontan Anni’s Farm ein.
@Rainer Schäfer sagt: 28.01.2025 um 9:29 Uhr
„20 Jahre Afghanistan Einsatz was hat es Gebracht?“
Ja, nix hat es gebracht. das ist die Quintessenz dieses Berichtes in Klartext formuliert. Aber keine Sorge, der Bericht geht in der Öffentlichkeit inmitten des Wahlkampfgetöses sang- und klanglos unter.
Spätestens beim nächsten Einsatz werden die selben Fehler wieder gemacht. Die Afghanistan- und Mali-Veteranen sind dann entweder weg oder die generelle Einsatz-Demenz hat eingesetzt. Die Lernkurve unserer Politiker ist nicht so besonders groß.
Trotzdem halte ich diese Aufarbeitung für wichtig, niemand kann hinterher behaupten, er habe dieses oder jenes nicht gewusst.
@Felix2 UKR und AFG sind ja wohl (aktuell noch) sehr unterschiedliche Situationen. Ich finde es aber gut, die Lehren und Erkentnisse aus AFG für die Zukunft in alle relevanten dipolmatischen / militärischen Angelegenheiten zu berücksichtigen.
Vielen Dank an alle Autorinnen!
@LeDoctor, ja UKR und AFG sind verschiedene Situationen.
Und doch macht man den gleichen Fehler nicht zu wissen was man als Ziel haben will (Ukraine (langsam) verlieren lassen, hoffen das man länger die UKR unterstützen kann als Russland angreifen will, die UKR klar befähigen ihre Grenzen von 20XX wiederherzustellen) und nicht laufend prüft ob das man konkret tut auch zur Zielerreichung beiträgt.
Es werden doch die falschen Maßstäbe angelegt, schließlich war Afghanistan faktisch egal; den Amerikanern wie gefordert im „global war on terror“ (GWOT) beistehen, um den strategischen Verflechtungen Tribut zu zollen, darum ging es. Und das haben wir bis zum bitteren Ende 2021 durchgezogen. Aber um das leisten zu können, mussten Gerd Schröder und Joschka Fischer 2001 eine Feigenblatt-Mission erfinden: ISAF für‘s Wohlbefinden, damit rot-grüne HinterbänklerInnen im Paket auch die Beteiligung an der robusten Anti-Terror-Operation „Enduring Freedom“ mittragen konnten. Wenn es in Deutschland offene Strategiedebatten gäbe, hätte man sich den Zauber sparen können, aber die Ziele der tatsächlichen, leider klandestinen nationalen Strategie sind erreicht worden. Dafür war der ISAf/RS-Einsatz nur Mittel zum Zweck, dessen kleine Erfolge in Sachen gesellschaftlicher Aufbau dazu dienten, die politische Unterstützung daheim zu erhalten. On the ground gab es diese Unterscheidung von dort „gute ISAF-Mission“ vs da „böse OEF“ nicht. Wieder ein Beispiel für: Zugunsten kurzfristiger polit-taktischer Erfolge langfristig massiv strategische Glaubwürdigkeit verspielt. Obwohl diese doch um jeden Preis zu schützen sei. Zentrum der Kraftentfaltung und so.
“ On the ground gab es diese Unterscheidung von dort „gute ISAF-Mission“ vs da „böse OEF“ nicht. “
Die USA haben direkt nach der Tötung von Osama bin Laden das Ende von ISAF eingeleitet und mit Enduring Freedom den Krieg konsequent afghansiert. Sieht man auch in den drastischen Truppenreduzierungen zu der Zeit.
@someone sagt: 28.01.2025 um 23:41 Uhr
„Die USA haben direkt nach der Tötung von Osama bin Laden das Ende von ISAF eingeleitet und mit Enduring Freedom den Krieg konsequent afghansiert. Sieht man auch in den drastischen Truppenreduzierungen zu der Zeit.“
Und dann kam resolute Support und die Franzosen haben ihre Truppen abgezogen. Leider hat DEU diesen Zeitpunkt zum Absprung verpasst. Zu holen im Sinne von erfolgreich Ziele verfolgen (nation building etc.) und gar erfüllen war da schon lange nicht mehr. drin. das war reine Politik, die die Bundeswehr und andere Organisationen in fast nibelungenartiger Treue zu den USA dort gehalten hat.
Nur damit wir uns seit 2018 vom aktuellen US-Präsidenten als sicherheitspolitische Schmarotzer beschimpfen lassen. Selbst dafür hat es nicht getaugt.
Ja, das stimmt,
Wobei mich viel mehr ärgert, dass sogenannte Sicherheitsexperten von angeblich angesehenen Think Tanks seit drei Jahren unwidersprochen durch die Medien tingeln und denselben Mist verzapfen. Hat schon kampagnenhaften und propagandistischen Charakter, der völlig falsche Vorstellungen erweckt.
Ich sehe auch nicht, um auf Afghanistan zurückzukommen, wie ein aufgewerterter nationaler Sicherheitsrat einen großen Unterschied gemacht hätte. Die Bedingungen in Afghanistan waren bekannt. Gegen den Zeitgeist in den Nullerjahren, dass sich Demokratie amerikanischer Art fast wie von selbst durchsetzt, hätte er sich auch nicht gestemmt. Ihn eher noch befeuert und verstärkt. Abgesehen davon, dass Deutschland eh‘ nur ein Hilfskontingent war und die USA bestimmten, wo es langgeht. Nationaler Sicherheitsrat hin oder her.
Außerdem haben die USA einen Nationalen Sicherheitsrat, Die deutsche Version ist ja nur eine Kopie davon. Dieser hat sie von keinem ihrer verkorksten Abenteuer abgehalten, sondern nur die Legitimation und Argumente geliefert. Ein deutscher Abklatsch würde genau dasselbe tun.
@TW
Vielen Dank. Darauf habe ich schon lange gewartet.
Als sicherheitspolitischer Trittbrettfahrer ist Deutschland in den USA schon vor Trump bekannt & benannt gewesen, man hat daraus aber keine populistischen Narrative („Wir gegen die“) gestrickt. Aber Deutschland hat sich seit spätestens 1998 gesagt, dass das militärische Instrument der Macht sowas von „out“ ist, dass man über die Amis (natürlich heimlich) nur lachen kann. Wettbewerbsfähigkeit vor Abschreckung, Effizienz vor Resilienz, Gier heute vor Sicherheit morgen. Das Denken von CEOs im Sinne des shareholder value als Blaupause für Mandats- und AmtsträgerInnen. Ist ja noch immer nicht wirklich aus der Mode gekommen.
Bezüglich DEU NSC: Passt zu dem Ansatz einer performativen Politik, Herausforderungen eine amtliche Telefonnummer zu geben, unter der man Problem-Beauftragte erreichen kann. Wenn aber das Problem gleichzeitig meine Tätigkeitsbeschreibung ist, werde ich wohl kaum eine ultimative Lösung des Problem herbeisehnen, dann wäre ich ja überflüssig. Aber kurzfristig super: Deutschland hat ein Sicherheitsproblem? Dann ist ein/e nationale/r Sicherheitsberater/in als Kopf einer neuen Behörde doch ne gute Sache. Kostet auch weniger als eine tatsächliche gesamtstaatliche Sicherheitsvorsorge, ggf kann man die Räumlichkeiten der SWP einfach umwidmen, denn mehr als Büroräume, IT, Kaffeemaschinen und ein paar in „Problem Admiration“ geschulte AkademikerInnen braucht es ja nicht. Wie wir den Kalten Krieg ohne sowas überstanden haben? Damals gab es in der BRD ganz offen AB-Maßnahmen. Heute muss man kreativer sein.
Ein bisschen OT:
Der Deutsche Bundestag hat am gestrigen Donnerstag, 30. Januar 2025, zwei Mandate für Auslandseinsätze der Bundeswehr im Mittelmeer vorzeitig bis Ende November 2025 verlängert, siehe hierzu: https://www.bundestag.de/dokumente/textarchiv/2025/kw05-de-bundeswehr-sea-guardian-eunavfor-med-irini-1035042
@Hausherr: Vllt. berichten Sie hierüber noch gesondert?
[Völlig OT hier, aber Meldung kommt noch – der Bundestag hat noch technische Schwierigkeiten, die Abstimmungsergebnisse nach Fraktionen aufbereitet zu veröffentlichen; das hätte ich natürlich gerne dann dabei. T.W.]
Ich halte die Aufarbeitung ebenfalls für sehr gut, insbesondere weil es nicht so gut gelaufen ist. U.a. um daraus für zukünftige Missionen Erfahrungen abzuleiten und Fehler nicht zu wiederholen.
Aber machen das andere Länder ebenfalls so kompliziert? Meine Subjektive Wahrnehmung ist, dass man Soldaten zu einer Mission schickt, um seinen politischen Willen resp. Einfluss wahrzunehmen.
Es muss doch nicht immer ein herzzerreißender und weltfrieden-bringender Grund dahinter stecken, der auch noch dem allerletzten Bürger einleuchten muss. Das machen die USA, Frankreich, GB, etc. doch auch nicht, oder? Man hat den politischen Bedarf tätig zu werden und startet die Mission.
Das wäre ja so als ob mich mein Bäcker jedesmal Fragen würde, warum er ausgerechnet heute mir diese Menge und Sorte Brötchen verkaufen müsse.