Europäische „Deep Precision Strikes“: Großbritannien und Schweden treten bei (Update)
Die europäische Initiative zur Entwicklung einer weit reichenden Präzisionsbewaffnung wird um Großbritannien und Schweden (Update) verstärkt. Und: die USA suchen nach Wegen, ihre mobilen Mittelstreckenwaffen noch ein bisschen mobiler zu machen.
Der britische Verteidigungsminister John Healey kündigte am (heutigen) Donnerstag, quasi am Rande des Treffens der NATO-Verteidigungsminister, die Beteiligung seines Landes an dem European Long-Range Strike Approach (ELSA) an:
The UK will also take part in the European Long-range Strike Approach programme. Working alongside international allies, France, Germany, Italy, and Poland, the UK will develop new cutting-edge long range missile capabilities, with the project expected to play a key role in Europe’s defence by the 2030s. The move underlines the Government’s desire to work closer with European allies on key areas of security.
Das Programm, mit dem die europäischen NATO-Länder ihre eigene weit reichende Präzisionsbewaffnung (Deep Precision Strikes) entwickeln und beschaffen wollten, hatten Deutschland, Frankreich, Italien und Polen im Juli am Rande des Gipfels der Allianz gestartet. Es wurde – und wird – allerdings hierzulande weniger öffentlich beachtet und diskutiert als die damals zeitgleich angekündigte Stationierung von US-Mittelstreckenwaffen in Deutschland – obwohl die Stationierung im Rahmen einer Multi-Domain Task Force (MDTF) erheblich kleiner ausfallen wird als das, was die Europäer beabsichtigen.
Update: Ganz übersehen, dass ebenfalls am 18. Oktober Schweden seinen Beitritt zu der europäischen Initiative erklärt hatte. Vom schwedischen Verteidigungsminister Pål Jonson:
Sweden joins European Long Range Strike Approach (ELSA), an initiative to jointly develop a ground launched cruise missile. During the Nato Defense Ministers Meeting, I had the opportunity to sign the letter of intent to make Sweden a part of this initiative. (1/3) pic.twitter.com/71myCrZF8B
— Pål Jonson (@PlJonson) October 18, 2024
Während die US-Planung mit voraussichtlich vier Startgeräten in der in Deutschland vorgesehenen MDTF von einigen zum Zankapfel einer US-Raketenrüstung in Europa hochstilisiert wird, arbeiten die US-Streitkräfte daran, die vorgesehenen Systeme kleiner und damit mobiler zu machen. Das US-Blog The War Zone berichtet unter Berufung auf Militäraussagen:
The U.S. Army is already interested in scaling down its new Typhon ground-based missile system, if possible, to help make it easier to deploy and operate. The service only sent Typhon, which currently uses large tractor-trailer launchers to fire Tomahawk cruise missiles and SM-6 multi-purpose missiles, overseas for the first time to the Philippines earlier this year.
Kernaussage: bei diesen Mittelstreckenwaffen geht es den USA darum, sie möglichst schnell verlegen zu können. Das Verständnis, sie würden ja in Wiesbaden stationiert, müsste damit schon ein wenig hinterfragt werden.
Na das ist doch mal ne gute Nachricht.
Schön die Briten dabei zu haben
„Das Verständnis, sie würden ja in Wiesbaden stationiert, müsste damit schon ein wenig hinterfragt werden.“
:
Eine Frage an den Hausherrn T.W.
Der Bezug dieses Textes erschliesst sich mir nicht.
Das 56th Artillerie Command HQ ist zwar in der Tat seit 2021 reaktiviert in Mainz Kastel.
Da befindet sich aber die Kommandozrntrale. Wie auch im kalten Krieg sind dort keine Raketen, Marschflugkörper o. ä. zu finden sondern eben nur das HQ.
Danke für den Hinweis. Gut gesehen, ist in der Tat wichtig.
Ja, es stimmt auch: „Es wurde – und wird – … hierzulande weniger öffentlich beachtet und diskutiert“. Das aber hat Gründe. Die Politik will es nicht anders.
i) Was, welche Waffentypen, ELSA entwickeln will, ist ungesagt. Wahrscheinlich ist ein landgestützter Marschflugkörper. Doch eine Beschränkung darauf macht wenig Sinn, wenn es um europäische Souveränität geht.
ii) Ungesagt ist, auch in der jetzigen Meldung des britischen Defence Secretary, dass es (vermutlich) um landgestützte Systeme geht.
Es fehlt schlicht an der vorlaufenden strategischen Debatte, was Europa im Fall eines Abdriften der USA, braucht.
@Ökonom
Warum sollen die nur Landgestützt sein? Wenn ein Abschuss von See möglich ist, um so besser.
@Wolfgang Blau,
weil seegestützte CM schon im Arsenal sind. Die am schnellsten zu realisierende Idee scheint zu sein, daraus eine landgestützte Version abzuleiten.
Wörtliches Zitat Sarah Wagenknecht aus den Tagesthemen vom Sonntag, 20.10.2024:
„Es geht um die Mittelstreckenraketen die in Wiesbaden stationiert werden“
Irgendwie wird immer das Headquarter in Mainz-Kastel ( das in der Tat zu WI gehört ) mit dem tatsächlichen Stationierungsort verwechselt.
Noch dazu konstatives Futur, nicht die Zukunfts-Vielleicht-Form.
Es gibt in Wi nur zwei US-Standorte: Das Gelände mitten im Zentrum von MZ-Kastel. Und den Flugplatz WI-Erbenheim mit dem zugehörigen Hedaquarter der US Army Europe.
Beides aus vielen Gründen völlig ungeeignet für eine Stationierung von Mittelstreckenraketen.
Bei diesen Ungenauigkeiten fällt der Ausdruck „atomare Aufrüstung“ dann auch eher unter die Kategorie „behaupten wir jetzt mal“…
Für mich stellt sich bei der Entwicklung dieser Lenkflugkörper/Raketen vorwiegend die Frage der Leustungsparameter und der dafür notwendigen Technologie. Vor allem die Durchsetzungsfähigkeit bei moderner Flugabwehr halte ich für essentiel. Einen „klassischen“ unterschallschnellen Marschflugkörper sehe ich da eigentlich nicht. Sondern eher so ein Tyrfing-Design. Ich denke, dass Kongsberg. Diehl und MDBA Deutschland schon etwas leistungsfähiges zustande bringen sollten. Und warum dann nicht gleich auch einen Starter für den Landeinsatz entwickeln. Und wenn wir schon mal dabei sind: eine Integration in die F-35 – oder falls zu schwer in den A400m wäre ebenfalls hilfreich.
Na aber klaro werden die natürlich samt und sonders in Wiesbaden stationiert(!) Im Ernstfall klappt das Dach der Kurhaus-Kolonnaden hoch und die Säulen, die in Wirklichkeit getarnte Tomahawks sind, fliegen los(!) „In your face, Putin!“
Nee, also mir ist das langsam echt zu blöd. Warum Frau Wagenknecht solche Aussagen tätigt, dürfte vielleicht ihrem (primär ostdeutschen) Publikum bzw. Elektorat geschuldet sein, das mit Wiesbaden möglicherweise nicht viel anfangen kann
@Nachhaltig – die F35 hat mit JASSM-ER/XR bereits heute große „low-observable stand-off capabilities“. Was soll die Integration von irgendwas zusätzlichem bringen, außer enormen Zertifizierungskosten. Es sollten völlig zurecht die Lücken geschlossen werden die es gibt – landbasiert. Land hat es in Zentraleuropa genug…
@Azza: Ich gebe Ihnen Recht, dass zuerst die Lücken geschlossen werden sollten.
Der JASSM-ER/XR ist auch absolut state-of-the-art für Marschflugkörper und wir sollten uns genügend davon besorgen. Dennoch bezweifle ich, dass er es bei moderner Flugabwehr aufgrund seiner begrenzten Geschwindigkeit weit ins Hinterland schaffen würde, ohne abgeschossen zu werden. Oder aber einen finalen Zielanflug gegen ein Ziel mit Flugabwehr überwinden könnte.
Der andere Punkt ist folgender: Wenn Europa einen leistungsfähige landbasierten Langstreckenflugkörper entwickelt ist es absolut naheliegend dann auch dessen Integrierbarkeit in andere Plattformen in Betracht zu ziehen. Europäische Produktion halt. Ich verstehe beispielsweise nicht, warum man nicht die Meteor Rakete für den Start von Schiffen oder Land aus qualifiziert. Die Leistungsfähigkeit bei überschaubaren Dimensionen und Gewicht prädestiniert ihn aus meiner Sicht dafür. Im Vergleich beispielsweise zu SM-2, SM-6 oder Patriot.
Mag sein das ich mich täusche, aber braucht man für die JASSM-ER/XR nicht einen B1 Bomber?
Hier eine gute Erläuterung des Gesamtkonzepts, zur Rolle der LRF-Waffen der USA im Kontext der europäisch eigenständigen Pläne. Interview-Partner in der BW-selbstgemachten Reihe Nachgefragt: ist Brigadegeneral Keller
https://www.google.com/url?q=https://www.youtube.com/watch?v%3DpfyH1p9hsOY&source=gmail-imap&ust=1730912224000000&usg=AOvVaw3OcZgnSuvMxEmFTR-svAbV