Neuer gesteuerter Wehrdienst, Wehrpflicht-Debatte aufgeschoben

Verteidigungsminister Boris Pistorius hat seine Pläne für einen neuen, mit Auskunftsverpflichtungen gesteuerten und grundsätzlich freiwilligen Wehrdienst vorgestellt – und sieht die Debatte über eine Wehrpflicht oder auch eine Dienstpflicht auf die nächste Legislaturperiode verschoben. Vorerst ist nur vorgesehen, Männer verpflichtend zur Bereitschaft zum Wehrdienst zu befragen und gegebenenfalls zur Musterung vorzuladen. Ziel ist der Aufbau einer Reserve für die Bundeswehr, nicht das Schließen der Personallücke bei der aktiven Truppe.

Die allgemeine Wehrpflicht wird nicht wieder kommen, sagte Pistorius am (heutigen) Mittwoch in Berlin. Zudem werde die Bundeswehr nicht in der Größenordnung der Wehrpflicht vor 2011 Wehrpflichtige einziehen und ausbilden können, weil die Kapazitäten dafür nicht vorhanden seien.

Vorgesehen ist deshalb zunächst, alle rund 400.000 Männer sowie die gut 300.000 Frauen eines Geburtsjahrganges im Alter von 18 Jahren anzuschreiben und nach ihrem Interesse an einem Dienst in der Bundeswehr und nach Fähigkeiten und Ausbildung zu befragen. Die Männer müssen, die Frauen können diesen Fragebogen beantworten. Zwischen 40.000 und 50.000 der antwortenden Männer sollen zu einer – verpflichtenden – Musterung vorgeladen werden. Davon wiederum sollen zunächst rund 5.000 als Wehrdienstleistende für mindestens sechs Monate eingezogen werden, sich aber auch länger verpflichten können.

Dieser Wehrdienst bleibt allerdings vorerst freiwillig – nicht zuletzt, weil die Bundeswehr damit rechnet, dass eine ausreichende Zahl von Freiwilligen zusammenkommt. Faktisch sei das ein Auswahlwehrdienst für die am fittesten und geeignetsten, sagte Pistorius. Bestimmt werde der Umfang durch die Möglichkeiten der Streitkräfte, diese Wehrpflichtigen aufzunehmen, auszubilden und auszurüsten.

Pistorius machte klar, dass er auch für weitergehende Pflichten sei. Allerdings geht es für ihn jetzt in erster Linie darum, vor der Bundestagswahl im Herbst 2025 eine Regelung zu schaffen, die von der Koalition getragen wird und mit den Möglichkeiten der Bundeswehr in Einklang sei. Er habe derzeit keinen Anlass zu der Annahme, dass sich nicht genügend Freiwillige melden würden, sagte der Minister. Wenn das nicht mehr der Fall sei, müsse man aber aber auch über verpflichtende Optionen nachdenken.

Eine allgemeine Dienstpflicht oder eine Wehrpflicht auch für Frauen wäre nach Pistorius Worten kein Thema, das vor der Wahl geklärt werden könnte. Eine Grundgesetzänderung, die insbesondere für eine Wehrpflicht auch für Frauen nötig wäre, brauche Zeit und sei bis zum kommenden Jahr nicht zu schaffen. Die für die jetzt geplanten Änderungen nötige Neufassung des Wehrpflichtgesetzes soll nach Angaben des Ministers im Herbst ins Parlament eingebracht werden und möglichst vor der Sommerpause 2025 verabschiedet werden. Der neue Wehrdienst würde damit ab 2025 möglich.

Die Konzeption des neuen Wehrdienstes zielt nach den Worten des Ministers ausschließlich darauf, eine Reserve für die Streitkräfte zu schaffen – und soll eben nicht dafür da sein, die aktive Truppe zu verstärken. Wehrpflichtige können niemals stehende Steitkräfte dauerhaft ersetzen, sagte Pistorius. Dem stehe schon die Komplexität moderner Waffensysteme entgegen. Als Nebeneffekt von mehr Wehrdienstleistenden hoffe er aber auch auf mehr Interesse an einer dauerhaften Verpflichtung in der Bundeswehr.

Pistorius nannte auch die Kosten für das neue Wehrdienstmodell: 5.000 Wehrdienstleistende kosten nach seinen Angaben 1,4 Milliarden Euro pro Jahr, einschließlich der Infrastruktur. Für den Haushalt des kommenden Jahres, in dem dieses Modell beginnen soll, sei es aber noch nicht relevant.

(wird ggf. ergänzt)

Die komplette Pressekonferenz des Ministers zum Nachhören:

Pistorius_BPK_Wehrdienst_12jun2024     

 

(Archivbild Mai 2010: Wehrpflichtige an einem Maschinengewehr MG3 in der Allgemeinen Grundausbildung in der Ferdinand-von-Schill-Kaserne in Torgelow – Thomas Koehler/photothek.net)