NATO-Truppen rollen durch Deutschland: „Wir werden der Bevölkerung einiges zumuten“

Mit ihren laufenden Großübungen werden NATO und Bundeswehr in den kommenden Wochen in Deutschland deutlich mehr sichtbar sein als bisher. Mit Konvois auf den Autobahnen und Schienentransporten werde das Übungsgeschehen Einfluss haben auf den Alltag in Deutschland, kündigte Bundeswehr-Generalinspekteur Carsten Breuer an. Die Bundesrepublik habe als Drehscheibe für das Bündnis eine Schlüsselrolle bei Truppenaufmärschen für die NATO-Ostflanke.

Hintergrund ist die Großübung Steadfast Defender 24 der Allianz, bei der der Aufmarsch aller NATO-Partner für einen Bündnisfall im Osten des Bündnisses geprobt wird. Die Übung hatte zwar bereits im Januar begonnen, in den nächsten Wochen werden sich die Transporte von Soldaten und Gerät für die größte NATO-Verlegeübung seit dem Kalten Krieg aber im deutschen Alltag zeigen.

In den kommenden Wochen werden wir der Bevölkerung schon einiges zumuten, räumte Breuer am (heutigen) Montag in Berlin ein. Gemeinsam mit dem Aufmarschkommando der NATO, dem Joint Support and Enabling Command (JSEC) in Ulm, warb der Generalinspekteur um Verständnis für mögliche Behinderungen vor allem auf den Straßen. Der JSEC-Befehlshaber, der deutsche Generalleutnant Alexander Sollfrank, verwies auf die Notwendigkeit, Transporte und Nachschub für die Verteidigungspläne des Bündnisses zu üben: Ohne Munition, ohne Betriebsstoffe … werden die Pläne nur mit großen Schwierigkeiten zu erfüllen sein.

Bei Steadfast Defender mit insgesamt rund 90.000 Soldaten und Soldatinnen aus Nordamerika und Europa ist die Bundeswehr mit 12.000 Soldaten einer der größten Truppensteller. Während die ersten Übungsteile mit deutschen Gebirgsjägern in Norwegen in Deutschland kaum bemerkbar waren, dürfte sich das mit dem Durchmarsch zum Beispiel von US-Truppen, aber auch Bundeswehreinheiten quer durch die Bundesrepublik in den nächsten Wochen ändern.

Die deutsch geführten Übungen unter dem Oberbegriff Quadriga 2024 sollten dabei die Bedeutung von Geschwindigkeit und effektiver militärischer Mobilität als Beitrag zur Abschreckung deutlich machen, sagte Breuer. Damit sei die Kriegstüchtigkeit, wie sie vor allem Verteidigungsminister Boris Pistorius gefordert hatte, deutlich angekommen.

Breuer wie Sollfrank räumten ein, dass für eine wirklich effiziente Verlegung von Truppen durch die Drehscheibe Deutschland noch längst nicht alle Bedingungen erfüllt seien. So geht das Übungsszenario zwar von einem Bündnisfall der NATO aus und unterstellt auch, dass in Deutschland die gesetzlichen Regelungen für den Verteidigungs- oder Spannungsfall gelten, die zum Beispiel die Genehmigungen für Großtransporte auf den Straßen vereinfachen.

Allerdings ist es das Ziel von Bundeswehr und NATO, bereits zuvor, wenn noch nicht der erste Schuss gefallen ist, schnell Truppen an die NATO-Ostflanke zu verlegen, um eine glaubhafte Abschreckung zu demonstrieren. Dafür arbeiteten zum Beispiel Deutschland, die Niederlande und Polen an einem Korridor für militärische Mobilität, sagte Sollfrank. Dabei gehe es um Dinge, die wir über Jahre verlernt haben, gab Breuer zu. Das dauert einen Augenblick.

Breuer und Sollfrank vor der Bundespressekonferenz zum Nachhören:

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(Foto: Breuer, r., und Sollfrank vor der Bundespressekonferenz – Florian Gärtner/photothek.de)