Abgehörtes Taurus-Gespräch über Schwachstelle Singapur – Vorermittlungen gegen Luftwaffenoffiziere (mit Audio)

Das von russischen Staatsmedien veröffentlichte vertrauliche Gespräch hoher Bundeswehroffiziere über den Taurus-Marschflugkörper wurde bei der ungesicherten Zuschaltung aus Singapur abgehört. Die bisherigen Ermittlungen hätten ergeben, dass ein Teilnehmer aus seinem Hotel nicht das vorgeschriebene Einwahlverfahren genutzt habe, sagte Verteidigungsminister Boris Pistorius. Die Kommunikationssysteme der Bundeswehr selbst seien offensichtlich nicht kompromittiert worden.

Pistorius äußerte sich am (heutigen) Dienstag zu den ersten Ermittlungsergebnissen des Militärischen Abschirmdienstes (MAD). Die Telekonferenz hoher Luftwaffenoffiziere, darunter auch Inspekteur Ingo Gerhartz, hatte vermutlich am 19. Februar stattgefunden. Darin hatten die Fachleute mögliche Optionen für den Fall erörtert, dass auf politischer Ebene eine Entscheidung für die Lieferung der Taurus an die Ukraine fallen sollte – was inzwischen von Bundeskanzler Olaf Scholz mehrfach ausgeschlossen wurde.

Die Überprüfung des MAD habe ergeben, dass das Konferenzsystem WebEx, das die Bundeswehr auf ihren eigenen Servern hostet, nicht angegriffen worden sei, sagte Pistorius. Der Mitschnitt sei durch einen individuellen Anwendungsfehler möglich geworden, weil die Verbindung nach Singapur nicht gesichert oder verschlüsselt gewesen sei. Ob dafür einfach ein Mobiltelefon oder das WLAN des Hotels genutzt wurde, werde noch geprüft.

Aus Singapur zugeschaltet hatte Brigadegeneral Frank Gräfe, Abteilungsleiter Einsatz im Luftwaffenkommando, an der Besprechung teilgenommen. Der Minister wies darauf hin, dass der Offizier zu der Zeit die Singapore Air Show besucht habe: Alle ausländischen Teilnehmer an dieser Veranstaltung seien im Visier der Nachrichtendienste gewesen, ihre Hotelzimmer wurden vermutlich flächendeckend abgehört. Deshalb sei der Mitschnitt genau dieser Konferenz ein Zufallstreffer.

Für weitere Untersuchungen würden nun alle bei dem Gespräch benutzten Endgeräte forensisch untersucht, kündigte Pistorius an. Zudem werde juristisch geklärt, ob in der Besprechung Inhalte zur Sprache kamen, deren Geheimhaltungsgrad andere Kommunikationswege erfordert hätte. Das Konferenzsystem WebEx ist selbst bei Nutzung über Rechenzentren der Bundeswehr und gesicherten Einwahlverbindungen nur bis zum Geheimhaltungsgrad Verschlusssache – Nur für den Dienstgebrauch zugelassen, nicht für höhere Einstufungen wie Vertraulich oder Geheim.

Pistorius hatte nach eigenen Angaben am Dienstagmorgen disziplinare Vorermittlungen gegen alle Teilnehmer der Besprechung freigegeben. Für Generale ist dafür die Ermächtigung des Ministers erforderlich. Das bedeute keineswegs, dass damit bereits klar sei, dass die Beteiligten gegen Vorschriften verstoßen hätten, betonte Pistorius. Bei der Vorermittlung, die sich auch gegen den Luftwaffeninspekteur richtet, solle zunächst nur festgestellt werden, ob es überhaupt ein Dienstvergehen gegeben habe.

Das ist ein normaler Vorgang, sagte der Minister. Es gehe nicht darum, gegen die Offiziere vorzugehen: Er werde niemanden meiner besten Offiziere Putins Spielen opfern.

In Kreis der Verbündeten habe die Abhöraffäre das Vertrauen in Deutschland nicht beeinträchtigt, sagte Pistorius. Bei Gesprächen mit NATO-Partnern in den vergangenen Tagen habe er das sehr deutlich zu hören bekommen: Weil alle wissen, das kann jedem passieren.

Die Pressekonferenz des Ministers zum Nachhören:

Pistorius_Taurus-Leak_05mar2024     

 

(wird ggf. ergänzt)