Erste Gepard-Munition aus deutscher Produktion für die Ukraine

Nach monatelangem Gezerre, man darf es wohl Streit nennen, erhält die Ukraine neu produzierte Munition für ihre Gepard-Flugabwehrkanonenpanzer. Nach Angaben des deutschen Verteidigungsministeriums und des Rüstungskonzerns Rheinmetall wurden die ersten in Deutschland hergestellten Geschosse für das Flugabwehrsystem geliefert, das die Ukraine vor allem gegem die von Iran gelieferten und von Russland eingesetzten Drohnen nutzt.

Das Hauptproblem beim Munitionsnachschub war bislang vor allem, das die Geschosse für den bei der Bundeswehr vor gut einem Jahrzehnt ausgemusterten Gepard in der Schweiz hergestellt wurden – und das Land unter Berufung auf seine Neutralität eine Abgabe der Munition an die Ukraine untersagte. Verteidigungsminister Boris Pistorius hatte deshalb im Februar dieses Jahres angekündigt, dass ein Vertrag mit Rheinmetall eine neue Produktionslinie in Deutschland ermögliche. Der Rahmenvertrag hat ein Volumen von 168 Millionen Euro und sieht die Lieferung von 300.000 Schuss vor.

Nach Angaben des Wehrressorts und des Unternehmens vom (heutigen) Dienstag wurden inzwischen in einer ersten Tranche über 10.000 Schuss an die Ukraine geliefert; bis zum Jahresende sollen es 40.000 Schuss werden. Bislang erhielten die ukrainischen Streitkräfte aus Deutschland 46 Gepard-Systeme und rund 76.000 Schuss Munition sowie 4.000 Schuss Übungsmunition.

Zu den Details aus den Mitteilungen von Verteidigungsministerium und Rheinmetall:

BMVg:
Nur wenige Monate nach einer entsprechenden Vereinbarung ist aus Deutschland neu produzierte Munition für den Flugabwehrkanonenpanzer Gepard bei den ukrainischen Streitkräften angekommen. Der Aufbau der Produktionslinie zur Herstellung der Munition ist zuvor innerhalb ambitionierter Zeitlinien gelungen, sodass die erste Auslieferung einer fünfstelligen Anzahl an Patronen an die Ukraine erfolgen konnte. (…)
Im Februar 2023 teilte der deutsche Verteidigungsminister beim Treffen der Ukraine Defence Contact Group in Brüssel mit, dass eine entsprechende Munitionsbeauftragung bei der Rheinmetall AG in Deutschland durch das BMVg eingeleitet wurde.
Deutschland ist der größte europäische Unterstützer der Ukraine. Mit der jetzigen Lieferung ist einen großen Schritt für die Luftverteidigung der Ukraine getan. So wird die Munition für den Flugabwehrkanonenpanzer Gepard, der sehr erfolgreich on der Ukraine im Kampf gegen russische Angriffe insbesondere auf zivile Ziele eingesetzt wird, nun in Deutschland produziert. Zuvor kamen Lieferungen auch aus der Schweiz. Diese hatte es jedoch bereits mehrfach abgelehnt, die Ukraine mit militärischen Gütern zu unterstützen.
Der im Februar geschlossene Vertrag mit einem Haushaltsvolumen von 168 Mio. € beinhaltet die Lieferung von insgesamt 300.000 Schuss. Hierfür musste die Produktion neu aufgesetzt und ein Verfahren zur Herstellung alter Munition mit neuen Mitteln gefunden werden. Trotz dieses aufwendigen Prozesses ist es gelungen – nach knapp 7 Monaten seit Vertragsschluss – die erste Munition an die Ukraine ausliefern zu können. Mit dieser Munitionslieferung zeigt Deutschland einmal mehr, dass alle Möglichkeiten genutzt und ausgeschöpft werden.
Mit aktuellem Stand hat Deutschland 46 Flugabwehrkanonenpanzer des Typs Gepard an Kiew geliefert. Weitere sechs sollen folgen. Der Gepard leistet in der Ukraine herausragende Dienste, gerade bei der Abwehr von Drohnen und wird genutzt kritische Infrastruktur vor den tückischen Angriffen der russischen Streitkräfte zu sichern.
Für dieses Waffensystem werden zwei Munitionstypen an die Ukraine ausgeliefert. Zum einen 150.000 Schuss der Unterkalibermunition vom Typ APDS-T* (Amour-Piercing-Discarding-Sabot-Tracer), die Schwermetall-Penetratoren enthält und sich besonders zum Kampf gegen gehärtete Ziele eignet. Zum anderen 150.000 Schuss der klassischen Sprengbrandmunition des Typs HEI-T (High-Explosive-Incendiary – Tracer), die für die typischen Ziele der Flugabwehr konzipiert wurde. Damit bekämpft man Luftziele wie Flugzeuge oder Lenkflugkörper.

Rheinmetall:
Rheinmetall hat die erste Lieferung neuer Munition für Gepard Flugabwehrkanonenpanzer in Richtung Ukraine auf den Weg gebracht. Vertragsgemäß hat der Düsseldorfer Technologiekonzern nun das erste Los der 35mm-Flugabwehr-Munition im Rahmen der deutschen Unterstützung des Abwehrkampfes der Ukraine ausgeliefert. Insgesamt 40.000 Patronen sollen bis Jahresende gefertigt und bereitgestellt werden.
In der Ukraine werden die Lieferungen aus Deutschland dringend erwartet, denn der Gepard mit seiner 35mm-Zwillingskanone ist ein entscheidender Faktor im Verteidigungskampf des Landes. Die Bundesregierung hat 46 dieser Flakpanzer zur Verfügung gestellt, weitere sechs sollen folgen. Für die Ukraine sind sie essentiell im Kampf um die Lufthoheit über ihrem Territorium. Gegen Kamikaze-Drohnen, mit denen Russland ukrainische Städte angreift, bewähren sich die Gepard-Flak-Panzer als überaus effiziente Abwehrwaffe. Sie sind quasi permanent im Einsatz, entsprechend hoch ist der Munitionsbedarf.
Rheinmetall fertigt Munition für Mittelkaliberwaffen bislang zu einem Großteil in der Schweiz, doch nun wurden zur Versorgung der Gepard-Systeme erstmals neue Fertigungskapazitäten in Deutschland geschaffen. Mehrere Millionen Euro wurden für die Anlage investiert.
Im Februar 2023 hatte Bundesverteidigungsminister Boris Pistorius beim Treffen der Ukraine Defence Contact Group in Brüssel angekündigt, eine entsprechende Munitionsfertigung bei Rheinmetall in Deutschland neu entstehen zu lassen. Der Vertrag zur kurzfristigen Lieferung von insgesamt 300.000 Schuss Munition für den Flakpanzer Gepard war wenige Tage zuvor unterzeichnet worden. Das Projekt zur Schaffung der neuen Fertigung stand aufgrund der politischen Relevanz vom ersten Tag an unter enormem Zeitdruck und verlangte aufgrund der Dringlichkeit einen technologischen und logistischen Kraftakt. (…)
Im Ringen um Nachschub an Munition hatte die Bundesregierung auch im Ausland nichts unversucht gelassen – vergeblich. In Deutschland waren die Bestände auf null, nachdem die Gepard-Systeme schon vor rund fünfzehn Jahren außer Dienst gestellt worden waren. Andere Länder verweigerten die Bereitstellung vorhandener Munition aus politischen bzw. aus verfassungsrechtlichen Gründen.
Nur in einem eng verwobenen Kompetenznetz von Rheinmetall-Technikern und Ingenieuren in der Schweiz, in Deutschland und in Italien war es möglich, die Fertigung nun neu aufzubauen.
Die Herausforderung: Um den Urtyp der Munition nachzubauen, fehlten schlicht die früheren Werkzeuge. Es kam eine Mischung aus Reverse Engineering und Anpassungsentwicklung zum Tragen, wie es sie wohl noch nie gab: Die vorhandene 35mm-Munition für die Bordwaffe eines Schützenpanzers wurde durch geeignete Anpassungen für den Gepard nutzbar gemacht. Eine besondere Herausforderung lag darin, die Munition für den Feuerleitrechner des Gepard zuverlässig erkennbar zu machen.
Dabei präsentierten sich die Elektronik und die Feuerleitung des betagten Flak-Panzers, der in den 1960er Jahren entwickelt worden war, trotz ihrer immer noch sehr guten Leistungen regelrecht als Black-Box. Gleichzeitig galt es, die Lieferkette für die neue Munition so zu erweitern, dass der Schweizer Wertschöpfungsanteil so weit wie möglich reduziert werden konnte. (…)
Nach vielen Tests im niedersächsischen Erprobungszentrum Unterlüss konnte das Verifikationsprogramm mit dem Beschuss aus dem Gepard-Flak-Panzer im Mai 2023 erfolgreich abgeschlossen werden.
Parallel wurde im zivilen Bereich Rheinmetalls in Neuss eine sogenannte LAP-Linie konzipiert, die später im italienischen Lanciano – ebenfalls bei Rheinmetall – baulich entstand, um schließlich nach Unterlüss verlegt zu werden. LAP steht dabei für die Bearbeitungsschritte Loading – Assembly – Packing, also das Befüllen der Hülsen mit der Treibladung, den Zusammenbau der verschiedenen Bestandteile einer Patrone sowie die Verpackung. Das Pulver für die Treibladung kommt dabei von der Nitrochemie, die ebenfalls dem Konzernverbund angehört.
Insgesamt 40.000 Patronen sollen noch im Jahr 2023 ausgeliefert werden. Zwei Munitionstypen wird die Ukraine erhalten, und zwar jeweils 150.000 Schuss. Einerseits die Unterkalibermunition vom Typ APDS-T, die Schwermetall-Penetratoren enthält und sich besonders zum Kampf gegen gehärtete Ziele eignet. Zum anderen wird klassische Sprengbrandmunition des Typs HEI-T geliefert, die für die typischen Ziele der Flugabwehr konzipiert wurde, also Luftziele wie Flugzeuge oder Lenkflugkörper.

*Nachtrag: Ein Leser weist zurecht darauf hin, dass das Verteidigungsministerium vermutlich nicht Liebestöter („amour-piercing“) meint, sondern panzerbrechende Munition (armor piercing). Aber so steht es halt im Original (und auf der Webseite):
20230905_BMVg_PM37-2023_Gepard-Munition

(Archivbild 2001: Der Kommandant eines Flugabwerkanonenpanzers Gepard 1A2  bei der optischen Zielerfassung eines Flugzeuges – Detmar Modes/photothek.net)