Lange Beschaffungsliste gebilligt – unter anderem Chinook-Hubschrauber
Das dient jetzt mal nur als Platzhalter für eine ausführlichere Betrachtung (die ich heute nicht schaffe): Der Haushaltsausschuss des Bundestages hat am (heutigen) Mittwoch zahlreiche neue Beschaffungen der Bundeswehr gebilligt. Größter Brocken: der neue Schwere Transporthubschrauber (STH), dafür sollen 60 Helikopter des Typs CH-47 ‚Chinook‘ vom US-Hersteller Boeing gekauft werden.
Die Mitteilung dazu kam zuerst von der Luftwaffe, die den Hubschrauber künftig betreiben soll:
Inspekteur der Luftwaffe begrüßt den heutigen Beschluss zur Beschaffung von 60 Chinook 🚁: „Gute und richtige Entscheidung! Ein ausgereifter und bei vielen Partnern im Einsatz befindlicher Hubschrauber. Wieder ein großer Schritt in Richtung Zeitenwende.“ (Foto: Archivbild ILA… pic.twitter.com/uf8yEeaikL
— Team Luftwaffe (@Team_Luftwaffe) July 5, 2023
Der Beschluss zu dieser Beschaffung steht – vorerst – am Ende eines sehr langwierigen und problematischen Prozesses, einschließlich sogar eines zwischenzeitlichen Abbruchs des Beschaffungsverfahrens. Und einer intensiven Debatte, oder eher: eines heftigen Streits darüber, ob dieser Helikopter oder doch lieber der CH-53K von Sikorsky gekauft werden sollte. (Zur Wahl standen ohnehin nur diese beiden Modelle; in der passenden Größe gibt es sonst auf dem Weltmarkt nur ein russisches Angebot, aus Europa nichts Vergleichbares.)
Die Entscheidung für den Chinook fällte die damalige Verteidigungsministerin Christine Lambrecht im vergangenen Jahr (hier steht was dazu, auch zu den vorangegangenen Problemen). Nach der Zustimmung der US-Regierung zu diesem Verkauf als so genannter Foreign Military Sales (FMS) schien alles so weit klar. Aber, das ist bemerkenswert, weiterhin ist die Auswahlentscheidung politisch umstritten – und das selbst innerhalb der Ampel-Koalition, wie die Stellungnahme der Grünen-Abgeordneten Philip Krämer (Verteidigungsausschuss) und Sebastian Schäfer (Haushaltsausschuss) deutlich macht:
Der Bundestag hat heute die dringende Beschaffung eines Nachfolgemodells des seit über 50 Jahren im Dienst befindlichen Transporthubschraubers CH-53G beschlossen. Mit der CH-47F in der
Ausführung Block II wird eine modernisierte Version des in vielen NATO-Staaten erfolgreichen Chinook beschafft, wodurch Interoperabilität innerhalb der NATO gewährleistet werden soll.
Aufgrund der überfälligen Ausphasung der CH-53G haben Haushaltsausschuss und Verteidigungsausschuss der Beschaffungsvorlage zugestimmt, obwohl das BMVg bedauerlicherweise kein Gegenangebot zu diesem Foreign Military Sale eingeholt hat. Die Belastung der Soldatinnen und Soldaten, die mit dem veralteten System der CH53G arbeiten müssen, war in den letzten Jahren sehr hoch und wird es bis zum Nutzungsende auch weiter sein.
Daher muss die Beschaffung, eines der wesentlichen Beschaffungsvorhaben des Sondervermögens Bundeswehr, jetzt schnell umgesetzt werden. Insgesamt werden dafür 7,2 Mrd. Euro für 60 Helikopter bereitgestellt. Gleichwohl wird kein Modell von der Stange beschafft. Der Helikopter ist bisher vom Vertragspartner der Bundesregierung, der US Army, nicht zertifiziert. Insofern bestehen
erhebliche Risiken für den Steuerzahler. Dazu kommen Infrastrukturkosten von 750 Mio. Euro. Daher muss das Verteidigungsministerium den Prozess der Zertifizierung der Version Block II kritisch begleiten, sodass mögliche Risiken frühzeitig erkannt werden. Für die Zukunft ist es dringend zu empfehlen, bei ähnlichen Systemen auch zwei Angebote über das FMS-Verfahren einzuholen, sodass beide Wettbewerber einen stärkeren Preisdruck haben.
Diese Entscheidung ist für uns richtig, damit die Bundeswehr eine zentrale Fähigkeitslücke für die Zukunft schließen kann. Sie ist ein klares Bekenntnis zur auftragsgerechten Ausstattung unserer
Soldatinnen und Soldaten, jedoch keine Bestätigung des Vorgehens des BMVg.
Das hier so ausführlich zitiert, weil damit klar ist: Da gibt es selbst innerhalb der Koalitionsfraktionen keine so überschwängliche Begeisterung…
(Archivbild Oktober 2021: Deutsche Fallschirmjäger verlegen mit dem Transporthubschrauber CH-47F Chinook der US Army während der Übung Green Griffin 2021 der Division Schnelle Kräfte (DSK) auf dem Truppenübungsplatz Altengrabow – Carl Schulze/Bundeswehr)
@ Der_Don: „nicht aber über Langzeit-Beschaffungsphasen (2 Maschinen/Jahr), denn hier regelt die jährliche Abnahmemenge auch den Stückpreis.“
Günstigster Stückpreis bedeutet ja aber leider nicht „günstigster Stückpreis pro einsatzfähigem Gerät“. Was nützt es mir alles auf dem Hof zu haben und dann doch nicht einsatzfähig zu sein wie gerade bei der F125 und dem PUMA erst geschehen? Meiner Beobachtung nach passiert dies sehr häufig, wenn die Prämisse ist, alles schnell zu liefern. Dann werden nicht schnell genug Ersatzteile geliefert, Mängel behoben, Simulatoren eingerichtet, der Know-How-Aufbau betrieben und Wartungskapazität eingerichtet. Meiner Beobachtung nach hat beim A400m die reduzierte Lieferrate nach dem ersten Auslieferungsschub erst Airbus in die Lage versetzt, die weitere Einsatzfähigkeit des Musters zu erhöhen und damit letztendlich auch den Nachbesserungsbedarf bei den gelieferten Modellen zu reduzieren.
Bei der CH47 würde ich allerdings der Einschätzung zustimmen, dass das Thema Nachbesserungsbedarf von geringerem Umfang sein sollte. Das Thema Ersatzteile, Simulatoren, Qualifizierung des Personals und Wartungskapazität sollte man aber nicht unterschätzen. Jeden Monat (ich glaube, dass 5 Jahre Lieferzeitraum geplant sind) einen zusätzlichen Hubschrauber in die volle Einsatzbereitschaft zu bringen und dort zu halten, könnte schwierig werden.
Ich bleibe also bei meiner Einschätzung, dass eine Reduktion der Lieferrate nach erfolgter „Initial Operation Capability“ erfolgen sollte – auch gerade mit dem Fokus, die Einsatzfähigkeit der ausgelieferten Maschinen herzustellen bzw. hoch zu halten. Letztendlich liegt dies auch im Interesse der Lieferfirma, weil es Puffer für etwaige Produktionsprobleme und die notwendigen Reaktionen darauf schafft.
MFG sagt:
07.07.2023 um 12:20 Uhr
Die Verbesserungen des MH-47G gegenüber des CH-47F sind so gravierend das man sich für eine eigene Modell Bezeichnung entschieden hat.
Entscheidend ist aber nicht CH, HC, HH oder MH sondern die Versionen A, B, C, D, E, F und G.
Die ersten Block II Serien Helikopter, von der CH-47F werden Anfang 2024 an die US Army übergeben.
Aber es wird bei der CH-47F Block II auf die neuen Rotorblätter verzichtet, somit ist die Erhöhung der Nutzlast (ca. 1,8 t) und Reichweite in weite Ferne gerückt.
Bei der Luftbetankungsausstattung sehe ich keine Probleme, weil es sich vermutlich um dieselbe der MH-47G der US-Spezialkräfte handelt.
Ich will dir nicht die Welt erklären, natürlich sind zwei neue Helikopter kein organisatorisches und logistisches Desaster.
Schau dir mal die Flotte der Lufthansa Group an, oder das Fluggerät das auf einen Flugzeugträger untergebracht ist. Alles ist nur eine Frage einer Ausgeklügelten Ablauforganisation.
Daniel H sagt:
08.07.2023 um 15:36 Uhr
Zitat: „Der Stückpreis der CH47F Block II wird mit ca. 32 Millionen USD/ Stück angegeben.“
Spanien bekommt die letzten 19 CH-47F Chinook Block I für 800 Millionen US-Dollar. ( a 42,105 $M )
https://www.scramble.nl/military-news/additional-ch-47f-for-spain
Nach FY 2022 kosten 8 CH47F Chinook Block II 421.6 $M ( a 52,7 $M )
Die deutschen Sonderwünsche waren bei dem Angebot für den CH-53K bereits eingepflegt.
Der_Don sagt:
10.07.2023 um 11:23 Uhr
Wo findet man das Ergebnisse der angesprochen Untersuchung ?
Nach meinen Kenntnisstand war von unsern Entscheidungsträger Niemand in den USA und hat sich Fachkundlich informiert.
@Der Realist sagt: 10.07.2023 um 12:32 Uhr
„Es ist erschreckend, dass wir für so einen alten Helikopter soviel bezahlen sollen.“
Altes Design, mit brandneuer Technik! Das ist doch das entscheidende…
@Q sagt: 10.07.2023 um 12:41 Uhr
„Etwas substantielles, außer der Beschimpfung Lobbyist, Nörgler und „Experte“ fällt ihnen scheinbar nicht ein.“
Sorry, aber seid Jahren sind die Argumente ausgestauscht und immer, immer, immer wieder kauen wir das ganze wieder von vorne durch. Da bleibt mir leider nichts anders zu sagen, als Lobbyisten, Nörgler und „Experten“…
„Davon hätte man auch die Stückzahl der CH53 erhöhen können. Keine Spekulation, steht so in der Vorlage.“
Ja, aber das gleiche (also die potentielle Preissteigerung) wäre ja auch für die CH53 eingetreten. Also ist das ein Argument was für beide Muster gleich gilt. Angesichts der Entwicklungsrisiken bei der CH53k vermutlich dort sogar wesentlich stärker…
@Endgame sagt: 10.07.2023 um 5:09 Uhr
„Und es gibt im US System NICHT die Möglichkeit 2 FMS cases mit allem Drum und dran parallel laufen zu lassen. Also gleichzeitig CH53K und CH47F Block II . Und auch hintereinander weg hätte der Ami uns den Vogel gezeigt.“
Hm. Die Finnen haben genau das bei ihrer Kampfflugzeug-Beschaffung gemacht: Offizielle FMS-Anfragen bis hin zur DSCA-Mitteilung parallel für F-35 und F/A-18E/F.
Scheint also zu gehen.
https://www.dsca.mil/press-media/major-arms-sales/finland-f-35-joint-strike-fighter-aircraft-air-air-missiles-and-air
https://www.dsca.mil/press-media/major-arms-sales/finland-fa-18ef-super-hornet-aircraft-and-weapons
Aus der Nutzerperspektive wird wohl auch kaum einer sagen: „Ich hätte lieber keinen Transporthubschrauber, als diesen oder jenen“. Selbst den NH-90 nutzen wir ja mit all seinen Mängeln.
Ansonsten: Das mit den neuen Rotoren und Motoren sollten wir dann ggf. eben selbst in den Griff bekommen. Ist ja auch nicht gesagt, dass wir das Muster 100 Jahre unverändert fliegen müssen.
@ Koffer
WAS genau ist denn bei der Chinook, die wir bekommen neu?
Ich kann da nicht viel entdecken, was dem Begriff neue Technik entsprechen würde.
Alleine der Verzicht auf die neuen Rotorblätter kosten mal eben 800kg Nutzlast und erhöht das Delta zur CH-53K noch weiter.
Vielleicht haben einige User hier Recht und man sollte nicht 60, sondern 30 bestellen und in 5,6 Jahren entweder nachbestellen oder ein weiteres Muster ordern. Je nachdem, wie sich die anderen Nutzer entscheiden.
Ich finde auch die niederländische Kombi aus NH90, Chinook und H225M sehr charmant und für uns möglich. Gerade weil man den H225 auch als Nachfolger der Helikopter der Flugbereitschaft in Erwägung zieht. Es wäre also kein weiterer Typ.
Endgame sagt:
10.07.2023 um 5:09 Uhr
Interessant finde ich, das du mit den verlinkten Artikel meine Angaben bestätigst.
Zitat: wehrtechnik 2023/01/17
„Bis 1991 wurden insgesamt 26 MH-47E mit Air-to-Air Refueling (AAR) an das U.S. Army Special Operations Command (USASOC) ausgeliefert. Seit Anfang der 2000er hat Boeing knapp 70 weitere MH-47G mit AAR-Fähigkeit an das USASOC ausgehändigt.“
Anzumerken wär noch, dass die ersten MH47G abgeflogene CH-47F sind, die zur MH47G Variante wiederaufbereitet wurden.
Das Problem ist, dass wir bei der Beschaffung nicht die hellsten Kerzen auf der Torte haben.
So wurde Uns bei der CH-53K, Partner „Level 1“ von Sikorsky angeboten, aber Wir (Lobbyisten und Experten) haben abgelehnt.
Dass es bei der Beschaffung des neuen Hubschrauber auch um die Zukunft Deutschlands in Hubschrauberbau geht, wäre DCS ( Direct Commercial Sales ) der richtige Weg gewesen. Um wenigsten ein Fus beim FVL (Future Vertical Lift) in der Tür zu haben.
Koffer sagt:
10.07.2023 um 7:46 Uhr
Der Flyaway Preis des CH-53K bewegt sich kontinuierlich nach unten, so dass dieser in Jahr 2023 bei 87,91 $M liegt.
Mit den Vorteilen in Bereich Logistik, Ausbildung und den niedrigeren Lebenszykluskosten macht der CH-53K den etwas höheren Flyaway Preis mehr als weg.
Das DoD sieht keine Entwicklungsrisiken beim CH-53K mehr und hat Ende 2022 den Status IOC (initial operational capability) vergeben und gleichzeitig die Erlaubnis zur Massenproduktion gegeben.
Ender der 60 Jahre standen wir schon mal vor der gleichen Entscheidung: CH-47C vs CH-53 vs CH-54 !
Das Ergebnis eines umfangreichen Bewertungsverfahrens kennen wir alle.
Unser Verteidigungsminister muss endlich ein Controlling, wie in den USA üblich einführen und die Beschaffung von der überforderten BAAINBw, in den Händen einer unabhängigen Beschaffungsagentur legen.
Das von 5 möglichen Hubschrauber Typen (Mil Mi-26T2V, CH-47F, MH-47G, CH-53K und S-64 nur ein Angebot für den CH-47F eingeholt wurde, ist ein absolutes No-Go !
Vor den Hintuend das wir mal 110 Maschinen betrieben haben und das wir die Zeitenwende eingeläutet haben, können wir uns es leisten einen geschlossenen Standort in Norden wieder zu reaktivieren, um beide Muster zu betreiben.
Der Realist sagt:
11.07.2023 um 9:47 Uhr
Die Koninklijke Luchtmacht fliegt nicht den NH90, der Kombi ist AH-64E, CH-47F Chinook und AS532 Cougar die 2028 durch den H225M Caracal abgelöst werden.
Die Niederländer fliegen Regelmäßig mit alle drei Mustern, zum gemeinsamen trainieren, zum Truppenübungsplatz Bergen in Deutschland. Dort schlissen sich dann noch die deutschen NH90-TTH aus Faßberg an.
@Koffer
„Der über den veranschlagten, noch zur Verfügung stehenden Betrag hinausgehende Mehrbedarf in Höhe von 1,219 Mrd soll ebenfalls aus dem Sondervermögen „Bundeswehr“ finanziert werden. …. Die Auswirkungen des Ukraine Krieges, wie der starke Anstieg der Inflation, gestiegene Rohstoff. Und Energiepreise, Engpässe in den Lieferketten und Wechselkursschwankungen waren so nicht absehbar“
Die 550 Mio € sind eine reine Risikovorsorge, die so bei der CH53K nicht notwendig wäre. Hre Annahme trifft wohl so nicht zu.
@Millyway
beim FVL ist doch aber Bell zum Zug gekommen. Da würde sich eine Zusammenarbeit bei der Viper doch anbieten.
Das mit dem nur 1 Angebot ist und bleibt ein Skandal. wozu gabs nochmal die ganzen Beschaffungsvorschriften?
@ Milliway
Die Niederlande fliegen den NH-90 in Marine und Luftwaffe.
Aber im Gegensatz zum H225M ist der NH-90 nicht luftbetankbar.
Milliway sagt:
DCS bedeutet das LufABw macht die gesamte Musterzulassung, sofern sie diese nicht zusätzlich per DCS von der jeweiligen US-Behörde kaufen. D. h. dies wirkt sich massiv auf Zeit und Kosten aus.
Und auch damals fiel die Entscheidung nur zu Gunsten der CH-53 aus, weil wir bei der Landesverteidigung Artillerie als Außenlast transportieren wollten.
Dass das Auwahlverfahren diesmal die CH-47 Baureihe ausgewählt hat muss nichts mit der Überforderung von irgendjemandem zu tun haben.
@Singulativ
Das Design der CH47 begünstigt den rumpfinternen Transport, da bei beim absetzen von Truppen nicht auf einen Heckrotor geachtet werden muss (bei der Ch53 mit laufenden Rotoren nicht nur in Flugrichtung rechts erlaubt).
Günstiger wäre nur noch eine vollwertige coaxial Anordnung weil diese den nötigen Landebereich weiter reduziert.