Deutschland zur dauerhaften Stationierung von Truppen in Litauen bereit (Nachtrag)
Deutschland ist bereit, mehrere tausend Soldatinnen und Soldaten dauerhaft in Litauen zu stationieren, um das Land bei der Sicherung der NATO-Ostflanke gegen Russland zu unterstützen. Allerdings sei eine solche Stationierung von rund 4.000 Soldaten abhängig von Fortschritten beim Ausbau der entsprechenden Infrastruktur, sagte der deutsche Verteidigungsminister nach einem Gespräch mit seinem litauischen Kollegen Arvydas Anušauskas am (heutigen) Montag in der litauischen Hauptstadt Vilnius.
Deutschland hatte bereits im vergangenen Jahr dem baltischen Land die Unterstützung mit einer Kampftruppenbrigade zugesagt, zusätzlich zu der bereits von der Bundeswehr geführten NATO-Battlegroup in Litauen. Allerdings bedeutete das nach bisherigem deutschen Verständnis die Stationierung eines Kommandoelements, während die eigentlichen Kampftruppenbataillone jeweils nur zeitweise zu Übungen nach Litauen kommen sollten.
Die Regierung in Vilnius bestand dagegen recht schnell darauf, dass die deutsche Brigade dauerhaft im Land sein sollte und nicht nur für Übungen oder bei einer Krise aus Deutschland verlegt werden sollte. Dafür sagte Litauen auch einen erheblichen Ausbau der Infrastruktur zu, vor allem Unterkünfte für die Truppe und Übungsmöglichkeiten. Dennoch hatte sich Deutschland darauf bislang nicht einlassen wollen.
Die Aussage von Pistorius kam deshalb gleich mehrfach überraschend. Zum einen hatte die Bundesregierung die dauerhafte Stationierung der Brigade oder auch nur wesentlicher Teile bislang abgelehnt, unter anderem mit Verweis auf die fehlende Infrastruktur. Zum anderem gehörte Deutschland bislang zu den Nationen, die im Gegensatz zu osteuropäischen NATO-Staaten an der Vereinbarung in der NATO-Russland-Grundakte festhielten, keine substanziellen Kampftruppen dauerhaft auf dem Territoriuzm ehemaliger Mitglieder des Warschauer Vertrags zu stationieren.
Vor allem aber: eine solche Auslandsstationierung wird für die Bundeswehr ein Kulturwechsel – im Unterschied zu den USA, aber auch zu Frankreich oder Großbritannien gibt es in Deutschland keine Tradition, Truppen dauerhaft in einem anderen Land zu stationieren. Die 20 Jahre Afghanistan-Einsatz bestanden aus Kontingenten, die im Halbjahres- oder Viermonatsrhythmus wechselten. Ein dauerhafter Umzug mit Familie ins Ausland ist bislang nicht Teil des Truppenalltags. Deshalb werden die – langfristigen – Details sehr interessant.
Der Ausschnitt aus der Pressekonferenz zum Nachhören:
Nachtrag: Erst mal nur zum Nachhören: Die Pressekonferenz von litauischem Präsidenten Gitanas Nausėda, NATO-Generalsekretär Jens Stoltenberg und Pistorius auf dem Truppenübungsplatz Pabrade, bei der das Thema auch eine Rolle spielte:
(Foto: Pistorius, re., mit dem litauischen Verteidigungsminister Arvydas Anušauskas – Thomas Imo/photothek.de)
@Pham Nuwen
„Wenn man schlau ist, kombiniert man das auch gleich bei der Anwerbung mit Benefits wie beruflichen Qualifizierungen/Förderungen, die nach der Verpflichtungszeit einen geschmeidigen Einstieg ins Zivilleben ermöglichen.“
Sie meinen, BAPersBw macht dann wirklich belastbare und durchsetzbare Zusagen, auch im Hinblick auf den weiteren Werdegang / Einplanung, u.a.? Respekt für Ihr Vertrauen.
@Herr Dampf:
Tatsächlich kein Familienumzug. woher soll das Geld plötzlich kommen?
Das halte ich wie hier mehrfach angemerkt für nicht sinnvoll, wenn es dort knallt.
noch dazu die litauische Pampa, nicht falsch, verstehen, dort gibt es wunderschöne Natur.
Eher Material und Munition Vorstationieren und Infrastruktur für schnelles hinbringen des Personals schaffen. Wie schon von angemerkt 1 Kompanie oder ein Teil des Personal rotieren lassen.
@Dominik
LTU will aber tatsächlich boots on the ground so wie ihnen das POL wohl auch angeboten hat:
„Litauen will nicht auf deutsche Soldaten warten – und wendet sich Polen zu“ WELT Online von heute.
„… spekulieren Sicherheitsexperten verstärkt über eine polnische Truppenstationierung in dem baltischen Land. Polen beansprucht eine Führungsrolle unter den Partnerländern in Ostmitteleuropa …“
@Herr Melber:
Wenn Polen, obwohl eines der größten EU Nehmerländer, so hochtrabende Versprechungen macht, könnte man auch in Rumänien nachfragen. Wobei das abgesehen von Schwarzmeerküste wahrscheinlich noch unattraktiver wäre.
starke polnische Kräfte an der polnisch litauischen Grenze wären doch auch für Polen günstiger oder nicht?
Ich würde deutsche BW niemandem aufdrängen, hab das schon bei den Patriot uns Polen kaum verstanden. Polnische Spielereien….
Nachdem in einem anderen Faden bereits die Frage nach baustandards aufkam: gelten die Bw Standards für ortsfeste Unterkünfte, Mun-Niederlagen, u.a. auch im Ausland?
Falls ja sollten wir LTU da zur Hand gehen – nicht, daß alles bezugsfertig ist und nicht abgenommen werden kann.
Im übrigen gilt das natürlich auch für die Sperrzonen bzgl. Lauschabwehr und Abstrahlprüfung sowie die Verkabelung. Zone 0 Geräte sind eher schwierig zu bekommen.
Angesichts der hiesigen Debatte muss man den USA immer noch dankbar sein, dass sie uns im Kalten Krieg so massiv geholfen haben.
Ich finde es in höchstem Masse irritierend, wie sehr man sich gegen eine Vorne-Stationierung wehrt. Oh je, die Familie. Oh je, die Gleitzeit. Oh je, die Umzugskosten. Oh je, Oh je, Oh je.
Richtig schwer wird’s, wenn DAS HEER vorne stationiert und KdoCIR und SKB mit vier-Tage Homeoffice bei voller Planbarkeit herhalten. Die sind ja immer im Einsatz. EGAL.
Ich halte es für unsere Pflicht, Litauen zu verteidigen, so wie wir 40 Jahre verteidigt wurden. Und das geht nur von vorne.
@Dominik
Ich könnte mir vorstellen, dass das „polnische Angebot“ vor allem ein Mittel war um die jetzige deutsche Zusage zu erreichen.
Innenpolitisch kann die polnische Regierung so mal wieder die unentschlossene deutsche Seite vorführen. Insgeheim (und wohl spätestens ab der Ebene der militärischen Führung) ist man aber wahrscheinlich auch sehr an einem nennenswerten deutschen Beitrag an der NATO-Ostflanke interessiert.
Polen hat als selbst ein Frontstaat sicherlich erstmal bei sich genügend Hausaufgaben zu erledigen.
Ich denke Litauen kann die Qualität der „Angebote“ ganz gut einschätzen und weiß wie es sich im Zweifel entscheiden würde. Im Großen und Ganzen mag Deutschland vielleicht den Ruf haben, – auch und gerade angesichts begrenzter Mittel – mit Zusagen ziemlich zögerlich zu sein, bei einmal getroffenen Zusagen in Qualität und Ausdauer der Erfüllung aber doch recht beispielhaft. (Sehen Sie sich z.B. mal vergleichend die Verluste polnischer und deutscher Panzerhaubitzen im Ukrainekrieg an.)
„Ich würde deutsche BW niemandem aufdrängen“
Aufdrängen vielleicht nicht, aber wer wie viele Lasten trägt, entscheidet am Ende auch über das politische Gewicht bei der Entscheidung über die Ausrichtung des künftigen Kurses ggü. Russland. Insofern gibt es m.E. schon ein deutsches Interesse einen angemessen Beitrag zu leisten. Aber aufdrängen muss man sich natürlich auch nicht.
Und ich glaube dass es weder politisch noch moralisch zu halten noch im Sinne der Qualität der Aufgabenerfüllung wäre (und damit wieder deutsches Interesse – wir wollen ja dass der Russe möglichst gar nicht erst angreift oder wenn dann möglichst früh gestoppt würde!), wenn Deutschland sich allein auf die Rolle des „Zahlmeisters“ beschränkte.
Nur meine Meinung: Die Polen bilden das Rückgrat der NATO-Ostverteidigung. Also eben nicht die „deutschen Würstchen“ – mit großer Klappe – aber nix dahinter. Das sollten m.E. hier einige Mitdiskutanten mal wahrnehmen. Wir könnten mit unseren Heereskräften nicht mal den Bezirk Berlin-Kreuzberg verteidigen (nur ein Beispiel – ob der überhaupt verteidigungswürdig wäre, lass ich mal dahingestellt).
MkG,
HS
[Nicht nur weil ich in Kreuzberg wohne finde ich diese Art von Kommentar ein bisschen intellektuell überschaubar. Diese Art der Debatte bitte nicht. T.W.]
Ich bin echt entsetzt, wie viele Menschen bereit sind, diesen Kurs Deutschlands und der Bundeswehr gegen Russland zu unterstützen! Und dies Alles unter dem Deckmantel der Friedenssicherung. Diese Geschichtsvergessenheit ist schier unglaublich.
Prinzipiell sollte sich die BW erst einmal in die Lage versetzten, Deutschland zu verteidigen. Da hapert es ja wohl gewaltig!
[Ich sag‘ nur mal: Erster Kommentar hier, na denn! T.W.]