Kabinett legt Abzugsmandat für MINUSMA-Einsatz in Mali vor
Der vor rund zehn Jahren begonnene Einsatz der Bundeswehr in Mali steuert offiziell auf sein Ende zu. Das Bundeskabinett beschloss eine Verlängerung der deutschen Beteiligung an der UN-Mission MINUSMA in dem westafrikanischen Land, die schon im Titel als letztmalig bezeichnet wird. Das formal noch aktive, aber schon länger nicht mehr genutzte Mandat für die Bundeswehrbeteiligung an der EU-Trainingsmission EUTM Mali wurde gar nicht erst zur Verlängerung vorgelegt, diese Mission läuft damit Ende Mai aus.
Die Kabinettsentscheidung am (heutigen) Mittwoch hatte inhaltlich bereits seit dem vergangenen Jahr festgestanden. Im November 2022 hatten sich die Koalitionspartner darauf verständigt, bis zum Frühjahr 2024 den deutschen militärischen Einsatz in Mali zu beenden und dafür ein Abzugsmandat vorzulegen. Hintergrund sind seit geraumer Zeit anhaltende Spannungen zwischen der Militärregierung des westafrikanischen Landes und westlichen Nationen, auch als Teil der UN-Mission. So kann die Bundeswehr unter anderem ihre Aufklärungsdrohnen bereits seit vergangenen Herbst praktisch nicht mehr starten lassen, weil es dafür keine Fluggenehmigung gab.
Der vom Kabinett verabschiedete Mandatstext, der noch vom Bundestag gebilligt werden muss, sieht neben dem geplanten Auslaufen des Bundeswehreinsatzes in gut einem Jahr auch notfalls ein schnelleres Ende vor:
Letztmalige Fortsetzung der Beteiligung bewaffneter deutscher Streitkräfte an der Multidimensionalen Integrierten Stabilisierungsmission der Vereinten Nationen in Mali (MINUSMA)
Der Deutsche Bundestag wolle beschließen:
1. Der Deutsche Bundestag stimmt der von der Bundesregierung am 3. Mai 2023 beschlossenen letztmaligen Fortsetzung der Beteiligung bewaffneter deutscher Streitkräfte an der Multidimensionalen Integrierten Stabilisierungsmission der Vereinten Nationen (VN) in Mali (MINUSMA) zu, mit dem Ziel die Beteiligung bewaffneter deutscher Streitkräfte an der Mission strukturiert auslaufen zu lassen. Sofern während des Mandatszeitraums ein ausreichendes Versorgungs- und Schutzniveau für deutsche Soldatinnen und Soldaten nicht mehr gewährleistet sein sollte, sind Maßnahmen zur Anpassung des deutschen Beitrags einzuleiten bis hin zur beschleunigten Beendigung des Einsatzes. Über die Entwicklung des Versorgungs- und Schutzniveaus sowie den Fortgang der Rückverlegung wird der Deutsche Bundestag regelmäßig und gegebenenfalls anlassbezogen unterrichtet.
Eine ähnliche Ausstiegsklausel hatte bereits das vor einem Jahr verlängerte Mandat für die deutsche MINUSMA-Beteiligung enthalten (Bundestagsdrucksache 20/1762). Dass es noch nicht zu einem Abzug kam, hing unter anderem mit unterschiedlichen Ansichten von Außen- und Verteidigungsministerium zusammen: Das Auswärtige Amt hatte zum Schutz der malischen Bevölkerung in den zunehmenden Auseinandersetzungen zwischen der malischen Armee und Jihadisten auf eine möglichst lange Präsenz Deutschlands in der UN-Mission gedrungen.
Die Sicherheitslage in Mali bleibt weiterhin schwierig, wie es auch in der Begründung des neuen Mandats deutlich wird:
Das Sicherheitsumfeld in Mali hat sich in den vergangenen Monaten durch die Ausbreitung terroristischer Gruppierungen signifikant weiter verschlechtert, auch in Folge eines verminderten Verfolgungsdrucks. Die französisch geführten Missionen BARKHANE und TAKUBA haben sich bis August 2022 aus Mali zurückgezogen. Zudem stellen fortdauernde administrative Behinderungen und Einschränkungen der Mission durch malische Stellen sowie die großflächige Kooperation malischer und russischer Sicherheitskräfte im Einsatz MINUSMA vor Herausforderungen. In diesem Kontext ist die Entscheidung der Bundesregierung einzuordnen, dass der Bundeswehreinsatz bei MINUSMA letztmalig durch den Deutschen Bundestag verlängert werden soll. Die Entscheidung Deutschlands hierzu wurde frühzeitig und eng gegenüber den Vereinten Nationen, Partnern und Verbündeten kommuniziert, um Transparenz herzustellen und Planbarkeit hinsichtlich der künftigen Ausgestaltung des VN Mandats sicherzustellen.
In einer gemeinsamen Mitteilung verwiesen Auswärtiges Amt, Verteidigungsministerium und Entwicklungsministerium darauf, dass das Ende des Bundeswehreinsatzes in Mali kein Ende des deutschen Engagements in der Sahel-Region bedeute. So beteilige sich die Bundeswehr künftig an einer neuen EU-Mission im benachbarten Niger:
Die Bundesregierung richtet ihr Engagement im Sahel neu aus und nimmt dabei vor allem zivile Stabilisierungsmaßnahmen, das Angehen von Krisenursachen und bedarfsorientierte humanitäre Hilfe in den Blick. Verlässliche Partner wie Niger wird Deutschland auch weiter militärisch unterstützen, und zwar bilateral wie auch im Rahmen der EU. Gleichzeitig will die Bundesregierung regionale Ansätze z.B. im Rahmen von ECOWAS fördern, die darauf abzielen, dass die Region selbst verstärkt Verantwortung im Sicherheitsbereich übernimmt. Auch dort, wo die Förderung zentralstaatlicher Strukturen aufgrund von autoritärer Regierungsführung, russischen Einflusses oder Menschenrechtsverletzungen keine positiven Effekte für die Bevölkerung verspricht, zieht Deutschland sein ziviles Engagement nicht völlig zurück, wird aber verstärkt auf eine Zusammenarbeit mit dezentralen Strukturen sowie die direkte Unterstützung der Bevölkerung aufbauen.
Auch wenn die Bundeswehr ihren Einsatz bei MINUSMA absehbar beendet, wird Deutschland weiterhin seinen militärischen und verteidigungspolitischen Beitrag im Umgang mit den vom Sahel ausgehenden Herausforderungen – dem internationalen Terrorismus, der staatlichen Fragilität sowie der organisierten Kriminalität – leisten.
(Archivbild Februar 2023: MINUSMA-Wappen im Camp Castor in Gao/Mali – Leon Kügeler/photothek.de)
Nur noch ein bisschen Grillenzirpen im Hintergrund. Sang- und klangloses Ende eines Einsatzes, den keiner mehr wollte und aus dem politisch auch nicht mehr Honig zu saugen war.
Immerhin endet es (hoffentlich) nicht mit einem Knall.
Riesig ist die Soll-Seite, mit einigen Toten. Beim Haben kann ich nichts erkennen. Wird dennoch eine lange Rede beim Appell!
Wird schwierig, eine Bilanz dieses Einsatzes nach Soll und Haben zu erstellen: wir werden nicht wissen können, was alles NICHT passiert ist durch die Bundeswehrpräsenz im Rahmen der UN-Mission. Das Präventionsparadoxon.
Das Ende der Mission und der Abzug unserer Soldaten ist unter den leider jetzt gegebenen Umständen aber natürlich richtig. Gut, dass das jetzt umgesetzt wird. Wenn der Abzug genauso ereignislos – im Sinne von gewaltlos – verlaufen sollte wie die Evakuierungsmission im Sudan, dann wurde alles richtig gemacht (wird alles richtig gemacht worden sein).
Hisichtlich der deutschen Beteiligung an EUTM Mali möchte ich die Aussagen Ihres Artikels korrigieren. Bis Ende des Monats und damit des auslaufenden Mandats befinden sich noch deutsche Soldaten im Hauptquartier der Mission. Deutschland stellt bis zum Ende seiner Beteiligung u.a. noch den Deputy Mission Force Commander/ Chief of Staff und zwei weitere Branch heads (= Abteilungsleiter).
[Ok, so gesehen ist D noch daran beteiligt; die Ausbildung wurde allerdings schon länger eingestellt. Die Bedeutung der Stabsarbeit habe ich damit unzureichend gewürdigt, ich bitte um Entschuldigung. T.W.]
„ Die Bedeutung der Stabsarbeit habe ich damit unzureichend gewürdigt […] „
Made my day
Gott sei Dank, wenn auch m.E. nach drei Jahre zu spät! Die Frage, ob und was der Einsatz vor Ort bewirkt hat, muss ehrlich aufgearbeitet werden, das sind wir den Toten und Verwundeten schuldig.
Wenn man sich die Reden der letzten Mandatsverlängerungen anschaut, habe ich allerdings kaum Hoffnung, dass man ein echtes Interesse an der Aufarbeitung hat. Die Parlamentarier (kurioserweise Linke und AFD mal ausgenommen) haben die Mali-Einsätze immer relativ kritiklos durchgewunken und sich mit Plattitüden zufrieden gegeben.
Auch vor Ort waren die Besuche von MdB eher ernüchternd: Schicke Fotos von der statischen Waffenschau abgreifen, eine Cola in der Castor Bar, Briefing mit dem Kontingentsführer, Abflug. Wobei sich die Bundeswehr da auch selber an die Nase greifen muss. Die Briefings des Stabes vom Einsatzkontingent hatten nur noch entfernt etwas mit den Berichten der Zivilberater oder der Aufklärungs-/Infanterie-Kompanie zu tun.
Zum aktuellen Mandatstext: Ich sehe für den „neuen“, rein zivilen Ansatz wenig Erfolgsaussichten. Im Norden Malis ist es ja gerade das Fehlen von staatlichen Strukturen aufgrund schlechter Sicherheitslage, die einen Erfolg der Zentralregierung verhindert hat. Zivile Hilfe in einem unsicheren Umfeld wird marginal ausfallen – schlicht, weil die Sicherheit der Helfer kaum zu gewährleisten ist. Es ist ein Teufelskreis. Die Menschen vor Ort sehen keinen Nutzen in einer Regierung, wenn Schulen geschlossen sind, Krankenstationen keine Medikamente haben und Polizeistationen nur abkassieren, statt zu helfen.
Und wieder eine Sternstunde des vernetzten Ansatzes der Sicherheitspolitik und des Transfers von Stabilität. Ein Einsatz wird erfolgreich beendet. Die Bundeswehr hat fantastisches geleistet und zur Schaffung eines friedlichen Umfelds beigetragen.
Nach offizieller Beendigung bitte einfach die gefallenen Floskeln oben durchstreichen. Von diesen paar Wörtern wird nicht viel stehen bleiben.
Und das Einsatzführungskommando wird weitermachen wie immer.
Das einzig wichtige:
Kommt gut heim, Jungs (geschlechtsunabhängig).
„Schrecken ohne Ende“ fällt aus. Gut. Aber was wird dann aus den Truppen? Kommen die nun nach Hause oder werden die in den Niger verlegt?
[Ey, Leute. Aktuell bei MINUSMA mehr als 1.000. Obergrenze künftige Niger-EU-Mission: 60. Vielleicht erst mal lesen, ehe man solche Fragen ablässt. T.W.]
AoR sagt:
04.05.2023 um 18:31 Uhr
„ Die Bedeutung der Stabsarbeit habe ich damit unzureichend gewürdigt […] „
Made my day
Auf wen sollten die „Fußtruppen“ im Kontingent denn sonst schimpfen? Vielleicht alles nur eine Massnahme der Truppenhygiene?
sarc off//