Haushaltsausschuss billigt Bundeswehr-Beschaffungen für 13 Mrd Euro – Erste Bestellungen aus dem Sondervermögen

Der Haushaltsausschuss des Bundestages hat in seiner letzten Sitzung in diesem Jahr neue große Beschaffungen für die Bundeswehr gebilligt, vom Kampfjet F-35 bis zum mehr als zehn Jahren diskutierten neuen Sturmgewehr für die Truppe. Erstmals gab das Parlament damit auch Gelder aus dem neuen Sondervermögen von 100 Milliarden Euro für die Streitkräfte frei. Die Abgeordneten machten allerdings zugleich dem Verteidigungsministerium bei einigen Vorhaben teils weit reichende Vorgaben.

• Größter Einzelposten in den Bewilligungen des Haushaltsausschusses – und auch größter Einzelposten aus dem Sondervermögen – am (heutigen) Mittwoch war der Kauf von 35 Kampfflugzeugen des Typs F-35A der US-Firma Lockheed Martin. Die Maschinen sollen die Jahrzehnte alten Tornados der Luftwaffe ablösen und vor allem als Trägerflugzeug für die so genannte Nukleare Teilhabe zur Verfügung stehen: Vom Fliegerhorst Büchel in der Eifel aus würden im Kriegsfall diese Jets mit deutschen Piloten US-Atombomben ins Ziel bringen.

Die Entscheidung für den Kauf der F-35 war, nicht zuletzt auf Druck von Bundeskanzler Olaf Scholz, im März dieses Jahres getroffen worden. Allerdings hatte es zuvor mehrere Jahre eine Debatte über den Ersatz der veralteten Tornado-Kampfjets gegeben; in der bis zum vergangenen Jahr regierenden Koalition aus Union und SPD war keine Einigung über eine solche Beschaffung zustande gekommen. Nach der Festlegung im März hatte die Bundesregierung bei der US-Regierung den Kauf der Flugzeuge als Vereinbarungen beider Länder, einen so genannten Foreign Military Sale (FMS) beantragt, dem die US-Regierung im Juli zustimmte.

Das Paket von rund 8,3 Milliarden Euro umfasst neben den Flugzeugen auch ein umfangreiches Arsenal an Waffen, von Luft-Luft-Lenkflugkörpern bis zu Bomben (allerdings nicht die Atombomben, die im Besitz und unter Kontrolle der USA bleiben). Hinzu kommen Ersatzteile, die den Betrieb der 35 Maschinen für die ersten fünf Jahre sicherstellen sollen. Insgesamt veranschlagt das Verteidigungsministerium für die Beschaffung knapp zehn Milliarden Euro, da unter anderem Kosten für eine neue Infrastruktur auf dem Fliegerhorst Büchel und die Beschaffung weiterer Waffen eingerechnet wurden.

Luftwaffeninspekteur Ingo Gerhartz lobte nach der Zustimmung des Ausschusses das Paket als guten Start für die Nutzung der F-35 durch die Bundeswehr. Der Generalleutnant verwies darauf, dass andere Länder zwar für ihr Paket weniger bezahlen würden, das aber nicht auf die Kosten des einzelnen Flugzeugs umgerechnet werden könne: Die geringeren Kosten ergäben sich vor allem aus den geringeren Bestellungen an Waffen und Ersatzteilen. (Zum Vergleich die geplante Lieferung an die Schweiz gegenüber der deutschen Bestellung)

Kurz nach der Zustimmung des Haushaltsausschusses wurde der Vertrag für die Beschaffung der Flugzeuge unterzeichnet, wie die US-Botschaft in Berlin mitteilte:

Am 14. Dezember 2022 unterzeichnete das Bundesamt für Ausrüstung, Informationstechnik und Nutzung der Bundeswehr (BAAINBw) mit der US-Luftwaffe einen Kaufvertrag über 35 Kampfflugzeuge des Typs F-35A Lightning II, die zwischen 2026 und 2029 geliefert werden sollen. Das US-Programm zum Erwerb von Rüstungsgütern durch andere Staaten (U.S. Foreign Military Sales Program) wird den Verkauf abwickeln, der Einsatzplanungssysteme, Munition, Logistik und Schulungen umfasst. Das deutsche F-35-Programm wird die kontinuierliche Fortsetzung der deutschen Bündnisverpflichtungen sicherstellen und die glaubwürdige Abschreckung der NATO auch in Zukunft gewährleisten. 

Nach den Plänen der Luftwaffe werden die ersten acht Maschinen im Jahr 2026 ausgeliefert – und bleiben in den USA: Dort ist die erste Ausbildung deutscher Piloten auf diesem Flugzeugmuster vorgesehen. Weitere zehn Maschinen sollen im Jahr 2027 folgen, dann mit Stationierung in Deutschland. Im Jahr danach sollen ebenfalls zehn und 2029 die restlichen sieben Maschinen geliefert werden.

Der Haushaltsausschuss verband die Billigung des Kaufs der neuen Flugzeuge allerdings mit einem so genannten Maßgabebeschluss – dem Verteidigungsministerium werden damit für dieses Projekt bestimmte Vorgaben gemacht. Die Koalitions-Abgeordneten, die diesen Beschluss einbrachten und mit Mehrheit fassten, beziehen sich vor allem auf mögliche Risiken bei der Zulassung der Maschinen in Deutschland und eine Beteiligung der deutschen Luftfahrtindustrie an der Wartung der F-35. Die wesentlichen Aussagen im Wortlaut:

Die Tornado-Nachfolge ist eines der wesentlichen Beschaffungsvorhaben des Sondervermögens Bundeswehr, das nicht nur aus verteidigungspolitischer Sicht, sondern auch für den deutschen NATO-Beitrag höchste Priorität hat.
Entsprechend den Ausführungen des Bundesministeriums der Verteidigung zu den in der Vorlage identifizierten Risiken ist die Eintrittswahrscheinlichkeit dieser Risiken gering. Eine Umsetzung der Beschaffung der Flugfahrzeuge vom Typ F-35A im Zeit und Kostenplan ist für die Einsatzbereitschaft der Bundeswehr von großer Bedeutung und ist folglich einzuhalten.
Das Ministerium ist aufgefordert, eine zeitgerechte Zulassung der F-35A für den deutschen Luftraum sicherzustellen. Entsprechend den Ausführungen des Bundesministeriums der Verteidigung ist dafür keine Anpassung des gesetzlichen Rahmens notwendig.
Sollten sich seitens des Ministeriums bei der Bewertung der Risiken mit ihren Eintrittswahrscheinlichkeiten Änderungen ergeben oder weitere Risiken identifiziert werden, die Zeit- oder Kostenplan gefährden, sind der Haushaltsausschuss und der Verteidigungsausschuss unmittelbar darüber zu informieren.
Das Ministerium ist nach Unterzeichnung des Foreign Military Sales Cases zur dauerhaften Aufrechterhaltung der Einsatzbereitschaft aufgefordert, bei Wartung, Ersatzteilversorgung, weitere Waffenintegration, -ausrüstung und Weiterentwicklung, Instandsetzungs- und Inspektionsarbeiten sowie Logistik und Unterstützung spätestens nach Beginn des Flugbetriebs in Deutschland einen Verbleib der wesentliche Wertschöpfungsanteile in Deutschland sicherzustellen.

Ein weiterer großer Posten, der ebenfalls aus dem Sondervermögen finanziert werden soll und von den Abgeordneten gebilligt wurde, ist die Ausstattung vor allem des Heeres mit modernen Funkgeräten. Diese Beschaffung wird seit Jahren immer wieder geschoben, bekam aber aktuell nicht zuletzt unter dem Eindruck der deutschen Beteiligung an der NATO-Battlegroup in Litauen und der dort fehlenden digitalen, verschlüsselten Kommunikation der Bundeswehr mit Verbündeten besondere Dringlichkeit.

Im Rahmen des so genannten Programms Digitalisierung landbasierter Operationen (D-LBO) gab der Haushaltsausschuss einen Rahmenvertrag mit einem Volumen von knapp 2,9 Milliarden Euro frei. Darin sind für die nächsten 15 Jahre feste Aufträge in Höhe von 1,35 Milliarden Euro für zunächst rund 20.000 Funkgeräte vorgesehen, die die Führung von Landoperationen sicherstellen sollen. Der Vertrag erlaubt die spätere Bestellung von rund 14.000 Funkgeräten, die vor allem für Gefechtsstände vorgesehen sind und deshalb die Kosten auf knapp 1,52 Milliarden Euro erhöhen.

Formal ist der Auftrag ein Änderungsvertrag zu bereits bestehenden Vereinbarungen mit dem Münchner Unternehmen Rohde&Schwarz. Damit wird aus Sicht des Ministeriums für diese Beschaffung keine neue europaweite Ausschreibung erforderlich, die den Zeitplan für die Beschaffung infrage gestellt hätte.

Auch in diesem Fall verabschiedete der Haushaltsausschuss einen Maßgabebeschluss der Ampelfraktionen:

Im Sinne der bestmöglichen Ausstattung für unsere Soldatinnen und Soldaten gilt es, ein leistungsfähiges Funksystem gemäß dem neuesten Stand der Technik zu beschaffen, das zudem die Interoperabilität mit den verbündeten NATO-Partnern garantiert.
Der Haushaltsausschuss fordert die Bundesregierung auf:
1. Vor Abschluss des beabsichtigten Rahmenvertrags ist sicherzustellen, dass der noch laufende Teilnehmerwettbewerb rechtmäßig und wirksam beendet wird und hieraus keine Schadenersatzansprüche entstehen. (…)
2. Es ist sicherzustellen, dass das zu beschaffende militärische Funkübertragungssystem im zukünftigen System des Projektes „Main Ground Combat System (MGCS)“ integriert werden kann.
3. Es ist sicherzustellen, dass mit der Beschaffung der Führungsfunksysteme im Rahmen der Division 2025 ein multinationales, interoperables Funkübertragungssystem zur Verfügung steht.
4. Es ist zu gewährleisten, dass die in Entwicklung befindliche Wellenform „ESSOR“ in allen zu beschaffenden Führungsfunkgeräten integriert werden kann.
5. Es ist sicherzustellen, dass die verbundfähige Funkgeräteausstattung (SVFuA) innerhalb von vier Jahren nach Vertragsunterzeichnung multinational interoperabel ist. Sollte dieses Ziel nicht erreicht werden, ist der Führungsfunk noch dann per Wettbewerb neu auszuschreiben.
6. Dem Haushaltsausschuss ist ab dem 31.03.2023 alle sechs Monate hinsichtlich der Gerätezufuhr, des Standes der Integration der Geräte in die Fahrzeuge sowie über den Stand der Integration „Verschlusssache Nur für den Dienstgebrauch (VS NfD)“ zu berichten.

Für die Nachrüstung des Schützenpanzers Puma, der auch Jahre nach der Einführung in die Truppe nur in geringen Stückzahlen voll einsatzreif ist, gab der Haushaltsausschuss zwar ebenfalls grünes Licht. Damit wird eine so genannte konsolidierte Nachrüstung eines Teils der bereits beschafften Gefechtsfahrzeuge für gut eine Milliarde Euro angestoßen. Zugleich machten die Abgeordneten, wiederum in einem Maßgabebeschluss, aber ihren Unmut über die andauernden Nachbesserungen des Schützenpanzers deutlich – und verbanden das mit Vorgaben für eine weitere Puma-Beschaffung in einem möglichen 2. Los:

Der Haushaltsausschuss des Deutschen Bundestages begrüßt die Optionsausübung zur Umrüstung der Restflotte SPz PUMA 1. LOS und erinnert an die gültigen Maßgabebeschlüsse vom 23. Juni 2021, Ausschussdrucksache 19(8)8829 und vom 08.11.2022, Ausschussdrucksache 20(8)2939.
Der Haushaltsausschuss fordert die Bundesregierung daher auf:
1. Vor Einbringung einer 25 Mio. Euro Vorlage zur Beschaffung weiterer SPz PUMA 2. LOS, ist zu prüfen und sicherzustellen, dass die Maßgaben erfüllt sind und alle SPz PUMA 1. Los angemessen umgerüstet werden.
2. Vor Einbringung der 25 Mio. Euro Vorlage SPz PUMA 2. LOS ist den Berichterstattern des Einzelplans 14 ein Konzept vorzulegen, wie der Konstruktionsstand Operative Einsatzreife (FOC) schnellstmöglich erreicht werden kann. Dieser ist finanziell zu beziffern.

Verteidigungsministerin Christine Lambrecht sagte nach der Ausschussitzung zwar, die Vorlage für ein 2. Los Puma sei für die ersten drei Monate des kommenden Jahres vorgesehen. Ob das Parlament diesen Zeitplan mitmacht, wird sich nach diesem Maßgabebeschlusses noch zeigen müssen.

Aus dem Sondervermögen billigten die Abgeordneten die Beschaffung eines neuen Überschneefahrzeugs. Diesen Nachfolger dieses Kettenfahrzeuges der Gebirgsjäger, dass auf Schnee und auch in Sumpfgebieten die Mobilität der Truppe sicherstellt, hatte auch Bundeskanzler Olaf Scholz immer wieder als Beispiel für die Beschaffungen aus dem Sondervermögen genannt. Aus dem „Collaborative All-Terrain Vehicle“-Programm gemeinsam mit Schweden und Großbritannien sollen zunächst 140 dieser Fahrzeuge für 552 Millionen Euro gebilligt werden. Bereits fest eingeplant, allerdings dem Parlament bislang nicht vorgelegt, ist ein zweites Los mit mindestens 210 Systemen für weitere 870 Millionen Euro.

Ebenfalls aus dem 100-Milliarden-Topf finanziert werden soll die Ausstattung von Infanteristen mit Funkgeräten, Teil des so genannten Systems „Infanterist der Zukunft“ (IdZ). Diese „Führungsmittelausstattungen“ für 14 Infanteriezüge im Umfang von 53 Millionen Euro sollen, das ist ein Sonderfall, noch in diesem Jahr geliefert und auch bezahlt werden , obwohl sonst das Sondervermögen erst ab dem kommenden Haushaltsjahr zur Verfügung steht. Grund dafür ist, dass es sich zwar um Funktechnik handelt, das IdZ-System aber als Teil der persönlichen Ausstattung der Soldaten gilt – und dafür hatten die Abgeordneten bereits im Frühjahr, noch vor der parlamentarischen Freigabe des Sondervermögens, eine vorgezogene Genehmigung erteilt.

Und noch ein Dauerthema brachte der Haushaltsausschus in dieser Sitzung nach mehr als zehn Jahren zu einem vorläufigen Abschluss: Die Abgeordneten billigten den Kauf neuer Sturmgewehre, die die seit 1995 in der Bundeswehr genutzte Standardwaffe G36 ablösen sollen. Dafür sollen beim Oberndorfer Rüstungsunternehmen Heckler&Koch bis zu 118.718 neue Gewehre des Typs HK416 für insgesamt rund 273,3 Millionen Euro bestellt werden. (Gesonderter Eintrag dazu voraussichtlich am Donnerstag; für heute ist genug)

(Archivbild: Bundeskanzler Olaf Scholz und Luftwaffeninspekteur Ingo Gerhartz im Juni 2022 auf der Internationalen Luftfahrtausstellung ILA in Berlin mit einem italienischen Piloten vor einem F-35 der italienischen Luftwaffe – Jane Schmidt/Bundeswehr)