Erste Konsequenz aus ‚Puma‘-Debakel: Lambrecht stellt 2. Los infrage
Die massiven Probleme mit dem Schützenpanzer Puma der Bundeswehr haben eine erste Konsequenz: Verteidigungsministerin Christine Lambrecht stellte eine geplante baldige Beschaffung eines zweiten Loses der Gefechtsfahrzeuge infrage. Weitere Pumas werde es nicht geben, so lange sich der Schützenpanzer nicht als stabil erweist, sagte die Ministerin.
Am vergangenen Samstag war bekannt geworden, dass bei einer Übung für den Einsatz in der NATO-Speerspitze 18 dieser Schützenpanzer, der komplette Bestand einer Kompanie des Panzergrenadierbataillons, ausgefallen waren. Der Kommandeur der 10. Panzerdivision, Generalmajor Ruprecht von Butler, hatte in einem Brandbrief an die Heeresführung auf die Probleme hingewiesen und davon gesprochen, dass der Einsatz der Gefechtsfahrzeuge einem Lotteriespiel gleiche.
Nach einem Krisentreffen von politischer und militärischer Führung des Ministeriums am (heutigen) Montag äußerte sich Lambrecht zu dem Vorfall. Sie sicherte zu, dass die Bundeswehr ihre vorgesehene Beteiligung an der NATO-Speerspitze, der Very High Readiness Joint Task Force (VJTF) ab dem 1. Januar kommenden Jahres erfüllen werde, die Ereignisse aber Auswirkungen auf die weitere Beschaffung des Puma haben werde:
Die neuerlichen Ausfälle des Schützenpanzers Puma sind ein herber Rückschlag.
Ich habe bis Ende nächster Woche eine Analyse durch beteiligte Stellen des BMVg und der Bundeswehr, der Heeresinstandsetzungslogistik GmbH sowie der Industrie beauftragt. Das Projekt Puma steht an einer entscheidenden Wegmarke und das habe ich allen Beteiligten unmissverständlich klar gemacht.
Bevor sich das Fahrzeug nicht als stabil erweist, wird es kein 2. Los geben. Die Kritik aus dem Parlament ist vollkommen berechtigt. Unsere Truppe muss sich darauf verlassen können, dass Waffensysteme auch im Gefecht robust und standfest sind. Und die NATO kann sich weiter auf unsere Pflichterfüllung bei der VJTF verlassen. Wir haben den Schützenpanzer Marder bereits bei den Vorbereitungen eingeplant und das hat sich als klug erwiesen.
Nach Bekanntwerden der Puma-Situation war am Wochenende die politische Forderung noch lauter geworden, die geplanten weiteren Beschaffungen auf den Prüfstand zu stellen. Das hatte der Haushaltsausschuss des Bundestages allerdings bereits vorgegeben. Bei der Freigabe weiterer Gelder für die Nachrüstung der bereits beschafften Schützenpanzer dieses Typs hatten die Abgeordneten in der vergangenen Woche dem Ministerium dafür Vorgaben gemacht:
Vor Einbringung einer 25 Mio. Euro Vorlage zur Beschaffung weiterer SPz PUMA 2. LOS, ist zu prüfen und sicherzustellen, dass die Maßgaben erfüllt sind und alle SPz PUMA 1. Los angemessen umgerüstet werden.
2. Vor Einbringung der 25 Mio. Euro Vorlage SPz PUMA 2. LOS ist den Berichterstattern des Einzelplans 14 ein Konzept vorzulegen, wie der Konstruktionsstand Operative Einsatzreife (FOC) schnellstmöglich erreicht werden kann. Dieser ist finanziell zu beziffern.
Besonders kritisch ist, dass die 18 jetzt ausgefallenen Schützenpanzer bereits für den VJTF-Einsatz auf den neuesten technischen Stand gebracht wurden. Warum sie massive technische Probleme hatten, ist allerdings noch nicht geklärt. Sowohl die Bundeswehr als auch die Industrie verwiesen auf nötige weitere Untersuchungen der Fahrzeuge.
Ergänzung: Fragen in der Bundespressekonferenz an Kapitän z.S. David Helmbold vom BMVg:
(wird ggf. ergänzt)
(Archivbild April 2022: Ein Puma des Panzergrenadierbataillons 112 bei der Verlegung für die VJTF-Übung Wettiner Schwert vom Truppenübungsplatz Klietz zum Gefechtsübungszentrum Heer in der Altmark – Marco Dorow/Bundeswehr)
Wie wäre es wenn wir den Schwerpunkt mal darauf verschieben würden, in welche Richtung sich die Beschaffungsprozesse entwickeln müssen, damit es funktioniert.
Offensichtlich scheint der klassische Ansatz: Spezikation, Auftrag, (eventuell Prototypen), Bau, Abnahme nicht zu funktionieren. Zumindest hätte man nicht die Serie von 350 Pumas in dem damaligen Zustand produzieren dürfen. Wie wäre es denn bei den komplexen Systemen, wenn man von vornherein in Stufen vorgeht, kleine Produktionsraten angeht und dann weiterentwickelt. Eurofighter und A400m sind so auch immer besser geworden. Für den Sea Tiger und die F126 ist dieser Weg auch vorgezeichnet. Das finde ich auch gut so.
Angenommen wir würden auf den Lynx setzen. So kann man ja jetzt neben der Herstellung der Einsatzreife der Pumas mit einer kleinen Produktionsrate von einem Lynx pro Monat beginnen und diesen dann jeweils probieren in die Einsatzbereitschaft zu bringen. Rückmeldungen fließen dann direkt in die nächsten Entwicklungsschritte ein und bis zum Ende des Jahrzehnts haben wir dann eine hochwertige Produktionsreihe für den Lynx erreicht, die man dann nur fortsetzen muss. Für solch einen Ansatz benötigt es neue, kooperative Vertragsmodelle. Bewusste Teambildung aus Produzent, Wehrtechnischen Stellen und wenigen Panzergrenadiereinheiten zur kontinuierlichen Entwicklung, Einführung und Weiterentwicklung scheint mir der Königsweg zu sein.
Usedom70 sagt:
20.12.2022 um 12:58 Uhr
Richtig,
ich hätte es anderes formulieren müssen. Tatsächlich hat die Pannenserie ihren Ursprung, das die Politik und BAAINBw sich nur auf ein Modell eingeschossen hatten.
Mentor sagt:
20.12.2022 um 17:38 Uhr
Die Kritik an der BAAINBw ist auf jeden Fall angebracht.
Zitat BAAINBw : AUFTRAG
„Von Fregatte bis Uniform: Das BAAINBwBundesamt für Ausrüstung, Informationstechnik und Nutzung der Bundeswehr in Koblenz ist zuständig für die Ausstattung der Streitkräfte mit Rüstungs- und Wehrmaterial.“
https://tinyurl.com/233wf7ak
Da die BAAINBw ihren Auftrag nicht erfüllt, muss diese Bundesamt aufgelöst werden. Persönlich würde ich die 18 Pumas zur WTD 91 in Meppen schaffen.
Ein Evaluations Team Puma aufstellen, das mit Leuten von außen besetzt wird. Diese bewerten ob es sich noch lohnt die Mängel zu beseitigen, oder ein Neuanfang Sinnvoller wäre. Dieses Evaluations Team Puma führ dann bei Bedarf eine echte Ausschreibung durch.
Von echten Schwierigkeiten beim Leopard 2 habe ich bis heute nichts gehört, liegt vermutlich ein Verwechslung mit den Kampfpanzer 70 vor.
https://de.wikipedia.org/wiki/Kampfpanzer_70
Unter Punkt 4. kannst du noch die Unendlichen Geschichten: Eurofighter, A400M und Korvette K130 aufnehmen.
@Mentor 5. Ich bin kein „Beamter“ im BAAINBw und dennoch nervt mich dieses Bashing.
Ich auch nicht, aber ich bin Steuerzahler. Wenn die alle so einen tollen Job machen, dann hätten wir 20 Jahre nach der Idee keine „Startschwierigkeiten“.
So, die Mutter aller Probleme: Man streitet sich um Anteile an Projekten. Offensichtlich streitet man dann nur noch zweitrangig um die besten Lösungen.
Interessanter Einwurf zu Agile Management im Faden. Ob der Scrum Owner welches Kuchendiagramm an Anteilen hinter sich hat ist ihm egal, der Scrum-Stakeholder (Die Truppe, LuWa, … ) sollen glücklich sein und die Welt am Ende in Ehrfurcht staunen. Da ist es auch völlig egal wer SCRUM-Master in den einzelnen Subprojekten ist. Das kann dann auch mal ein Schwede oder Niederländer sein, wenn die von einer Komponente oder Integration am meisten Ahnung und Know-How haben.
Aber da müssten die Staatspräsidenten mal ne Ansage an ihre Konzerne machen ….
Nachdem ich den Ball bzgl. des BAAINBw ja losgetreten habe, will ich dann auch versuchen auf die gemachten Anmerkungen einzugehen.
Grundsätzlich kann man ja mal festhalten, dass das BAAINBw ja nicht alleine im Beschaffungsorbit rumfliegt, sondern es noch reichlich andere Stellen gibt, die die Richtung vorgeben. Diese Stellen sind sowohl intern Bw (BMVg, PlgA, OrgBer etc.) und extern (Politik, Lobbyisten,etc.). Das BAAINBw ist der klassische Bedarfsdecker, was aber bedingt, dass der Bedarf erstmal vernünftig artikuliert wird, das Ganze am besten völlig unvoreingenommen und rein sachlich. Hier gibt es wohl dann die ersten Probleme weil die Bedarfsforderung im Grenzfall ganz unverfroren eine Abschrift aus einem Industrieprospekt ist, Abgeordneter X sich für die Wertschöpfung in seinem Wahlkreis stark macht oder jemand angekratzte europäische Verhältnisse durch gemeinsame Rüstungsprojekte kitten möchte.
Das BAAINBw beplant weit über 800 Produkte und macht seinen Job genauso gut oder schlecht wie alle anderen Bereiche der Bw. Schaut man sich die Problembärchen genauer an, kann man sie fast alle in obige Kategorien einordnen.
Leider ist das so und mir wäre es auch lieber es gäbe deutlich mehr Korrekturfaktoren (auch im BAAINBw) !
Der Vorschlag von @milliway bzgl. Auflösung und so….. gut gebrüllt….aber leider substanzlos. Wir befinden uns nicht im rechtsfreien Raum. Es gelten immer noch Recht und Gesetz und das wenigste davon hat wiederum das BAAINBw zu verantworten. Wie bei jedem Kauf muss dem Hersteller die Möglichkeit zur Mängelabstellung gegeben werden….. das passiert gerade. Sicherlich werden schon jetzt einige Herren auf eine nationale Wertschöpfung und die Systemwichtigkeit des Herstellers verweisen. IBuK hat da jetzt dennoch mal Zähne gezeigt. Gut so.
Wenn es denn nur die Probleme bei den komplexen (Waffen)systemen der BW wären.
Auch wenn es hier OT ist, so gibt es doch auch viele Probleme im Bereich der „normalen“ LKW (UTF/Multi 2), die teilweise in Jahren der Erprobung und Testung nicht aufgefallen sind, sondern erst im Rahmen der tägliche Nutzung in der Truppe.
Einfache, banale Dinge, bei denen man sich als Endnutzer, nur noch an den Kopf fassen kann und die die Auslieferung an die Truppe verzögern.
Diese Liste liese sich ohne Probleme erweitern.
@Jean Pierre
Auf ASCALON kann ich gerne verzichten. Abgesehen davon: Wenn Nexter die Kanone etc. stellt, was bleibt dann für Rheinmetall? In meinen Augen wurde/wird der KF51 nur entwickelten, da man um eine Beteiligung bei MGCS fürchten muss. Im übrigen ist der KF51 nun bald ein System, dass man als Vergleich etc. heranziehen kann… also auch kein Nachteil.
Wenn wir nun wieder über FCAS/MGCS reden: FCAS hat das vielfache (2-stelliger Faktor) Finanzvolumen von MGCS. Nachdem man Dt. bei FCAS restlos ausgebootet hat, steht uns wenigstens MGCS zu. Und nach der 20 Jahre Pannenserie „Leclerc“ sollte man vlt. erstmal die eigenen Fehler kritisch beleuchten, bevor man rechts des Rheins mit solchen Sprüchen aufkreuzt. Ich denke im Übrigen, dass jedem Deutschen, der sich mit Militär befasst, die Misere des PUMAs bekannt ist. Aber für den Fall, dass man in FR zu viel Angst vor KMW und Rheinmetall hat, darf man wegen mir gerne MGCS beenden. Dann baut jeder für seinen Bedarf und nach seinen Regeln.
Hallo Si vis pacem para bellum,
MGCS genau sowie FCAS sind an alle erste Stellen politische Projekte, europäische Symbolen. Hier wurde akribisch (und zu recht) über die BAAINBw und Industrie schuld an der PUMA Misere diskutiert. Mich interessiert allerdings auch die politischen Aspekten und die Beziehung zwischen KMW und Rheinmetall.
DEU hat schon immer gern in schwere, komplexe und teure Waffen Systemen investiert ganz zu Freude der Waffen Industrie und seine Angestellten. Die Stand Haltung diese Waffen war allerdings nie eine Priorität. Wieso auch? Denn DEU hat sich immer auf der internationale militärische Szene im Hintergrund gehalten (typischen deutsche Tätigkeiten waren Aufklärungsflüge sowie Polizei und Armee Ausbildung). Unter dem Schutz des US Regenschirmes hat es sich letztendlich gut leben lassen. Das ist eine politische Entscheidung. Damit man das ja nicht ändern kann (und zwar unabhängig den zukünftige Regierungsfarbe) hat man einen Monster in der Form der BAAINBw erschaffen was eine Reform der Bundeswehr zu Titan Aufgabe macht. Obwohl man dieses Problem schon erkennt hat, findet man immer noch kein starken politischen Willen und Engagement um die BAAINBw zu reformieren, sodass vielen Geräten wie den PUMA nicht Einsatzfähig sind. Stattdessen wird lieber die 100 Mds Eur Gießkanne benutzt mit der Hoffnung, dass ein paar Milliarden runter zur Soldaten durchsickern.
Das Rheinmetall den LYNX auf dem Markt gebracht hat, nachdem er mit KMW den PUMA mit entwickelt hat, spricht nun wirklich nicht für eine gesunde Partnerschaft. Vielleicht hat man bei Rheinmetall schon damals geahnt, dass der PUMA zum Problem Fall werden kann. Interessant finde ich auch, dass KMW und Rheinmetall sich nicht besonders bemühen ihre gegenseitige Abneigung in der Öffentlichkeit zu verbergen. In Sache MGCS sollten Sie sich lieber die Frage stellen, warum KMW und Rheinmetall keine gemeinsame Position gegenüber den Franzosen am Anfang des Projektes verteidigt haben und stattdessen KMW heil froh war eine Holding mit Nexter zu gründen, denn eine solche Holding wäre für MGCS nicht zwingend notwendig gewesen. Allerdings isoliert sie Rheinmetall… Für mich sieht es danach aus, als ob KMW die Konsequenz des PUMA Projektes ziehen wollte, und sich bewusst einen anderen Partner als Rheinmetall gesucht hat, sodass KMW jetzt mit alle Macht Rheinmetall aus dem MGCS Programme zu verdrängen versucht. Somit wäre nicht Nexter (und seinen sehr guten Ascalon System) oder Frankreich das Problem sondern viel mehr KMW-Rheinmetall selbst.
Das Rheinmetall das einfach nicht so hinnehmt, war ja zu erwarten. Und ja der KF51 ist eine Antwort darauf (eine Art Plan B à la Dassault 😉). Ich muss sogar sagen, dass diesen PR Coup meisterhaft durchgeführt wurde. Die deutschen Medien haben hier ganze Arbeit geleistet, um die nationale Ader vibrieren zu lassen, während den EBMT von KNDS (KMW + NEXTER) entweder ignoriert wurde oder klein gesprochen wurde (Leclerc Turm statt das neue EMBT Turm Konzept). Sogar im Bundestag hat Rheinmetall durch seine Lobby Arbeit ganze Arbeit geleistet (sehe meinen Beitrag davor). Dies erhöht auf jedenfalls den Druck auf die Entscheidungsträger. Ob es reichen wird, werden wir noch sehen.
Somit sehe ich in der PUMA Debakel auch eine ungesunde KMW-Rheinmetall Rivalität die beim MGCS in der zweite Runde gehen wird. Um hoffnungsvoller in der Zukunft zu blicken, sollte man jetzt die PUMA Krankheiten schnell und dauerhaft beseitigen. Optimistisch bin ich aber nicht.