Nach fast sechs Jahren ist die ‚Gorch Fock‘ wieder in der Marine
Nach fast sechs Jahren Werftliegezeit ist die Gorch Fock, das Segelschulschiff der Bundeswehr, wieder in die Deutsche Marine zurückgekehrt. Die Lürssen-Werft übergab den Großsegler in Wilhelmshaven an die Marine; am Montag kommender Woche soll das Schiff in seinen Heimathafen Kiel einlaufen. Die Gorch Fock war seit Ende 2015 instandgesetzt, überholt und am Ende grundsaniert worden – dabei hatten sich die Kosten mehr als verzehnfacht.
Die Übergabe an die Bundeswehr, die noch in diesem Jahr mehrfach verschoben worden war, teilte die Lürssen-Werft am (heutigen) Donnerstag mit:
Mit der Übergabe der GORCH FOCK an die Deutsche Marine schließt Lürssen die Instandsetzung des Segelschulschiffes nach rund zwei Jahren Werftzeit erfolgreich ab. Das Bremer Familienunternehmen hatte das Projekt im Oktober 2019 übernommen und das Schiff auf der Grundlage einer umfassend neubewerteten Leistungsbeschreibung generalüberholt. (…)
„Unser Projektteam und alle beteiligten Partnerunternehmen und Unterlieferanten haben es geschafft, einem leeren Stahlkasko in weniger als zwei Jahren wieder Leben einzuhauchen und die GORCH FOCK unter Segel zu setzen. Das ist eine besondere Leistung, die auch dank der vertrauensvollen Zusammenarbeit mit dem Bordkommando, dem Marinearsenal und allen verantwortlichen Dienststellen zustande gebracht werden konnte.“
Die GORCH FOCK befand sich seit Anfang September am Marinestützpunkt Wilhelmshaven in der Endausrüstung. In dieser Phase wurden zahlreiche Erprobungen wie Kränkungsversuch, die Prüfung der Funk- und Navigationsanlage sowie Werftprobefahrten durchgeführt. Parallel hat die Deutsche Marine ihr Equipment an Bord verbracht.
In den Monaten zuvor wurde das Schiff an den Lürssen-Standorten Berne und Lemwerder mit neuen Masten und Rahen ausgerüstet sowie einem komplett neuen Rohrsystem, neuer Isolierung und neuem Innen- und Außenanstrich. Zudem wurden Antriebsanlage und Generatoren instandgesetzt, die Inneneinrichtung zum größten Teil neu eingebracht und die Klima- und Lüftungsanlagen an die aktuelle Vorschriftenlage angepasst.
Die zweijährige Instandsetzung bei Lürssen war nur der letzte Teil einer langen Problemgeschichte. Ende November 2015 war das Segelschulschiff in Wilhelmshaven auf eine, wie es damals schien, routinemäßige Wartung vorbereitet worden. Im Jahr danach zeigten sich die ersten Probleme, die aus Sicht der Marine allerdings noch keinen Anlass zur Sorge gaben:
Das Segelschulschiff „Gorch Fock“ der Deutschen Marine fährt momentan nicht zur See. Es liegt zur Überholung in der Werft. Hier wird auch die schiffbauliche Untersuchung (SBU) durchgeführt, die jedes Schiff alle fünf Jahre durchlaufen muss. Dabei wurden bisher unbekannter Schäden am Oberdeck der „Gorch Fock“ entdeckt, weshalb sie länger als ursprünglich geplant instandgesetzt werden muss.
Bei der Untersuchung des Oberdecks im Rahmen der SBU wurde festgestellt, dass Wind und Wellen größeren Einfluss auf das Material genommen haben, als bisher angenommen. Hier müssen Teile ausgetauscht werden. Hier führte die gründliche Inspizierung des ganzen Schiffes dazu, dass kein Schaden unentdeckt blieb.
(…) „Weil in der laufenden Werftliegezeit ohnehin zahlreiche technische Änderungen durchgeführt werden müssen und die SBU nächstes Jahr sowieso hätte durchgeführt werden müssen, sparen wir mit dem Vorziehen dieser umfangreichen aber auch gründlichen Instandsetzung Zeit und Geld“ ,führt Kapitän zur See Nils Brandt, Kommandant der „Gorch Fock“ aus. Dadurch erreicht die Deutsche Marine, dass für die kommenden Jahre Planungssicherheit auf dem Segelschulschiff besteht.
Diese Hoffnung erfüllte sich nicht, im Gegenteil. Waren die ursprünglichen Kosten für die Instandsetzung zunächst mit rund zehn Millionen Euro veranschlagt worden, ging es in den Jahren danach steil nach oben. 2017 entschied die damalige Verteidigungsministerin Ursula von der Leyen, dass der Großsegler für 75 Millionen Euro grundsaniert werden und dann wieder in Betrieb genommen werden sollte. Auch das reichte am Ende nicht: 2018 wurde klar, dass es rund 135 Millionen Euro kosten würde, die Gorch Fock wieder als Segelschulschiff nutzen zu können.
Zusätzlich kompliziert wurde die Generalüberholung nicht nur durch den maroden Zustand des Schiffes, sondern auch durch Probleme mit der beauftragten Elsflether Werft. Es gab Ermittlungsverfahren gegen Bundeswehr-Bedienstete und einen vorläufigen Zahlungsstopp, Probleme mit der Werft und dann deren Insolvenz und letztendlich die Übergabe an die Lürssen-Werft, die aus dem Problemschiff wieder einen funktionsfähigen Großsegler machen sollte (was auch noch holprig genug war mit Terminverschiebungen (1 und 2) und Technikausfällen nach dem Auslaufen aus der Werft).
Mit der Übergabe an die Marine und natürlich vor allem mit der Rückkehr nach Kiel soll darunter ein Schlussstrich gezogen werden. Für das Einlaufen in der Schleswig-Holsteinischen Landeshauptstadt hat sich deshalb auch die Verteidigungsministerin angesagt. Und die Marine fährt für die Rückkehr ihres Symbol- und Traditionsschiffes das große Programm – einschließlich Passieren Ehrenmal Laboe, Passieren Marinestützpunkt Kiel, dabei Begrüßung von der Außenmole mit 20 Schuss Salut, der von der „Gorch Fock“ mit einem 21. Schuss erwidert wird, Ehrenrunde bis in die Kieler Innenförde, danach Anlaufen des Liegeplatzes im Marinestützpunkt.
Das Programm der kommenden Monate für den Großsegler steht auch schon fest, wie die Marine mitteilte:
Wenige Tage später werden Schiff und Besatzung in eine vierwöchige Ausbildungsphase starten, die größtenteils in der Ostsee absolviert wird. Dabei geht es um Segeltraining, aber auch interne Abläufe des Bordbetriebs wie beispielsweise Leck- und Brandbekämpfung. Abschließen wird diese Phase Anfang November mit der sogenannten Seeklarbesichtigung abgeschlossen. Damit wird dem Schiff seine volle Einsatzbereitschaft bescheinigt.
Im Anschluss werden Schiff und Besatzung ihren Heimathafen abermals verlassen und mit Ziel Kanarische Inseln in See stechen. Nach einem Stopp in der portugiesischen Hauptstadt Lissabon heißt das Ziel Santa Cruz, die Hauptstadt der Insel Teneriffa. Von dort aus steht ein intensives Segeltraining auf dem Programm. (…) Nach dem Jahreswechsel wird dann Anfang Januar 2022 der erste Törn der Kadettencrew 2021 in Santa Cruz de Tenerife an Bord gehen und die reguläre Ausbildung an Bord des Segelschulschiffes absolvieren. In der zweiten Märzhälfte 2022 wird die „Gorch Fock“ wieder im Heimathafen Kiel zurückerwartet.
(Foto: Darstellung der Gorch Fock auf der Rückseite des 10-D-Mark-Scheins, Serie 3 – Wikimedia commons)
Jetzt muss nur noch die offizielle Rückumbenennung erfolgen von Gorch Dock in Gorch Fock
Ich geh mal davon aus, dass wir dann in 6 Wochen die ersten „freudigen“ Nachrichten hören, á la „das Ruder lässt sich nur nach Backbord drehen oder die Segel aus Nachtfalterseide reißen zu schnell ein. Wetten werden angenommen.
Kosten hin oder her – ich freue mich über die Rückkehr der Gorch Fock in die Marine! Die Bilder im TV machen schon etwas „Pipi in die Augen“. Und das Programm zur Rückkehr – standesgemäß, schön! Da wäre ich schon gerne dabei. Hoffentlich gibt es da mehr als 90 s in der Tagesschau…
>Kränkungsversuch
Haben die das tatsächlich so geschrieben?
Achja: Bremen…
„Kosten – hin oder her“ ist definitiv nicht meine Meinung als pensionierter Marineoffizier.
Bin schon gespannt, mit welchen kreativen Buchungen man den Kostendeckel von 135 Mio. Angeblich eingehalten haben will. Hier ist jetzt investigativer Journalismus gefragt, um die tatsächlichen Kosten herauszufinden.
Dem Schiff und seiner Crew wünsche ich aber dennoch stets „fair Winds and following seas“.
Die Übergabe an die Marine ist erfreulich.
Es bleibt aber auch zu hoffen, dass aufgrund der extremen Kostensteigerungen eine Schadensbearbeitung durchgeführt wird. Vielleicht kann man den ein oder anderen persönlich haftbar machen. Dies würde abschrecken.
Schreibt Lürssen tatsächlich von einem „Kränkungsversuch“, oder ist das ein Tippfehler?
Krängung ist etwas anderes….
„In dieser Phase wurden zahlreiche Erprobungen wie Kränkungsversuch[…]“
Stehen da dann die Matrosen am Pier und versuchen, die Gorch Fock zu beleidigen? Oder meinte die Werft doch eher einen Krängungsversuch?
Nichtsdestotrotz, die weiße Dame ist wieder da – das ist klasse.
Womit schießt die Fock denn Salut?
Zu meiner Zeit waren wir immer neidisch auf die Vespucci oder Elcano, die so nette alte Torpedbootskanonen (Fabrikat Krupp, um 1900) zum Salutschießen hatten.
Gut das die GF im Dock und nicht in AFG war. Sonst wäre sie irgendwann ohne grosses Trara in den Hafen eingelaufen und die Kieler hätten sich irgendwann verwundert die Augen gerieben. Wollen wir also hoffen das sie nun die nächsten 30 Jahre über die Weltmeere schippert damit sich die Kosten wenigstens halbwegs amortisieren.
Na so ein Glück, dass der Kieler Tornado das frisch instandgesetzte Schiff nicht gleich wieder zerlegt hat.
@Oliver
Ich wette, dass die neue Elektronik der Antriebsanlage ausfällt und ein redesign erforderlich ist.
Gut das sie wieder in alter Schönheit erstrahlt und D auf den Weltmeeren vertreten kann. Die restlichen Gelder der Reparatur bitte nach Stralsund zur alten „Gorch Fock1“ überweisen damit diese ebenfalls noch Jahre präsent bleiben kann.
https://gorchfock1.de/
Link ist hoffentlich OK
Na, nun ist sie wieder da.
Angesichts der nahezu € 600 Millionen, die die Bw für Nachbauten alter Funkgeräte ausgeben möchte, ist die Sanierung der Gorch Fock doch ein Schnapper./sarc
Der Bund der Steuerzahler hat dieses Thema auch auf der Agenda. In Niedersachsen aktuell hieß es gestern Abend dazu, dazu käme noch ein Wartungsrahmenvertrag, da die GF spätestens alle zweieinhalb Jahre für einen längeren Aufenthalt in die Werft muss. Dieser wird wohl gerade verhandelt. Das treibt die Betriebskosten in die Höhe. Mal schauen, das Thema wird uns wohl noch etwas begleiten.
Die Gorch Fock auf einem Geldschein, der 1990 abgelöst wurde, hat viel Symbolik in der aktuellen Diskussion…
Wieviele der neuen Kadetten kennen diesen Geldschein überhaupt noch…?
Für das Geld hätte man bestimmt ein neues Segelschulschiff bauen können.
@derRealist: Die Kadetten sind alle in diesem Jahrtausend geboren. Für die ist das antike Geschichte. Damals wurden Beschaffungen zwar auch schon vermurkst, aber in diesem Jahrtausend hat das neue Höhen erreicht.. Aber immerhin waren die Geldscheine hübscher.
@pio-fritz: Alle zweieinhalb Jahre in die Zivilwerft? Wie oft ging denn früher die Gorch Fock in die Werft?
@ Sommerbiwak
Ganz genau.
Der Geldschein passt zum Schiff. Leider ist der Geldschein ausgemustert worden, aber das Schiff nicht…
Ich denke, wir haben Bedarf für ein modernes Schulschiff.
Hoffentlich wird das nicht auch wieder vergessen…
@Sommerbiwak: Andere Einheiten gehen auch alle 2,5 Jahre in die Werft. Zwischenbesichtigung (schiffbauliche Untersuchung).
Wichtig ist für mich, dass die Gorch Fock nun wieder nach Kiel kommt und ihre Aufgabe erfüllt. Über die Kosten ist viel geschrieben worden und muss an anderer Stelle untersucht werden. Ich hätte mir nur gewünscht, dass die Gorch Fock bei der diesjährigen Abschlussparade der Kieler Woche vor kurzer Zeit als Führungsschiff gefahren wäre, denn nach einer so langen Werftzeit hätte die Marine anders planen können! Ich wünsche dem Schiff und seiner Besatzung immer eine Hand breit Wasser unter dem Kiel.
So, nach einer vermutlich recht ruppigen Fahrt rund Skagen ist die GORCH FOCK heute in der Kieler Bucht angekommen (sagt marinetraffic.com). Gesegelt wurde bei dieser Tour offenbar nicht, war wohl eine reine Maschinenfahrt. OK, bei der zweiten Hälfte der Tour (von Skagen in die Kieler Bucht) stand der Wind auch knallhart auf der Nase, unter Segeln aufkreuzen wäre da recht schwierig geworden. Da nutzt man doch lieber die Erfindung des Herrn Rudolf Diesel. Und die scheint jetzt immerhin zu funktionieren.
Jetzt grade (3.10.21 / 13:38) wird die Eckernförder Bucht angesteuert, wo man vermutlich vor Anker gehen wird und auf das offizielle Begrüßungsprogramm am morgigen Montag warten wird. Hoffentlich läuft da alles rund.
(zum Thema Salutschießen: dafür gibt’s doch bestimmt eine App, oder ;)
@marinespox
„Kommandant lobt Fahrverhalten – Neue #GorchFock wiegt 70 Tonnen weniger
Der Anblick des Schiffes in Kiel werde viele Skeptiker hoffentlich überzeugen, dass die Entscheidung richtig war.“
Inwiefern wirkt sich geringeres Gewicht auf die Seefähigkeit aus, Vorteil ggf. Nachteil?
Das nichts für immer ist, sollte jedem eigentlich klar sein….außer der Marine anscheinend….
Wieso man nicht einfach ein neues Segelschulschiff bauen lässt, um mit dem neuen Schiff dann eine neue Geschichte zu schreiben, so wie man es mit der Gorch Fock seit 1958 auch getan hat, bleibt mir ein Rätsel.
Den Stapellauf könnte man dann schön als „Neuanfang der Marine“ oder „Beginn der Zukunft“ (oder so ähnlich) verkaufen.
@KPK: „Inwiefern wirkt sich geringeres Gewicht auf die Seefähigkeit aus, Vorteil ggf. Nachteil?“
das hängt davon ab, wo das Gewicht plaziert ist.
Z.B.: zuviel Gewicht im Vorschiff führt dazu, dass der Bug gewaltsam in die Wellen donnert, anstatt elegant darüber hinweg zu gleiten.
Zuviel Gewicht in der Höhe führt zu geringerer Stabilität, das Schiff rollt zäh im Seegang und wird regelmäßig von den Wellen überspült.
Zuviel Gewicht unten (Ballast) führt dazu, dass das Schiff jeder Welle gewaltsam zu widerstehen versucht und ständig seitlich angedroschen wird.
Der goldene Mittelweg ist der Richtige.
@Moneymaker sagt: 04.10.2021 um 0:41 Uhr
„Wieso man nicht einfach ein neues Segelschulschiff bauen lässt,…“
Für die jetzige Gorch Fock ist die Diskussion müßig, das Thema ist durch.
Im Prinzip haben Sie aber recht, man müsste jetzt in die Planungsphase für einen Nachfolger für die Gorch Fock einsteigen, damit am Ende des Lebenszyklus der jetzigen Sanierung ein neues Schiff am Kai liegt – oder vielleicht zwei kleinere. Das sollte alles so zeitnah passieren, das man nicht wieder in eine Fähigkeitslücke von 6 Jahren läuft.
Nur aus Neugier, wie hat man eigentlich die Stammbesatzung sechs Jahre lang im (trocken?) Training gehalten? Zumindest gehe ich davon aus, dass bei der Übergabe an die Bundeswehr erfahrenes Personal an Bord gegangen ist und nicht frische Rekruten.
Weiß jemand wieviele OAs jedes Jahr auf der GF fahren und ausgebildet werden? Was haben eigentlich die Jahrgänge gemacht die in den letzten Jahren ohne GF in ihrem Ausbildungsgang auskommen mussten? Mit was wurde der Segeltörn denn ersetzt um den OAs was Vergleichbares bieten zu können?
Staatsraad Lehmkuhl oder Mircea
@ Pio-Fritz
Ein Nachfolgemodell, dass zeitgerecht und einsatzbereit zur Verfügung steht. Das wäre ja mal was ganz Neues.
„Wie, wir brauchen ein neues Schiff?“
@ Trevor Faith
Eher zwei.
@ Pio-Fritz
Ich fürchte, gerade durch die Verzögerungen und Kostensteigerungen, die es jetzt gegeben hat, dürfte es schwierig werden, das Thema „Gorch Fock-Nachfolger“ zeitnah auf die Tagesordnung zu setzen.
Warum ein neues Schulschiff? in Hamburg liegt doch die Peking. Die wurde übrigens in der Hälfte der Zeit für ein Viertel des Geldes von Schrott auf Museumsschiff saniert (trotz Asbest und bleihaltigen Farben). Aber vier Masten sind wahrscheinlich zu großkotzig für die Marine.