Verteidigungshaushalt soll 2022 und danach stärker steigen als geplant – Erstmals über 50 Mrd Euro (Nachtrag: Kabinett)

Der deutsche Verteidigungshaushalt soll im kommenden Jahr stärker als bisher geplant und erstmals auf mehr als 50 Milliarden Euro steigen; für die Jahre nach 2022 ist ebenfalls ein höherer Wehretat als bislang vorgesehen. Damit soll Verteidigungsministerin Annegret Kramp-Karrenbauer mehrere neue große Rüstungsprojekte beginnen können. Allerdings werden damit auch die Rüstungsausgaben für den Haushalt des Wehrressorts in den nächsten Jahren vorbestimmt.

Den Entwurf des Bundeshaushalts 2022 und die Finanzplanung für die Jahre bis 2025 will das Bundeskabinett am (morgigen) Mittwoch beschließen und damit eine Fortschreibung der Eckwerte vornehmen, die die Bundesregierung im März beschlossen hatte. Die endgültige Entscheidung über den Haushalt des kommenden Jahres trifft der Bundestag – allerdings dann erst in voraussichtlich neuer Zusammensetzung nach der Wahl am 26. September.

Für den Einzelplan 14, den Verteidigungshaushalt, sieht der Entwurf eine Steigerung von 46,93 Milliarden Euro in diesem auf 50,33 Milliarden Euro im kommenden Jahr vor – ein Plus von 7,2 Prozent und gut eine Milliarde Euro mehr als die noch im März vorgesehenen 49,3 Milliarden.

Darüber hinaus soll sich auch die Planung für die Folgejahre ändern und nach 2022 mehr Geld im Wehretat bereitstehen. Die Erhöhungen im Vergleich zu den Eckwerten vom März:

2023: von 46,33 auf 47,34 Milliarden Euro
2024: von 46,15 auf 47,16 Milliarden Euro
2025: von 45,73 auf 46,74 Milliarden Euro

also pro Jahr gut eine Milliarde Euro zusätzlich, wenn auch die fallende Finanzlinie der Jahre nach 2022 bleibt.

Hauptgrund für die Anhebung sind mehrere Rüstungsprojekte, die die Bundesregierung insgesamt unterstützt – was schon im Kabinettsbeschluss im März festgeschrieben wurde und im neuen Entwurf ebenfalls festgehalten ist:

Die für den Verteidigungshaushalt vorgesehenen Ausgaben im Regierungsentwurf zum Haus­halt 2022 steigen gegenüber dem Finanzplanansatz um rund 3,5 Mrd. € auf rund 50,3 Mrd. €. Hierin enthalten sind rund 1,2 Mrd. € aus dem Konjunkturpaket 2020.
Damit wird dem aktuellen Bedarf im Jahr 2022 insbesondere in den Bereichen Rüstungsbe­schaffung und Digitalisierung Rechnung getragen und es werden gleichzeitig Konjunkturimpulse gesetzt.
Die Bundesregierung bekennt sich zu ihren Verpflichtungen gegenüber der NATO sowie innerhalb der Europäischen Union.
Es besteht weiterhin Einvernehmen innerhalb der Bundesregierung, dass bestimmte Großvor­haben zum Schließen von Fähigkeitslücken gemäß dem Fähigkeitsprofil der Bundeswehr und damit zur Wahrnehmung bereits eingegangener internationaler Verpflichtungen finanziert werden und es dem Verteidigungshaushalt ermöglicht wird, die insoweit verabredeten Fähig­keitsziele zu erreichen. Die Umsetzung dieses Einvernehmens setzt die Vereinbarkeit mit den jeweiligen Möglichkeiten der jährlichen Haushaltsgesetze voraus.
Auf Basis des Regierungsentwurfs zum Haushalt 2022 können mit dem Future Combat Aircraft System ein Vorhaben der deutsch-französischen Rüstungskooperation und mit dem U-Boot Klasse 212 CD (Common Design) sowie dem Lenkflugkörper Naval Strike Missile Block 1A zwei Vorhaben im Rahmen einer deutsch-norwegischen Rüstungskooperation, sowie außerdem die Schließung der Fähigkeitslücke zur luftgestützten, signalerfassenden Aufklärung (PEGASUS), der Ersatz der veralteten Flottendienstboote sowie die Beschaffung von Luftfahrzeugen zur U-Boot-Abwehr umgesetzt werden, die auch im Kabinettbeschluss vom 24. März 2021 benannt waren.

Damit war die Verteidigungsministerin mit ihren Verhandlungen – oder eher: mit ihrem Pokern? – erfolgreich: Sie hatte dem Haushaltsausschuss des Parlaments angekündigt, mehrere Rüstungsprojekte zur Billigung vorzulegen, auch wenn dafür keine Finanzierung im Haushalt absehbar war. Das hatte unter anderem zu Streit selbst mit Abgeordneten aus der Koalition geführt; letztendlich erhält Kramp-Karrenbauer aber nun nach der Planung für das kommende Jahr das Geld für diese bislang nicht finanzierten langfristigen Projekte.

Um die wird es ebenfalls am (morgigen) Mittwoch gehen: Dann steht die rekordverdächtige Zahl von 27 Rüstungsprojekten auf der Tagesordnung des Haushaltsausschusses (unter anderem der neue Seefernaufklärer für die Marine, s. Foto oben – mehr zu den Projekten hier). Mit den zusätzlichen Mitteln ist die Finanzierung auch der bislang als ungesichert angesehenen Vorhaben formal abgedeckt.

Allerdings: Mit den neuen Projekten, wenn sie vom Haushaltsausschuss gebilligt werden, ist der Verteidigungshaushalt auf Jahre hinaus zum Teil bereits verplant. Grund sind die so genannten Verpflichtungsermächtigungen, mit denen das Verteidigungsministerium Verträge abschließen kann, deren Kosten erst in den nächsten Jahren fällig werden.

Der Wehretat weist damit künftig die mit Abstand höchsten Verpflichtungsermächtigungen auf, weit mehr als zum Beispiel der Verkehrshaushalt, in dem ebenfalls langfristige Vorhaben über solche Ermächtigungen abgedeckt werden: Die Gesamtsumme der für das kommende Jahr einzugehenden Verpflichtungsermächtigungen im Verteidigungshaushalt beträgt nach der Übersicht des Finanzministeriums 24,8 Milliarden Euro, von denen bis 2025 pro Jahr bis zu vier Milliarden und nach 2025 dann 13,4 Milliarden Euro benötigt werden.

Zum Vergleich: Der Haushalt des Bundesministereriums für Verkehr und digitale Infrastruktur sieht 15,4 Milliarden Euro an Verpflichtungsermächtigungen vor, von denen pro Jahr zwischen knapp zwei und knapp vier Milliarden ausgegeben werden sollen.

Die entsprechenden Verträge allerdings kann das Verteidigungsministerium schon in diesem Jahr schließen, sobald das Parlament zugestimmt hat – und die haben dann auch Einfluss auf den Spielraum, den ein künftiges Parlament und die künftige Bundesregierung im Verteidigungshaushalt der kommenden Jahre haben.

Nachtrag 23. Juni: Nach dem Beschluss im Bundeskabinett nahm das Verteidigungsministerium dazu Stellung:

Das Kabinett hat heute den Regierungsentwurf für den Bundeshaushalt 2022 und den Finanzplan bis 2025 beschlossen. Darin ist für den Verteidigungshaushalt für 2022 ein Budget von rund 50,3 Mrd. Euro vorgesehen.
Die notwendige finanzielle Unterfütterung der Bundeswehr setzt sich damit fort und unterstreicht die Bedeutung einsatzbereiter und auch in Krisenzeiten resilienter Streitkräfte.
Im kommenden Jahr 2022 wird der Etat das erste Mal über 50 Mrd. Euro liegen. „Für mich ist klar: Der Verteidigungshaushalt ist ein Fürsorgehaushalt! Er ist der ‚Haushalt für das Leben in Frieden und Freiheit‘. Er sichert die Rechte künftiger Generationen. Er ist ein Anzeichen dafür, ob wir es mit dem Recht auf Zukunft, das heute oft beschworen wird, wirklich ernst meinen“, sagte die Verteidigungsministerin Annegret Kramp-Karrenbauer am 18. Juni 2021 in ihrer dritten Grundsatzrede an der Führungsakademie der Bundeswehr in Hamburg. Sie ergänzte: „Der Haushalt wird also weiter steigen müssen, wenn wir sicher bleiben wollen. Und wenn die Bundeswehr Zukunftsträger für Deutschland sein soll.“
Der Verteidigungshaushalt liegt nach dem Regierungsentwurf mit rund 50,3 Mrd. Euro etwa 3,5 Mrd. Euro über dem Finanzplanansatz und ermöglicht die Fortsetzung der laufenden Rüstungsprojekte. Darüber hinaus werden alle Rüstungsprojekte finanziert werden können, die dem Haushaltsausschuss parallel zur Beschlussfassung noch vor der Sommerpause vorliegen.
Die Bundesregierung bekräftigte ihr Einvernehmen, dass bestimmte Großvorhaben zum Schließen von Fähigkeitslücken gemäß dem Fähigkeitsprofil der Bundeswehr und damit zur Wahrnehmung bereits eingegangener internationaler Verpflichtungen finanziert werden und es dem Verteidigungshaushalt ermöglicht wird, die insoweit verabredeten Fähigkeitsziele zu erreichen. Auf Basis des Regierungsentwurfs zum Haushalt 2022 können mit dem Future Combat Aircraft System ein Vorhaben der deutsch-französischen Rüstungskooperation, mit dem U-Boot Klasse 212 CD (Common Design) sowie dem Lenkflugkörper Naval Strike Missile Block 1A zwei Vorhaben im Rahmen einer deutsch-norwegischen Rüstungskooperation sowie die Schließung der Fähigkeitslücke zur luftgestützten, signalerfassenden Aufklärung (PEGASUS), der Ersatz der veralteten Flottendienstboote und die Beschaffung von Luftfahrzeugen zur U-Boot-Abwehr umgesetzt werden.
Der Verteidigungshaushalt 2022 zeichnet sich im Übrigen durch Steigerungen in weiteren Ausgabebereichen aus. Dabei wird der Schwerpunkt darauf gelegt, nicht nur groß-, sondern auch klein- und mittelvolumige Vorhaben für den Fähigkeitserhalt zu realisieren und insbesondere die Projekte der Digitalisierung sowie der persönlichen Ausrüstung der Soldatinnen und Soldaten sicherzustellen.

(Archivbild Mai 2017:  Ein P-8A Poseidon Seefernaufklärer der US-Marine bei einem Trainingsflug vor der Deception Pass Bridge zwischen den Inseln Whidbey und Fidalgo im US-Bundesstaat Washington – U.S. Navy photo by Mass Communication Specialist 3rd Class Juan S. Sua)