Rekordverdächtige Liste für den Haushaltsausschuss: 27 Rüstungsprojekte in der letzten Sitzung

In seiner letzten Sitzung vor der Sommerpause – und damit faktisch in der voraussichtlich letzten wesentlichen Arbeitssitzung vor der Bundestagswahl – wird sich der Haushaltsausschuss des Bundestages am (morgigen) Mittwoch mit einer rekordverdächtigen Zahl an Rüstungsprojekten befassen: 27 Vorhaben hat das Verteidigungsministerium dem Gremium vorgelegt, mit einem Umfang von fast 20 Milliarden Euro. Das Geld wird allerdings großenteils erst in den kommenden Jahren fällig.

Das Ministerium hatte die teilweise schon länger vorliegenden Anträge bewusst auf diese letzte Sitzungswoche gelegt – und zuvor eine Einigung mit dem Bundesfinanzministerium über höhere Verteidigungsausgaben in den kommenden Jahren abgewartet: Nach den vorherigen Planungen galt ein Teil der Rüstungsprojekte als nicht finanziert.

Die Projekte sind so genannte 25Mio-Vorlagen – benannt nach der Regelung, dass jedes Rüstungsvorhaben mit einem Umfang von mehr als 25 Millionen Euro jeweils gesondert vom Parlament gebilligt werden muss.

Größter Posten ist die Entwicklung des deutsch-französisch-spanischen Luftkampfprojektes Future Combat Air System (FCAS). Außerdem stehen mehrere Marineprojekte, von Schiffen bis zu neuen Seefernaufklärern, und die Nachrüstung von Puma-Schützenpanzern des Heeres an. Die Übersicht über diese Vorlagen, sortiert nach der am  17.Juni veröffentlichten Tagesordnung des Haushaltsausschusses:

• TOP 45
Obsoleszenzbeseitigung Integrated Mine Countermeasure System Minenjagdboote der Klasse MJ332C
Finanzbedarf 44,1 Millionen Euro

• TOP 46
Kommunikationssystem zur Führung des Schadensabwehr- und Gefechtsdienstes (SAGD) an Bord seegehender Einheiten
Finanzbedarf 75,4 Millionen Euro

• TOP 47
Abschluss eines Vertrages über die Qualifikation, Herstellung und Lieferung von Annäherungszündern, einstellbar, für Sprenggeschosse Artillerie (155 mm) – eine Ergänzungsbeschaffung elektronisch programmierbarer Zünder für die Geschosse der Panzerhaubitze 2000
Finanzbedarf 52 Millionen Euro

• TOP 48
Rahmenvertrag über die Herstellung und Lieferung von bis zu 80Fahrzeugsystemen „Fahrzeugfamilie mittel Spezialkräfte (FzgFamSpezKr)“ bestehend aus Aufklärungs-und Gefechtsfahrzeugen (AGF2)und Unterstützungsfahrzeugen für das Kommando Spezialkräfte (UFK)
Finanzbedarf 50,2 Millionen Euro

• TOP 49
Vertrag über die Beschaffung einer Rezertifizierungs-und Instandsetzungsausstattung für den Seeziel-Lenkflugkörper RBS 15 Mk3, das Hauptwaffensystem der Korvetten
Finanzbedarf 35 Millionen Euro

• TOP 50
Bereitstellung eines gesicherten Zugangs zu strategischen Lufttransportkapazitäten für übergroße und überschwere Fracht für die Jahre 2022 bis 2026 – der Chartervertrag des SALIS-Programms für ukranische Großraumflugzeuge
Finanzbedarf rund 206 Millionen Euro

• TOP 51
Abschluss eines Vertrages über die konsolidierte Nachrüstung des Schützenpanzers(SPz) PUMA 1.Los und Beschaffung der „Streitkräftegemeinsamen Verbundfähigen Funkgeräteausstattung (SVFuA)“ für die Ausrüstung von 50 Führungsfahrzeugen SPz PUMA/Gepanzerte Transportkraftfahrzeuge (GTK) BOXER
Finanzbedarf insgesamt knapp 1,9 Milliarden Euro – im Wesentlichen ist vorgesehen, 150 bereits vorhandene Schützenpanzer Puma auf den technischen Stand der Fahrzeuge aufzurüsten, wie sie für die NATO-Speerspitze (Very High Readiness Joint Task Force, VJTF) vorgesehen sind und die als einsatztauglich gelten. Die so genannte S1-Version des Puma soll in Details noch über die VJTF-Pumas hinausgehen; in der Vorlage geht es auch um die Option der Funkausstattung – insbesondere, ob langfristig das bereits entwickelte digitale Funksystem SVFuA oder ein anderes digitales System genutzt werden soll.

• TOP 52
Rahmenvertrag Sichere Inter-Netzwerk Architektur (SINA)
Finanzbedarf 873,54 Millionen Euro

• TOP 53
Abschluss eines Rahmenvertrages über die Herstellung und Lieferung ungeschützter Verwundetentransportfahrzeuge, geländegängig, (LKW UVT gl) mit Festbeauftragung
Rettungstransport/Notarztwagen, Finanzbedarf insgesamt rund 252 Millionen Euro

• TOP 54
Herstellung und Lieferung von zwölf Systemen „Geschützter Verwundetentransportcontainer“
Finanzbedarf 39,5 Millionen Euro

• TOP 55
Beschaffungsvorhaben Radarnavigationssystem für diverse Klassen
Finanzbedarf 39,98 Millionen Euro

• TOP 56
Entwicklungs-und Beschaffungsvorhaben: NH90 „Tactical Transport Helicopter“ –Mustereinrüstung eines neuen Electronic Warfare Systems (EWS) sowie einer Satelliten-Kommunikations-anlage (SatCom)
Finanzbedarf 115,8 Millionen Euro

• TOP 57
Abrufe von Haupt-und Reservefallschirmen aus dem bestehenden Rahmenvertrag im trinationalen Beschaffungsvorhaben des Fallschirmsystems „Ensemble de Parachutage du Combattant“ (EPC)
Finanzbedarf 56,81 Millionen Euro

• TOP 58
Beschaffungsvorhaben Obsoleszenzbeseitigung beimWeitbereichssensor der Fregatten Klasse 124“
Finanzbedarf 238 Millionen Euro; dabei geht es u.a. auch die Erweiterung des Radargeräts für die Abwehr ballistischer Raketen

• TOP 59
Verträge über die „Fregatten der Klasse 123 –Sicherstellen der Einsatzverfügbarkeit(SdEv) –Anteile BASIC-Paket/SENSOR-Paket und Performance Based LogisticsLeistungen“
Finanzbedarf 482 Millionen Euro, es geht um die Ersatzbeschaffung taktischer Radare für diese – ältere – Fregattenklasse

• TOP 60
Entwicklungsvorhaben „Joint Fire Support Team, schwer (JFSTsw) -Nachweismuster“
Finanzbedarf 88,2 Millionen Euro; damit soll der Transportpanzer Boxer als Plattform für die Joint Fire Support Teams entwickelt werden

• TOP 61
Beschaffungsvorhaben Bau und Lieferung von zwei Erprobungsbooten im Vorhaben „Seeversuch Küste“
Finanzbedarf 95,08 Millionen Euro

• TOP 62
Herstellung und Lieferung von Hauptkampf-und Reflexvisier sowie Laserlichtmodulen für das System Sturmgewehr der Bundeswehr
Finanzbedarf 304,05 Millionen Euro – es geht um „waffenübergreifend nutzbare Laserlichtmodule und Visiere“, damit ist diese Beschaffung unabhängig von der noch ungeklärten Frage, welches Sturmgewehr als Nachfolger des G36 beschafft wird.

• TOP 63
Herstellung und Lieferung sowie Installation und Integration von 4 Großraum-radargeräten „Hughes Air Defence Radar Nachfolgesystem (HADR NF)“ zur Luftraumüberwachung
Finanzbedarf 200,2 Millionen Euro

• TOP 64
Beschaffung von fünf Flugzeugen des Typs P-8A Poseidon als Interimslösung P-3C Orion
Finanzbedarf 1,43 Milliarden Euro. Die P-8A wird als Interimslösung bezeichnet, weil langfristig gemeinsam mit Frankreich ein Maritime Airborne Weapons System (MAWS) entwickelt werden soll. Die US-Regierung hatte dem Kauf von fünf dieser Flugzeuge mit umfangreicher Ausstattung im März gebilligt.

• TOP 65
Konstruktion und Bau von drei Flottendienstbooten der Klasse 424 (FDB424) und einer Ausbildungs-und Referenzanlage Aufklärung (ARAA)
Finanzbedarf knapp 2,1 Milliarden Euro – der Haushaltsausschuss soll einen so genannten Vorratsbeschluss fassen, weil gegen die Vergabe, aufgrund der so genannten nationalen Schlüsseltechnologien ohne Ausschreibung, juristische Verfahren laufen

• TOP 66
Herstellung und Lieferung von zwei U-Booten der Klasse 212 Common Design (U212CD)
Finanzbedarf 2,79 Milliarden Euro; es handelt sich um ein Gemeinschaftsprojekt mit Norwegen

• TOP 67
Entwicklung und Beschaffung des Systems Persistant German Airborne SurveillanceSystems (PEGASUS) zur Schließung der Fähigkeitslücke Signalerfassende Luftgestützte Weiträumige Überwachung (SLWÜA)
Finanzbedarf 866,02 Millionen Euro – für ein bemanntes Aufklärungssystem an Stelle der zuvor geplanten Groß-Drohnen

• TOP 68
Deutsch-Französisch-Spanische Kooperationsvereinbarung für Forschungs- und Technologieaktivitäten im Rahmen einer gemeinsamen Entwicklung und Beschaffung eines zukünftigen Kampfflugzeugsystems „Next Generation Weapon System (NGWS)“ in einem „Future Combat Air System (FCAS)“ für den Zeitraum 2021 bis 2027
Finanzbedarf 4,468 Milliarden Euro; es geht um das so genannte Implementing Arrangement 3 zur Phase 1B/2, also um die Entwicklung. So weit bekannt, liegt den Abgeordneten die endgültige Kooperationsvereinbarung noch nicht vor

• TOP 69
Beschaffung zweier Marinebetriebsstoffversorger der Klasse 707
Finanzbedarf 914,3 Millionen Euro – auch hier ein Vorratsbeschluss, weil es gegen die geplante Vergabe eine laufende Klage gibt

• TOP 70
Herstellung und Beschaffung einer Flugsicherungsanlage, modular und luftverladbar
Finanzbedarf 67,2 Millionen Euro

• TOP 71
Abschluss eines Vertrages über die Herstellung und Lieferung von Lenkflugkörpern Naval Strike Missile Block 1A einschließlich des notwendigen Zubehörs
Finanzbedarf 512,2 Millionen Euro – die Beschaffung dieses Waffensystems für Fregatten zur Bekämpfung von Zielen auf See und an Land ist ebenfalls Teil einer Kooperationsvereinbarung mit Norwegen und im Zusammenhang mit den U-Booten zu sehen

Offen ist noch, ob und zu welchen Vorhaben der Haushaltsausschuss detaillierte Vorgaben machen wird, so genannte Maßgabebeschlüsse – damit kann zwar ein Projekt bewilligt werden; für die tatsächliche Umsetzung müssen allerdings diese Vorgaben erfüllt sein oder ggf. Mittel noch mal gesondert vom Ausschuss freigegeben werden.

Noch für die Statistik und im Zusammenhang mit der gesamten Haushaltsplanung: In dem Finanzvolumen von fast 19,1 Milliarden Euro für alle diese 27 Vorhaben sind 806 Millionen Euro so genannte überplanmäßige Ausgaben enthalten – aussagekräftiger jedoch: Es sind auch überplanmäßige Verpflichtungsermächtigungen von 6,16 Milliarden Euro damit verbunden, also bislang nicht vorgesehene Ausgaben in den kommenden Jahren.

Interessant ist auch, was nicht dabei ist. Ein Großprojekt wie der Schwere Transporthubschrauber (STH) zum Beispiel, der die betagten CH53-Helikopter ablösen soll, wird erst in der kommenden Legislaturperiode zur Entscheidung anstehen. Aber auch kleinere Projekte sind von der Liste gefallen, wie die Suchzündermunition Artillerie (SMArt) – die betroffenen Unternehmen pochen darauf, dass sie eine Zusagen für dieses Vorhaben erhalten hätten, und schließen Entschädigungsforderungen nicht aus.

(Archivbild: Soldaten des Panzergrenadierbataillons 112 bei der Einsatzprüfung des Schützenpanzers Puma am 9. März 2021 auf dem Truppenübungsplatz Bergen – Maximilian Schulz/Bundeswehr)