Chancen der Marine auf P-8 Poseidon als neuer Seefernaufklärer steigen

Die Chancen der Deutschen Marine, als Ersatz für ihre betagten und großenteils nicht mehr flugfähigen Seefernaufklärer P-3C Orion Maschinen des Typs P-8 Poseidon zu bekommen, scheinen zu steigen. Das Verteidigungsministerium verwarf inzwischen alle als Alternativen geprüften Flugzeugmuster und bekräftigte zugleich die Absicht, noch in dieser Legislaturperiode die Entscheidung über neue Maritime Patrol Aircraft (MPA) zu treffen.

Mitte vergangenen Jahres hatte das Ministerium entschieden, die Modernisierung der einst von den Niederlanden gebraucht gekauften P-3C aus Gründen der Wirtschaftlichkeit zu stoppen. Anfang dieses Jahres wurde dann noch deutlicher, dass die Marine auf neue Seefernaufklärer angewiesen ist: Die Hälfte der acht Maschinen ist auch langfristig nicht mehr einsatzbereit, auf absehbare Zeit wird der Anteil der flugfähigen Orion noch weiter fallen. Als Zwischenlösung bis zum Einsatz des geplanten künftigen deutsch-französischen Maritime Airborne Weapons System (MAWS) im nächsten Jahrzehnt sollten deshalb marktverfügbare Flugzeuge beschafft werden.

Für diese Zwischenlösung nahm das Ministerium neben der P-8 von Boeing zwei weitere Flugzeuge ins Visier: Die C-295 MPA von Airbus und die RAS 72, eine in Deutschland militarisierte Version des Transportflugzeugs ATR-72 . Darüber hinaus bot Frankreich eine modernisierte Version der Atlantique an, die früher auch bei der Bundeswehr im Einsatz war.

Nunmehr ist klar, dass die P-8 als einziges Muster auf der Liste der Beschaffer steht. Nachdem die ATR-72 bereits zuvor ausgeschlossen worden war, hatte das Verteidigungsministerium im April in der Antwort auf eine Anfrage des FDP-Abgeordneten Christian Sauter erläutert, warum die C-295 die Anforderungen nicht erfülle:

Der Erfüllungsgrad der operativen Anforderungen des noch weiter zu entwickelnden Waffensystems C-295 MPA von Airbus Defence and Space Spanien ist im Vergleich gegenüber der P-3C ORION bezüglich Reichweite, Flugdauer, dem erforderlichen Geschwindigkeitsprofil sowie der Bewaffnung konstrukti-onsbedingt weit geringer. Mit Blick auf die temporäre Nutzung für einen Interimszeitraum wäre der Erfüllungsgrad für Deutschland grundsätzlich ausreichend, jedoch zur Vermeidung einer temporären Fähigkeitslücke nicht zeitgerecht verfügbar.
Das Waffensystem C-295 MSA ist dagegen aufgrund seines fehlenden Selbstschutzsystems und nicht integrierter militärischer Ausrüstung ungeeignet.

Inzwischen machte der Parlamentarische Staatssekretär Thomas Silberhorn auf eine Nachfrage Sauters klar, dass auch das französische Angebot für eine Übergangslösung nicht infrage komme:

Das französische Angebot sieht keine Leihgabe vor, sondern schlägt den Kauf, alternativ auch ein Leasing, von vier auf den Standard 6 umgerüsteten DASSAULT Aviation ATLANTIQUE 2 (ATL2) vor, die durch Frankreich ursprünglich nicht mehr zur Umrüstung vorgesehen waren.
Die Flugzeuge wurden ab dem Jahr 1984 produziert und ab dem Jahr 1989 an die Französische Marine ausgeliefert. Der Zustand der Deutschland angebotenen Zellen der ATL2 ist seitens Frankreich nicht näher spezifiziert worden.
Die Anzahl und der erwartete Klarstand der angebotenen Luftfahrzeuge werden die Anforderungen potenzieller zukünftiger Einsatzverpflichtungen sowie die Bedarfe zur Regeneration von Besatzungen und zur Durchführung von Übungs- und Aufklärungsflügen absehbar nicht abdecken können.

(Über die Antwort Silberhorns hatte zuerst der Behördenspiegel berichtet; Link aus bekannten Gründen nicht)

Damit bleibt die P-8 als letztes der betrachteten Flugzeugmuster für die Orion-Nachfolge – und eine entsprechende Anfrage der Bundesregierung, für rund 1,5 Milliarden fünf der Poseidon-Maschinen mit umfangreicher Ausstattung über das so genannte Foreign Military Sales (FMS)-Verfahren zu beschaffen, hatte die US-Regierung bereits im März positiv beschieden.

Während das Verteidigungsministerium noch im Februar den Nachfolger Seefernaufklärer auf die Liste der Projekte gesetzt hatte, deren Finanzierung nicht gesichert ist, scheint sich das inzwischen geändert zu haben. Die Entscheidung über eine Interimslösung soll vorzugsweise noch in dieser Legislaturperiode getroffen werden, sicherte Silberhorn in seiner Antwort erneut zu.

Nach Informationen von Augen geradeaus! könnte dasVorhaben bereits in der zweiten Juniwoche auf der Tagesordnung des Haushaltsausschusses landen. Ob die Marine die Poseidon tatsächlich für Seefernaufklärung und, das war offensichtlich entscheidend, auch für die U-Boot-Jagd bekommt, wird sich letztendlich aber erst dann entscheiden.

(Archivbild Oktober 2012: A P-8A Poseidon assigned to Patrol Squadron (VP) 30 flies over the aircraft carrier USS Harry S. Truman – U.S. Navy photo by Mass Communication Specialist 2nd Class Mike DiMestico)