Auslandsmissionen der Bundeswehr – wo und auf welcher Grundlage?
In 15 Missionen sind deutsche Soldaten derzeit im Auslandseinsatz, von Afghanistan im Osten bis zur West-Sahara am Atlantik, vom Norden Estlands bis zum Mittelmeer vor der Küste Libyens. Da den Überblick zu behalten ist nicht einfach, sowohl für die Politik als auch für die Bevölkerung – deshalb eine Übersicht über die laufenden Einsätze:
Von den 15 Missionen sind zehn vom Bundestag mit einem Mandat versehen – das ist immer dann notwendig, vereinfacht gesagt, wenn die Einbeziehung in eine militärische Auseinandersetzung möglich erscheint und wenn die Anwendung militärischer Gewalt zur Durchsetzung des Auftrags erlaubt ist. Für manche Beobachtermissionen der Vereinten Nationen hat die Bundesregierung deshalb ein solches Mandat des Bundestages beantragt, für andere wieder nicht.
Entscheidend dabei ist, ob es um den Einsatz bewaffneter Streitkräfte geht oder lediglich um eine Beobachtermission. Auch beim Einsatz bewaffneter Streitkräfte sind es aber nach allgemeinem Verständnis dennoch keine Kampfeinsätze, zudem ist bei einzelnen Missionen eine Beteiligung an Kampfeinsätzen im Mandat ausdrücklich ausgeschlossen.
Hinzu kommen so genannte anerkannte Missionen innerhalb des NATO-Territoriums, für die keine Zustimmung des Bundestages erforderlich ist.
Der Vollständigkeit halber: Es gibt auch zwei französisch initiierte und geführte Einsätze, bei denen Deutschland zwar seine politische Unterstützung erklärt hat, sich aber nicht mit Streitkräften daran beteiligt: Die Spezialkräfte-Mission Takuba als Teil der französischen Anti-Terror-Operation Barkhane im Sahel und die maritime Überwachungsmission in der Straße von Hormuz und im persischen Golf, EMASOH.
Und grundsätzlich: Auslandseinsätze deutscher Streitkräfte finden im multinationalen Rahmen statt – im Regelfall in Organisationen wie der UNO, der NATO oder der EU. Einzige Ausnahme bisher ist die internationale Koalition im Kampf gegen die Terrororganisation IS, die Operation Inherent Resolve (s.u.).
Die Auflistung der Missionen im Einzelnen ist vielleicht etwas unübersichtlich – fürs Archivieren oder gar Ausdrucken deshalb hier auch als pdf-Datei:
Bundeswehr-Auslandsmissionen März 2021
• Afghanistan: Resolute Support Mission
In Afghanistan sind derzeit rund 1.100 Soldatinnen und Soldaten der Bundeswehr im Einsatz, die meisten davon in Mazar-e Sharif im Norden des Landes. Der Auftrag der NATO-geführten Resolute Support Mission – seit 2015 Nachfolgemission der International Security Assistance Forces, ISAF – ist die Beratung und Unterstützung der afghanischen Sicherheitskräfte im Kampf gegen Aufständische.
Angesichts der Unklarheit um das von der früheren US-Regierung mit den Taliban geschlossene Abkommen, das einen Abzug der internationalen Truppen vom Hindukusch bis zum 1. Mai dieses Jahres vorsieht, und der laufenden Verhandlungen zwischen der afghanischen Regierung und den Taliban ist derzeit die Fortführung der Mission unklar. Es zeichnet sich aber ab, dass die internationalen Truppen und damit auch die Bundeswehr über dieses Datum hinaus in Afghanistan bleiben und dann erneut Angriffe der Aufständischen auch auf die deutschen Soldaten drohen können.
Aktuelles Mandat: Bundestagsdrucksache 19/17287, befristet bis 31. März
Geplantes neues Mandat: Bundestagsdrucksache 19/26916, Verlängerung bis 31. Januar 2022
Auftrag:
Auftrag der Mission Resolute Support bleibt es, die afghanischen nationalen Verteidigungs- und Sicherheitskräfte zu befähigen, ihrer Sicherheitsverantwortung nachzukommen. Dazu sollen sie vorrangig auf der ministeriellen und der national-institutionellen Ebene ausgebildet, beraten und unterstützt werden. Dies schließt unverändert die Erfolgskontrolle der Ausbildungs- und Beratungsmaßnahmen auch unterhalb der Korpsebene einschließlich der Möglichkeit der spezifischen Beratung sowie im Einzelfall die nicht-kinetische Unterstützung der afghanischen nationalen Verteidigungs- und Sicherheitskräfte mit ein.
Neben der Ausbildung, Beratung und Unterstützung der afghanischen nationalen Verteidigungs- und Sicherheitskräfte im Rahmen der Mission Resolute Support hat die Bundeswehr weiterhin den Auftrag, über die Sicherung des von der NATO eingesetzten Personals hinaus auch deutsches Personal diplomatischer und konsularischer Vertretungen in besonderen Not- und Gefährdungslagen sowie im zivilen Wiederaufbau eingesetztes Personal der internationalen Gemeinschaft im Notfall zu unterstützen (sogenannter „in extremis support“).
Rechtliche Grundlagen (lt. Mandat)
Der Einsatz bewaffneter deutscher Streitkräfte erfolgt
a) im Rahmen der Umsetzung der Beschlüsse der NATO-Gipfel in Chicago am 20./21. Mai 2012, in Newport am 4./5. September 2014, in Warschau am 8./9. Juli 2016 sowie in Brüssel am 11./12. Juli 2018,
b) auf Grundlage der Zustimmung der Regierung der IslamischenRepublik Afghanistan zum NATO-geführten Einsatz Resolute Support in Form des durch die NATO und Afghanistan unterzeichnetenTruppenstatutes vom 30. September 2014 und
c) auf Grundlage des Beschlusses des Nordatlantikrates vom 2. Dezember 2014 im Rahmen und nach den Regeln eines Systems gegenseitiger kollektiver Sicherheit im Sinne des Artikels 24 Absatz 2 des Grundgesetzes.
• Mali: MINUSMA
Derzeit rund 900 deutsche Soldatinnen und Soldaten sollen als Teil der UN-Blauhelmmission MINUSMA (Multidimensionale Integrierte Stabilisierungsmission der Vereinten Nationen in Mali, französisch: Mission multidimensionnelle intégrée des Nations Unies pour la stabilisation au Mali) zur Stabilisierung des westafrikanischen Landes beitragen. Die Bundeswehr ist in Gao im unruhigen Norden Malis stationiert; neben politischen Konflikten und jihadistischen Gruppen tragen auch ethnische Konflikte zu den Auseinandersetzungen im Land bei. Der MINUSMA-Einsatz gilt derzeit als eine der gefährlichsten UN-Missionen und als gefährlichster Bundeswehreinsatz.
Aktuelles Mandat: Bundestagsdrucksache 19/19004, befristet bis 31. Mai 2021
Auftrag laut Mandat:
Für die beteiligten Kräfte der Bundeswehr ergeben sich folgende Aufgaben:
a) Unterstützung für die Umsetzung des Abkommens für Frieden und Aussöhnung in Mali;
b) Unterstützung bei der Wiederherstellung der staatlichen Autorität in Zentralmali;
c) Unterstützung bei der Schaffung eines sicheren Umfelds für humanitäre Hilfe;
d) Anbieten guter Dienste und Förderung der nationalen Aussöhnung auf allen Ebenen;
e) Förderung und Schutz der Menschenrechte;
f) Wahrnehmung von Führungs-, Verbindungs-, Beobachtungs- und Beratungsaufgaben;
g) Wahrnehmung von Schutz- und Unterstützungsaufgaben inklusive Schutz von Zivilpersonen soweit zur Erfüllung des Auftrages der VN erforderlich, auch zur Unterstützung von Personal in den EU-Missionen in Mali sowie der Gemeinsamen Einsatztruppe der G5-Sahel-Staaten (G5 Sahel Force Conjointe) im Rahmen der Resolution des Sicherheitsrates 2391 (2017) und der technischen Vereinbarung zwischen MINUSMA, G5-Sahel-Staaten und der Europäischen Union vom 23. Februar 2018 inklusive Informationsaustausch und Koordination, soweit zur Erfüllung des Auftrages der VN erforderlich;
h) Informationsaustausch, Koordination mit und gegebenenfalls Unterstützung von malischen und französischen Streit- und Sicherheitskräften, soweit zum Schutz und zur Erfüllung des Auftrages der VN erforderlich;
i) Aufklärung und Beitrag zum Gesamtlagebild;
j) Beitrag zur zivil-militärischen Zusammenarbeit;
k) Lufttransport (inklusive des primären und sekundären Verwundetenlufttransports) in das beziehungsweise aus dem Einsatzgebiet und innerhalb des Einsatzgebietes sowie zur Unterstützung bei der Verlegung und der Folgeversorgung, inklusive der gleichlautenden Unterstützung unserer multinationalen Partner im Rahmen von MINUSMA;
l) Einsatzunterstützung durch gegebenenfalls temporär bereitgestellte Luftbetankungsfähigkeit für französische Kräfte, die aufgrund eines Unterstützungsersuchens des Generalsekretärs der VN eine Bedrohung für MINUSMA abwenden sollen;
m) auf Anforderung der VN Ausbildungshilfe für VN-Angehörige in Hauptquartieren der Mission.
Die Teilnahme an Operationen zur Terrorismusbekämpfung ist weiterhin nicht vom Auftrag erfasst.
Rechtliche Grundlage: UN-Sicherheitsratsresolution 2480 (2019) unter Kapitel VII der UN-Charta: Maßnahmen bei Bedrohung oder Bruch des Friedens und bei Angriffshandlungen
• Mali: EUTM Mali
Neben der deutschen Beteiligung an MINUSMA ist die Bundeswehr in der EU-Ausbildungsmission (EU Training Mission) für die malischen Streitkräfte engagiert. Derzeit sind daran rund 100 deutsche Soldatinnen und Soldaten beteiligt; die Aktivitäten waren im vergangenen Jahr aufgrund der Coronavirus-Pandemie deutlich reduziert worden und werden erst langsam wieder angefahren.
In die EUTM-Mission sollen im Frühjahr weitere deutsche Soldaten integriert werden, die bislang in einer gesonderten, nicht mandatierten Mission im benachbarten Niger das Militär ausbilden. Die Mission Gazelle soll dafür von einer kleinen, von Kampfschwimmern der Deutschen Marine gestellten Ausbildungseinheit zu einem Einsatzverband Spezialkräfte aufgestockt werden.
Aktuelles Mandat: Bundestagsdrucksache 19/19002, befristet bis 31. Mai 2021
Auftrag:
a) Mitwirkung an der Führung von EUTM Mali;
b) Unterstützung zur Verbesserung der operativen Fähigkeiten der malischen Streitkräfte durch militärische Beratung und Ausbildung, einschließlich einsatzvorbereitender Ausbildung, sowie durch Begleitung ohne Exekutivbefugnisse bis zur taktischen Ebene („Mentoring“) an gesicherten Orten;
c) Unterstützung der G5-Sahel-Staaten durch die Herstellung der operativen Einsatzfähigkeit der Gemeinsamen Einsatztruppe der G5-Sahel-Staaten (G5 Sahel Force Conjointe) und der nationalen Streitkräfte der G5-Sahel-Staaten durch militärische Beratung und Ausbildung, einschließlich einsatzvorbereitender Ausbildung, sowie durch Begleitung ohne Exekutivbefugnisse bis zur taktischen Ebene in gesicherten Orten in Mali und den übrigen G5-Sahel-Staaten (Burkina Faso, Mauretanien, Niger, Tschad), sofern dort die dafür erforderlichen Vereinbarungen vorliegen. Zur Auftragserfüllung dienen dabei auch die Kräfte der Military Assistance (MA) Mission GAZELLE in Niger für die Übergangszeit, bis diese in die Strukturen von EUTM Mali integriert werden;
d) Koordination, Zusammenarbeit und Informationsaustausch mit anderen an der Unterstützung der Streitkräfte Malis und der weiteren G5-Sahel-Staaten beteiligten Akteuren, soweit zum Schutz und zur Erfüllung des Auftrages erforderlich;
e) Wahrnehmung von Schutz und Unterstützungsaufgaben, auch zur Unterstützung von Personal der Multidimensionalen Stabilisierungsmission der Vereinten Nationen in Mali (MINUSMA).
Eine Beteiligung an Kampfeinsätzen ist weiterhin ausgeschlossen.
Rechtliche Grundlagen sind vor allem die Beschlüsse des Rates der Union (EU) und die UN-Sicherheitsratsresolution 2480 (2019):
Die Fortsetzung der Beteiligung bewaffneter deutscher Streitkräfte an EUTM Mali erfolgt auf der Grundlage
a) des Ersuchens der Regierung von Mali an die Europäische Union (EU) und mit deren Zustimmung sowie, wenn dieses EU-seitig geschaffen wurde, dem Einverständnis der jeweiligen weiteren G5-Sahel-Staaten,
b) der Beschlüsse des Rates der EU 2013/34/GASP vom 17. Januar 2013, 2013/87/GASP, 2016/446/GASP, 2018/716/GASP und 2020/434/GASP vom 23. März 2020 in Verbindung mit
c) den Resolutionen des Sicherheitsrates der Vereinten Nationen (VN) 2071 (2012), 2085 (2012), 2100 (2013), 2164 (2014), 2227 (2015), 2295 (2016), 2364 (2017), 2391 (2017), 2423 (2018) und 2480 (2019).
• Kosovo: KFOR (Kosovo Force)
Der Einsatz im Kosovo, mit dem Einmarsch der NATO in die damalige serbische Unruheprovinz 1999 begonnen, ist der inzwischen älteste Auslandseinsatz der Bundeswehr. Inzwischen sind an der NATO-geführten Kosovo Force noch knapp 70 Bundeswehrsoldaten beteiligt.
Aktuelles Mandat: Bundestagsdrucksache 19/19001, gültig so lange die zu Grunde liegende Resolution des UN-Sicherheitsrats (s.u.) und ein entsprechender Beschluss des Nordatlantikrats in Kraft sind.
Auftrag:
Die deutschen Streitkräfte haben den Auftrag, nach Maßgabe des Völkerrechts und der Beschlüsse der NATO einen Beitrag zur NATO-geführten internationalen Sicherheitspräsenz in Kosovo (KFOR) zu leisten.
Für die beteiligten Kräfte der Bundeswehr ergeben sich folgende Aufgaben:
– Einen Beitrag leisten zu einem sicheren Umfeld und Sicherstellung der öffentlichen Sicherheit und Ordnung;
– Unterstützung und Koordination der internationalen humanitären Hilfe und internationalen zivilen Präsenz in Kosovo;
– Unterstützung zur Entwicklung eines stabilen, demokratischen, multiethnischen und friedlichen Kosovo;
– Unterstützung des Aufbaus der Kosovo Security Force (KSF) als demokratisch kontrollierte, multiethnisch geprägte Sicherheitsorganisation und anderer Akteure im Rahmen der Sicherheitssektorreform (SSR) unter Vorbereitung der weiteren Einbindung in euro-atlantische Strukturen.
Rechtliche Grundlagen sind eine Resolution des UN-Sicherheitsrats von 1999 unter Kapitel VII der UN-Charta, Vereinbarungen mit Serbien und Beschlüsse des Nordatlantikrats:
Die Fortsetzung der Beteiligung bewaffneter deutscher Streitkräfte an der internationalen Sicherheitspräsenz in Kosovo (KFOR) erfolgt auf der Grundlage
a) der Resolution 1244 (1999) des Sicherheitsrates der Vereinten Nationen vom 10. Juni 1999,
b) des Militärisch-Technischen Abkommens zwischen der internationalen Sicherheitspräsenz in Kosovo (KFOR) und den Regierungen der Bundesrepublik Jugoslawien (jetzt: Republik Serbien) bzw. der Republik Serbien vom 9. Juni 1999 sowie
c) des Einsatzbeschlusses des Nordatlantikrates vom 30. Januar 1999 sowie im Rahmen der Umsetzung der entsprechenden Beschlüsse der NATO-Gipfel, zuletzt des NATO-Gipfels von Brüssel am 11./12. Juli 2018.
• Sea Guardian
Die Maritime Sicherheitsoperation Sea Guardian (MSO SG) ist eine umfassende Überwachungsoperation der NATO für das Mittelmeer, mit weitreichenden Befugnissen bis hin zur Beschlagnahme und Umleitung von Schiffen. Sie wurde als Nachfolge der Operation Active Endeavour geschaffen, die noch auf den Bündnisfall der Allianz nach den Angriffen von New York und Washington am 11. September 2001 gestützt war. Im Regelfall unterstellt die Bundeswehr Einheiten auf dem Weg durch das Mittelmeer oder in anderen Missionen in der Region dieser Operation; aktuell ist es der Tender Werra, der für die NATO-Mission in der Ägäis (s.u.) im Einsatz ist.
Aktuelles Mandat: Bundestagsdrucksache 19/26558, befristet bis 31. März 2022
Auftrag:
Gemäß Beschluss des Nordatlantikrates ist MSO SG beauftragt, der Bedrohung des Bündnisgebietes sowie der Verbreitung von Terrorismus im Mittelmeerraum entgegenzutreten. In diesem Rahmen leistet MSO SG im Mittelmeerraum einen Beitrag zur Seeraumüberwachung, zum Lagebildaustausch, zum maritimen Kampf gegen den Terrorismus und zur Beschränkung des Waffenschmuggels im maritimen Umfeld. Damit stärkt das Bündnis die maritime Sicherheit im Mittelmeer.
Im Rahmen dieses Auftrages ergeben sich dabei für die Bundeswehr unter anderem folgende Einzelaufträge:
• Erstellung und Bereitstellung eines Lagebildes;
• Informationsaustausch und Kapazitätsaufbau mit Staaten in der Mittelmeerregion;
• Informationsaustausch mit und logistische Unterstützung des EU-Einsatzes EUNAVFOR MED IRINI, einschließlich bei der Umsetzung des Waffenembargos der Vereinten Nationen von und nach Libyen, vorbehaltlich einer entsprechenden Vereinbarung mit der Europäischen Union;
• Aufklärung und Beitrag zum Kampf gegen den Terrorismus und Waffenschmuggel im maritimen Umfeld, insbesondere durch das Anhalten, Durchsuchen, Beschlagnahmen und Umleiten von Schiffen und Booten und damit im Zusammenhang stehende Sicherungsmaßnahmen im Einklang mit dem Völkerrecht auch unter Bedrohung;
• Sichern und Schützen eigener Kräfte, unterstützter Kräfte und sonstiger Schutzbefohlener.
Rechtliche Grundlage sind Beschlüsse der NATO, aber auch eine UN-Resolution zum Waffenembargo gegen Libyen unter Kapitel VII der UN-Charta und das Seerechtsübereinkommen der Vereinten Nationen:
Die Beteiligung deutscher Streitkräfte erfolgt auf Grundlage der Beschlüsse des Nordatlantikrates vom 7. bis 9. Juli 2016, vom 25. Oktober 2016, vom 7. Juli 2017, vom 6. Oktober 2017 und vom 20. Dezember 2017, einer noch zu schließenden Vereinbarung zwischen NATO und Europäischer Union zur Zusammenarbeit mit EUNAVFOR MED IRINI sowie auf Grundlage der einschlägigen Resolutionen des Sicherheitsrates der Vereinten Nationen, insbesondere Resolution 2292 (2016) vom 14. Juni 2016, zuletzt verlängert durch Resolution 2526 (2020) vom 5. Juni 2020, des Seerechtsübereinkommens der Vereinten Nationen von 1982 und des Protokolls von 2005 zum Übereinkommen zur Bekämpfung widerrechtlicher Handlungen gegen die Sicherheit der Seeschifffahrt.
• EUNAVFOR MED Irini
Die von der Europäischen Union geführte militärischen Krisenbewältigungsoperation im Mittelmeer der European Naval Forces Mediterranean (EUNAVFOR MED) Irini soll in erster Linie das UN-Waffenembargo gegen Libyen überwachen. Irini löste im vergangenen Jahr in dieser Aufgabe die vorherige EU-Mission Sophia ab, die am Streit der Mitgliedsstaaten über den Umgang mit aus Seenot geretteten Migranten und Flüchtlingen zerbrochen war. Die neue Mission soll faktisch durch die zugeteilte Region im Mittelmeer die Aussicht auf solche Rettungen minimieren, obwohl – auch nach dem deutschen Mandat – diese Aufgabe grundsätzlich bleibt.
Die Deutsche Marine entsendet im Wechsel ein Schiff und einen Seefernaufklärer – wenn einer flugklar ist – in diese Mission; aktuell ist der Einsatzgruppenversorger Berlin auf dem Weg in diesen Einsatz.
Aktuelles Mandat: Bundestagsdrucksache 19/18734, befristet bis 30. April 2021
Auftrag (Auszug):
Für die beteiligten Kräfte der Bundeswehr ergeben sich folgende Aufgaben:
a) Unterstützung bei der Umsetzung des Waffenembargos der VN gegen Libyen durch luft-, satelliten- und seegestützte Mittel durch Sammeln von Informationen über die illegale Ein- und Ausfuhr von Rüstungsgütern und dazugehörigem Material nach und aus Libyen durch Patrouillen luft- und seegestützter Mittel sowie Durchführung von dazu erforderlichen Maßnahmenim Einsatzgebiet;
b) Lagebilderstellung und -bereitstellung im Einzelfall, einschließlich des Lagebildaustausches mit anderen im Sinne des Auftrages tätigen Organisationen und Einrichtungen;
c) Anhalten, Kontrolle, Durchsuchung und Umleitung von Schiffen, bei denen der Verdacht besteht, dass sie unter Verstoß gegen das gegen Libyen verhängte Waffenembargo der VN Waffen oder zugehöriges Material nach oder aus Libyen befördern oder dabei unterstützen; (…)
h) Beobachtung und Überwachung illegaler Ausfuhren von Erdöl aus Libyen und Sammeln diesbezüglicher Informationen, einschließlich zu Ausfuhren von Rohöl und raffinierten Erdölerzeugnissen; (…)
j) Unterstützung beim Aufbau von Kapazitäten der libyschen Küstenwache und Marine und Ausbildung bei Strafverfolgungsaufgaben auf See, insbesondere zur Verhinderung von Schleuserkriminalität und Menschenhandel, im Einsatzgebiet und/oder auf Einladung in einem Mitgliedstaat der EU; (…)
m) Leisten eines Beitrags zum Auftrag der EU bei der Aufdeckung und Beobachtung von Schleuser- und Menschenhändlernetzwerken durch Sammeln von Informationen und durch Patrouillen von Luftfahrzeugen;
n) Sammlung und Speicherung der Daten zu Schleuserkriminalität und Menschenhandel, einschließlich Daten zu Straftaten von Bedeutung für die Si-cherheit der Operation, die IRINI an die zuständigen Strafverfolgungsbehörden der EU-Mitgliedstaaten und die zuständigen Stellen der EU weiterleiten kann, nach Maßgabe des geltenden Rechts;
Rechtliche Grundlagen:
Die Beteiligung bewaffneter deutscher Streitkräfte an der Operation EUNAVFOR MED IRINI erfolgt auf der Grundlage
a) des Seerechtsübereinkommens der Vereinten Nationen (VN) von 1982,
b) des Übereinkommens der Vereinten Nationen gegen die grenzüberschreitende organisierte Kriminalität vom 15. November 2000,
c) des Zusatzprotokolls gegen die Schleusung von Migranten auf dem Land-,See- und Luftweg zum Übereinkommen der Vereinten Nationen gegen die grenzüberschreitende organisierte Kriminalität vom 15. November 2000,
d) der Resolutionen des Sicherheitsrates der Vereinten Nationen 1970 (2011),1973 (2011), 2009 (2011), 2095 (2013), 2146 (2014), 2174 (2014), 2240(2015), 2259 (2015), 2278 (2016), 2292 (2016), 2312 (2016), 2357 (2017),2362 (2017), 2380 (2018), 2420 (2018), 2437 (2018), 2441 (2018), 2473(2019), 2491 (2019), 2509 (2020), und 2510 (2020) in Verbindung mit
e) dem Beschluss 2020/472/GASP des Rates der Europäischen Union (EU) vom 31. März 2020.
• EUNAVFOR Atalanta
Seit 2008 beteiligt sich die Bundeswehr an der europäisch geführten Antipirateriemission Atalanta vor der Küste Somalias, lässt diese Beteiligung aber faktisch langsam auslaufen: Nachdem bereits seit 2016 kein Schiff der Deutschen Marine mehr in diesen Einsatz geschickt wurde, gab es seitdem nur zeitweise Einsätze eines Seefernaufklärers. Formal will die Bundesregierung zwar die Beteiligung weiter fortsetzen, mit dem derzeit laufenden Abbau der Unterstützergruppe in Djibouti bleibt langfristig allerdings voraussichtlich nur die Beteiligung am Stab der Mission in Rota in Spanien und die zeitweise Unterstellung durchfahrender Einheiten unter Atalanta.
Aktuelles Mandat: Bundestagsdrucksache 19/18866, befristet bis 31. Mai 2021
Auftrag (gekürzt):
Für die beteiligten Kräfte der Bundeswehr ergeben sich folgende Aufgaben:
a) Schutz für die vom Welternährungsprogramm oder von der Mission der Afrikanischen Union in Somalia (AMISOM) gecharterten Schiffe, unter anderem durch die Präsenz bewaffneter Kräfte an Bord dieser Schiffe;
b) Auf Grundlage einer Einzelfallbewertung der Erfordernisse, Schutz von zivilen Schiffen in den Gebieten, in denen der Einsatz stattfindet;
c) Überwachung der Gebiete vor und an der Küste Somalias einschließlich der Hoheitsgewässer und inneren Gewässer Somalias, die Gefahren für maritime Tätigkeiten, insbesondere den Seeverkehr, bergen;
d) Durchführung der erforderlichen Maßnahmen einschließlich des Einsatzes von Gewalt zur Abschreckung, Verhütung und Beendigung von Piraterie oder seeräuberischen Handlungen, die im Operationsgebiet begangen werden bzw. begangen werden könnten;
e) Aufgreifen, Ingewahrsamnahme und Überstellen von Personen, die im Sinne der Artikel 101 und 103 des Seerechtsübereinkommens der VN im Verdacht stehen, Piraterie oder seeräuberische Handlungen begehen zu wollen, diese zu begehen oder begangen zu haben, sowie Beschlagnahme der Schiffe der Piraten oder Seeräuber, der Ausrüstung und der erbeuteten Güter und Schiffe.
Rechtliche Grundlage sind das Seerechtsübereinkommen der Vereinten Nationen, Beschlüsse des UN-Sicherheitsrats unter Kapitel VII der UN-Charta und EU-Ratsbeschlüsse:
Die Fortsetzung des Einsatzes der deutschen Streitkräfte im Rahmen von ATALANTA erfolgt auf der Grundlage
a) des Seerechtsübereinkommens der Vereinten Nationen (VN) von 1982,
b) der Resolutionen des Sicherheitsrates der Vereinten Nationen 1814 (2008),1816 (2008), 1838 (2008), 1846 (2008), 1851 (2008), 1897 (2009), 1950(2010), 2020 (2011), 2077 (2012), 2125 (2013), 2184 (2014), 2246 (2015),2316 (2016), 2383 (2017), 2442 (2018), 2500 (2019) in Verbindung mit
c) der Gemeinsamen Aktion 2008/851/GASP des Rates der EU vom 10. November 2008 sowied)der Beschlüsse des Rates der EU 2009/907/GASP, 2010/437/GASP,2010/766/GASP, 2012/174/GASP, 2014/827/GASP, 2016/2082/GASP,2018/1083/GASP und 2018/2007/GASP
• UNIFIL Libanon
Die seit 2006 bestehende maritime Komponente der United Nations Interim Forces in Lebanon (UNIFIL) ist der einzige Marineeinsatz der Vereinten Nationen. Hauptaufgabe ist die Verhinderung von Waffenschmuggel in den Libanon und faktisch die Absicherung der nördlichen Seegrenze Israels. Deutschland ist daran seit 2006 ununterbrochen beteiligt und stellt derzeit mit Flotillenadmiral Axel Schulz den Kommandeur des maritimen UNIFIL-Anteils. Mit der Korvette Magdeburg und Stabspersonal im UNIFIL-Hauptquartier in Naqoura im Libanon und der deutschen Basis auf Zypern stellt die Bundeswehr insgesamt rund 130 Soldatinnen und Soldaten.
Aktuelles Mandat: Bundestagsdrucksache 19/19003, befristet bis 30. Juni 2021
Auftrag (Auszug):
Nach Kapitel VII der Charta der Vereinten Nationen ist UNIFIL vom Sicherheitsrat der Vereinten Nationen autorisiert, alle erforderlichen Mittel einzusetzen, um insbesondere folgende Aufträge wahrzunehmen:
– Überwachung der Einstellung der Feindseligkeiten; (…)
– Unterstützung der libanesischen Regierung – auf deren Ersuchen – bei der Sicherung der libanesischen Grenzen und Einreisepunkte mit dem Ziel, das Verbringen von Rüstungsgütern und sonstigem Wehrmaterial in den Libanon ohne Zustimmung der libanesischen Regierung zu verhindern.
UNIFIL ist vom Sicherheitsrat der Vereinten Nationen autorisiert, der Regierung des Libanon auf deren Ersuchen bei der Ausübung ihrer Hoheitsgewalt im ge-samten Hoheitsgebiet behilflich zu sein. Ebenfalls ist UNIFIL ermächtigt, in den Einsatzgebieten ihrer Truppen nach ihrem Ermessen im Rahmen ihrer Fähigkeiten alle erforderlichen Maßnahmen zu ergreifen, um sicherzustellen, dass ihr Einsatzgebiet nicht für feindselige Aktivitäten gleich welcher Art genutzt wird.
Rechtliche Grundlage:
Die deutschen Streitkräfte handeln bei ihrem Einsatz als Teil der durch die Vereinten Nationen geführten Mission UNIFIL auf Grundlage von Resolution 1701 (2006) und den Folgeresolutionen des Sicherheitsrates der Vereinten Nationen, zuletzt Resolution 2485 (2019) vom 29. August 2019, im Rahmen und nach den Regeln eines Systems gegenseitiger kollektiver Sicherheit im Sinne des Artikels 24 Absatz 2 des Grundgesetzes. Die libanesische Regierung hatte mit Schreiben an die Vereinten Nationen vom 6. September 2006 unter Verweis auf die Resolution 1701 (2006) unter anderem um Unterstützung bei der Absicherung der seeseitigen Grenzen des Libanons gebeten.
• Irak/Syrien: Operation Inherent Resolve (OIR)/NATO Mission in Iraq (NMI)
Die Beteiligung der Bundeswehr an der US-geführten internationalen Koalition für den Kampf gegen die Terrororganisation Islamischer Staat ist der einzige Auslandseinsatz deutscher Streitkräfte in einer Koalition jenseits des Rahmens von UN, NATO oder EU. Aktuell beteiligen sich deutsche Soldaten an der Operation Inherent Resolve (OIR) vor allem mit einem Tankflugzeug, stationiert in Al Azraq/Jordanien; der A400M betankt die Kampfjets anderer an OIR beteiligter Nationen für Luftangriffe auf den IS in Syrien und im Irak. Auf der Luftwaffenbasis Al Asad im Zentralirak ist zudem ein Luftraumüberwachungsradar der Bundeswehr stationiert – vor allem als Schutz gegen befürchtete Angriffe auf US-Truppen, die den Großteil der Operation stellen.
In Erbil im Nordirak sind weitere deutsche Soldatinnen und Soldaten stationiert; ihre Hauptaufgabe, die kurdischen Peshmerga auszubilden, ist allerdings vor dem Hintergrund der Coronavirus-Pandemie praktisch ausgesetzt. Auch die frühere Ausbildung irakischer Streitkräfte durch Bundeswehrsoldaten im Zentralirak findet derzeit nicht statt. Wenn sie wieder möglich ist, sollen diese Ausbilder aus der Koalitions-Operation in die NATO-Mission im Irak (NMI) wechseln. Derzeit sind rund 240 deutsche Soldatinnen und Soldaten im Anti-IS-Kampf und Ausbildung eingesetzt; die meisten davon im Zusammenhang mit dem Tankflugzeug in Jordanien.
Aktuelles Mandat: Bundestagsdrucksache 19/22207, befristet bis 31. Januar 2022
Auftrag:
Ziel des deutschen Engagements ist es, durch einen vernetzten Ansatz zu einer umfassenden und nachhaltigen Stabilisierung der Region, insbesondere des ehemaligen Kerngebiets vom IS in Irak und Syrien, beizutragen. Der deutsche militärische Beitrag dient dazu, in Ergänzung des deutschen und internationalen Stabilisierungsengagements Erreichtes abzusichern, Fortschritte auszubauen und Rückschritte insbesondere im Kampf gegen den IS zu verhindern. Der deutsche Beitrag zum Fähigkeitsaufbau der regulären irakischen Streit- und Sicherheitskräfte1 sowie dazugehörige Unterstützungsleistungen können künftig sowohl im Rahmen der internationalen Anti-IS-Koalition als auch im Rahmen des NATO Engagements in Irak erbracht werden. Im Zuge der Anpassung und Reduzierung des Ausbildungsengagements von Operation Inherent Resolve, der internationalen Anti-IS-Koalition, kommt der NATO-Mission beim Fähigkeitsaufbau der irakischen Streit-und Sicherheitskräfte und insbesondere bei der Beratung irakischer Sicherheitsinstitutionen eine zunehmend größere Rolle zu, auch auf Wunsch der irakischen Regierung. Anders als Operation Inherent Resolve ist die NATO-Mission in Irak weiterhin nicht am unmittelbaren Kampf gegen den IS beteiligt und bringt keine kinetischen Fähigkeiten dafür ein. Im Rahmen der internationalen Anti-IS-Koalition leistet Deutschland auch in Zukunft durch die Bereitstellung von Fähigkeiten zur Luftbetankung, zur bodengebundenen Luftraumüberwachung und Stabspersonal sowie die Beteiligung an AWACS-Luftraumüberwachungsflügen einen wichtigen Beitrag.
Rechtliche Grundlagen – diesmal etwas komplizierter: Dieses Mandat ist das einzige für eine Bundeswehrbeteiligung an einer Koalition der Willigen; nicht im sonst üblichen Rahmen von UNO, NATO oder EU. Deshalb erläutert die Bundesregierung das auch erheblich ausführlicher (Auszug):
Die Entsendung bewaffneter deutscher Streitkräfte erfolgt in Übereinstimmung mit den verfassungsrechtlichen und völkerrechtlichen Vorgaben für Auslandseinsätze der Bundeswehr im Rahmen und nach den Regeln eines Systems gegenseitiger kollektiver Sicherheit nach Artikel 24 Absatz 2 des Grundgesetzes. Durch den vorgesehenen Einsatz deutscher Streitkräfte unterstützt die Bundesrepublik Deutschland den Irak, die internationale Anti-IS-Koalition und die regionalen Partner in ihrem Kampf gegen den IS auf der Grundlage des Rechts auf kollektive Selbstverteidigung gemäß Artikel 51 der Charta der Vereinten Nationen sowie im Rahmen der Resolutionen des Sicherheitsrats der Vereinten Nationen und leistet im Rahmen der internationalen Anti-IS-Koalition sowie der NATO-Mission in Irak einen Beitrag zum Fähigkeitsaufbau der regulären irakischen Streit-und Sicherheitskräfte auf Bitten von und im Einvernehmen mit der irakischen Regierung.
Der Sicherheitsrat der Vereinten Nationen hat mit Resolution 2170 (2014) vom 15. August 2014 und Resolution 2199 (2015) vom 12. Februar 2015 sowie mit Resolution 2249 (2015) vom 20. November 2015 und Folgeresolutionen wiederholt festgestellt, dass vom IS eine Bedrohung für den Weltfrieden und die internationale Sicherheit ausgeht. Mit Resolution 2249 (2015) vom 20. November 2015 hat der Sicherheitsrat die Mitgliedstaaten, die dazu in der Lage sind, aufgefordert, unter Einhaltung des Völkerrechts, insbesondere der Charta der Vereinten Nationen sowie der internationalen Menschenrechtsnormen, des Flüchtlingsvölkerrechts und des humanitären Völkerrechts, in dem unter der Kontrolle vom IS stehenden Gebiet in Irak und Syrien alle notwendigen Maßnahmen zu ergreifen, ihre Anstrengungen zu verstärken und zu koordinieren, um terroristische Handlungen zu verhüten und zu unterbinden, die insbesondere vom IS und anderen terroristischen Gruppen begangen werden, die vom Sicherheitsrat der Vereinten Nationen als solche benannt wurden, und den sicheren Zufluchtsort für den IS zu beseitigen, den IS in erheblichen Teilen Iraks und Syriens geschaffen hat. (…)
Trotz der erzielten militärischen Erfolge gegen den IS gilt das Selbstverteidigungsrecht gemäß Artikel 51 der Charta der Vereinten Nationen daher unverändert fort. Mit Schreiben vom 25. Juni 2014 an den Generalsekretär der Vereinten Nationen (VN-Dokument S/2014/440) hat der irakische Außenminister alle Mitgliedstaaten der Vereinten Nationen um Unterstützung im Kampf gegen den IS, auch mittels militärischer Ausbildung, gebeten. Diese Unterstützungsbitte hat die irakische Regierung wiederholt bestätigt. Die Beteiligung am Fähigkeitsaufbau der regulären irakischen Streit-und Sicher-heitskräfte im Rahmen der NATO-Mission in Irak erfolgt zudem auf Grundlage der Zustimmung der irakischen Regierung, ausgedrückt im Notenwechsel zwischen der NATO und der irakischen Regierung vom 14. April 2016 und erneut bestätigt durch den Briefwechsel des irakischen Premierministers Mustafa al-Kadhimi mit dem NATO-Generalsekretär vom 20. Juni 2020. Die Staats- und Regierungschefs der NATO haben zudem auf dem Gipfel in Warschau am 8./9. Juli 2016 eine Grundsatzentscheidung gefasst, die Koalition mit AWACS-Luftraumüberwachungsflugzeugen zu unterstützen. Diesen Beschluss hat der Nordatlantikrat am 19. Mai 2017 konkretisiert.
• UNMISS Süd-Sudan
Die UN-Mission im Süd-Sudan entwickelte sich aus der vorangengangenen UN-Mission für den ganzen Sudan – nach Abspaltung des Südens bauten die Vereinten Nationen eine neue Operation auf, in der unter anderem Militärbeobachter eine friedliche Entwicklung vor dem Hintergrund innerer Spannungen im Land sicherstellen sollen. Derzeit sind zehn deutsche Soldaten in dieser Mission; vier im Hauptquartier in der Hauptstadt Juba und sechs als Beobachter in verschiedenen Teilen des Landes.
Aktuelles Mandat: Bundestagsdrucksache 19/26557, befristet bis 31. März 2022
Auftrag (Auszüge):
Nach Kapitel VII der Charta der Vereinten Nationen ist UNMISS autorisiert, alle erforderlichen Mittel einzusetzen, um die folgenden Aufgaben wahrzunehmen:
a) Schutz von Zivilpersonen:
• Schutz von Zivilpersonen, denen körperliche Gewalt droht;
• Abschreckung von Gewalt gegen Zivilpersonen;
• Umsetzung einer missionsweiten Frühwarnstrategie;
• Sicherstellung der öffentlichen Sicherheit an den von UNMISS einge-richteten Schutzorten für die Zivilbevölkerung;
• Abschreckung und Verhütung von sexualisierter und geschlechtsspezifischer Gewalt; (…)
c) Unterstützung der Umsetzung des Friedensabkommens und des Friedensprozesses: (…)
e) Zu den mandatierten Aufgaben gehört die Verantwortung von UNMISS zur Herstellung eines sicheren Umfelds in Dschuba und bei Bedarf in anderen Teilen Südsudans durch Einsatz aller erforderlichen Mittel, einschließlich robusten Vorgehens und erforderlichenfalls aktiver Patrouillentätigkeit (…)
Dies schließt die Anwendung militärischer Gewalt im Rahmen der erlassenen Einsatzregeln ein.
Rechtliche Grundlage
Die deutschen Streitkräfte handeln bei ihrem Einsatz als Teil der Mission der Vereinten Nationen in der Republik Südsudan (United Nations Mission in the Republic of South Sudan – UNMISS) auf Grundlage der Resolution 1996 (2011) vom 8. Juli 2011 und den Folgeresolutionen des Sicherheitsrates der Vereinten Nationen, zuletzt Resolution 2514 (2020) vom 12. März 2020, und somit im Rah-men und nach den Regeln eines Systems gegenseitiger kollektiver Sicherheit im Sinne des Artikels 24 Absatz 2 des Grundgesetzes.
Weitere – nicht vom Bundestag mandatierte – Auslandsmissionen mit Bundeswehrbeteiligung:
• MINURSO West-Sahara
Seit 1991 soll eine UN-Mission ein Referendum in der ehemaligen spanischen Kolonie West-Sahara umsetzen – vor Jahrzehnten waren dafür bereits Beamte der Bundespolizei (damals noch Bundesgrenzschutz) eingesetzt. Derzeit beteiligt sich Deutschland mit drei Soldaten als Militärbeobachter an diesem Einsatz, der allerdings in jüngster Zeit durch zunehmende Probleme gekennzeichnet ist: Marokko erhebt ohnehin Anspruch auf dieses Gebiet und wurde von der früheren US-Regierung unter Donald Trump darin auch unterstützt. Das führte zu zunehmenden, neuen Spannungen zwischen der marokkanischen Armee und der Unabhängigkeitsbewegung Frente Polisario.
Die Erläuterung der Wissenschaftlichen Dienste des Bundestages:
Die „Mission der Vereinten Nationen zur Vorbereitung eines Referendums über den Status der Westsahara“ (frz. Mission des Nations Unies pour l’Organisation d’un Référendum au Sahara Occidental – MINURSO) überwacht den Waffenstillstand zwischen Marokko und der sahraouischen Unabhängigkeitsbewegung „Frente Polisario“, die 1976 nach dem Rückzug der ehemaligen Kolonialmacht Spanien die Demokratische Arabische Republik Sahara ausgerufen hatte. Nach Jahrzehnten militärischer Konfrontation zwischen Marokko und der Frente Polisario wurde 1991 ein Waffenstillstand zwischen den Parteien vereinbart und zu seiner Überwachung die Mission MINURSO ins Leben gerufen. Die Westsahara wird heute zu einem Großteil von Marokko kontrolliert. Der völkerrechtliche Status der Westsahara ist nach wie vor ungeklärt.
• UNMHA Jemen
Im Bürgerkriegsland Jemen soll die United Nations Mission to support the Hodeidah Agreement (UNMHA) eine brüchige Trennung der Konfliktparteien überwachen. Deutschland ist mit einem Soldaten daran beteiligt.
Aus der Bundestagsdrucksache 19/20950:
UNMHA ist damit betraut, die Waffenruhe in Hodeidah zu überwachen sowie Umverlegung und Rückzug der Konfliktparteien in der Region zu koordinieren. Die an UNMHA beteiligten Militär- und Polizeikräfte sind unbewaffnet und nicht uniformiert. (…) Das Bundeskabinett beschloss am 10. April 2019 eine deutsche Beteiligung an der Mission mit bis zu fünf Soldatinnen und Soldaten sowie bis zu fünf Polizistinnen und Polizisten. Seit Mai 2019 stellt Deutschland den Leiter Lageauswertung der Mission.
Missionen im Rahmen der NATO:
• NATO Mission Ägäis
In der Ägäis, in den Gewässern der beiden NATO-Mitglieder Griechenland und Türkei, patrouilliert ein deutsches Kriegsschiff zur Überwachung von Migrationsströmen und Schleuseraktivitäten im engen Seeraum zwischen dem türkischen Festland und den griechischen Inseln Lesbos und Chios. Die Mission wurde von Deutschland zur Eingrenzung der Flüchtlingsrouten über diesen Seeweg initiiert, ist aber formal Teil der Standing NATO Maritime Group 2 (SNMG2), einem ständigen Flottenverband des Bündnisses. Derzeit ist dafür der Tender Werra der Deutschen Marine mit rund 85 Besatzungsangehörigen im Einsatz.
• NATO eFP Litauen
Als Reaktion auf das russische Vorgehen in der Ost-Ukraine und die Annexion der Krim beschloss die NATO 2016 die Einrichtung von vier verstärkten Bataillonen an der Nordostflanke der Allianz, die enhanced Forward Presence (eFP). In den baltischen Staaten Estland, Lettland und Litauen sowie in Polen sollen die rotierend von anderen Staaten der Allianz beschickten Battlegroups den östlichen Bündnismitgliedern den Rückhalt der anderen NATO-Staaten signalisieren – und faktisch als Stolperdraht ein vor allem von den Balten befürchtetes russisches Übergreifen auf diese Länder verhindern. In Litauen hatte diese Mission im Februar 2017 begonnen und steht seitdem unter deutscher Führung. Derzeit sind rund 600 deutsche Soldaten daran beteiligt.
• NATO Air Policing
Die Luftwaffe beteiligt sich schon seit 2004 am so genannten Air Policing Baltikum (BAP); dabei stellen NATO-Länder rotierend Kampfjets zur Luftraumüberwachung für die baltischen Staaten Estland, Lettland und Litauen, die über keine eigenen Luftstreitkräfte verfügen. Nach der Annexion der Krim verstärkte die NATO dieses Engagement und stationierte auf bis zu drei Basen im Baltikum und in Polen die Abfangjäger anderer Bündnismitglieder.
Derzeit – bis Ende April – stellt die Luftwaffe fünf Eurofighter und rund 170 Soldatinnen und Soldaten für das so genannte Verstärkte Air Policing Baltikum (VAPB) auf der Luftwaffenbasis Ämari im Norden Estlands. Für den Sommer dieses Jahres ist, gemeinsam mit Großbritannien, erstmals ein Einsatz der Bundeswehr im Air Policing South mit Standort in Rumänien am Schwarzen Meer geplant.
Zum Vergleich: eine Übersicht über die damals 17 Auslandseinsätze im Jahr 2014 – allerdings mit einer anderen Zählweise.
(Archivbild 2020: Luftraumüberwachungsradar der Bundeswehr auf der Basis Al-Asad im Irak – Einsatzführungskommando der Bundeswehr)
Und die Bundesregierung hat Bus heute nicht schlüssig erklärt, warum Deutschland nicht an Takuba teilnehmen will oder kann.
Die bisherigen Begründungen blieben so unscharf, dass noch nichtmal klare rechtliche, politische oder sachliche Gründe genannt wurden.
Die Opposition fragt auch nicht nach:
Die linke Fundamentalopposition muss ja erstmal die obige Liste des Hausherrn verstehen, Grüne und Liberale wollen es wohl auch nicht so genau wissen (OIR vs. Takuba).
Die Medien sind weitgehend damit zufrieden die Ausreden der Bundesregierung (Grundgesetz und System kollektiver Sicherheit) zu wiederholen.
Läuft schon irgendwie weiter…
Ich finde die Formulierung „unterstützung der ausländischen Einheiten zur Herstellung“ von wass auch immer recht schwammig. Da würde es in teilen auch reichen die entsprechenden Einheiten mit mobilen Feldküchen und Toilettenwagen zu unterstützen. Werden z.b die Regierungskräfte in Mali in scharfe Einsätze mit bewaffneten Kräften unterstützt und begleitet?
@Dante sagt: 07.03.2021 um 15:41 Uhr
Lesen Sie eigentlich hin und wieder mal die Artikel des Hausherrn komplett (also auch die kursiven Zitate) bevor Sie so unreflektiert Ihre Fragen raushauen? In den Mandaten steht doch genau drin, was die deutschen Soldaten tun dürfen und was nicht.
Herr Wiegold, herzlichen Dank für die umfangreiche Arbeit der Zusammenfassung, besonders auch durch die Einbeziehung der Verpflichtungen im Baltikum.
Hoffentlich nutzt Frau Henning-Wellsow Ihre Darstellung zur Weiterbildung.
@T. Wiegold
Vor kurzem hat einer ihrer Kollegen ja die Frage nach konkreten Kampfeinsätzen aufgebracht. Ich selbst, Sicherheitspolitisch interessiert, konnte mir die Frage nicht so richtig beantworten. Welche der aufgezählten Einsätze würden sie als Kampfeinsatz deklarieren?
[Derzeit keinen. T.W.]
Dem Hausherrn danke für die Zusammenstellung.
However, so schwer ist es für die Bevölkerung und die Politik ( auch für Linken-Chefin Henning-Welsow) nun auch wieder nicht. Einfach googeln und man landet auf der Website der Bundeswehr. Mit interaktiver Karte. Mit Fotos. Mit allem, was dazugehört.
Am Infoangebot mangelt es nicht.
So kompliziert ist das mit den Auslandseinsätzen doch garnicht. Es braucht eine völkerrechtliche und eine verfassungsrechtliche Grundlage.
Völkerrechtlich gibt es grundsätzlich drei Möglichkeiten:
Das Einverständnis der jeweiligen Staatsregierung,
eine Resolution des VN Sicherheitsrates oder
das Selbstverteidigungsrecht gemäß Art. 51 VN-Charta (hierunter würde ich auch NatRKM-Operationen fassen. Alternativ könnte man hier auch über Völkergewohnheitsrecht nachdenken.
Verfassungsrechtlich geht alles unterhalb der verfassungsrechtlichen Einsatzschwelle, d.h. ohne Exekutivcharakter und ohne Zwangs- und Eingriffsbefugnisse sowie ohne qualifizierte Erwartung der Einbeziehung in bewaffnete Unternehmungen.
Über das Vorliegen jeder der beiden Voraussetzungen kann man im Einzelfall diskutieren, nur durcheinander werfen sollte man sie nicht.
Ergänzung:
Oberhalb der Einsatzschwelle, also mit Executivbefugnis, geht es nach derzeitiger Verfassungsinterpretation nur gemäß Art. 24 Absatz 2 Grundgesetz im Rahmen eine Systems gegenseitiger kollektiver Sicherheit.
Die Zustimmung des Bundestags ist nur erforderlich soweit eine qualifizierte Einbeziehung in bewaffnete Unternehmungen zu erwarten ist.
Also das Parlament ist nur bei einem „Einsatz bewaffneter Streitkräfte“, also der qualifizierten Erwartung einer Einbeziehung in bewaffnete Unternehmungen gefragt.
Im Übrigen entscheidet die Bundesregierung auf Basis des Völkerrechts und der nationalen Interessen.
Weitere Ergänzung:
Außerhalb eines Systems gegenseitiger kollektiver Sicherheit sind Einsätze der Streitkräfte nur zur Verteidigung möglich, Darunter könnte man auch die Rettung eigener Staatsbürger fassen, die in regelmäßig nicht im Rahmen eines Systems gegenseitiger kollektiver Sicherheit erfolgt.
@streifen
Fein, weitermachen, noch was zu ergänzen?
@Streifen:
In der Theorie richtig.
Was ein System kollektiver Sicherheit ist, wird aber politisch in den letzten 30 Jahren sehr unterschiedlich bewertet.
Kurz gesagt:
Wenn es gerade passt, dann werden die Grundlagen extrem gedehnt (Irak, Syrien, etc) oder eben extrem eng ausgelegt (Takuba im Sahel).
Alles schon öfter diskutiert:
https://augengeradeaus.net/2020/09/intervention-vom-bmz-staatssekretaer-deutschland-sollte-interventionsfaehig-sein/comment-page-1/#comment-349851
Nur leider wird allzu oft das Puzzle nicht ganz zusammengefügt.
Die Wahrheit hinter all den Artikeln und Paragrafen:
Die Koalition will keine Kampfeinsätze – und dafür hat man gerne formaljuristische Gründe. Denn so muss man es nicht politisch begründen.
Die entlarvenden Gegenbeweise sind dann bezeichnenderweise in Bereichen in denen der aussenpolitische Druck erheblich war (OIR, OEF).
Wie wenig die wechselnden Argumentationslinien (!) von Bundesregierung und der GroKo hinterfragt wurden, sagt viel über das Niveau der sicherheitspolitischen Debatte aus.
@TW: Sorry, manchmal geht Tippen schneller als Denken. Mir ging’s darum die Rechtsgrundlagen der Einsätze deutlich zu machen, die ja öfter in Frage gestellt werden. Der Teufel steckt da bekanntlich im im Detail, das in der öffentlichen Wahrnehmung schon mal unter geht.
Dieser Post kann, aber muss nicht veröffentlicht werden.
@Memoria:
„Wenn es gerade passt, dann werden die Grundlagen extrem gedehnt (Irak, Syrien, etc) oder eben extrem eng ausgelegt (Takuba im Sahel).“
Auch hier kann man im Detail diskutieren. Es würde schon helfen, sich drüber zu einigen, ob man über die völkerrechtliche oder verfassungsrechtliche Grundlage diskutiert.
Ich halte rechtliche Argumente auch für vorgeschoben. Wir sollten darüber diskutieren, welches strategische Ziel Auslandseinsätze erreichen sollen und wie das Erreichen des Ziels gegebenenfalls gemessen und bewertet werden soll.
@Memoria
TAKUBA läuft im Rahmen von BARKHANE, und wie wir sehen, beteiligt sich DEU in keinem Land an direkt kinetisch angelegten Einsätzen. Aber immerhin unterstützen wir moralisch (im Ernst: wir haben tatsächlich Unterstützung zugesagt).
Davon ab: unterstützen wir nicht auch die G5S, zumindest beratend?
Und sind die Aufträge ans KSM jetzt beendet?
https://www.dbwv.de/aktuelle-themen/einsatz-aktuell/beitrag/kommandosoldaten-auf-ausbildungsmission-programme-in-vier-staaten
[Mal oben die Details nachlesen? T.W.]
@Thomas Melber:
Richtig, ich aber auch nichts anderes behauptet.
Der Grund dafür ist aber politischer und nicht – wie oft behauptet – rechtlicher Natur.
Darum geht es mir hier (erneut) in der Diskussion.
Aber diese Diskussion kann man wohl noch sehr oft führen, jedesmal mit der fast gleichen Ausgangssituation (wie beim Sturmgewehr, etc).
@Streifen:
Es geht natürlich um die verfassungsrechtlichen Grundlagen.
Hier ein Ausschnitt aus der Debatte um den Irak:
https://augengeradeaus.net/2015/01/geplante-irak-mission-der-bundeswehr-verfassungsrechtlich-doch-nicht-so-einfach/
Einfach mal diese Details anschauen und dann nochmal überlegen, ob ihre obigen Aussagen zur sog. Verfassungspraxis passen.
Fazit:
Die rechtliche Diskussion ist eine Ablenkung vom politischen Unvermögen.
So wenig ich möchte, dass deutsche Soldaten nonchalant in die ganze Welt entsandt werden … obige Aufstellung ist schon etwas beschämend für die größte Volkswirtschaft Europas. Dabei denke ich nicht mal an traditionell interventionistisch aufgestellte Staaten wie Frankreich, sondern vor allem an all die Länder der sogenannten Dritten Welt, die abertausende Soldaten für Blauhelmmissionen aufbieten.
Unvermögen vielleicht nicht, eher Unwilligkeit. Man möchte keine unschönen Bilder (Särge in Wahn, z.B.).
Kann man sich – so wie in FRA – fünf Gefallene (darunter eine Frau) innerhalb einer Woche vorstellen?
@Memoria : Oder es geht um Differenzen mit Frankreich und seiner Nordafrikapolitik, welche man nicht offen austragen möchte?
also zu den System kollektiver Sicherheit sind aus rechtlicher Sicht wenigstens UN, NATO und EU (siehe hierzu https://www.bundesverfassungsgericht.de/SharedDocs/Entscheidungen/DE/2019/09/es20190917_2bve000216.html Rn. 52) zu zählen
ein Problem bei den rechtlichen Grundlagen ist auch die Untauglichkeit des ParlBG insbesondere bzgl. der Ausgestaltung des wehrverfassungsrechtlichen Parlamentsvorbehaltes, leider wurde die entsprechende Anpassung ja abgesagt vor knapp 4 Jahren
daneben darf man auch nicht nevilieren das es durchaus rechtliche Diskussionen zu Einsatzgrundlagen außerhalb von Art. 24 Abs. 2 GG gibt
@muck
„… , sondern vor allem an all die Länder der sogenannten Dritten Welt, die abertausende Soldaten für Blauhelmmissionen aufbieten.“
Diese Staaten „vermieten“ ihre Soldaten quasi, die Einsätze sind eine Einnahmequelle (VN-Auslagenersatz ./. Kosten der TCN).
https://www.bbc.com/news/world-43046554
@muck sagt: 07.03.2021 um 22:36 Uhr
„So wenig ich möchte, dass deutsche Soldaten nonchalant in die ganze Welt entsandt werden … obige Aufstellung ist schon etwas beschämend für die größte Volkswirtschaft Europas. Dabei denke ich nicht mal an traditionell interventionistisch aufgestellte Staaten wie Frankreich, sondern vor allem an all die Länder der sogenannten Dritten Welt, die abertausende Soldaten für Blauhelmmissionen aufbieten.“
Das bewerten Sie, denke ich, falsch. Die von Ihnen genannten Länder der Dritten Welt machen das auch nicht aus Nächstenliebe, sondern um die harten US-Dollar der UN mitzunehmen. Es wird jeder Soldat vergütet und ehrlich gesagt, so eine Infanteriekompanie oder gar ein Bataillon ist da relativ anspruchslos zu verlegen und benötigt auch kein hochspezialisiertes Equipment oder Know-How wie z.B. Sanität.
Für manche Truppensteller ist das ein gutes Geschäft, Für einen europäischen Staat nicht, der legt drauf.
Und, ohne das abwertend zu meinen, in weiten Teilen Afrikas reicht das, was diese Soldaten können zur Auftragserfüllung auch völlig aus.
@muck
@Pio-Fritz
Richtig dargestellt – mit der Einnahmequelle. Dadurch haben diese Länder noch weniger Interesse, das da „wirklich was passiert“ – kein Interesse am Missionsziel. Das ist auch die große Kritik an den UN Einsätzen. Ein stärkeres Engagement Deutschlands wäre da nur verstörend. Wir regen uns hier ja ständig über die fehlende Zielsetzung der bisherigen Einsätze auf – die UN guckt da neidisch was in anderen Operationen wirklich rumkommt….
@Memoria
Wir haben uns ja bereits vorher darüber gestritten – ich bleibe auch hier nicht ihrer Meinung. OIR und OEF haben beide ausreichend verfassungsrechtliche Grundlagen. Die offiziellen Erklärungen der BReg waren eben nicht wirklich stimmig – illegal wird’s dadurch nicht.
Bei Takuba (warum wollen sie da eigentlich so unbedingt mitmachen??) ist eine pauschale Analyse aber nicht so einfach. Klar kann ich jetzt einen Fall konstruieren, in dem DEU gerade so noch legal teilnehmen könnte – aber wer sagt, dass wir mit dem Beitrag dann überhaupt bei den Franzosen ankämen oder dieser uns außenpolitisch hilft? Vielmehr ist wahrscheinlicher, dass Frankreich eine klar Vorstellung vom DEU Beitrag hat – und dieser eben dann aber nicht legal wäre. (Z.B. direkter Einsatz von SpezKr)
Verfassungsrechtlich geht es eben auch um das „was“ und nicht nur um das „ob“
@Jas:
Es gibt da weiterhin mehrere Missverständnisse. Ich bin durchaus der Meinung dass OEF und OIR verfassungsrechtlich möglich sind.
Eine Regierung, die dies ebenso bewertet und entsprechend handelt, argumentiert aber nicht stringent, wenn man dann mit Verweis auf das Grundgesetz den Einsatz bei Takuba ablehnt.
Mir geht es um die glaubwürdige Argumentation und nicht um den praktischen Mehrwert bei Takuba.
Aus meiner Sicht ist es unwürdig, wenn sich Vertreter mehrerer Verfassungsorgane mit Scheinargumenten hinter der Verfassung verstecken.
Hier etwas mehr dazu aus früheren Diskussionen:
https://augengeradeaus.net/2019/12/akks-wink-an-frankreich-neuer-einsatz-im-sahel-nur-als-eu-mission-unter-un-mandat/comment-page-2/#comment-328406
@all insb. KPK und Wasserfee
Ich find es ja schon amüsant, dass hier breitbeinig und explizit von Frau Hennig-Wellsow (der Anlass ist mir schon klar) verlangt wird, sich mal zu informieren, und dabei konsequent der Name falsch geschrieben wird. Großes Kino. Kann man so machen, dann wirkt man aber albern. Man kann sich auch auf die eine Person einschießen oder halt sagen: hey, das wissen vermutlich echt die wenigsten so im Detail.
In diesem Sinne: Danke an den Hausherrn für das Lernmaterial und die Lernmomente
Das klingt zwar zynisch, dieses Eindrucks kann man sich aber mitunter nicht erwehren.
Strukturen, deren eigentliche Aufgabe es ist, sich selbst langfristig überflüssig zu machen, suchen sich in der Praxis oft entweder offensiv neue Aufgaben oder verfallen in operative Geschäftigkeit, ohne dem Ziel signifikant näher zu kommen.
Wenn dann auch noch handfeste finanzielle Interessen im Spiel sind…
Unsere Wehrverfassung beruht auf zwei Grundpfeilern, die nicht mehr wirklich zeitgemäß sind:
1) Der Vorstellung, dass die UN zur Friedensschaffung und Sicherung effektiv in der Lage ist
2) Der unmittelbaren Erfahrung extremen Militarismus‘ und der daraus folgenden Überbetonung des Pendelausschlags in die andere Richtung („nie wieder Krieg“), später nur partiell korrigiert durch die NATO basierte Aufstellung der BW als reiner Verteidigungsarmee.
Als Folge des Widerspruchs zwischen dieser verfassungsrechtlichen Idealvorstellung und nicht ganz so idealer, oft genug genozidaler, Realität wursteln wir (dh insb BReg und BVerfG) uns seit den Jugoslawienkriegen mehr schlecht als recht durch, mit recht wackeliger Grundlage und Politikern, die man zum Jagen tragen muss …
Japan hat ein ähnliches Problem, ist durch die Nähe zu einem expandierendem China sehr viel näher an einer überfälligen, ernsthaft betrieben Verfassungsänderung als wir.
Mit all dem könnte man leben, wenn wir dann wenigstens das, was wir ohne größere rechtliche Hürden machen können (nämlich Landes-/Bündnisverteidigung), ernsthaft betreiben würden. Also ein Korps mit drei schweren (Panzer-)Divisionen (plus eine leichte Div als Feuerwehr und eine mittlere Div für int Stabilisierungs-Einsätze) und genug Munition und Ersatzteile in den Lagern für 3 Monate Kampfhandlungen zu Land, zu Wasser und in der Luft.
Dann würden auch die Amis und Franzosen nicht mehr ernsthaft meckern. Früher hatten wir mal 3 solcher Korps, im Westen, ohne neue Länder. Aber heute kriegen wir nicht mal mehr ein einziges solches Korps gebacken, trotz 80 mio Einwohnern und der viertgrößten Volkswirtschaft der Erde.
Nein, man bekommt nicht mal mehr eine aus sich selbst heraus kampffähige Brigade hin, trotz jahrelanger Vorbereitung …
Statt dessen klopft man sich auf die Schultern, dass man ganze 10 (!) Mann nach Süd-Sudan sendet.
Und einen einzelnen Kameraden nach Jemen.
@Jas:
„Vielmehr ist wahrscheinlicher, dass Frankreich eine klar Vorstellung vom DEU Beitrag hat – und dieser eben dann aber nicht legal wäre. (Z.B. direkter Einsatz von SpezKr)“.
Diese Interpretation der rechtlichen Grundlagen spielt zwar immer wieder eine Rolle in der politischen Debatte, nur rein logisch erscheint mir die These zumindest gewagt.
Denn entweder ein Einsatz hat legale Grundlagen oder eben nicht.
Egal ob Luftbetankung, Luftangriff oder Spezialkräfte.
Die Frage ist ja welche Qualität die völker- und verfassungsrechtliche Grundlage vorliegt und erst dann ob die Einsatzschwelle für den Parlamentsvorbehalt überschritten ist.
Dabei sind dann die Fähigkeiten also solches rechtlich nicht mehr relevant.
Oder was übersehe ich hierbei aus rechtlicher Sicht?
@Memoria
“ Die Frage ist ja welche Qualität die völker- und verfassungsrechtliche Grundlage vorliegt und erst dann ob die Einsatzschwelle für den Parlamentsvorbehalt überschritten ist.
Dabei sind dann die Fähigkeiten also solches rechtlich nicht mehr relevant.”
Aber die Einsatzschwelle ist eben stark an die Fähigkeiten gebunden. Sie könnten wohl jederzeit einen StOffz als LNO oder Advisor in ein HQ setzen – keine erwartbare Verwicklung in bewaffnete Auseinandersetzungen – keine Einsatzschwelle.
Im gleichen Einsatz aber Patrouille fahren geht eben nicht. Verwicklung in bewaffnete Auseinandersetzungen erwartbar und somit Einsatzschwelle.
Das ist doch gerade das, was bei Gazelle passiert. Da war man auf Einladung des Gastlandes im “sicheren Umfeld”. Kein Mandat notwendig. Jetzt wird man Teil von EUTM Mali wie der Hausherr berichtete. Und da geht es mWn noch nichtmal nur um den Auftrag, sondern schon um den Stationierungsort und die Sicherheitslage dort.
@Jas
Das kommt darauf an, was der StOffz macht. Problematisch war die Abstellung von LwOffz nah Italien während der Luftkampagne in LBY.
https://www.tagesspiegel.de/politik/bundeswehr-nimmt-aktiv-teil-hilfe-fuer-nato-in-libyen-stroebele-erwaegt-klage/4522070.html
[Der Link ist ein paar Jahre älter, also ok – allerdings finde ich es immer problematisch, Veröffentlichungen zu verlinken, bei denen das Datum nicht ersichtlich ist. Nicht als Kritik, nur als grundsätzlicher Hinweis. T.W.]
@Jas:
Nach meinen Verständnis vermischen sie nun (erneut) verschiedene Analyseebenen.
Es gibt bei dem Thema 3 grundlegende Ebenen:
1. Völkerrechtliche Grundlage (Art. 51 Charta VN, VNSR-Resoulution, evtl. R2P)
2. Verfassungsrechtliche Grundlage (Art 87a GG, Art. 24 GG ieS (VN, NATO, EU), Art 24 GG iwS (VN, NATO, EU, Koalition der Willigen)
3. Notwendigkeit der Parlamentsbeteiligung (Einsatzschwelle nach ParlBetG iVm BVerfGE zu AWACS II)
Die Parlamentsbeteiligung (Einbindung in einen bewaffneten Konflikt gem. BVerfGE AWACS II) sagt erstmal nichts über die verfassungsrechtliche Legitimation.
Deswegen nochmals ganz konkret:
Warum ist aus ihrer Sicht der Einsatz von Spezialkräften bei OEF und die Luftaufklärung bei OIR verfassungsrechtlich (!) legitim (beides Koalitionen der Willigen, also Art. 24 GG iwS), jedoch im Falle von OP Takuba nicht?
Der LNO ist dabei das falsche Beispiel, aber auch er wäre in einem verfassungswidrigen Einsatz illegal (egal ob mit oder ohne Parlamentsbeteiligung).
Nochmal meine Kernthese:
Die Antwort ist nicht rechtlich, sondern politisch begründet. Die Bundesregierung versucht nur aus (aussen)politischem Opportunismus die wahren Beweggründe zu verschleiern.
@Thomas Melber
Ob LwOffz (extra?) abgestellt waren, ist mir nicht bekannt.
Allerdings war ein Kamerad von mir in der Target Cell/J2 als Targeting Officer eingesetzt; er war regulärer Angehöriger JFC Naples. Insofern trifft die Darstellung im Tagesspiegel also zu.
Der Targeting Process beschränkt sich nicht allein auf die Zielauswahl unter „operational requirements“, vielmehr umfasst er auch die Wirkungsanalyse.
@Thomas Melber
Exactly my point.
“ Demnach sei entscheidend, ob „die Einbeziehung deutscher Soldaten in bewaffnete Auseinandersetzungen konkret zu erwarten ist“…. …. Im Fall Libyen seien die Bundeswehrsoldaten aber sehr viel weiter weg von den Kampfhandlungen und nicht selbst bewaffnet. Daher räumt Tomuschat der möglichen Klage nur geringe Aussichten auf Erfolg ein.”
Und dem war auch so.
@KPK
Battle damage assessment (BDA) ist allerdings Teil des „targeting cycles“, somit würde ich schon sagen, daß er aktiv dabei war – denn das BDA löst ja weitere Targeting (Tgt) Maßnahmen aus, sei es einen Zielwechsel – weil erfolgreich bekämpft – oder ggf. nochmalige Bekämpfung.
Selbst unter NATO Command bleibt der Kamerad natürlich Angehöriger der Bw und somit unter deutscher Rechtsprechung (s. auch AWACS Problematik).
@Memoria
Ok jetzt wirds spannend. Also meiner Kenntnis nach gibt es für OIR und OEF einschlägige UN Resolutionen, auf die sich auch berufen wird. Damit wäre der Verfassungsrechtliche Rahmen gegeben. Das System kollektiver Sicherheit setzt nicht voraus, dass die Rahmenorganisation auch die verfassungsrechtliche Grundlage schafft. So haben wir ja vor Anerkennung der EU als ein solches System bereits an EU geführten EInsätzen teilgenommen – verfassungsrechtlich stützte sich alles auf eine UN Resolution.
Bei TAKUBA als Teil von BARKHANE stützen sich die Franzonsen nur auf die Einladung von Mali und dem Niger. Weder BARKHANE noch TAKUBA basieren auf einer einschlägigen UN Resolution. Auch nimmt BARKHANE dies für sich nicht in Anspruch.
Das reicht aber eben rechtlich für Deutschland nicht zum „Einsatz“ von Militär. Ein Engagement analog zur bisherigen Mission GAZELLE wäre aber möglich z.B. – da eben die gleiche Grundlage – eine Einladung.
Nur ist eben die OP TAKUBA mit ganz anderen Zielen am Start. Und die Franzosen wollen auch einen ganz anderen Beitrag. Daher geht zwar politische Unterstützung – aber eben keine militärische. Abgeleitet aus Auftrag, Stationierung etc.
Ich finde diese rechtliche Bewertung immernoch schlüssig.
@Thomas Melber
Er hatte sein aktives Dabeisein nie bestritten, intern dazu auch vorgetragen, Details erklärt, die hier nicht Thema sein können.
Nur soviel, sein Nächsthöher war kein Deutscher.
[Jetzt reden wir hier über Details von 2011, oder? Für die nicht direkt an diesem Diskussionsstrang beteiligten wird es etwas verwirrend. T.W.]
@T.W.
Pardon, stimmt, 2011.
Internationaler Militäreinsatz in Libyen, 19.03. bis 31.10.2011.
Grundlage:
UN-Sicherheitsratsbeschluss mit Resolution 1973, Einrichtung einer Flugverbotszone über Libyen mit zehn Stimmen dafür, keiner Stimme dagegen und fünf Enthaltungen.
https://de.m.wikipedia.org/wiki/Internationaler_Milit%C3%A4reinsatz_in_Libyen_2011
U.a. ist die Liste der Konfliktparteien aufschlussreich.
[Thema in diesem Thread sind die laufenden Auslandsmissionen der Bundeswehr – jetzt nach zehn Jahren einen Einsatz aufzuarbeiten, an dem die Bundeswehr eben nicht (wirklich) beteiligt war, führt doch ein klein wenig vom Thema weg. T.W.]
@Jas:
In ihrer Argumentation spielt der Kern der Auseinandersetzung der letzten Jahre rundum die verfassungsrechtliche Einordnung einer Koalition der Willigen keine Rolle. Genau dabei geht es aber beim Vergleich zwischen Ausbildungshilfe im Irak und Takuba.
Takuba müsste zudem aus ihrer Sicht ja ebenfalls nach Einladung der jeweiligen Regierung möglich sein. Oder warum bleibt ein solcher Einsatz weiterhin illegal?
Frankreich wollte dabei von uns einen Einsatz wie ihn aktuell u.a. Estland leistet (Mentoring), wo liegt da im Vergleich zum Irak der rechtliche Unterschied?
Der wissenschaftliche Dienst des Bundestages hat die wenig stringente Praxis ziemlich gut zusammengefasst:
„Doch bleiben zunehmend Einsatzszenarien, in denen die Bundeswehr unilateral (Evakuierungseinsätze) oder aber multilateral, jedoch außerhalb eines kollektiven Sicherheitssystems (z.B. im
Rahmen einer „Koalition der Willigen“) handelt – zum Beispiel weil kein Mandat des VN-Sicherheitsrates vorliegt (wie im Fall des Ausbildungs-Einsatzes der Bundeswehr in Erbil/Irak12) oder weil dieses Mandat keine ausdrückliche Ermächtigung zum Waffeneinsatz enthält (wie im Fall des Tornado-Einsatzes gegen den „IS“ in Syrien).“
http://www.bundestag.de/resource/blob/416598/44c9aea5e7db605f1d9984afb68371f8/WD-2-025-16-pdf-data.pdf
@Memoria
Ja die Koalition der Willigen spielt alleine (!) verfassungsrechtlich keine Rolle wenn es bei dem Einsatz um die Einbeziehung in bewaffnete Auseinandersetzung geht. Die Koalition der Willigen kann aber immer dann anstelle der NATO oder EU stehen wenn sie sich auf ein UN Mandat, bzw. eine ausreichende UN Resolution stützt.
Ich verstehe nicht das Problem tbh. Sie haben eine UN Resolution oder Art 5 Nordatlantikvertrag? dann kann der BT über die Entsendung von Streitkräften zur Einbindung in bewaffnete Konflikte entscheiden.
Sie haben keine Resolution oder Art 5 Nordatlantikvertrag? Dann können sie Streitkräfte nur entsenden, solange sie kein Völkerrecht brechen (z.B. auf Einladung) und keine (direkte) Einbindung in bewaffnete Auseinandersetzungen zu erwarten ist. (Ausbildung, Beratung etc.)
TAKUBA oder BARKHANE geht schon, aber dann mit einem äußerst schmalen Auftrag. Das war wohl nicht die Erwartungshaltung Frankreichs. Wenn diese die Einbindung in bewaffnete Auseinandersetzungen beinhaltete oder wahrscheinlich erschienen ließ, ist die rechtliche Bewertung der BReg für mich immer noch folgerichtig.
Mwn wird das Thema Evakuierungsoperationen entweder im Rahmen der Einladung (dann eben ohne die erwartbare Einbindung in bewaffnete Auseinandersetzungen) oder auf der selben Basis wie Geiselbefreiung im Ausland durchgeführt.
@ Memoria
Man sollte eher nicht von einer „wenig stringente[n] Praxis“ Praxis sprechen, meine ich, wenn es um die rechtlichen Grundlagen geht. Denn das diese sich weiterentwickeln liegt in der Logik von Rechtsnormen an sich.
Ein Problem liegt ja in der Zersplitterung der Wehrverfassung sowie der rechtlich eher suboptimalen einfachgesetzlichen Ausgestaltung durch das ParlBG. Hier müsste der (verfassungsändernde) Gesetzgeber eigentlich mal nacharbeiten, und das meine ich ohne politische Bewertung, sondern allein aus rechtlich-handwerklicher Sicht.
Das die Grundlagen dann vom BVerfG im Rahmen der vom GG vorgegebenen Möglichkeiten immer weiter durchdacht werden und dabei Anpassungen stattfinden, ist ein sehr normaler Vorgang.
@Jas u. Pjotr23:
Natürlich unterliegen insbesondere völker- und verfassungsrechtliche Regeln und insbesondere deren Interpretation einem häufigen Wandel.
Die hier dargestellte Sichtweise eine Resolution genüge bereits um den Ansprüchen des Art. 24 GG zu genügen würde jedoch mehrfach von Politikern und Wissenschaftlern in Frage gestellt.
Dabei wurden insbesondere ad-hoc-Kooperationen in Frage gestellt, da nicht nur die Legitimation, sondern auch die Durchführung verfassungsrechtlich problematisiert wurde.
(Siehe auch: http://www.bundestag.de/resource/blob/406640/f7360c19a338943a9e22d84292948913/WD-2-239-14-pdf-data.pdf).
Im direkten Vergleich zwischen Irak, Syrien und Mali ergeben sich beim genauen Blick auf die verfassungsrechtlichen Grundlagen nicht die entscheidenden Unterschiede.
Insbesondere die (fehlende) organisatorische Verfasstheit bei der Durchführung einer Operation (ad-hoc) wurde in den letzten Jahren von der gleichen Koalition rechtlich sehr unterschiedlich gewichtet.
Genau da sehe ich eine fehlende Stringenz.
@Jas:
„Dann können sie Streitkräfte nur entsenden, solange sie kein Völkerrecht brechen (z.B. auf Einladung) und keine (direkte) Einbindung in bewaffnete Auseinandersetzungen zu erwarten ist. (Ausbildung, Beratung etc.)“.
Ich habe den Eindruck bei der Argumentation folgen sie recht stark dem politischen Diskurs in Deutschland, der gerne die 3 Ebenen (Völkerrecht, Verfassungsrecht, Parlamentsbeteiligung, s.o.) zusammenwirft.
Die mögliche Einbindung in eine bewaffnete Auseinandersetzung bist ja ein Kriterium in der Ebene Parlamentsbeteiligung.
Ihre Argumentation bezieht sich ja eher auf das Thema Kampfeinsatz (also dem Ursprung der Diskussion hier).
Diese Aufteilung ist aber gar nicht rechtlich relevant, sondern vorallem politisch.
Deutschland beteiligt sich im Irak an einem Ausbildungseinsatz auf Einladung der irakischen Regierung. Nach einiger Diskussion wurde festgelegt, dass hierfür ein Mandat des deutschen Bundestages notwendig ist. Somit ist die Einsatzschwelle erreicht, ob man dann indirekt oder direkt an Kampfhandlungen teilnimmt ist rechtlich nicht relevant. Oder worauf bezieht sich ihre Argumentation konkret?
Analog gilt das ja auch für Takuba, dazu hatte ich ja auch schon mehrfach gefragt.
Was sie annehmen was Frankreich erwartet ist dabei keine rechtliche Kategorie.
Meine These:
Ein Einsatz nach ParlBetG in Mali und anderen Ländern (zum Mentoring) kann auf Einladung der jeweiligen Regierung im Rahmen von Takuba genauso erfolgen wie im Irak.
Völkerrechtliche Grundlage ist die Einladung und ggf. einige Erklärungen der VN (gibt es auch für Barkhane und G5), verfassungsrechtlich analog zu der Konstruktion bei der Ausbildungshilfe und später OIR (Koalition der Willigen).
Die Parlamentsbeteiligung (Mandat) deckt dann auch das begleitende Mentoring ab (entweder das Mandat hat eine saubere Grundlage oder nicht, dies bemisst sich nicht an den Fähigkeiten).
Oder wo liegt aus ihrer Sicht mein Denkfehler?
@Memoria
Einen entscheidenden Unterschied zw. Counter-Daesh und Mali bzgl. der verfassungsrechtlichen Grundlage ist anhand der Rspr. des BVerfG zu verneinen, da stimme ich zu.
In allen geht es um eine Teilnahme im Rahmen eines Systems i.S.d. Art. 24 Abs. 2 GG (EU/NATO/UN).
Dahingehend ist aber eben die Teilnahme an der Bekämpfung des Daesh nicht als im Rahmen einer ad-hoc-Koalition zu bewerten. Immerhin wird Art. 42 Abs. 7 EUV (die EU-Version von Art. 5 NATOV) nicht umsonst bei der Begründung und Mandatierung durch den BT genannt, sowie vom BVerfG auch argumentativ gehalten; vgl. https://www.bundesverfassungsgericht.de/SharedDocs/Entscheidungen/DE/2019/09/es20190917_2bve000216.html; Rn. 52 – 54.
@Pjotr23:
Im Kern ist ja seit dem Urteil des BVerfG von 1994 nicht klar was „im Rahmen und nach den Regeln eines Systems der gegenseitigen kollektiven Sicherheit“ wirklich bedeutet.
In weiteren Fällen hat auch das BVerfG dies vermieden (in dem bin ihnen zitierten Fall sollte ja vorallem die Verwirrung im Lissabon-Urteil ausgeglichen werden).
Die Politik ist an Klarheit auch nicht interessiert.
Daher ist es weiterhin umstritten welche Anforderungen sich aus der Begründung mit dem Art. 24 GG ergeben.
Ein wesentlich neue Interpretation war dabei die Ausbildungshilfe im Irak (noch vor Counter-Daesh in Syrien).
Damals gab es eine erheblich weitere Interpretation als zuvor:
https://augengeradeaus.net/2015/01/geplante-irak-mission-der-bundeswehr-verfassungsrechtlich-doch-nicht-so-einfach/
Die jedoch politisch und rechtlich zu weiterer Verwirrung führte:
https://www.deutschlandfunk.de/irak-mission-rechtlich-auf-der-sicheren-seite.694.de.html
Als es danach um das politisch weniger drängende Thema Takuba ging, würde wieder die enge Interpretation gewählt, da eine Koalition der Willigen nicht ausreiche:
https://augengeradeaus.net/2020/03/anti-terror-mission-im-sahel-deutschland-ist-dafuer-aber-nicht-dabei-und-das-soll-auch-keiner-merken/
Wenn der Verweis auf eine allgemeine Resolution der VN ohne explizite Befugnis nach Kapitel VII im Irak und Syrien ausreicht, dann findet sich dafür auch etwas „passendes“ für Barkhane (u.a. in den UN-Resolutionen zu MINUSMA).
Der wirklich qualitative Unterschied ist für mich da nicht vorhanden.
Beides ist ziemlich konstruiert, da die Grundlage eben schon ziemlich interpretationsbedürftig ist.
Und so schliesst sich der Kreis zum Beginn meines Kommentars.
Als Nachtrag noch die Vorgeschichte zur Ausbildung im Irak:
https://augengeradeaus.net/2014/12/ausbildungsmission-irak-mit-mandat-uebers-grundgesetz-reden-wir-spaeter/
Die Interpretation des GG erfolgt eben jeweils primär nach politischen Maßstäben.
Aber das sollte man dann auch bei der Bewertung berücksichtigen.
@Memoria
„Die Interpretation des GG erfolgt eben jeweils primär nach politischen Maßstäben“
Ihr Ernst?
Das Bundesverfassungsgericht „interpretiert“, d.h. legt aus, aber nicht nach koalitionär wechselnden, angeblich politischen „Maßstäben“, die in Wirklichkeit Parteiprogramme abbilden.
@KPK:
Schauen sie sich bitte den Link an, dann sollte klar werden, dass vorallem sie politischen Entscheidungsträger gemeint sind, die oftmals rechtliche Bedenken vorschieben um unangenehme politische Diskussionen um Kampfeinsätze zu vermeiden.
@ Memoria
Das etwas rechtlich umstritten ist, ist nicht sonderlich verwunderlich.
Allerdings ist die Rechtssprechung des BVerfG dazu immer weiter vorangeschritten und hat einiges konkretisiert bzw. auch Irrtümer aufgeräumt (bspw. zum ParlBG). Ich würde da auf deutlich mehr als die Out-of-Area- und Lissabon-Entscheidung abstellen.
Jedes Mal ein paar dutzend Seiten Obiter Dictum schreiben, ist auch nicht unbedingt so super, und im Falle des Lissabon-Urteils war es kontraproduktiv.
Das unter Art, 24 Abs. 2 GG die VN, NATO und EU gefasst werden können, würde ich schon als h.L., offenbar jedenfalls als h.M. bezeichnen.
Eine VN-Resolution braucht es bspw. dann nicht, wenn es daneben andere zutreffende völkerrechtliche Grundlagen gibt; hier werden ja manche Varianten diskutiert wie R2P.
Ansonsten erfolgt die „Interpretation“ (Auslegung) des Grundgesetzes nach den vier klassischen Methoden, hier ggf. angereichert um eine europafreundliche/völkerrechtsfreundliche Auslegung.
@Pjotr23:
In dem Rechtsgebiet ist ja so ziemlich alles umstritten, dass ist nicht mein Punkt.
Mit geht es um Entscheidungsträger, die den Art. 24 einmal eng und dann weit und dann wieder (!) eng auslegen.
Da wird einmal so getan als könne die Bundeswehr nur in einer militärischen Struktur von VN, NATO oder EU eingesetzt werden (Mali 2013), dann wird behauptet es genüge eine grobe Unterstützung und es genügt eine Koalition der Willigen (Irak 2014) und die gleichen Personen erzählen dann wieder es gehe ja überhaupt nicht, dass Deutschland in einer Koalition der Willigen (Mali 2019) militärisch aktiv wird.
Das ist aus meiner Sicht schlichtweg sachlogisch unglaubwürdig und ein sehr unanständiger Umgang mit den Bürgern und der Verfassung.
Ist mein Punkt nun etwas klarer?
Zwischenergebnis der Diskussion für mich:
Man kann weiterhin verschiedene Einsätze rechtlich verschieden interpretieren, warum die Argumentationslinie der GroKo dabei – angeblich – rechtlich begründet, logisch und stringent ist habe ich jedoch leider immer noch nicht verstanden.