Nächste Rüstungs-Baustelle: Verzögerung für neue Betriebsstofftanker

Nach mehr als 40 Jahren Dienst sind die Betriebsstofftanker der Deutschen Marine veraltet, technisch unzuverlässig und entsprechen längst nicht mehr internationalen Umweltstandards. Doch die Bemühungen um einen baldigen Ersatz haben sich jetzt weiter verzögert: Nach einer nur begrenzten Ausschreibung hat eine nicht beteiligte deutsche Werft vor Gericht erreicht, dass der Auftrag für einen Neubau vorerst nicht wie geplant erteilt werden darf.

Das Verteidigungsministerium hatte den Auftrag für die schon seit Jahren dringend benötigten Tankschiffe nicht EU-weit ausgeschrieben, sondern diese Schiffe als Kriegsschiffe eingestuft und nur eine begrenzte Ausschreibung unter einigen deutschen Werften gestartet. Dagegen ging die Flensburger Schiffbau-Gesellschaft (FSG) juristisch vor: Das Unternehmen gehörte nicht zu den Werften, die an dieser Ausschreibung beteiligt wurden. Von der Vergabekammer des Bundeskartellamts war dieses Vorgehen zunächst bestätigt worden.

Nach Angaben der FSG erzielte das Unternehmen vor dem Oberlandesgericht Düsseldorf jetzt einen vorläufigen Erfolg: Das Gericht entschied, dass eine Beschwerde der Werft gegen diese Ausschreibung aufschiebende Wirkung hat  – bis zu einer endgültigen gerichtlichen Entscheidung über das Verfahren. (Beschluss Vergabesenat OLG Düsseldorf vom 2.12.2020, Az. VK 2-87/20). Damit kann das Ministerium bzw. das Bundesamt für Ausrüstung, Informationstechnik und Nutzung der Bundeswehr (BAAINBw) den Auftrag vorerst nicht vergeben.

Hintergrund des Rechtsstreits ist, wie schon bei der Vergabe des Auftrags für die Instandsetzung des Tenders Donau, das Vergaberecht und die im Februar dieses Jahres neu eingeführte Klassifierung des maritimen Überwasserschiffbaus als nationale Schlüsseltechnologie. Aus Sicht des Verteidigungsministeriums gehören die künftigen Betriebsstofftanker der Marine zu den Kriegsschiffen, deren Bau abweichend von EU-Recht auch allein national ausgeschrieben werden kann.

Die FSG wandte sich gleich auf zwei Ebenen gegen das Vorgehen von Verteidigungsministerium und BAAINBw: Zum einen hätten auch bei einer rein nationalen Ausschreibung alle deutschen Werften berücksichtigt werden müssen. Die Flensburger Werft war jedoch in den Kreis nicht aufgenommen worden. Zum anderen sei überhaupt fraglich, ob diese Tankschiffe als Kriegsschiffe angesehen werden dürften und damit unter die Ausnahmeregelung der nationalen Schlüsseltechnologie fallen: Die Marine hat die Tanker intern aber selbst nicht in ihre Kriegsschiff-Liste aufgenommen, sondern in die Liste der Hilfsschiffe, argumentierte das Unternehmen.

Die beiden Betriebsstofftanker Spessart und Rhön werden mit zivilen Besatzungen gefahren. Da ihre Einhüllen-Technik schon seit langem nicht mehr internationalen Umweltschutzvorschriften entspricht, dürfen sie teilweise auch in NATO-Verbänden einzelne Hoheitsgewässer nicht befahren und Häfen nicht mehr anlaufen. Hinzu kamen in den vergangenen Jahren zunehmend Ausfälle der alten Maschinen, die zeitaufwändig instandgesetzt werden mussten. Schon vor mehr als einem Jahrzehnt hatte deshalb ein Ersatz dieser Schiffe, die für NATO-Verbände wie für Auslandsmissionen ein kritischer Enabler sind, zur Entscheidung angestanden – die allerdings erst in diesem Jahr gefällt wurde.

Der Bundesrechungshof hatte erst in der vergangenen Woche das Vorgehen des Verteidigungsministeriums kritisiert und dazu aufgerufen, die veralteten Tanker möglichst schnell durch angepasste zivile Tankschiffe zu ersetzen:

Die technischen Probleme, der unwirtschaftliche Betrieb und die Umweltrisiken der alten Tanker sind der Bundeswehr lange bekannt. Dennoch begann sie mit der Nachfolgeplanung erst mehrere Jahre nach dem Ende der ursprünglich vorgesehenen Nutzungsdauer. Dann vergingen nochmals fünf Jahre bis zur Auswahlentscheidung. Sofern der Zeitplan eingehalten werden kann, werden die alten Tanker bereits 47 Jahre im Dienst sein, wenn der erste neue Tanker einsatzbereit ist. (…)
Die Bundeswehr hätte Zeit gewinnen und Geld sparen können, wenn sie an Stelle einer Neuentwicklung vorhandene Tanker gekauft und an den militärischen Bedarf angepasst hätte. „RHÖN“ und „SPESSART“ waren ebenfalls zivile Tanker, die entsprechend umgebaut wurden. Auch mehrere ausländische Marinen haben sich in jüngster Zeit für den Kauf handelsüblicher Tanker entschieden, die anschließend für den militärischen Bedarf angepasst wurden. Die Abkehr der Bundeswehr von Kauflösungen ist somit nicht überzeugend, zumal das BMVg selbst gefordert hatte, marktverfügbare Lösungen zu berücksichtigen. Da es sich bei den neuen Tankern nicht um Kriegs- sondern um zivil besetzte Hilfsschiffe handelt, ist die Anwendung einer vergaberechtlichen Ausnahme wegen wesentlicher Sicherheitsinteressen wenig plausibel.

Allerdings ist da ein schwieriger Punkt versteckt: Während der Bundesrechnungshof argumentiert, dass es sich bei den neuen Tankern nicht um Kriegs- sondern um zivil besetzte Hilfsschiffe handelt, wird das in der Marine durchaus anders gesehen. Die – eingestuften und deshalb nicht öffentlich verfügbaren – Kriterien für die künftigen Betriebsstoffversorger sehen technische Merkmale vor, die in der Regel bei zivilen Schiffen nicht vorhanden sind. Dass diese neuen Schiffe als Kriegsschiffe anzusehen sind, werden Ministerium, BAAINBw und Marine allerdings dann auch öffentlich plausibel machen müssen, wenn sie bei dem geplanten Verfahren bleiben wollen.

(Archivbild Mai 2016: Betriebsstofftanker Spessart (A1442) beim Versorgungsmanöver für die  Fregatte Bayern in der Antipirateriemission Atalanta vor Somalia – Christin Krakow/Bundeswehr)