Bundeswehr stockt Kontingent für Amtshilfe in der Coronavirus-Pandemie auf
Angesichts steigender Coronavirus-Infektionen in Deutschland erhöht die Bundeswehr die Zahl der Soldatinnen und Soldaten, die zur Unterstützung ziviler Behörden in der Pandemie bereitstehen. Das seit dem Frühjahr stehende Kontingent von 15.000 Soldaten werde auf 16.000 aufgestockt, sagte der Inspekteur der Streitkräftebasis, Generalleutnant Martin Schelleis. Für das kommende Jahr sei eine weitere Verstärkung möglich.
Die Streitkräfte hatten im März ein Kontingent mit 15.000 Soldaten aus den Truppenteilen außerhalb des Sanitätsdienstes zusammengestellt und kurzfristig neue Befehlsstrukturen für diesen Einsatz geschaffen. Zwar waren bislang noch nie alle diese Soldatinnen und Soldaten auch gleichzeitig gebraucht worden, dennoch richtet sich die Bundeswehr nach den Erfahrungen der vergangenen Wochen auf deutlich steigende Hilfeanträge von Ländern und Kommunen ein.
Schelleis, der auch der so genannte Nationale Territoriale Befehlshaber ist, kündigte deshalb am (heutigen) Donnerstag im Gespräch mit Journalisten die kurzfristige Aufstockung des Corona-Kontingents um 1.000 Soldaten noch im November an. Außerdem werde geprüft, ob zum Jahresbeginn 2021 (KORREKTUR, nicht 2020) weitere Soldaten für diese Aufgaben als Reserve eingeplant werden könnten – dann laufen die aktuellen Bereitschaften der Bundeswehr in der EU-Battlegroup mit knapp 3.000 Soldaten und in der NATO Response Force (NRF) mit rund 10.000 Soldaten aus.
Derzeit sind nach Schelleis Angaben 4.366 Soldatinnen und Soldaten direkt in der Amtshilfe in der Pandemie eingesetzt, davon die meisten in Nordrhein-Westfalen (760), Bayern (590) und Berlin (430). Hinzu kommt medizinisches Personal aus dem Sanitätsdienst. Zusammen mit Personal, das im Schichtbetrieb ablöst, und der Führungsorganisation in den verschiedenen Stäben seien aktuell rund 5.600 Soldatinnen und Soldaten durch die Pandemie gebunden. Hinzu kommen – in der militärischen Zählung nicht erfasst – rund 200 zivile Mitarbeiter aus Bundeswehr-Dienststellen, die sich freiwillig zur Kontaktnachverfolgung in Gesundheitsämtern gemeldet haben.
Allerdings zeigten die zunehmenden Anträge auf Amtshilfe, dass der Trend eindeutig nach oben gehe, sagte der Generalleutnant. So liege der Schwerpunkt der Amtshilfe inzwischen eindeutig bei der Unterstützung der Gesundheitsämter, wo derzeit rund 3.700 Soldaten im Einsatz und weitere rund 290 vorgesehen seien. Aber von den 375 Gesundheitsämtern bundesweit hätten bislang erst 255 diese Unterstützung angefordert – mit weiteren sei zu rechnen.
Unter anderem deshalb wurden auch die Bereitschaftszeiten des Kontingents, die zum Beispiel im Juni deutlich verlängert worden waren, wieder verkürzt. Rund 1.500 Soldaten stehen nach Schelleis‘ Angaben derzeit in 24-Stunden-Bereitschaft, weitere rund 3.000 sind innerhalb von zwei Tagen einsatzbereit. Die übrigen gut 10.000 Soldaten können innerhalb von fünf Tagen herangezogen werden.
Auch in der Bundeswehr selbst steigt unterdessen die Zahl der bestätigten Coronavirus-Infektionen weiter. Die Angabe des Sanitätsdienstes:
Geschäftsbereich BMVg kumulierte Gesamtfälle: 1530,
Soldatinnen und Soldaten: 454 tagesaktuell bestätigte Fälle,
kumuliert: 1303, davon kumuliert genesene Fälle: 850
(weiter ggf. nach Entwicklung)
(Archivbild September 2020: Soldaten bei der telefonischen Nachverfolgung von Coronavirus-Infektionen im Gesundheitsamt Würzburg – Oliver Schmidt/Bundeswehr)
Jahresbeginn 2021, oder?
[Ja, blöder Tippfehler. Ist korrigiert. T.W.]
Bei allem Respekt vor der Bereitschaft der Führung solche Amtshilfeanträge zu bewilligen erlaube ich mir, nachdem ich mir selbst einen Eindruck verschafft habe eine Kritik:
Es ist schön zu verkaufen, wenn immer mehr Soldaten im Rahmen der Amtshilfe in Gesundheitsämtern eingesetzt werden und eine gute Werbung für die Truppe.
Es kann aber nicht sein, dass in manchen Gesundheitsämtern das „Stammpersonal“ noch immer im Modus „Grundbetrieb“ inkl. Gleitzeit- / Teilzeit- und Homofficemodellen arbeitet, nach über sechs Monaten Pandemie noch immer mehr einem walldorfschem Diskutierhaufen gleicht und die Last der Kontaktnachverfolgung mal schön auf die Soldaten abgeschoben wird, weil man nicht aus der eigenen Komfortzone kommen kann oder will . Ich hoffe inständig, dass ich hier persönlich das Pech habe, bedauerliche Einzelfälle erleben zu dürfen.
@Neuling
Ich muss ihre Hoffnung auf Einzelfälle leider zerstreuen. Ich habe es genau so erlebt und mir wurde aus zwei weiteren Ämtern gleiches berichtet.
@Neuling und @wwkauz
Kann ich so nicht bestätigen. In unserem Gesundheitsamt ist schon seit Monaten fachfremdes eigenes Personal im Einsatz. Und die wurden jetzt durch Soldaten und Finanzbeamte verstärkt. Die Finanzbeamten sollen vor allem bei der Bescheiderstellung helfen. Das Ganze umfasst ja mehr als „nur“ die Kontaktverfolgung.
Man darf bei der ganzen Diskussion nicht vergessen, das die Gesundheitsämter zusätzlich zum Normalbetrieb in einem Schichtsystem arbeiten, das auch die Wochenenden umfasst. Das benötigt natürlich massiv mehr Personal. Aber das mag von Kreis zu Kreis unterschiedlich gehandhabt werden, das entzieht sich meiner Kenntnis.