SPD-Fraktion nominiert Högl ohne Gegenstimmen als Wehrbeauftragte, Kahrs wirft hin
Die Nominierung der SPD-Abgeordneten Eva Högl als neue Wehrbeauftragte wirbelt die Sozialdemokraten kräftig durcheinander: Nachdem die Fraktion die Berliner Parlamentarierin offiziell als Kandidatin benannte, legte der ebenfalls an dem Amt interessierte SPD-Haushälter Johannes Kahrs sein Abgeordnetenmandat und alle anderen Ämter nieder.
Die Spitze der SPD-Bundestagsfraktion unter ihrem Vorsitzenden Mützenich hatte Högl in der vergangenen Woche überraschend als Nachfolgerin des bisherigen Wehrbeauftragten Hans-Peter Bartels vorgeschlagen, dessen Amtszeit nach fünf Jahren im Mai ausläuft. Der in der Truppe wie in der Politik geschätzte Bartels hatte sich zuvor für eine zweite Amtszeit ins Gespräch gebracht. Aber auch Kahrs, bislang als einflussreicher Abgeordneter im Haushaltsausschuss für den Verteidigungsetat bedeutsam, hatte sein Interesse an dem Amt angemeldet.
Am (heutigen) Dienstag nominierte die Fraktion nun Högl für die Wahl am kommenden Donnerstag – nach Angaben eines Fraktionssprechers ohne Gegenstimmen. Unmittelbar danach gab Kahrs seinen Rückzug von allen politischen Ämtern in Fraktion und Partei bekannt. Die Erklärung dazu veröffentlichte er auch prominent auf seiner Webseite:
Für das Jahr 2020 habe ich mir seit Langem einen persönlichen Neuanfang vorgenommen. Nach 21 Jahren im Deutschen Bundestag, seit fast 40 Jahren in der SPD, wird es Zeit, für mich andere Wege zu gehen. Ich wollte einen Neuanfang in der Politik. Da mir die Bundeswehr sehr am Herzen liegt, als Oberst der Reserve, ehemaliges Mitglied im Verteidigungsausschuss oder als langjähriger Berichterstatter für das Verteidigungsministerium im Haushaltsausschuss, hätte ich gerne für das Amt des Wehrbeauftragten des Deutschen Bundestages kandidiert. Für das Amt des Wehrbeauftragten bewirbt man sich nicht, man wird vorgeschlagen. Der Fraktionsvorsitzende hat Eva Högl vorgeschlagen. Ich akzeptiere dies und wünsche ihr viel Erfolg.
Nun suche ich außerhalb der Politik einen Neuanfang und trete mit Ablauf des 05. Mai 2020 von meinem Mandat und allen politischen Ämtern zurück. Ich danke all meinen Weggefährten, meinen Freunden und politischen Begleitern vieler Jahre. Ich bin meiner Partei zutiefst verbunden und wünsche ihr von ganzem Herzen Glück und Erfolg.
Zeitgleich löschte Kahrs seinen Account bei Twitter – das ist deshalb bedeutsam, weil er diesen Kanal so intensiv nutzte wie wenige andere Politiker.
Mit dem Abschied des Abgeordneten aus Bundestag (und offensichtlich der Politik insgesamt) hat das Vorgehen von Fraktionschef Mützenich Auswirkungen, die weit über die Neubesetzung des Amtes der Wehrbeauftragten hinausgehen. Kahrs war durch seine Schlüsselrolle im Verteidigungsausschuss mitbestimmend für das Schicksal von Rüstungsprojekten – positiv wie negativ.
2016 hatte der Hamburger Abgeordnete in einem Überraschungscoup mit seinem CDU-Gegenpart Eckart Rehberg die Beschaffung von fünf neuen Korvetten für die Deutsche Marine eingeleitet – und dann auch dafür gesorgt, dass das nötige Geld im Haushalt bereitgestellt wurde. Die Marine hatte diese Schiffe zwar nicht bestellt, sagte aber auch nicht Nein. Und in den Wahlkreisen von Kahrs und Rehberg fand die neue Arbeit für die Werften auch Anklag. Der Grünen-Haushälter Tobias Lindner sprach später auch spöttisch von den Korvetten der Kahrs-Klasse.
Die Entwicklung am heutigen Dienstag ist der vorläufige Höhepunkt einer für die Sozialdemokraten in den vergangenen Tagen eher unglücklich verlaufenen Debatte zu sicherheitspolitischen Themen. Mit dem Widerstand gegen die von Verteidigungsministerin Annegret Kramp-Karrenbauer eingeleitete Beschaffung von US-Kampfjets, der Nominierung der künftigen Wehrbeauftragten ohne Rückkoplung mit den Verteidigungspolitikern in der eigenen Fraktion, der überraschend auf die Tagesordnung gesetzten Debatte über die Nukleare Teilhabe und jetzt mit dem Rücktritt eines prominenten Genossen wirkt die SPD-Spitze derzeit nicht unbedingt so, als hätte sie auf diesem Feld eine glückliche Hand – nicht in der derzeitigen Regierungskoalition, aber auch nicht in der eigenen Partei und Fraktion. Und auch nicht in der Öffentlichkeit.
(Mir ist bewusst, dass der Ausstieg von Kahrs für die SPD auch in anderen Themen als der Sicherheitspolitik von Bedeutung ist. Das ist aber hier nicht das Thema – bitte auch nicht in den Kommentaren.)
(Archivbild: Kahrs mit Bundeswehr-Generalinspekteur Eberhard Zorn am 13. Juni 2016 beim Soli-Lauf an der Helmut-Schmidt-Universität der Bundeswehr in Hamburg – Felix Netzer)
Es ist ein Lehrbeispiel dafür, wie man sich ohne jede Not Probleme schafft. Und ein Führungsverständnis wie in der alten Bonner Republik, mit ausgeklüngelten machttaktischen Entscheidungen im Hinterzimmer.
Herr Mützenich und die SPD-Spitze ziehen da offenbar eine Spur der Verwüstung hinter sich her. Staatsmännisch große Friedenspolitik eben (der aus meiner Sicht nicht hilfreiche bis gefährliche Vorstoß zum Ausstieg aus der Nuklearen Teilhabe), gepaart mit erfrischend innovativen Personalentscheidungen. Gut, auch die CDU hat mit AKK jemanden in’s Amt gebracht, ohne dass Fachkenntnis eine Rolle spielte. Aber ich könnte mir vorstellen, dass man die erfahrenen und fachkundigen Stimmen der Herren Kahrs und Bartels in Fragen der Bw noch vermissen wird.
Ich frage mich nur, was man sich davon verspricht. Vielleicht haben die Herrschaften noch nicht verstanden, dass mit dem Einsammeln von Splittern links außen und bei dem, was mal die Friedensbewegung war, die SPD nicht wieder zur Volkspartei zu machen sein wird. Diese Gruppen sind nämlich inzwischen anderswo untergekommen – mindestens bei Linken und Grünen.
Die Erosion der SPD geht weiter. Ich bin kein Fan dieser Partei, aber sie wäre mir im politischen Spektrum wesentlich lieber, als manche vermeintliche Alternative, die da nachgewachsen ist.
Mit derartigen Aktionen macht die SPD sich mMn insgesamt unwählbar. Der Realitätssinn der Führungspersonen geht stramm gegen Null. Das augenscheinliche parteiinterne Geschachere um Versorgungsposten hat mit verantwortungsvollem Regierungshandeln nichts mehr zu tun. Herr Bartels ist ein streitbarer Mann mit Positionen, denen man als Soldat nicht immer zustimmen muss, aber als Wehrbeauftragter ist er einer der besten, den diese Republik je hatte.
@all
Ich erneuere noch mal meinen Hinweis, dass die Debatte hier bitte bei der Sicherheitspolitik als Thema bleibt… weil es sonst schlicht ausufert. Die Debatte – und die Spekulationen – über Kahrs sonstige Gründe und zum Zustand der SPD insgesamt kann anderswo geführt werden.
Josef König
„Der Bundestag wählt in geheimer Wahl mit der Mehrheit seiner Mitglieder den Wehrbeauftragten. Vorschlagsberechtigt sind der Verteidigungsausschuß, die Fraktionen und so viele Abgeordnete, wie nach der Geschäftsordnung der Stärke einer Fraktion entsprechen. Eine Aussprache findet nicht statt.“
So will es das Wehrbeauftragtengesetz. Und weil das Vorschlagsrecht außschließlich beim Parlament liegt, wird das auch weiterhin gängige Praxis nach dem Ablauf einer fünfjährigen Amtszeit so sein und so auch weiter so verlaufen wie bisher. Es gab schon mal bessere Vorschlagsphasen. Aber – es ist nicht außergewöhnlich im Deutschen Bundestag. Vielleicht kann sich noch jemand erinnern an die Spekulationen um die Nominierung in der damaligen FDP Bundestagfraktion – man munkelte Elke Hoff und es wurde Hellmut Königshaus und Frau Hoff beendete auch ihr politisches Engagement.
Was jedoch aus meiner Sicht derzeit in der SPD Bundestagsfraltion und namentlich bei einem Abgeordneten gelaufen ist – das ist schon sehr dreist. Es gibt keinen wie auch immer begründeten Anspruch auf einen Vorschlag – egal wie auch die eigene persönliche Lebensplanung ist – egal wie lange man Mitglied im Deutschen Bundestags ist – das Amt der Wehrbeauftragten ist nach Artikel 45b GG kein Erbhof und es gibt keinen wie auch immer begründeten Anspruch
Wer ein anderes Prozedere will, der muss das Wehrbeauftragtengesetz ändern. Aber – das will keiner. Also bleibt alles beim Alten.
Für mich ist das Verhalten von Kahrs nicht nachvollziehbar. Meiner Meinung nach hätte Herr Kahrs gegen Frau Högel antreten sollen oder selbst den Herrn Bartels als Gegenkandidaten für Frau Högel vorschlagen sollen.
Herr Mützenich will offensichtlich die erfahrenen Verteidigungspolitiker der SPD ausschalten, um seinen sicherheitspolitischen Linkskurs durchzusetzen. Da wäre öffentlicher Widerstand gegen die NT-Pläne und die Wahl von Frau Högel sinnvoller gewesen.
Jetzt bekommen wir eine fachfremde, linke Frau Högel als Wehrbeauftragte, um Bartels und Kahrs zu verhindern, und sicher mit der Weisung, niemals höhere Verteidigungsausgaben für die böse BW zu fordern.
Josef König
@ Clolsius
“ Meiner Meinung nach hätte Herr Kahrs gegen Frau Högel antreten sollen oder selbst den Herrn Bartels als Gegenkandidaten für Frau Högel vorschlagen sollen. “
Mit Verlaub, lesen Sie bitte im Gesetz, wer das Vorschlagsrecht hat.
Wer hätte Herrn Kahrs oder Herrn Bartels vorschlagen sollen? Bündnis 90/Die Grünen, die AfD oder die FDP – CDU/CSU geht nicht das Frau Eva Högl ein „Gemeinsamer Vorschlag“ ist.
Ich gehe davon aus, dass Herr Kahrs in nicht allzu ferner Zukunft eine Position in der Rüstungsindustrie gefunden haben wird. Ein Blick in seinen Wikipedia-Artikel unter „Kontroversen“ reicht für diese Einschätzung. Freundlich ausgedrückt hab ich nicht den Eindruck, dass die Sicherheitspolitik bei seinem Wirken an erster Stelle stand.
@ Closius sagt:
05.05.2020 um 18:59 Uhr
Sorry ich kenne mich da nicht so aus, aber ist es nicht jedem anderen Abgeordneten und jeder anderen Fraktion möglich auch jemanden vorzuschlagen? Ist die Partei irgendwie gesetzt?
[Siehe die vorherigen Erläuterungen von Josef König hier in den Kommentaren. T.W.]
Insgesamt verliert der Bundestag zwei fachkundige Politiker – mit jeweils eigenen Ecken und Kanten. Gerade bei Kahrs wird man wohl erst künftig merken wieviele Dinge er auch positiv gestaltet hat.
Gerade in der Haushaltspolitik stehen im Herbst 2020 die schwersten Entscheidungen seit Jahrzehnten an. Wer kann diese Lücke in der SPD-Fraktion füllen? Zudem noch mit Interesse und Verständnis für Verteidigung?
In der gleichen Debatte wird sich die neue Wehrbeauftragte noch in der Einarbeitung befinden.
Insgesamt also keine guten Nachrichten.
Bei dieser Personalrochade um das Amt des Wehrbeauftragten geht es doch gar nicht um die Amtsführung von Herrn Bartels oder die Abgeordnete Eva Högl. Es wird lediglich ein freier Wahlkreis in Berlin-Mitte gesucht, um einen verdienten Genossen der Berliner SPD „unterzubringen“, der gerne in den Bundestag möchte.
[Danke, das hatten wir auch schon, und letzmalig der Hinweis: Wer gerne die SPD als solches debattieren möchte, findet andere Möglichkeiten. T.W.]
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Memoria;
„Insgesamt verliert der Bundestag zwei fachkundige Politiker“
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Beim Nachzählen komme ich auf einen: Kahrs. Bartels ist als WB zwar Hilfsorgan des Bundestages, aber nicht dessen Mitglied.
„Insgesamt verliert der Bundestag zwei fachkundige Politiker.“
Was ist das Problem.
Der Bundestag „verliert“ immer und laufend und nach jeder Legislaturperiode neu .. Politiker. Das ist so gewollt, denn in Deutschland gibt es „Macht auf Zeit“ . Eine hervorragende Idee und bei der soll es bleiben.
@Alpha November: Um ihre Frage zu beantworten, die Große Koalition hat vereinbart, daß die SPD das Vorschlagsrecht für den Wehrbeauftragten hat. Jede Fraktion im Bundestag kann natürlich einen Kandidaten aufstellen, aber da die Große Koalition die Mehrheit im Bundestag hat, wird der Bundestag den Kandidaten oder die Kandidatin wählen, welche die SPD-Fraktion dem Bundestag vorschlägt und die Union eben keinen eigenen Kandidaten nominieren.
@Josef König & T.Wiegold: Hier liegt ein Missverständnis vor. Da es in diesem Thread um die Nominierung eines Wehrbeauftragten geht durch die SPD-Fraktion(nicht um die Wahl desselben im BT) meinte ich, daß Herr Kahrs sich in der SPD-Fraktion zur Wahl hätte stellen sollen oder in der Fraktion Herrn Bartels hätte vorschlagen sollen.
Bleibt aber noch die Frage, wer Herrn Kahrs als Wehrbeauftragten verhindert hat? War dies wirklich Mützenich oder war es die Union? Denn eine große Tageszeitung hat geschrieben, daß Kahrs der erste Kandidat für das Amt des Wehrbeauftragten gewesen wäre, aber von der Union verhindert worden wäre. Der Abschied von Kahrs liest sich für mich aber nicht so, als hätte die Union ein Veto gegen Herrn Kahrs eingelegt, sondern Herr Mützenich.
@ Closius
Nein.lieber Herr Closius.
Aus dem Brief des ehemaligen Mitgliedes des Deutschen Bundestags:
„Für das Jahr 2020 habe ich mir seit Langem einen persönlichen Neuanfang vorgenommen. Nach 21 Jahren im Deutschen Bundestag, seit fast 40 Jahren in der SPD, wird es Zeit, für mich andere Wege zu gehen. Ich wollte einen Neuanfang in der Politik. Da mir die Bundeswehr sehr am Herzen liegt, als Oberst der Reserve, ehemaliges Mitglied im Verteidigungsausschuss oder als langjähriger Berichterstatter für das Verteidigungsministerium im Haushaltsausschuss, hätte ich gerne für das Amt des Wehrbeauftragten des Deutschen Bundestages kandidiert.“
Erstens, es kann nicht heißen „kandidiert“ sondern im besten Fall “ vorgeschlagen worden zu sein“.
Und zweitens.
Seit wann muss eine Fraktionsführung auf die eigene beschriebene persönliche Lebensplanung eines Fraktionsmitgliedes Rücksicht nehme, der zugleich in seinem Schreiben darauf hinweist, dass man doch eigentlich gerne Wehrbeauftragter werden möchte? Das ist doch dreist. Das Amt des Wehrbeauftragten ist doch kein Erbhof. Es ist das legitime Recht einer Fraktionsführung darüber zu entscheiden, wer dem Pralament vorgeschlagen wird. Ich gebe gerne zu, dass dies der Fraktionsführung nicht optimal gelungen ist zumal die vorgeschlagene Kandidatin zugleich im Geschäftsführenden Fraktionsvorstand selbst dem Vorschlag zu Ihren Gunsten zugestimmt hat.
Nach meinen Eindruck und nach dem wiederholten Lesens des Schreibens des zwischenzeitlich ehemaligen Mitgliedes des Deutschen Bundestages kann ich nur schließen: Der Schuss ging nach hinten los.
@MG:
Schon klar, die Formulierung war bewusst so gewählt. Aber auch der Abgang eines Hilfsorganes, dessen Verwaltung zum Bundestag gehört, kann ein Verlust sein.
@Josef König:
Ja Wechsel gehört zur Demokratie.
Trotzdem darf man ja darüber nachdenken wie sich ein abrupter Wechsel an zwei Schlüsselpositionen auswirkt.
Etwas seltsame Debatte heute hier.
Egal warum der Herr Mützenich die gute Frau Högl favorisiert – der große Verlierer sind die Soldaten und die Bundeswehr.
So wie die Schwerpunkte auf der Homepage von Frau Högl bisher dargestellt werden ist die Bundeswehr nicht wesentlicher Teil ihres Horizonts gewesen.
Schau mer mal……
Kahrs wäre nicht er selbst, wenn er mit seinem Background keinen Plan hätte.
Nach 22 Jahren Bundestag Zeit für was Neues. Stichwort 》Werftenverbund《.
Kann mir nicht vorstellen, dass Herr Kahrs wegen der WB-Geschichte hingeschmissen hat. WB war sein backup.
Abschliessend den Hut als WB in den Ring schmeissen – wissend um die Autogegenreaktion:
Mützenich Führungsstärke.
Bartels weg. Högl massiv vorgeschädigt.
In Hamburg sagt man Tschüss. Auch als Bremer.
Morgenupdate:
Die Ehefrau des Wehrbeauftragten, Journalistin und frühere KielerOB, Susanne Gaschke, ist nach 33 Jahren soeben aus der SPD ausgetreten und begründet dies ausdrücklich mit dem Umgang mit ihrem Mann. Artikel bei WELT online.
Herr Kahrs ist entweder ganz schön dünnhäutig als Berufspolitiker, oder er hat einfach nur einen Grund gesucht. Festzuhalten ist, das bisher noch kein Spitzenpolitiker in ein tiefes Loch gefallen ist, und wenn er als Lobbyist „arbeitet“.
Dass bei Herrn Kahrs eine Menge gekränkter Eitelkeit zu dem Schritt geführt hat, sich komplett zurückzuziehen, lässt sich anhand der inkonsistenten Abschiedsworte klar ablesen.
Mit ein wenig mehr „Arsch in der Hose“ hätte er klar GEGEN Frau Högl gestimmt und nicht mitgestimmt oder sich – wahrscheinlich – nur enthalten. Von einem Abgeordneten des Bundestages und Oberst d.R. darf und muss ich erwarten können, dass er sich klar äußert und Haltung zeigt. Da er dies nicht getan hat, bin ich froh, dass er nicht WB geworden ist.
Auch ist den Vorschreibern Recht zu geben, dass ein Fraktionsvorsitzender oder eine Fraktion keinerlei Rücksicht auf ein einzelnes Mitglied zu nehmen hat.
Gleichzeitig befremdet mich der Gesamtton: Während vor ein paar Tagen noch Herr bartels als (meiner Meinung nach zu Recht) guter WB gefeiert und seine „Abberufung durch Nichtnominierung“ scharf kritisiert wurde, herrst hier jetzt eine – „…dann will ich wenigstens den Kahrs haben..“-Stimmung vor.
So schnell gehen also gestandene Soldaten von der Fahne…. (SCNR)
Dass Frau Högl durch ist, ist jedem klar, der sich mit den klassischen Mauschelmechanismen ein wenig auskennt.
Das Thema NT ist bis auf Weiteres vom Tisch. Und zwar so lange, bis die Rahmenbedingungen NT unmöglich machen, weil die Tornados rein technisch nicht mehr fliegen können und die Entscheidung für oder gegen F18 oder EF4 immer noch nicht gefallen sind.
Es sind allerdings auch die Sieger und Verliere der Aktion klar bekannt
Gewonnen haben:
– Frau Högl
– die Berliner SPD, deren Personalrochade ihr Personal perfekt plaziert hat
– Herr Mützenich, der die Fraktion auf seinen Kurs komplett eingeschworen hat (keine Gegenstimmen und nur zwei Enthaltungen)
– der linke Flügel der SPD
– die AfD, die sich als einzig konservative Bundeswehrunterstützer gerieren werden können
Verloren haben:
– die Soldaten (m/w/d) der Bundeswehr, die jetzt klar wissen, dass sie nur den Status des „bewaffneten THW“ in weiten Teilen der Politik hat und mit angemessener Unterstützung (moralisch und finanziell), Ausstattung und Wertschätzung nicht zu rechnen haben
– die Innere Führung, denn mit unvoreingenommenem Blick auf die Sorgen, Nöte, aber auch Pflichten der Soldaten (m/w/d) rechne ich in dieser Gemengelage nicht
– die Bundesrepublik Deutschland, weil sie die durchaus dikutable Frage der NT nicht dikutiert, sondern das Thema (mal wieder) stillschweigend abserviert und durch klare Personalentscheidungen manifestiert hat.
– die NATO, denn Deutschland hat sich wieder einmal als wankelmütiger Moralist ohne inneren Kompass erwiesen. Ich kann gut versten, dass man sich mit Deutschland nicht mehr auseinandersetzt, wenn es darum geht, zu handeln. Wer nicht handelt, braucht auch nicht am Tisch zu sitzen, wenn entschieden wird. wer nicht beitragen kann und will, ist nicht notwendig, sondern Zeitverschwendung.
– FCAS, denn auch, wenn man für derlei Vorhaben einen langen Atem braucht – irgendwann muss man entscheiden. Wenn ich Frankreich wäre, würde ich FCAS noch ein wenig weiter machen, mir aber die Briten und Italiener ins Boot holen (die Spanier sind gerade mit ganz anderen sachen beschäftigt) und TEMPEST parallel weiter betreiben. Entweder lasse ich dann ein Projekt sterben oder ich zwinge es, zu fusionieren.
Wer sich wehrtechnisch und strategisch auf Deutschland verlässt, ist verlassen – das sollte jetzt auch dem Letzen klar werden.
Schade, aber die bisher positiven Entwicklungen in Ausrüstung und Aufstellung der Bw sind jetzt klar abgekündigt.
Das mag man als Cassandrarufe deuten, aber ich denke, dass der Weg mit dieser Personalentscheidung und der Konsesualität des Wahlergebnisses nicht anders sein kann.
Schade.
Hier wird mehr über Personen und ihre Karriereentwicklungen spekuliert, als über die Bedeutung der Personenwechsel für die Politik.
Politik wird von Menschen erdacht und ausgeführt, also gemacht. Dass die SPD zwei ausgewiesene Sicherheitspolitiker „verabschiedet“ bedeutet etwas für die von diesen beiden vertretene Richtung.
Das erkennt man auch an dem Vorstoß gegen die nukleare Teilhabe („Trump ist eine Gefahr“), der Ablehnung der F18 Beschaffung und dem Rückzug aus den Solidareinsätzen im Rahmen der NATO.
Was folgt als nächstes?
Hier wird die Westbindung der BRD in Frage gestellt. Das ist das eigentliche Problem.
@CRM-Moderator
Die Nichtnominierung ihres Ehemannes für eine 2. Amtszeit ist, so lese ich den Text von Frau Gaschke, der Tropfen, der das Fass zum Überlaufen brachte.
Die groß angelegte Unzufriedenheit mit nicht nur SiPo- Fragen, Bsp.: „Auf der anderen Seite habt Ihr angefangen, alle möglichen „Zielgruppen“ paternalistisch mit Leistungen beglücken zu wollen: Alleinerziehende, Rentner, Geringverdiener. Ihr werft mit Geld nach Problemen. Nicht immer sind es die richtigen Probleme, und niemals interessiert Euch das Ergebnis. Ihr wisst ja sowieso schon, dass Ihr die Welt besser gemacht habt“ –
ließen sie diesen Schritt vollziehen. Den Sicherheitspolitikern, allen voran den Seeheimern, aber auch der Fraktion in Gänze muss dieser Entschluss einer anerkannten Kommunalpolitikerin zu denken geben. Die Kontextualisierung zur Nachfolge im Amt des WB bleibtb offensichtlich. Aufpassen muss die SPD, dass prinzipiell gegen Amerika und die Nato zu sein, nicht eine „Tradition“ wird.
Mehr hierzu wäre sicherlich OT.
Ein direkt gewählter Bundestagsabgeordneter gibt sein Mandat vorzeitig zurück (17 Monate).
Das ist eigentlich nur aus Krankheitsgründen oder wegen gemachter Fehler in Ordnung.
Wenn man jetzt unbedingt sich umorientieren will, hätte man das auch Herbst 2021 machen können.
Für jeden seiner Wähler aus seinem Wahlkreis ist das eine Ohrfeige.
„wie sich ein abrupter Wechsel an zwei Schlüsselpositionen auswirkt“
Zu sehen alle 4 Jahre nach der Wahl und manchmal auch mittendrin (von der Leyen – AKK). Das Land läuft trotzdem noch.
@Mithos
+1
@Alle
An den Reaktionen dieser gestandenen Politiker sieht man doch, wie dünnhäutig alle sind, wenn es um Posten und Macht geht.
Wenn Kahrs schon lange geplant hat 2020 einen Neuanfang zu starten, dann hat das nichts mit dem WB zu tun.
Denn Bartels hätte auch verlängert werden können. Was dann Herr Kahrs?
Das mit dem Werftenverbund könnte ich mir auch gut vorstellen, jetzt nach 20 Jahren Bundestag die Früchte (in Form von Geld) einfahren als „Leiter Strategische Ausrichtung“ oder ähnliches.
Kahrs hat im Januar 2020 für 4 neue A13 Stellen beim Wehrbeauftragten gesorgt – Stellen, die der Amtsinhaber Bartels gar nicht beantragt hatte. Ein Schelm, der dahinter einen längerfristigen Plan vermutet. Falls, dann Jedenfalls keinen Plan B für die Zukunft von Johannes Kahrs.
@Bow sagt: 06.05.2020 um 10:23 Uhr
„Gewonnen haben: – die AfD, die sich als einzig konservative Bundeswehrunterstützer gerieren werden können“
Naja, so der große Bundeswehrunterstützer ist die AfD nun nicht, ein Blick ins Programm verschafft Klarheit. Auch die Gegenstimmen im Bundestag gegen jede (!) Auslandsmission sprechen Bände. Am besten aus der NATO austreten und nur noch seins machen. Schneller kann man keine Armee kastrieren.
Aber das ist auch ein Thema, das für den nicht militärisch angehauchten Wähler bei einer Kategorisierung von A-F in Kategorie G fällt.
[Diesen Exkurs Richtung OT hätten wir dann auch erledigt… T.W.]
Tiefer blicken lässt ein Artilel bei ntv. MdB Kahrs teilt mit, dass ihm Mützenich die Nominierung als WB zuerst zugesagt, jedoch später widerrufen hat mit dem Argument „Schwierigkeiten mit der Union“. Kurz vor der offiziellen Nominierung des Kandidaten sei ihm mitgeteilt worden, dass er nicht mehr gesetzt ist.
Mein Fazit, ein personeller Schlingerkurs, der sich ebenso in der politischen Führung der Sicherheitspolitik hinsichtlich der Bw-Ausrüstung wieder findet. Eine tiefe Verärgerung von Kahrs ist für mich aus dem Ablauf absolut verständlich.
[n-tv.de kann man hier verlinken:
https://www.n-tv.de/politik/Kahrs-Ich-hatte-schon-die-Zusage-article21762816.html
T.W.]