Eurofighter als „Rückgrat der Luftwaffe“, US-Modell F-18 als „Brückenlösung“ (Zusammenfassung)

Die Bundeswehr soll als Ersatz für ihre betagten Tornado-Kampfflugzeuge sowohl neue Maschinen des Typs Eurofighter als auch US-Flugzeuge des Typs F-18 von Boeing erhalten. Mit dieser – erwarteten – Entscheidung setzte das Verteidigungsministerium das Verfahren für die Beschaffung der neuen Kampfjets in Gang, die ab der zweiten Hälfte dieses Jahrzehnts der Luftwaffe zur Verfügung stehen sollen. Mit den US-Flugzeugen soll dabei sowohl die so genannte Nukleare Teilhabe als auch die elektronische Kampfführung aus der Luft sichergestellt werden.

Nach Planung des Wehrressorts soll der Eurofighter, ein europäisches Kampfflugzeug aus Deutschland, Großbritannien, Italien und Spanien langfristig weiterhin das Rückgrat der Luftwaffe bilden. Die F-18 aus den USA seien dagegen als Brückenlösung gedacht, bis das gemeinsame Future Combat Air System (FCAS) von Deutschland, Frankreich und Spanien eine gemeinsame europäische Lösung dafür bereitstellt.

Über die Ablösung der 85 betagten Tornado-Kampfjets der Luftwaffe wurde bereits seit langem diskutiert. Die frühere Verteidigungsministerin Ursula von der Leyen hatte im Januar vergangenen Jahres entschieden, dass als Nachfolgemodelle der Eurofighter und die F-18 untersucht werden sollten. Dabei ging es nicht zuletzt um die Fähigkeit, in Deutschland stationierte US-Atomwaffen mit deutschen Kampfjets ins Ziel zu bringen. Eine Beschaffung der F-35, des modernsten US-Kampfjets, hatte die Ministerin dagegen ausgeschlossen.

Von der Leyens Nachfolgerin Annegret Kramp-Karrenbauer informierte die Abgeordneten von Verteidigungs- und Haushaltsausschuss am (heutigen) Dienstag über die Entscheidung, welche neuen Flugzeuge künftig den Tornado ersetzen sollen:

• Zusätzlich zu den vorhanden 141 Eurofightern sollen 93 neue Flugzeuge dieses Typs beschafft werden:
– 38 Eurofighter der so genannten Tranche 4 als Ersatz für die Eurofighter der ersten Generation, der so genannten Tranche 1
– 40 weitere Eurofighter, die den Tornado in der Rolle als Jagdbomber ablösen sollen und
– zunächst nur als Option vorgesehene weitere 15 Eurofighter, die für den elektronischen Kampf ausgelegt sind.

• 30 Kampfjets des US-Typs F/A-18 F Super Hornet Block III, die modernste Version, auf die auch die U.S. Navy ihre F-18-Maschinen aufrüstet, vor allem für die Nukleare Teilhabe. Diese Flugzeuge sind bislang zwar nicht für den Einsatz von Atomwaffen zertifiziert. Da aber eine frühere Variante der F-18 dafür von den US-Behörden freigegeben war, geht das deutsche Verteidigungsministerium davon aus, dass der Zertifizierungsprozess nicht bei Null beginnt und damit schneller und kostengünstiger möglich ist als bei einem anderen Flugzeug.

• 15 Kampfjets des US-Typs E/A-18 Growler, die für die so genannte luftgestützte elektronische Kampfführung ausgerüstet sind und damit unter anderem die bislang für den Tornado vorgesehene Bekämpfung der gegnerischen Luftabwehr (Suppression of Enemy Air Defense, SEAD) übernehmen.

Nach den Worten von Kramp-Karrenbauer folgt Deutschland mit der Beschaffung eines US-Flugzeugs für den Atomwaffeneinsatz vor allem seiner Zusage in der NATO, weiterhin mit der Nuklearen Teilhabe an der atomaren Abschreckung im Bündnis teilzunehmen:

Ich habe innerhalb der Bundesregierung bislang keine andere Festlegung gehört. Es gibt auch keine Passage im Koalitionsvertrag, die das meines Wissens infrage stellt. Die konkrete Entscheidung über die Tornado-Nachfolge im Parlament wird in der nächsten Legislaturperiode fallen. Das heißt, dass in der vorangehenden Bundestagswahl und den anschließend zu führenden Koalitionsverhandlungen Raum für eine solche Debatte sein wird.

sagte die Ministerin der Süddeutschen Zeitung (Link aus bekannten Gründen nicht, ohnehin hinter Paywall).

Und sie machte damit deutlich, dass das jetzt eingeleitete Verfahren noch keine Beschaffungsentscheidung ist. Die soll nach den Plänen des Ministeriums für die US-Flugzeuge, aber auch für die zusätzlichen Eurofighter über die 38 Ersatzmaschinen hinaus, erst Ende 2022 oder Anfang 2023 dem Bundestag zur Billigung vorgelegt werden – nach der nächsten Bundestagswahl. (Eine Parlamentsentscheidung über die 38 Eurofighter der Tranche 4 soll noch in diesem Jahr fallen.)

Allerdings müssen aus Sicht des Wehrressorts die Gespräche sowohl mit der US-Regierung, die den Kauf der F-18 als Foreign Military Sales freigeben muss, als auch mit der Industrie in den USA und in Europa möglichst bald beginnen. Das Ziel ist aus Sicht des Verteidigungsministeriums und der Luftwaffe, die Ablösung der Tornados bis 2030 hinzubekommen – dafür müssten die ersten der neuen Maschinen, ob Eurofighter oder F-18-Varianten, in der zweiten Hälfte dieses Jahrzehnts zulaufen.

Deswegen hatte Kramp-Karrenbauer nach ihren Angaben am (gestrigen) Montag mit ihrem US-Kollegen Mark Esper telefoniert: Die amerikanische Seite ist sich über das Verfahren sehr bewusst und weiß daher, dass mögliche Gespräche jetzt kein Präjudiz sind. Eine formale Anfrage Deutschlands steht allerdings noch aus.

Mit der Planung werde, so heißt es aus dem Ministerium, auch technisches und industrielles Know-How in Deutschland erhalten und gefördert. Vor allem sei die deutsche wehrtechnische Industrie mit dem geplanten Kauf weiterer Eurofighter als auch der Entwicklung des FCAS-Projekts perspektivisch ausgelastet. Zudem würden auch hierzulande Arbeitsplätze gesichert – eine Aussage Richtung Airbus und IG Metall, die bei einer Entscheidung für den Kauf von US-Kampfjets ein Ende des militärischen Flugzeugbaus in Deutschland prognostiziert hatten.

Offen bleibt dabei, wie der Bundestag in gut zwei Jahren die Bedeutung der nuklearen Teilhabe einschätzt – die NDR-Sendung Streitkräfte und Strategien hatte kürzlich darauf verwiesen, das neue seegestützte Nuklearwaffen der USA die von Flugzeugen ins Ziel gebrachten US-Atomwaffen in Europa praktisch überflüssig machen könnten.

Aus der Opposition reagierte der Grünen-Verteidigungsexperte und Haushälter Tobias Lindner ablehnend auf den Vorschlag aus dem Ministerium:

Ob die Zahlen, die jetzt für Eurofighter und F-18 genannt werden, wirklich aus dem Auftrag der Bundeswehr abgeleitet sind oder nicht vielmehr einem sachfremden koalitionsinternen und industriepolitischem Rational entspringen, bleibt das Geheimnis der Verteidigungsministerin. Mich überzeugt diese Lösung nicht. (…)  Die Beschaffung der F18 jetzt primär mit der antiquierten und sicherheitspolitisch äußerst fragwürdigen nuklearen Teilhabe zu begründen, zeigt, dass dies die falsche Kaufentscheidung ist.
Wer wie Annegret Kramp-Karrenbauer die Beschaffung der F18 mit der nuklearen Teilhabe begründet, gleichzeitig aber seit jeher jegliche Debatte über die Nuklearstrategie der NATO im Verteidigungsausschuss vermeidet, entzieht einer solchen Beschaffung die parlamentarische Grundlage. Die heutige Ankündigung über die geplante Beschaffung der Tornado-Nachfolge ist eine persönliche Präferenz der Verteidigungsministerin, mehr auch nicht.

(Archivbild August 2019: Lt. Cmdr. Benjamin Orloff, assigned to the „Blue Blasters“ of Strike Fighter Squadron 34, conducts a supersonic pass in an F/A-18E Super Hornet next to the guided-missile destroyer USS Gridley during a training exercise – U.S. Navy photo by Mass Communication Specialist 2nd Class Cameron Stoner)