Corona-Amtshilfe der Bundeswehr: Der Sanitätsdienst ist an der Grenze

Bei der Unterstützung von Ländern und Kommunen in der aktuellen Coronavirus-Pandemie stößt die Bundeswehr mit der Amtshilfe vor allem bei Sanitätsausstattung an ihre Grenzen. Die Material- und Personalressourcen des militärischen Sanitätsdienstes machten weniger als ein Prozent der Ausstattung des deutschen Gesundheitswesens aus, warnte das Verteidigungsministerium.  Aber auch die übrige Ausstattung wird knapp – bis hin zur Einsatzverpflegung.

In einem Brief an den Verteidigungsausschuss des Bundestages vom (gestrigen) Freitag, über den zuerst Spiegel Online berichtet hatte, warnte der Abteilungsleiter Strategie und Einsatz des Verteidigungsministeriums, Generalleutnant Bernd Schütt:

Aufgrund der angespannten Marktsituation in der Beschaffung und des Eigenbedarfs der Bundeswehrkrankenhäuser in der Gesundheitsversorgung stößt die Bundeswehr auch an Grenzen in der Unterstützung mit persönlicher Schutzausstattung und medizinischem Gerät. Dies gilt insbesondere für Beatmungsgeräte. Hintergrund ist hier u.a. die Auflösung ehemals vorhandener Reservelazarettgruppen.

Zudem seien die Bundeswehr-Mediziner bereits jetzt in die Bewältigung der Pandemie eingebunden, schrieb der Abteilungsleiter. Die fünf Bundeswehrkrankenhäuser stellten derzeit rund 80 Prozent ihrer Kapazitäten für die zivile Gesundheitsversorgung zur Verfügung. Außerdem würden mobile Einheiten des Sanitätsdienstes in Bereitschaft gehlaten, die bei Bedarf eingesetzte zivile wie militärische Kräfte unterstützen könnten.

Schütt nannte die bereits bekannten Zahlen der Amtshilfeersuchen und bestätigte, dass von 286 (die Zahl ist da unscharf, teilweise wurde 287 genannt) fast die Hälfte, nämlich 131, abgelehnt wurde:

Die Ablehnungen erfolgten überwiegend aufgrund fehlender Ressourcen. In diesem Zusammenhang ist u.a. festzustellen, dass die Bundeswehr – anders als in der Flüchtlingskrise 2015 – über kein zusätzliches Liegenschaftsmaterial mehr verfügt, sodass wir entsprechende Anträge nicht mehr erfüllen können. Eine vergleichbare Situation besteht bei der Unterstützung mit Verpflegungspaketen (EPA).

Auch bei der Unterstützung anderer europäischer Länder wie Frankreich und Italien, aus denen die Luftwaffe in den vergangenen Tagen a Covid-19 erkrankte Intensivpatienten in deutsche Krankenhäuser geflogen habe, kommt der Sanitätsdienst der Bundeswehr nach Angaben des Generals an seine Grenzen – in seinen Krankenhäusern:

Die Bundeswehr unterstützt beim Lufttransport von Intensivpatienten im Rahmen ihrer Möglichkeiten, das heißt, sie übernimmt in Einzelfällen auf Anfrage der europäischen Nachbarländer bei nicht anders abzudeckendem Bedarf den intensivmedizinischen Transport. Vor dem Hintergrund der materiellen und personellen Ressourcen (weniger als ein Prozent der medzinischen Ressourcen der Bundesrepublik Deutschland) ist auch diese Unterstützung limitiert. Die Aufnahmekapazität von Intensivpatienten aus Nachbarländern in Bundeswehrkrankenhäusern ist derzeit erschöpft. Das erklärt u.a. auch, warum wir in der derzeitigen Situation nicht in der Lage sind, fachlich qualifiziertes Pflegepersonal für Amtshilfeersuchen zur Verfügung zu stellen.

Außerhalb des medizinischen Bereichs hält die Bundeswehr dagegen noch eine starke Reserve vor: Fast 15.000 Soldatinnen und Soldaten stehen zeitlich gestaffelt für Transport und Logistik, aber auch für Sicherungsaufgaben bereit. Von ihnen ist bislang nur ein geringer Teil tatsächlich eingesetzt.

Die Anweisung, die Lieferung von medizinischem Material an zivile Stellen grundsätzlich einzustellen, ist vom Ministerium bislang noch nicht erteilt worden; nach Informationen von Augen geradeaus! wird das allerdings derzeit vorbereitet. Schütts Brief an die Bundestagsabgeordneten ist vor allem ein indirekter Warnruf an Länder und Kommunen – vermutlich auch in der Hoffnung, dass diese Nachricht über die Wahlkreise auch bei den örtlichen Politikern ankommt.

(Archivbild März 2020: Vorbereitungen in der Intensivstation des Bundeswehrkrankenhauses Hamburg – Sandra Herholt/Bundeswehr)