Corona-Pandemie und Bundeswehr – Sammler 17. März

Wie schon am Vortag ein Sammler zu den Informationen, die im Zuge der aktuellen Coronavirus-Pandemie mit der Bundeswehr und mit Streitkräften zu tun haben. Nach Möglichkeit wird ergänzt:

• In einer am (heutigen) Dienstag erlassenen Weisung Nr. 3 zum Erhalt der Führungsfähigkeit des BMvg und der Einsatzbereitschaft der Bundeswehr im Falle einer COVID-19-Lageverschärfung wird es eher grundsätzlich: Für die Streitkräfte gelten zunächst einmal die grundlegenden Vorbeugungs- und Schutzmaßnahmen wie sonst auch. Allerdings wird dabei besonderer Wert darauf gelegt, dass die Bundeswehr handlungsfähig bleibt, wo erforderlich 24/7, unter Ausschöpfung geeigneter Verfahren wie reduzierter Vor-Ort-Präsenz und mobilem Arbeiten.

Dabei richtet sich die federführende Abteilung Strategie und Einsatz im Ministerium natürlich auch darauf ein, dass der Höhepunkt der Krise noch nicht erreicht ist:

Bei einer weiteren Lageverschärfung COVID-19 stellen sich die Streitkräfte, die Bundeswehrverwaltung, die Rechtspflege der Bundeswehr und die Militärseelsorge auf Weisung Leitung BMVg darauf ein, einen der jeweiligen Lage angemessenen Beitrag der Bw zum Erhalt der staatlichen Handlungsfähigkeit zu leisten.

Das ist sehr umfassend, und notwendigerweise auch recht unscharf gefasst. Etwas deutlicher wird es in den Anweisungen an den nachgeordneten Bereich, wo Verfahren zur Aurechterhaltung der Dauereinsatzaufgaben, Einsätze und einsatzgleichen Verpflichtungen angewiesen werden, ebenso die dauerhafte Befähigung zum Evakuieren, Retten und Befreien deutscher Staatsangehöriger/Schutzbefohlener im Ausland. 

Allerdings auch die Vorbereitung von Maßnahmen zur Hilfeleistung gemäß Artikel 35 des Grundgesetzes – also die Amtshilfe für zivile Behörden und Organisationen, auf die sich die Bundeswehr einstellt: Das kann von der Abstellung eines Lastwagens bis zur großflächigen Unterstützung der Polizei bei Absperrmaßnahmen reichen, je nachdem, was zivile Behörden vorgeben und vom Verteidigungsministerium freigegeben wird.

• Amtshilfe nach dem oben erwähnten Grundgesetz-Artikel 35 (Schwerpunkt dürfte Absatz 2 Satz 2 sein: Zur Hilfe bei einer Naturkatastrophe oder bei einem besonders schweren Unglücksfall kann ein Land Polizeikräfte anderer Länder, Kräfte und Einrichtungen anderer Verwaltungen sowie des Bundesgrenzschutzes und der Streitkräfte anfordern.) ist nach Angaben des Verteidigungsministeriums bisher nur in sehr begrenztem Umfang angefordert worden. Im Wesentlichen handele es sich um die Nutzung von Bundeswehr-Infrastruktur, zum Beispiel Lagermöglichkeiten, sagte ein Ministeriumssprecher.

• Der bereits am Sonntag angekündigte Tagesbefehl des Generalinspekteurs zu dem Thema soll nun heute veröffentlicht werden.

• Nach wie vor unklar und sehr unterschiedlich sind die Regelungen für Lehrgänge in der Bundeswehr. Aus Teilnehmerkreisen erreichen mich Hinweise, dass einzelne Lehrgänge mit aus ganz Deutschland zusammengezogenen Soldaten weiterlaufen. Die Entscheidungen, welche Lehrgänge eingestellt werden und welche nicht, wird allerdings vom Ministerium nicht zentral vorgegeben. In der Weisung Nr. 3 heißt es dazu nur, der nachgeordnete Bereich trifft Regelungen für Ausbildungseinrichtungen zur Erreichung dringend erforderlicher Ausbildungsziele unter Ausschöpfung geeigneter Verfahren wie reduzierter Vor-Ort-Präsenz, Auflockerung und Distance Learning.

• Aus den USA berichtet Associated Press, warum selbst beim US-Militär mit seiner um ein Vielfaches größeren Ausstattung die Unterstützung im Kampf gegen die Pandemie begrenzt bleiben muss:

Military faces limitations in responding to virus outbreak

• Die – bislang! – umfassendste Amtshilfe aus dem Bereich des Verteidigungsministeriums kam vom Bundesamt für Ausrüstung, Informationstechnik und Nutzung der Bundeswehr (BAAINBw). Der Ehrlichkeit halber: Die Hälfte der vom BAAINBw organisierten Beschaffung hat die Beschaffungsbehörde des Bundesfinanzministeriums beigesteuert:

In der vergangenen Woche hat das Bundesgesundheitsministerium die Bundeswehr um Unterstützung bei der Beschaffung von Schutzmasken, Handschuhen, Desinfektionsmitteln und weiterem medizinischen Material gebeten. (…)
Trotz der bereits vielfach in den Medien berichteten angespannten Marktsituation bei Schutzausrüstungen konnte das BAAINBw bereits innerhalb kurzer Zeit zum Beispiel die Lieferung von über 300.000 Schutzbrillen und Schutzmasken veranlassen.
„Allein bis heute haben wir 33 Verträge mit einem Volumen von etwa 224 Millionen Euro vergeben. Der Großteil des Materials soll bereits bis Ende März geliefert werden“, sagte Gabriele Korb, Präsidentin des BAAINBw.
Elf dieser Verträge mit einem Volumen von etwa 113 Millionen Euro wurden durch die Generalzolldirektion, das Beschaffungsamt des Bundesfinanzministeriums beigesteuert.
Die Beschaffungsämter des Bundes arbeiten mit Priorität weiter daran, das seitens des Bundesministeriums für Gesundheit identifizierte, dringend benötigte Material zur Aufrechterhaltung des Gesundheitssystems sowie zum Schutz der Bevölkerung zu beschaffen.

• Marineinspekteur Andreas Krause veröffentlichte einen Informationsbrief zur Lage in der Deutschen Marine, unter anderem: Einzelne Infektions- und Verdachtsfälle bei Schulen, beim Seebataillon und seegehenden Einheiten. Ausbildungsmaßnahmen seien angepasst oder zum Teil eingestellt worden, aber der Ausbildungs-, Übungs- und Einsatzbetrieb sei weitgehend unberührt.
20200317_INfo_InspMarine-1
20200317_Info_Insp_Marine-2

• Die Bundespressekonferenz kündigte an, dass Verteidigungsministerin Annegret Kramp-Karrenbauer am kommenden Donnerstag (also übermorgen) zum Thema Die Unterstützung der Bundeswehr bei der Eindämmung von Covid-19  in die BPK kommen werde. (Derzeit werden alle Bundespressekonferenz zu dem Thema von div. Fernsehsendern wie z.B. Phoenix live übertragen; dürfte da auch der Fall sein.)

• Bundesernährungsministerin Julia Klöckner sieht vorerst keine Notwendigkeit, zur Sicherstellung von Lieferketten auf die logistische Amtshilfe der Bundeswehr zurückzugreifen. Die Lieferketten funktionierten derzeit, und sinnvoller wäre es zunächst, einen beschleunigten Grenzübergang für Lastwagen sicherzustellen, sagte sie in der Bundespressekonferenz.

• Der angekündigte Tagesbefehl des Generalinspekteurs ist jetzt veröffentlicht, darin heißt es unter anderem:

Auch unter den besonderen Bedingungen der COVID-19-Lage müssen und werden wir unsere Kernaufgaben erfüllen, ob in den Auslandseinsätzen, einsatzgleichen Verpflichtungen, Dauereinsatzaufgaben oder zu Hause im Grundbetrieb. Dazu gehört auch, die dafür erforderliche Ausbildung weiterhin zu gewährleisten.
Zusätzlich stellt sich die Bundeswehr auf die Unterstützung von Bundesressorts, Ländern und Kommunen in Deutschland im Wege der Amtshilfe ein. Wir leisten damit einen Beitrag zum Erhalt der staatlichen Handlungsfähigkeit. (…)
Es kommt darauf an, wo immer möglich mit reduzierter Vor-Ort-Präsenz, Schichtbetrieb, Bereitschaftsregelungen und mobilem Arbeiten die Bundeswehrangehörigen vor Infektion zu schützen, um so gleichzeitig die Durchhalte- und Reaktionsfähigkeit der Bundeswehr insgesamt zu erhalten. (…)
Ich fordere Sie alle auf, mit Ihrer Arbeit, auch unter diesen schwierigen Rahmenbedingungen weiterhin tatkräftig zur Einsatzfähigkeit der Bundeswehr beizutragen. Ihre Erfahrung und Ihr Können sorgen dafür, dass sich die Gesellschaft auf uns verlassen kann. Dies gilt im besonderen Maße auch für unsere Reservistinnen und Reservisten, ich zähle auf Sie und Ihre Unterstützung zur Sicherstellung der Durchhaltefähigkeit der aktiven Truppe, sollte die Lage dies erfordern.
(Vorsichtshalber auch hier noch als pdf:
20200317-Tagesbefehl_GI_Corona)

• Der Berliner Senat plant Maßnahmen für die Errichtung eines Covid-19-Krankenhauses (der Begriff Notlazarett wird vermieden…) für 1.000 Patienten – mit Hilfe der Bundeswehr. Nach Informationen von Augen geradeaus! war am Dienstagnachmittag allerdings noch kein entsprechendes Amtshilfeersuchen bei der Bundeswehr eingegangen.

• Auswirkungen auf die Auslandseinsätze, also vor allem auf Kontingentwechsel: Quarantäne vor Afghanistan-Einsatz, Abzug aus dem Irak

• Wie schon zu erwarten war: Die für den 24. März geplante Debatte über bewaffnete Drohnen für die Bundeswehr ist angesichts der Entwicklung und der Veranstaltungsverbote in Berlin abgesagt.

• Die Karrierecenter der Bundeswehr stellen die Prüfungen für neue Bewerber ein:

Ab Mittwoch, 18. März 2020, finden in den bundesweiten Karrierecentern und dem Assessmentcenter für Führungskräfte der Bundeswehr keine Assessments und Prüfverfahren mehr statt. Die Regelung gilt auf unbestimmte Zeit. Für alle Bewerberinnen und Bewerber, die sich am heutigen Tage noch in einem Feststellungsverfahren befinden, wird das Assessment noch wie geplant durchgeführt. Alle bereits eingeladenen Bewerberinnen und Bewerber werden umgehend über diese Maßnahme informiert und zu einem späteren Termin erneut eingeladen.
Ausgenommen von dieser Maßnahme ist die Eignungsfeststellung für Reservistendienst Leistende. Diese werden nach wie vor geprüft und aktiviert – gerade wegen Covid-19.

(Weiter nach Entwicklung)